Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.01.2022, Az. 29 W (pat) 52/20

29. Senat | REWIS RS 2022, 1743

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "stylewerk (Wort-Bildmarke)/stilwerk" –  Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit – klangliche und begriffliche Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2016 234 220

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 26. Januar 2022 durch die Vorsitzende [X.]in [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] kraft Auftrags Posselt

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die angegriffene (in anthrazit und grün ausgestaltete) Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 5. Dezember 2016 angemeldet und am 10. April 2017 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Dienstleistungen eingetragen worden:

3

Klasse 35: Computergestützte [X.]; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidung; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke und [X.]; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Drucksachen.

4

Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 12. Mai 2017.

5

Gegen die Eintragung der Marke hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch erhoben aus ihrer am 14. Juni 2013 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 14, 16, 20, 21, 24, 25, 27, 35, 36, 37, 41 und 42 eingetragenen Wortmarke 30 2013 014 037

6

stilwerk

7

Die Widersprechende hat den Widerspruch beschränkt erhoben und stützt ihn nur auf die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen:

8

Klasse 20: Möbel, Spiegel und Rahmen, soweit in Klasse 20 enthalten;

9

Klasse 21: Haushaltsgeräte, Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten;

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen;

Klasse 35: Werbung; Öffentlichkeitsarbeit; Beratung bei der Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere Beratung bei der internen Kommunikation von Unternehmen und organisatorische Beratung bei der Öffentlichkeitsarbeit von Einzelhandelsgeschäften, Gastronomiebetrieben, Werkstätten, Kaufhäusern, Einkaufszentren und Ausstellungsräumen; Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen, insbesondere Beratung bei der internen Kommunikation von Unternehmen und organisatorische Beratung bei der Öffentlichkeitsarbeit von Einzelhandelsgeschäften, Gastronomiebetrieben, Werkstätten, Kaufhäusern, Einkaufszentren und Ausstellungsräumen; Marketing, auch für kulturelle, künstlerische, Freizeit-, [X.] und sportliche Aktivitäten und sonstige Veranstaltungen; Geschäftsführung; Unternehmensberatung- und -verwaltung, insbesondere zur betriebswirtschaftlichen Koordination und Verwaltung von Einzelhandelsgeschäften, Gastronomiebetrieben, Werkstätten, Kaufhäusern, Einkaufszentren und Ausstellungsräumen; Vorbereitung fremder Bauvorhaben in organisatorischer Hinsicht; betriebswirtschaftliche Planung von Immobilienobjekten und Einrichtungen, insbesondere von Einzelhandels- und Dienstleistungsobjekten wie Einkaufszentren; Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen Möbel, Spiegel und Rahmen, Haushaltsgeräte, Glaswaren, Porzellan und Steingut, Webstoffe, Textilwaren, Bett- und Tischdecken, Teppiche, Auslegeware und Tapeten, nämlich Werbung und Kundenservice, nämlich Entgegennahme von Kundenbeschwerden, Entgegennahme und Bearbeitung von Kundenfragen, insbesondere nach besonderen Ersatzteilen, für Hersteller der vorgenannten Waren sowie Katalogwerbung, [X.]werbung, Herausgabe von Informationsbroschüren für Werbezwecke, Betrieb einer Import- und Exportagentur, Auswahl und Anordnung im Ladengeschäft, Auswahl von Waren, ihre Zusammenstellung und ihre Präsentation, auch über das [X.], alle Dienstleistungen bezüglich der vorgenannten Waren; Organisation und Durchführung von Werbeveranstaltungen sowie von Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke.

Ferner hat die Widersprechende ihren Widerspruch sowohl auf den Löschungsgrund der [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] als auch auf den Sonderschutz einer bekannten Marke nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gestützt.

Mit Beschluss vom 30. Juni 2020 hat die Markenstelle für Klasse 35 des [X.] auf den Widerspruch aus der Marke 30 2013 014 037 die Löschung der angegriffenen Marke wegen [X.] angeordnet.

