Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2006, Az. I ZB 35/06

I. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1583

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[X.] vom 28. September 2006 in der Zwangsvollstreckungssache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 807 Der einzige Vorstand eines eingetragenen Vereins, der sein Amt erst nach der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt hat, ohne dass ein neuer gesetzlicher Vertreter bestellt worden ist, bleibt ver-pflichtet, für den Verein die eidesstattliche Versicherung abzugeben, wenn die Berufung auf die Amtsniederlegung rechtsmissbräuchlich wäre. [X.], [X.]. v. 28. September 2006 - [X.]/06 - [X.] - 2 - Der I. Zivilsenat des [X.] hat am 28. September 2006 durch [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann beschlossen: [X.] gegen den [X.]uss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 7. April 2006 werden auf Kos-ten der [X.] zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 500 • festgesetzt. Gründe: A. Der Schuldner und [X.] zu 1 ist ein eingetragener Verein. Er hat bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks durch Be-schluss des [X.] vom 20. Januar 2003 den Zuschlag erhal-ten, das [X.] aber nicht berichtigt. Die Gläubigerin betreibt gegen ihn aus einer vollstreckbaren Ausfertigung des [X.] die [X.], die bisher erfolglos geblieben ist. 1 - 3 - In den auf Antrag der Gläubigerin bestimmten Terminen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 30. Juni 2005 und 5. Januar 2006 legte der [X.] zu 2 als einziger gesetzlicher Vertreter des [X.] jeweils Widerspruch ein und bestritt die Verpflichtung zur Abgabe der ei-desstattlichen Versicherung. Das [X.] hat den Widerspruch vom 30. Juni 2005 durch rechtskräftigen [X.]uss vom 19. Juli 2005 als unbe-gründet zurückgewiesen. Auch den Widerspruch vom 5. Januar 2006 hat das Amtsgericht am 25. Januar 2006 als unbegründet zurückgewiesen; zugleich hat es die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor Eintritt der Rechtskraft [X.]. Im Termin vom 9. Februar 2006, zu dem er am 31. Januar 2006 ge-laden worden war, verweigerte der [X.] zu 2 die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für den Schuldner mit der Behauptung, er habe sein Amt als Vorstand am 6. Februar 2006 niedergelegt. 2 Auf Antrag der Gläubigerin hat das [X.] am 1. März 2006 gegen den Schuldner, vertreten durch den [X.] zu 2, Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlas-sen. In der Begründung des [X.]usses hat es den - nunmehr dritten - Wider-spruch des [X.]s zu 2 als rechtsmissbräuchlich bezeich-net. Der sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Haftbefehl hat das Amtsgericht nicht abgeholfen. 3 Am 16. März 2006 hat der [X.] zu 2 eine eidesstatt-liche Versicherung abgegeben mit der Erklärung: "Ich habe am 6.2.2006 das [X.] niedergelegt und danach die Unterlagen abgegeben. Angaben kann ich daher nur aus dem Gedächtnis machen und für deren Richtigkeit infol-gedessen keinerlei Gewähr übernehmen." 4 - 4 - Das [X.] hat die sofortige Beschwerde gegen den Haftbefehl zu-rückgewiesen. 5 Mit ihren vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerden begehren die [X.] weiterhin die Aufhebung des Haftbefehls vom 1. März 2006. 6 B. [X.] haben keinen Erfolg. [X.] [X.] sind gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der [X.] zu 2 ist durch den angefochtenen [X.]uss beschwert, weil ihn der Haftbefehl vom 1. März 2006 als gesetzlichen Vertreter des Schuldners und damit als Offenba-rungspflichtigen benennt (vgl. [X.] Rpfleger 1976, 323; [X.] 1976, 1147; [X.] WM 1984, 1343, 1344; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 901 Rdn. 17). 8 II. [X.] sind jedoch nicht begründet. 9 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls seien gegeben. Als ehemaliger gesetzlicher Vertreter des Schuldners habe der [X.] zu 2 die eidesstattliche Ver-sicherung abzugeben, auch wenn er sein Amt als Vorstand des Schuldners wirksam am 6. Februar 2006 niedergelegt haben sollte. Für einen eingetrage-nen Verein sei allerdings grundsätzlich der gegenwärtige gesetzliche Vertreter offenbarungspflichtig. Dies gelte auch dann, wenn der Vorstand nach [X.] sein [X.], ohne dass ein 10 - 5 - neuer Vorstand bestellt werde. