Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2020, Az. NotZ (Brfg) 5/19

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2020, 1277

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Gegenstand

Notarbestellung: Gleiche Prüfungsmaßstäbe für Bedürfnisprüfung


Leitsatz

Die Justizverwaltung muss, wenn sie sich bei der Bedürfnisprüfung nach § 4 BNotO durch eine Richtlinie oder ständige Übung gebunden hat, die entsprechenden Prüfungsmaßstäbe grundsätzlich beachten, um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der von ihren Maßnahmen betroffenen Notare zu vermeiden. Sie ist aber nicht verpflichtet, zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine derartige Selbstbindung einzugehen. Auch dann darf sie aber in den verschiedenen Amtsgerichtsbezirken nicht willkürlich unterschiedliche Maßstäbe anlegen (Fortführung von Senat, Urteil vom 5. März 2012 - NotZ (Brfg) 5/11, ZNotP 2012, 192 u.a.).

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Notarsenats des [X.] vom 4./5. November 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Ein [X.] ist nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat sie grundsätzliche Bedeutung; auch eine Divergenz und ein Verfahrensmangel liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1-5 VwGO, § 111d Satz 2 [X.]).

2

1. Der [X.] aus § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]) ist nicht gegeben, da keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen. Dieser [X.] setzt voraus, dass der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den [X.] dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht auch die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen ([X.]sbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - [X.]([X.]) 2/17, [X.], 482 Rn. 22; vom 23. November 2015 - [X.]([X.]) 5/15, NJW-RR 2016, 754 Rn. 5 mwN).

3

An diesen Grundsätzen gemessen bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung des [X.], dass der Klägerin kein Anspruch gegen den [X.]n zusteht, die Wiederbesetzung der [X.] (vormals Dr. R.) in [X.] zu unterlassen.