Mangels aufgeworfener Benutzungsfragen sei für den Vergleich der Waren und Dienstleistungen von der [X.] auszugehen. Danach seien die Dienstleistungen der angegriffenen Marke mit einigen Waren der Widerspruchsmarke zumindest durchschnittlich ähnlich. Eine durchschnittliche Ähnlichkeit bestehe, soweit den „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidung; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke und [X.]“ der angegriffenen Marke die Waren „Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen“ der Widerspruchsmarke gegenüberstünden. Weiterhin seien die „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Drucksachen“ der angegriffenen Marke mit den Waren „Schreibwaren, Büroartikel“ der Widerspruchsmarke als mindestens durchschnittlich ähnlich anzusehen. Drucksachen, die Gegenstand des Einzelhandels sein könnten, und Schreibwaren sowie andere Büroartikel würden üblicherweise von denselben Einzelhändlern angeboten. Auch auf diesem Sektor sei der Verkehr daran gewöhnt, dass Hersteller selbst Handel mit ihren Waren trieben, jeweils sowohl mit Online- als auch mit stationären Shops, und Händler neben [X.] auch solche unter ihrer eigenen Marke anböten. Aus vergleichbaren Erwägungen bestehe eine durchschnittliche Ähnlichkeit zwischen der Dienstleistung „[X.]“ der angegriffenen Marke und verschiedenen Waren der Widerspruchsmarke wie z. B. Fotografien, Schreibwaren, Glaswaren, Porzellan und Steingut, Bekleidung und Textilien. So sei der Verkehr beispielsweise daran gewöhnt, dass viele Anbieter von Fotoabzügen ihren Kunden ergänzend auch mit individuellen Fotos oder Grafiken bedruckte T-Shirts, Kissenbezüge, Tassen, Trinkgläser und diverse andere Produkte, die als Geschenkartikel in Betracht kämen, anböten.

Da bereits eine Ähnlichkeit zwischen den angegriffenen Dienstleistungen und einigen Widerspruchswaren festzustellen sei, könne dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus auch eine Ähnlichkeit zwischen den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen bestehe.

Die hier relevanten Waren und Dienstleistungen richteten sich u. a. an allgemeine Endverbraucher. Bei im [X.] teils auch preislich gehobenen Produkten, bei denen die Verbraucher im Allgemeinen markenbewusst seien, werde die Aufmerksamkeit und Sorgfalt beim Kauf eher höher, bei sonstigen, häufig niedrigpreisigen Waren dagegen geringer sein. Deshalb könne bei der Beurteilung der [X.] allenfalls von einer leicht erhöhten Aufmerksamkeit der beteiligten breiten Verkehrskreise ausgegangen werden.

Die Markenstelle gehe bei ihrer Entscheidung zudem von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Von Hause aus verfüge sie über eine normale Kennzeichnungskraft. Beschreibende Anklänge der Marke im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie Schutz beanspruche, könnten die originäre Kennzeichnungskraft zwar schwächen. [X.] es aber einiger Überlegung, um den beschreibenden Gehalt des Zeichens zu erkennen, scheide im Regelfall eine Reduzierung der Kennzeichnungskraft wegen einer Anlehnung an einen beschreibenden Begriff aus. Die Widerspruchsmarke „stilwerk“ setze sich erkennbar aus den Wörtern „Stil“ und „Werk“ zusammen. Dem Wortbestandteil „Stil“ kämen unter anderem die Bedeutungen „[durch Besonderheiten geprägte] Art und Weise, etwas mündlich oder schriftlich auszudrücken, zu formulieren“, „(von Baukunst, bildender Kunst, Musik, Literatur o. Ä.) das, was im Hinblick auf Ausdrucksform, Gestaltungsweise, formale und inhaltliche Tendenz o. Ä. wesentlich, charakteristisch, typisch ist“ und die „Art und Weise des Sichverhaltens, des Vorgehens“ zu. Unter einem „Werk“ verstehe man unter anderem die „einer bestimmten [größeren] Aufgabe dienende Arbeit, Tätigkeit; angestrengtes Schaffen, Werken“, „Handlung, Tat“, ein „Produkt schöpferischer Arbeit“, die „Gesamtheit dessen, was jemand in schöpferischer Arbeit hervorgebracht hat“, eine „technische Anlage, Fabrik, [größeres] industrielles Unternehmen“ und „Mechanismus, durch den etwas angetrieben wird; Antrieb, Uhrwerk o. Ä.“. Bei der konkret zu beurteilenden Wortkombination „stilwerk“ handele es sich um eine fantasievolle Zusammensetzung, der aufgrund der jeweils vielfältigen Bedeutungen der beiden Wortbestandteile auf Anhieb kein klarer im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt in Bezug auf die entscheidungserheblichen Waren und Dienstleistungen entnommen werden könne. Es bedürfe eines interpretatorischen Aufwandes, um auf einen beschreibenden Begriffsgehalt etwa in Richtung „stilvolles Produkt schöpferischer Arbeit“ zu schließen. Unter diesen Umständen komme eine Reduzierung der Kennzeichnungskraft nicht in Betracht. Als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben könne, ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für bestimmte Waren oder Dienstleistungen infolge Benutzung gesteigert sei, woran aber durchaus Zweifel bestünden.