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass der [X.] zu 2 sein Amt nur niedergelegt habe, um sich der [X.] zu entziehen oder die [X.] zu verhindern. Der [X.] zu 2 habe angegeben, er habe sein Amt niedergelegt, weil er von D. (dem Sitz des Schuldners) wegen "neuer beruflicher Perspektiven in [X.]" dauerhaft wegziehe. Ob die Amtsniederle-gung unter diesen Umständen treuwidrig sei, könne aber offen bleiben. Der [X.] zu 2 sei jedenfalls deshalb zur eidesstattlichen Versi-cherung verpflichtet, weil er lange Jahre und noch bis vor Kurzem der einzige Vorstand des Schuldners gewesen sei. Schon aus tatsächlichen Gründen sei nur er als letzter Vorstand in der Lage, die notwendigen Angaben über den Vermögensstand des Schuldners zu machen. Ebenso wie ein Notvorstand wäre der neu gewählte Vorstand auf Informationen durch den vormaligen Vorstand angewiesen. Das Fehlen der Vertretungsmacht hindere den [X.] zu 2 nicht daran, die eidesstattliche Versicherung für den Schuldner abzugeben, weil diese keine Willens-, sondern eine Wissenserklärung sei. Der [X.] 2 habe am 16. März 2006 die eidesstattli-che Versicherung nur unter Vorbehalt abgegeben. Dies sei unzureichend, weil er dabei nicht die Gewähr für die Richtigkeit der im Vermögensverzeichnis ge-machten Angaben übernommen habe. 11 2. Das Beschwerdegericht hat den angefochtenen Haftbefehl zur Er-zwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Ergebnis zu Recht aufrechterhalten. 12 - 6 - a) Für eine juristische Person ist die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO durch ihren gesetzlichen Vertreter abzugeben, bei einem eingetra-genen Verein demgemäß durch ihren Vorstand (§ 26 BGB). Wer gesetzlicher Vertreter des Schuldners ist, muss von Amts wegen geklärt werden, weil es sich dabei um eine Frage der ordnungsgemäßen Vertretung des Schuldners handelt (vgl. [X.] WM 1984, 1343, 1344; [X.] aaO § 807 Rdn. 51). 13 aa) Für die Beurteilung der Frage, wer für eine juristische Person als ihr gesetzlicher Vertreter offenbarungspflichtig ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an (nun-mehr allg. M.; vgl. z.B. KG ZIP 1996, 289, 290; [X.] Rpfleger 2000, 399, jeweils m.w.[X.]). Dies hat seinen Grund darin, dass nur derjenige, der eine juris-tische Person vertritt, für diese rechtsverbindliche Erklärungen abgeben kann. Eine eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO ist zwar keine Willens-, son-dern eine Wissenserklärung (vgl. [X.] Rpfleger 1982, 290, 291; KG NJW-RR 1991, 933, 934; Kirberger, Rpfleger 1975, 341, 344); sie entfaltet aber wie eine Willenserklärung Rechtswirkungen für den Schuldner, da dieser nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 915 ZPO in das Schuldnerverzeichnis einzutragen ist (vgl. [X.] aaO § 807 Rdn. 53 [X.]. 332). Die Stellung als gesetzlicher Vertreter ist auch deshalb maß-geblich, weil die Offenbarungspflicht gegebenenfalls durch Freiheitsentziehung auf der Grundlage eines Haftbefehls durchgesetzt werden kann. 14 bb) Im vorliegenden Fall ist mit dem Beschwerdegericht das Vorbringen der [X.] zu unterstellen, dass der [X.] zu 2 sein Amt als Vorstand des Schuldners bereits am 6. Februar 2006 nieder-gelegt hat. Die Amtsniederlegung beendet das organschaftliche [X.] - 7 - nis mit sofortiger Wirkung (vgl. [X.].BGB/[X.], 4. Aufl., § 27 Rdn. 33). Es ist davon auszugehen, dass der [X.] zu 2 seine Erklärung nicht nur zum Schein abgegeben hat und diese deshalb nicht gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig ist. cc) Die Offenbarungspflicht des [X.]s zu 2 besteht jedoch fort, weil die [X.] gegen das im gesamten [X.] geltende Gebot von Treu und Glauben (vgl. [X.], Urt. v. 7.4.1978 - [X.], [X.], 847, 849) verstoßen, wenn sie sich im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren auf die Amtsniederlegung des [X.] zu 2 berufen. Dies kann der Senat auf der Grundlage des feststehenden Sachverhalts selbst beurteilen. 16 In der Rechtsprechung und Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass der einzige gesetzliche Vertreter einer juristischen Person jedenfalls dann offenbarungspflichtig bleibe, wenn er sein Amt erst nach der Ladung zum [X.] zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung niedergelegt habe und kein neuer gesetzlicher Vertreter bestellt worden sei (vgl. - für eine GmbH - [X.] Rpfleger 2001, 442, 443; [X.] [X.] 1980, 45; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 807 Rdn. 15; vgl. auch [X.]/[X.]