Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 10.05.2010, Az. 2 BvR 869/10

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2010, 6808

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahme einer mangels Rechtswegerschöpfung unzulässigen Verfassungsbeschwerde: Rechtsschutz vor den Fachgerichten zugunsten eines Strafgefangenen bei verweigerter Termineinräumung für Erhebung einer Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

2

1. Der Beschwerdeführer hat schon den Rechtsweg nicht erschöpft.

3

Die vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde grundsätzlich erforderliche Erschöpfung des Rechtsweges (§ 90 Abs. 2 Satz 1 [X.]G) ist im vorliegenden Fall nicht deshalb ausnahmsweise entbehrlich (§ 90 Abs. 2 Satz 2 [X.]G), weil nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers die von ihm beantragte Ausführung zur Niederschrift einer Rechtsbeschwerde (§§ 116, 118 [X.]) gegen den angegriffenen landgerichtlichen Beschluss bislang nicht stattgefunden hat.

4

[X.] hat nach § 118 Abs. 3 [X.] das Recht, eine Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen; hierzu muss ihm Gelegenheit gegeben werden (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 25. November 2008 - 2 BvR 2693/07 - juris). Dies kann nicht nur durch Gewährung von Ausgang oder durch Ausführung zur Geschäftsstelle, sondern auch innerhalb der Justizvollzugsanstalt geschehen, wenn der [X.] sich zur Aufnahme der Rechtsbeschwerde dorthin begibt.

5

Wird einem Gefangenen seitens der Justizvollzugsanstalt rechtswidrig die Möglichkeit versagt, eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen, so kann der Gefangene sich hiergegen mit einem Antrag nach [ref=df2a9afb-a947-4056-9590-8af24a5d4df8]§ 109 Abs. 1 [X.][/ref] wenden.

6

Wird dem Gefangenen die Gelegenheit, eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen, nicht dadurch vorenthalten, dass die Justizvollzugsanstalt sich weigert, ihm den Kontakt zum aufnahmebereiten [X.]n zu ermöglichen, sondern dadurch, dass der [X.] ihm keinen Termin einräumt, so obliegt es dem Gefangenen, sich hiergegen zunächst mit der Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 des Rechtspflegergesetzes ([X.]) zu wenden. Dabei ist es allerdings zunächst Sache der Fachgerichte, zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine in den Verantwortungsbereich der Justiz fallende verzögerte Protokollierung eine Verletzung des durch § 118 Abs. 3 [X.] eingeräumten verfahrensrechtlichen Anspruchs des Gefangenen darstellt, mit der Folge, dass hiergegen gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren und demgemäß die Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 [X.] als statthaft anzusehen wäre (vgl. [X.], a.a.[X.]).

7

Findet die Protokollierung ohne Verschulden des Gefangenen so spät statt, dass die Rechtsbeschwerdefrist versäumt wird, so kann der Gefangene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen (§ 120 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 45 StPO).

8

Diese Möglichkeiten, Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu erlangen, muss der Gefangene nutzen, bevor er in zulässiger Weise Verfassungsbeschwerde erheben kann.

9

2. Danach kann offenbleiben, ob die Verfassungsbeschwerde auch mangels ausreichender Begründung unzulässig ist, weil der Beschwerdeführer, der im fachgerichtlichen Verfahren eine unzureichende Berücksichtigung seiner familiären Belange gerügt hat (zur Berücksichtigung der Familienbeziehungen bei [X.] vgl. [X.]K 8, 36 <41 ff.>), in seiner Verfassungsbeschwerdeschrift nicht ausreichend verdeutlicht, weshalb er den angegriffenen Beschluss für grundrechtswidrig hält.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 869/10

10.05.2010

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Halle (Saale), 10. Februar 2010, Az: 7 StVK 40/10, Beschluss

GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 11 Abs 2 RPflG 1969, § 116 StVollzG, § 118 Abs 3 StVollzG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 10.05.2010, Az. 2 BvR 869/10 (REWIS RS 2010, 6808)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6808

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