Den bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen zum Ausschluss einer [X.] zu fordernden [X.] zur Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke nicht ein. Es bestehe sogar eine hochgradige Zeichenähnlichkeit.

Der für die Beurteilung der klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeit maßgebliche Gesamteindruck der angegriffenen Wort-/Bildmarke werde durch den Wortbestandteil „stylewerk“ geprägt. Für die Feststellung des klanglichen und des begrifflichen Gesamteindrucks einer Marke sei entscheidend, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen benannt werde, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben. Bei der angegriffenen Marke sei weit überwiegend von einer Benennung mit dem Wort „stylewerk“ auszugehen. Das Zeichen # werde, wenn es Wörtern oder Wortkombinationen unmittelbar vorangestellt sei, lediglich als sogenanntes Hashtag angesehen, d. h. als Zeichen, das dazu diene, Beiträge zu bestimmten Themen (insbesondere) in [X.]n Netzwerken auffindbar zu machen. Das Zeichen # lenke daher die Aufmerksamkeit auf das nachfolgende Wortelement und werde deshalb von beachtlichen Teilen des Verkehrs weder zur Ermittlung des [X.] noch bei der mündlichen Benennung der angegriffenen Marke mit herangezogen. Die Wörter „Style“ und „Stil“ stellten Synonyme dar, denn das ursprünglich [X.] Wort „Style“ sei im Sinne von „Stil“ in den [X.] Sprachschatz eingegangen. Damit wiesen die Gesamtbezeichnungen „stilwerk“ und „stylewerk“ den gleichen Begriffsgehalt auf, so dass die Vergleichsmarken in begrifflicher Hinsicht identisch seien. Darüber hinaus könne den Vergleichsmarken auch in klanglicher und (schrift)bildlicher Hinsicht eine Ähnlichkeit nicht abgesprochen werden. Nähere Ausführungen hierzu erübrigten sich allerdings, da schon die festgestellte begriffliche Identität zur Annahme einer hochgradigen Zeichenähnlichkeit führe. Nachdem für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der [X.] ausreiche, bestehe bereits der Löschungsgrund der [X.] gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.], so dass dahingestellt bleiben könne, ob die angegriffene Marke auch wegen des von der Widersprechenden geltend gemachten Bekanntheitsschutzes gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zu löschen wäre.

Hiergegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerdeführerin hat ihre Beschwerde trotz Ankündigung nicht begründet und sich auch sonst nicht zur Sache eingelassen.