4

a) Gemäß § 4 [X.] werden so viele Notare bestellt, wie es den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege entspricht, wobei insbesondere das Bedürfnis nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen Leistungen und die Wahrung einer geordneten Altersstruktur des [X.] zu berücksichtigen sind. Das Gesetz räumt der Landesjustizverwaltung (§ 12 Satz 1 [X.]) bei der Bestimmung der Zahl der zu schaffenden bzw. zu bewahrenden [X.]n ein weites Organisationsermessen ein, das jedoch durch die drei ausdrücklich normierten Zielvorgaben des § 4 [X.] sachlich begrenzt wird ([X.]surteil vom 5. März 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 192 Rn. 14; [X.]sbeschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 1/05, D[X.] 2005, 947, 949, juris Rn. 7, 11). Die Ermessensausübung dürfen die Gerichte entsprechend dem Rechtsgedanken des § 114 Satz 1 VwGO (i.V.m. § 111d Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 VwGO) auch im Fall einer allgemeinen Leistungs- oder Unterlassungsklage lediglich darauf überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. [X.]surteil vom 5. März 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 192 Rn. 14; [X.]/Ruthig in [X.]/[X.], VwGO, 25. Aufl., § 114 Rn. 2). Auch ein derartiger Ermessensfehler begründet aber nicht ohne Weiteres den Anspruch eines Amtsinhabers auf Unterlassung der Wiederbesetzung einer [X.]; vielmehr bedarf es eines Ermessensfehlers, der den Amtsinhaber in seinen subjektiven Rechten verletzt (vgl. [X.]sbeschluss von 26. Juni 2009 - [X.] 7/09, [X.], 364 Rn. 5). Subjektive Rechte von Amtsinhabern hat die Landesjustizverwaltung bei der Ausübung ihres Organisationsermessens insoweit zu wahren, als jedem Notar zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgabe als unabhängiger und unparteiischer Berater ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu gewährleisten ist ([X.]surteil vom 5. März 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 192 Rn. 14; [X.]sbeschlüsse vom 26. Juni 2009 - [X.] 7/09, [X.], 364 Rn. 7; vom 11. Juli 2005 - [X.] 1/05, D[X.] 2005, 947, 949, juris Rn. 11; vom 16. Juli 2001 - [X.] 7/01, D[X.] 2002, 70 f., juris Rn. 9; vom 20. Juli 1998 - [X.] 31/97, NJW-RR 1999, 207, juris Rn. 9). Darüber hinaus muss die Justizverwaltung, wenn sie sich bei der [X.] nach § 4 [X.] durch eine Richtlinie oder ständige Übung gebunden hat, die entsprechenden Prüfungsmaßstäbe grundsätzlich beachten, um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der von ihren Maßnahmen betroffenen Notare zu vermeiden ([X.]surteil vom 5. März 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 192 Rn. 15; [X.]sbeschlüsse vom 11. Juli 2005 - [X.] 1/05, D[X.] 2005, 947, 949, juris Rn. 11; vom 22. März 2004 - [X.] 25/03, D[X.] 2004, 887, 888, juris Rn. 8). Bei Vorliegen eines hinreichenden sachlichen Grundes darf sie allerdings von ihrer ursprünglichen Verwaltungspraxis abweichen und in eine Einzelfallbetrachtung eintreten (vgl. [X.]surteil vom 5. März 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 192 Rn. 22; [X.]sbeschluss vom 14. Juli 2003 - [X.] 47/02, D[X.] 2004, 230, 232, juris Rn. 12). Die Landesjustizverwaltung ist nicht verpflichtet, zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine derartige Selbstbindung einzugehen. Auch dann darf sie aber in den verschiedenen Amtsgerichtsbezirken nicht willkürlich unterschiedliche Maßstäbe anlegen ([X.]sbeschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 1/05, D[X.] 2005, 947, 951, juris Rn. 21; vom 25. Oktober 1982 - [X.] 7/82, D[X.] 1983, 236, 240, juris Rn. 20). Schließlich kann § 4 [X.] ausnahmsweise Schutzfunktion entfalten, wenn die Landesjustizverwaltung die Grenzen ihres Organisationsermessens dergestalt überschreitet, dass sie sich vom öffentlichen Interesse durch eine nicht bedarfs-, sondern rein bewerberbezogene Stellenermittlung mit sachfremder Begünstigung oder Benachteiligung einzelner Bewerber löst ([X.]sbeschluss vom 22. März 2010 - [X.] 13/09, juris Rn. 18; vom 23. Juli 2007 - [X.] 42/07, [X.], 297 Rn. 24).

5

Ein weitergehender Schutz der subjektiven Rechte des amtierenden Notars ist verfassungsrechtlich nicht geboten ([X.]sbeschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 1/05, D[X.] 2005, 947, 950, juris Rn. 12).

6

b) Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Ablehnung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs keinen ernstlichen Zweifeln.

7

aa) Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass die Wiederbesetzung der [X.] Dr. R. nicht zur Folge hat, dass die erforderliche wirtschaftliche Unabhängigkeit der drei amtierenden Notare im Amtsgerichtsbezirk [X.] nicht mehr gewährleistet ist.

8

bb) Keine ernstlichen Zweifel bestehen ferner an der Beurteilung des [X.], dass der [X.] nicht durch eine ungerechtfertigte Abweichung von Richtlinien oder einer ständigen Übung subjektive Rechte der Klägerin verletzt hat. Entgegen der Antragsbegründung lässt sich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht daraus herleiten, dass das [X.] 2024 (Stand 1.1.2018) für den [X.]bezirk D.-R. vorsieht, dass im Amtsgerichtsbezirk [X.] dauerhaft nur drei [X.]n verbleiben sollen, nämlich zwei in [X.] und eine in [X.] Diese auf bestimmte Stellen konkretisierte interne Absichtserklärung enthält für sich genommen keine Prüfungsmaßstäbe und stellt daher weder eine allgemeine Richtlinie noch eine ständige Verwaltungspraxis dar, durch die sich der [X.] hätte selbst binden können. Sie wird auch nicht dadurch zu einer eine Selbstbindung begründenden ständigen Übung, dass der [X.] in der Vergangenheit in verschiedenen Vermerken darauf verwiesen hat, dass das jeweilige [X.]nkonzept für eine bestimmte Stelle eine Einziehung oder Wiederbesetzung vorsehe.