/Al-bers/[X.], ZPO, 64. Aufl., § 807 Rdn. 57; [X.], § 807 Rdn. 34). Dazu wird ausgeführt, eine juristische Person brauche einen gesetzli-chen Vertreter und dürfe deshalb nicht ohne rechtfertigenden Grund hand-lungsunfähig gemacht werden. Bei einem eingetragenen Verein könne zwar in dringenden Fällen gemäß § 29 BGB ein Notvorstand bestellt werden; eine sol-che Notlage dürfe jedoch nicht ohne wichtigen Grund herbeigeführt werden (vgl. [X.] Rpfleger 2001, 442, 443). Nach einer anderen Ansicht besteht bei einer Amtsniederlegung nach der Ladung zum Termin jedenfalls eine Vermu-17 - 8 - tung rechtsmissbräuchlichen Handelns (vgl. [X.]/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 807 ZPO Rdn. 21 m.w.[X.]; [X.]/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 807 Rdn. 9) oder ein Beweis des ersten Anscheins für ein solches Verhalten (vgl. [X.].ZPO/[X.], 2. Aufl., § 807 Rdn. 35; a.A. - erforderlich seien positive Feststellungen - [X.] [X.] 1998, 75; [X.] [X.] 1989, 920; [X.] [X.] 2002, 22, 23; [X.], [X.] 1983, 724, 726). Diese Fragen können hier jedoch offen bleiben, weil sich aus dem fest-stehenden Sachverhalt ergibt, dass die Amtsniederlegung, soweit es um die Offenbarungspflicht und die Verfahrensvertretung des Rechtsbeschwerdefüh-rers zu 1 (insoweit bis zur Bestellung des neuen Vorstands) geht, unbeachtlich ist, weil die Berufung darauf rechtsmissbräuchlich wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob der [X.] zu 2 sein Amt allein zu dem Zweck nie-dergelegt hat, sich der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versiche-rung zu entziehen (zu einem solchen Fall vgl. [X.] Rpfleger 1985, 121; [X.] [X.] 1998, 75; [X.] Rpfleger 2000, 399 m.w.[X.]). 18 Der [X.] zu 2 hat sein Amt nach den eigenen Anga-ben der [X.] erst nach der Ladung zum Termin zur [X.] der eidesstattlichen Versicherung aufgegeben, ohne dass ein Nachfolger bestellt wurde. Die [X.] tragen dazu lediglich vor, der [X.] zu 2 habe damals die - im Übrigen später nicht ver-wirklichte - Absicht gehabt, aus beruflichen Gründen aus D. , wo der Schuld- ner seinen Sitz hat, wegzuziehen. Zuvor war der [X.] zu 2 bereits zu Terminen am 30. Juni 2005 und am 5. Januar 2006 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden. Die von ihm in diesen Terminen für den [X.] zu 1 eingelegten Widersprüche waren jeweils 19 - 9 - als unbegründet zurückgewiesen worden. Unter diesen Umständen ist die Amtsniederlegung unmittelbar vor dem Termin vom 9. Februar 2006 im [X.] zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als rechtsmissbräuchlich [X.]. Der [X.] zu 2 wird durch die Offenbarungspflicht - auch mit Rücksicht auf das berechtigte Interesse der Gläubigerin an einer zeitnahen Vollstreckung - nicht unbillig belastet. Es wird von ihm nur verlangt, seine Angaben nach bestem Wissen und vollständig zu machen. Der Rechtsmissbrauch des [X.]s zu 2, dessen [X.] sich der [X.] zu 1 zurechnen lassen muss, hat zur Folge, dass die Gläubigerin den [X.] zu 2 im [X.]sverfahren weiterhin als Offenbarungspflichtigen in Anspruch nehmen kann (vgl. dazu auch [X.] JurBüro 1988, 1580). Der Umstand, dass nach Erlass des Haftbefehls am 1. März 2006 für den Schuldner ein neuer [X.] bestellt worden ist, steht dem nicht entgegen (vgl. dazu auch OLG Stutt-gart [X.] 1984, 238, 239). 20 b) Die Offenbarungspflicht ist noch nicht erfüllt. Nach § 807 Abs. 3 ZPO hat der Schuldner zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er die von ihm verlangten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. Eine solche eidesstattliche Versicherung hat der [X.] zu 2 am 16. März 2006 nicht abgegeben. Der vom Gesetz vor-geschriebene Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung ist zwingend. Der [X.]ige muss allerdings seine Zweifel und ihre Gründe im Vermö-gensverzeichnis darlegen, wenn er sich nicht der Gefahr einer falschen eides-stattlichen Versicherung aussetzen will (vgl. [X.]St 7, 375, 378). 21 - 10 - C. [X.] waren daher auf Kosten der [X.] zurückzuweisen. 22 v. Ungern-Sternberg Bornkamm Büscher

Schaffert Bergmann Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 01.03.2006 - 1 M 405/06 - [X.], Entscheidung vom 07.04.2006 - 4 T 39/06 -

Meta

I ZB 35/06

28.09.2006

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2006, Az. I ZB 35/06 (REWIS RS 2006, 1583)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1583

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