Im Amtsverfahren hat sie bestritten, dass die Widerspruchsmarke eine bekannte Marke im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] und die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „stilwerk" durch eine langjährige intensive Benutzung gesteigert sei. Der Vortrag diesbezüglich sei unsubstantiiert und durch nichts belegt worden. Auch die Waren und Dienstleistungen seien in keiner Weise identisch bzw. hochgradig ähnlich. lm Gegenteil lasse sich dort eine eindeutige Unterscheidung feststellen. Auch bestehe zwischen den Vergleichsmarken keinerlei Zeichenähnlichkeit. Bei dem zweiten Teil der Marken handle es sich um das eigenständige Wort „[X.]“, das unstreitig nicht schützenswert sei. Insofern befinde sich der Schwerpunkt der Marken auf der ersten Silbe. Es bestehe zunächst keinerlei Ähnlichkeit zwischen den Schriftarten. Während es sich bei der Widerspruchsmarke um eine Standardschriftart handle, verwende die angegriffene Marke eine grün unterlegte und zudem künstlerisch wertvolle, urheberrechtsgeschützte Schriftart, welche die Inhaberin der angegriffenen Marke eigens bei dem Urheber zur Verwendung und Nutzung erworben habe. Vergleiche man die Begriffe „Style“ und „Stil“ in ihrem Schriftbild, so könne es wohl kaum zu einer deutlicheren Unterscheidung kommen. Auch klanglich seien diese Worte keineswegs auch nur annähernd zu vergleichen. Bei der Aussprache „steil“ einerseits und „stil“ andererseits lägen keine Übereinstimmungen im Hinblick auf den Sprachrhythmus und die Betonung vor. Der Verkehr würde niemals auch nur annähernd annehmen, dass ein „i“ mit einem „ei“ gleichzusetzen sei. Das Publikum werde das [X.] Wort „Style“ auch nicht mit dem [X.] Wort „Stil“ gleichsetzen. Es kommt nicht darauf an, ob das Wort Style Eingang in die [X.] gefunden habe. Entscheidend allein sei die Phonetik, die dahinterstehe. Sowohl das Schriftbild als [X.] der Vergleichsmarken enthielten keinerlei verwechselnde Elemente.

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.]s vom 30. Juni 2020 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 30 2013 014 037 zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Auch die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.

Der Senat hat mit gerichtlichem Schreiben vom 4. November 2021 einen Termin zur Entscheidung mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass vorbehaltlich einer Beschwerdebegründung die Löschungsanordnung der Markenstelle wegen [X.] zutreffend erscheine.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen hat die Markenstelle die Gefahr von unmittelbaren Verwechslungen gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zwischen den Vergleichsmarken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, § 43 Abs. 2 Satz 1 [X.].

A) Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben sich mit Wirkung vom 14. Januar 2019 die Vorschriften des Markengesetzes geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 [X.] in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung ([X.] n. F.) weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 [X.] in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung (im Folgenden „[X.]“) anzuwenden.

B) Die Frage, ob [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur [X.] GRUR 2020, 52 Rn. 41 - 43 – [X.] [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.] 2020, 870 – [X.]/[X.]; [X.], 1058 Rn. 17 - KNEIPP; GRUR 2018, 79 Rn. 7 - [X.]/[X.]; [X.], 1104 ff. - [X.]/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 - [X.]; [X.], 283 Rn. 7 - [X.]/[X.] DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE).

Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze ist eine [X.] zwischen den Vergleichsmarken zu besorgen.

1. Für die Beurteilung der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ist im vorliegenden Streitfall die [X.] maßgeblich.

a) Die Markeninhaberin hat zwar im Amtsverfahren mehrfach bestritten, dass die Widerspruchsmarke „stilwerk“ infolge einer vermeintlich intensiven, langjährigen Benutzung über eine erheblich erhöhte Kennzeichnungskraft oder sogar Bekanntheit im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] verfüge. Diese Ausführungen stehen aber ersichtlich ausschließlich im Zusammenhang mit der Frage der Kennzeichnungskraft bzw. Bekanntheit der Widerspruchsmarke. Ein Bestreiten einer rechtserhaltenden Benutzung nach § 43 Abs. 1 [X.] kann darin nicht gesehen werden (vgl. zum Erfordernis einer eindeutigen Erklärung: Ströbele in Ströbele/[X.]/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 43 Rn. 35 und 36); ohnehin ist die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke erst am 14. Juni 2018 abgelaufen und wäre eine Nichtbenutzungseinrede erst nach diesem Zeitpunkt gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] zulässig gewesen.

b) Ausgehend von der [X.] stehen sich mittelgradig ähnliche und entfernt ähnliche Waren und Dienstleistungen gegenüber.