9

Entgegen der Ansicht der Klägerin begründet eine "konzeptionslose Einzelfallentscheidung" - also das Fehlen von Richtlinien, durch die sich die Verwaltung binden könnte - keine Verletzung des § 4 [X.] oder des Art. 3 Abs. 1 GG. Wie der [X.] bereits früh entschieden hat ([X.]sbeschluss vom 22. Oktober 1979 - [X.] 3/79, D[X.] 1980, 177, 178, juris Rn. 16), muss, wenn es an Richtlinien fehlt oder diese unvollständig sind, die Frage, wie viele Notare bestellt werden, aufgrund der Verhältnisse des Einzelfalls nach pflichtmäßigem Ermessen entschieden werden. Dabei sind die Grenzen pflichtgemäßer sachlicher Ermessensausübung durch § 4 Abs. 1 [X.] genügend bestimmt. Daran hat sich durch die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des [X.] ([X.]sbeschluss vom 14. Juli 2003 - [X.] 47/02, D[X.] 2004, 230) und des [X.] (Beschluss vom 1. Juli 2002 - 1 [X.], NJW 2002, 3090) nichts geändert. Der Beschluss des [X.], wonach "vor dem Hintergrund eines weiten Organisationsermessens eine transparente und an nachvollziehbaren rechtlichen Kriterien ausgerichtete Verfahrensweise unabdingbar" sei, betraf die Gestaltung des [X.] (aaO Rn. 15, zitiert nach juris) und damit eine andere Fallgestaltung. In der [X.]sentscheidung vom 14. Juli 2003 wurde bezweifelt, ob es künftig genügt, wenn bei Konkurrenzen zwischen [X.] und amtierenden Notaren ohne weitere Vorgaben "von Fall zu Fall entschieden" wird. Es bedürfe einer längerfristigen konkreten Planung, wie das dort angenommene Erfordernis einer allmählichen Reduzierung der Zahl der [X.]n umgesetzt werden soll. Abgesehen davon, dass auch dieser Entscheidung ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde lag, ist mit ihr eine Verpflichtung zur Selbstbindung der Landesjustizverwaltung durch die Aufstellung von Richtlinien nicht begründet worden. Das Bestehen einer derartigen Pflicht wurde in dem späteren [X.]sbeschluss vom 11. Juli 2005 ([X.] 1/05, D[X.] 2005, 947, 951, juris Rn. 21) ausdrücklich verneint.