(1) Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin beschränkt Widerspruch erhoben hat. Sie stützt ihren Widerspruch nur auf die Waren und Dienstleistungen aus den Klassen 20, 21, 25 und 35, was die Markenstelle offensichtlich übersehen hat. Denn der Prüfer hat eine Ähnlichkeit zu den angegriffenen Handelsdienstleistungen unter anderem auf die Widerspruchswaren der Klasse 16 und 24 gestützt; zur Bejahung einer Ähnlichkeit kann hierauf aber nicht zurückgegriffen werden. Gleichwohl wirkt sich dies nicht entscheidungserheblich aus.

(2) Zwischen den angegriffenen „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidung; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke; Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Bekleidungsstücke und [X.]“ und den Widerspruchswaren „Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen“ besteht – wie der Prüfer unter Hinweis auf die insoweit geltende Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat – durchschnittliche Ähnlichkeit (vgl. [X.] 2014, 378 – OTTO CAP).

(3) Zwischen den angegriffenen Dienstleistungen „Computergestützte [X.]“ und (nur) den Widerspruchswaren „Glaswaren, Porzellan und Steingut“ der Klasse 21 – bei denen es sich ohne weiteres auch um Geschenkartikel handeln kann – mag mit den Argumenten des Prüfers eine Ähnlichkeit zu bejahen sein. Jedenfalls liegt insoweit eine mindestens durchschnittliche Ähnlichkeit zu den Widerspruchsdienstleistungen „Unternehmensverwaltung“ und „Geschäftsführung“ vor. Angesichts der fehlenden Körperlichkeit von Dienstleistungen sind für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit in erster Linie Art und Zweck, also der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistungen sowie die Vorstellung des Verkehrs maßgeblich, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortlichkeit erbracht werden ([X.] 2018, 79 Rn. 11 – [X.]/[X.]). Bei den konkret beanspruchten Bestelldiensten (für Dritte) der jüngeren Marke handelt es sich um administrative Dienstleistungen, die sich nach Art und Zweck - genauso wie die Unternehmensverwaltung und Geschäftsführung (für Dritte) - auf die Hilfe in Geschäftsangelegenheiten beziehen. Unter Anwendung der vorgenannten Ähnlichkeitskriterien ist daher ohne weiteres eine Dienstleistungsähnlichkeit gegeben.

(4) Hinsichtlich der angegriffenen „Einzelhandelsdienstleistungen in Bezug auf Drucksachen“ kann nicht auf einen Vergleich mit den Widerspruchswaren der Klasse 16 zurückgegriffen werden. Diesbezüglich ergibt sich aber noch eine Ähnlichkeit zu den Widerspruchsdienstleistungen „Einzelhandelsdienstleistungen in den Bereichen Glaswaren, Porzellan und Steingut…, Textilwaren, Bett- und Tischdecken, ...nämlich[X.] und Anordnung im Ladengeschäft, Auswahl von Waren, ihre Zusammenstellung und ihre Präsentation, auch über das [X.], alle Dienstleistungen bezüglich der vorgenannten Waren“. Denn bei Einzelhandelsdienstleistungen, die auf nicht substituierbare Waren (hier: einerseits Drucksachen, andererseits Möbel, Spiegel und Rahmen, Haushaltsgeräte, Glaswaren, Porzellan und Steingut, Webstoffe, Textilwaren, Bett- und Tischdecken, Teppiche, Auslegeware und Tapeten,…) bezogen sind, kann eine Ähnlichkeit bestehen, wenn der Verkehr wegen Gemeinsamkeiten im Vertriebsweg, etwa Überschneidungen in den jeweiligen Einzelhandelssortimenten, davon ausgeht, dass die jeweiligen Einzelhandelsdienstleistungen unter gleicher unternehmerischer Verantwortung erbracht werden (vgl. [X.] 2016, 382 - [X.]). In vielen [X.] werden Waren mit regionalen, witzigen oder trägerbezogenen Statements als Aufdrucke, wie [X.] (Steingut), Gläsern, Textilwaren etc. vertrieben. Gleichzeitig finden sich dort auch Drucksachen, beispielsweise Postkarten, Einladungskarten oder auch entsprechend personalisierte Produkte im Sortiment. Ausgehend hiervon kann von einer Ähnlichkeit, mag sie gegebenenfalls auch eher gering sein, ausgegangen werden.

2. Die Widerspruchsmarke „stilwerk“ verfügt von Haus aus über durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit einen normalen Schutzumfang (vgl. [X.] 2013, 833, 838, Rn. 55 – Culinaria/ [X.], zu den Graden der Kennzeichnungskraft). Ausreichende Anhaltspunkte für eine Schwächung oder Steigerung der Kennzeichnungskraft sind – wie die Markenstelle, auf deren Feststellungen Bezug genommen wird, im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - nicht erkennbar.

3. Den bei dieser Ausgangslage - durchschnittlich ähnliche Vergleichswaren bzw. -dienstleistungen, durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und, wovon die Markenstelle ebenfalls zu Recht ausgegangen ist, allenfalls leicht erhöhte Aufmerksamkeit der hier angesprochenen Verkehrskreise - erforderlichen [X.] hält die angegriffene Marke zur Widerspruchsmarke nicht ein. Dies gilt ebenfalls im Bereich der nur gering ähnlichen Vergleichsdienstleistungen. Denn die Marken sind in begrifflicher Hinsicht identisch und in klanglicher Hinsicht zumindest in einem mittleren Grad ähnlich, so dass in der erforderlichen Gesamtabwägung jeweils eine unmittelbare [X.] nicht verneint werden kann.

a) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im ([X.], im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können ([X.] GRUR Int. 2010, 129 Rn. 60 – [X.]/[X.]]; [X.] 2016, 382 Rn. 37 – [X.]). Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.] ([X.] GRUR 2007, 700 Rn. 35 – [X.]/Shaker [Limoncello/[X.]]; [X.] 2017, 1104 Rn. 27 – [X.]/[X.]).

b) In schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich die Vergleichsmarken in Anbetracht der grafischen Ausgestaltung und des zusätzlichen Zeichens # in der angegriffenen Marke ausreichend deutlich voneinander. Mit der Markenstelle ist aber davon auszugehen, dass die angegriffene Marke in rechtserheblichem Umfang nur mit dem Wort „stylewerk“ benannt wird, so dass die Vergleichsmarken in ihrem Klangbild Übereinstimmungen aufweisen. Jedenfalls wird der Verkehr aber, wenn er mit den Marken klanglich konfrontiert wird, von einem übereinstimmenden Begriffsinhalt ausgehen und die Marken begrifflich füreinanderhalten. Auf den insoweit überzeugend begründeten Beschluss der Markenstelle wird ergänzend Bezug genommen. Nachdem eine Beschwerdebegründung nicht eingegangen ist, ist für den Senat auch nicht ersichtlich, in welcher Hinsicht die Markeninhaberin die Feststellungen der Markenstelle hierzu für angreifbar hält.

Wegen der markenrechtlich relevanten Gefahr von unmittelbaren Verwechslungen zwischen den in Streit stehenden Marken hat die Markenstelle nach alledem zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben.

C) Zu einer vom gesetzlichen Regelfall abweichenden Kostenentscheidung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] besteht keine Veranlassung.

Meta

29 W (pat) 52/20

26.01.2022

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG vom 04.04.2016

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.01.2022, Az. 29 W (pat) 52/20 (REWIS RS 2022, 1743)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1743

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