cc) [X.] Zweifeln begegnet ferner nicht die Beurteilung des [X.], dass nicht festgestellt werden könne, dass der [X.] die Zahl der [X.] Stellen nicht bedarfs-, sondern konkret bewerberbezogen ermittelt habe. Anderes lässt sich insbesondere nicht aus dem Umstand schließen, dass in der Verfügung des [X.]n vom 7. Juni 2018 im Zusammenhang mit der Wiedergabe der Stellungnahme der [X.] erwähnt ist, dass die [X.] (als derzeitige Verwalterin der [X.] Dr. R.) ihr Interesse an der [X.] bekundet habe. Im gerichtlichen Verfahren erster Instanz, in dem Ermessenserwägungen ergänzt werden können (§ 111d Satz 2 [X.] i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 2 VwGO; [X.]surteil vom 5. März 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 192 Rn. 28), hat der [X.] ausgeführt, dass und warum die derzeitige Altersstruktur im Amtsgerichtsbezirk [X.] eine nachwachsende Notarentwicklung notwendig erscheinen lässt und dass die Altersstruktur der weiteren Assessorinnen und Assessoren durch die Ernennung der [X.], die ihre Assessorenzeit bereits deutlich überschritten hat, verbessert würde (Schriftsatz vom 6. September 2018, [X.] f., [X.] f.). Auf die Situation der [X.] und die Schwierigkeiten, diese zu gewinnen und an das [X.] zu binden, ist der [X.] in seinem Schriftsatz vom 18. Dezember 2018, [X.] ([X.]) näher eingegangen. Wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, ist der Gesichtspunkt der Wahrung einer geordneten Altersstruktur in § 4 Satz 2 [X.] ausdrücklich als Ermessenskriterium genannt und ebenso wie das Kriterium eines geordneten [X.]systems in der Rechtsprechung des [X.]s wie auch des [X.] anerkannt ([X.]surteil vom 5. März 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 192 Rn. 27 mwN; [X.], D[X.] 2002, 891, 893). Der Ansicht der Klägerin, entgegen § 4 Satz 2 [X.] sei die Altersstruktur nicht zu berücksichtigen, folgt der [X.] nicht, ebenso wenig ihrer Ansicht, vorliegend sei die Altersstruktur nicht betroffen. Eine geordnete Altersstruktur des [X.] wird insbesondere durch die Bestellung von [X.] gewahrt, da dies in der Regel zu einer Absenkung des Durchschnittsalters der Notare führt, was wiederum nur dann gewährleistet ist, wenn nicht die [X.] ihrerseits mangels Bestellung zum Notar überaltern ([X.]surteil vom 5. März 2012 - [X.]([X.]) 5/11, [X.], 192 Rn. 27). Dass dies auch für den Amtsgerichtsbezirk [X.] gilt, bedarf angesichts der Geburtsjahrgänge der dort tätigen Notarinnen und des Notars (1955, 1963, 1975) keiner weiteren Erörterung. Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht daraus herleiten, dass andernorts [X.]n eingezogen wurden, auf die sich keine [X.] beworben hatten. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang bemängelt, dass der von der [X.] für das Notariat Dr. R. gemeldete steigende Geschäftsanfall weder von dem [X.]n noch vom [X.] überprüft worden sei, wird auf den Schriftsatz des [X.]n vom 12. April 2019 S. 2 mit Anlage (Zusammenstellung der Geschäftsübersichten der Notare des [X.]bezirks [X.]) verwiesen, wonach die Summe der Urkundsgeschäfte auf der [X.] Dr. R. im Jahr 2018 von 529 auf 913 gestiegen ist.

dd) Soweit die Klägerin geltend macht, der [X.] habe sich mit dem in seiner Verfügung vom 7. Juni 2018 erwähnten Gesichtspunkt, dass Notar [X.] beabsichtige, seinen Amtssitz aus [X.] in eine andere Stadt zu verlegen, von einer sachfremden Erwägung leiten lassen, ist nicht ersichtlich, inwieweit dadurch die Klägerin in den oben genannten subjektiven Rechten, die bei der Ausübung des Organisationsermessens zu berücksichtigen sind, verletzt sein soll. Es ist daher auch nicht zu beanstanden, dass sich das [X.] mit diesem Punkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Soweit das [X.] dem [X.]n darin gefolgt ist, dass Überlegungen zur Aktenverwahrung auf dessen Ermessensentscheidung keinen Einfluss genommen haben, liegt darin ebenfalls kein Grund für die Zulassung der Berufung.

ee) Keinen ernstlichen Zweifeln begegnet weiter die Beurteilung des [X.], dass der [X.] nicht in den verschiedenen Amtsgerichtsbezirken willkürlich unterschiedliche Maßstäbe angelegt habe. Dies lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dadurch in Frage stellen, dass die Anzahl der Notare in [X.] und in anderen Amtsgerichtsbezirken, die ebenfalls eher ländlich geprägt sind, dem [X.], der Anzahl der Einwohner und Gebietskörperschaften und der Fläche der Bezirke gegenübergestellt wird. Eine derart schematische Betrachtung würde den Besonderheiten des jeweiligen Amtsgerichtsbezirks und der jeweiligen [X.] einschließlich der Entwicklungsmöglichkeiten nicht gerecht. Zutreffend weist das [X.] darauf hin, dass dem [X.] nur eine beschränkte Aussagekraft zukommt (vgl. [X.]sbeschlüsse vom 22. März 2004 - [X.] 25/03, D[X.] 2004, 887, 888, juris Rn. 8; vom 11. Dezember 1978 - [X.] 5/78, [X.], 54, 62, juris Rn. 29) und dass es dazu kommen kann, dass eine [X.] wiederbesetzt wird, obwohl einer der Parameter für eine gegenteilige Entscheidung gesprochen hätte (vgl. [X.]sbeschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 1/05, juris Rn. 22).

Der [X.] hat seinen Überlegungen zu Recht die Prämisse zugrunde gelegt, dass die Verwaltung bei der [X.] gemäß § 4 [X.] darauf zu achten hat, eine möglichst schnelle und ortsnahe notarielle Betreuung der Bevölkerung zu sichern ([X.]sbeschluss vom 11. Dezember 1978 - [X.] 5/78, [X.], 54, 57, juris Rn. 10; vom 20. Juli 1998 - [X.] 31/97, NJW-RR 1999, 207, 208, juris Rn. 18). Neben den strukturellen Bedingungen (vgl. [X.]sbeschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 1/05, D[X.] 2005, 947, 950, juris Rn. 13) und dem [X.] hat der [X.] - teilweise durch zulässige Ergänzung seiner Ermessenserwägungen im Prozess - als Besonderheiten unter anderem die Altersstruktur im Amtsgerichtsbezirk [X.] und die Situation der [X.] berücksichtigt, das Ausscheiden der Notarin [X.] in [X.], die Notwendigkeit, die aktuelle Anzahl von vier Notariaten bis 2030 wirtschaftlich neu zu bewerten, ferner die Aussicht, dass der neue Notar/die neue Notarin bei ein oder zwei Abgängen in der mittelfristigen Planung erfahren genug wäre, eventuell auftretende Vakanzen auszugleichen. Berücksichtigt wurden zudem die bereits erfolgte Einziehung von zwei Stellen im Amtsgerichtsbezirk [X.] in der Vergangenheit und deren Folgen, steigende Beurkundungsaufträge und Umsätze im Notariat Dr. R. und die Gefahr der Abwanderung von [X.] nach [X.] und [X.] im Falle der Einziehung der Stelle sowie das allgemeine landesweite Absinken des [X.]s in der Vergangenheit. Nach alledem lässt sich eine willkürliche Ungleichbehandlung nicht feststellen.

Diese Erwägungen widerlegen zugleich die Behauptung der Klägerin, der [X.] habe bei seiner [X.] von vornherein auf den Gesamtraum der Amtsgerichtsbezirke [X.] und B.-[X.] abgestellt. Vielmehr sind die Erwägungen in erster Linie an den Verhältnissen des Amtsgerichtsbezirks [X.] ausgerichtet. Dass der [X.] ergänzend auch auf die Nachbarbezirke geschaut hat, ist dabei ebenso wenig zu beanstanden wie der Umstand, dass er den von ihm beteiligten Institutionen (Präsidenten des [X.] und des [X.], [X.] und [X.]) nicht vorgegeben hat, auf welchen räumlichen Bereich sich deren überörtliche Erwägungen zu erstrecken haben. Die Argumente im angegriffenen Urteil dazu, dass es nicht ermessensfehlerhaft war, in der Verfügung vom 7. Juni 2018 auch die Situation im Bezirk B.-[X.] vergleichend heranzuziehen, tragen nicht die Ansicht der Klägerin, dass das [X.] die Ermessenserwägungen des [X.]n durch eigene ersetzt hätte.

ff) Der Umstand, dass zwischenzeitlich auch die [X.] in [X.] neu ausgeschrieben worden ist, stellt die Beurteilung des [X.], dass der Klägerin kein Anspruch auf Unterlassen der Wiederbesetzung der [X.] (vormals Dr. R.) in [X.] zusteht, nicht in Frage. Insbesondere hat das [X.] seine Entscheidung nicht auf das künftige Schicksal der [X.] in [X.] gestützt und diesbezüglich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht Ermessenserwägungen des [X.]n in unzulässiger Weise ersetzt.

gg) Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.] die Stellungnahmen der vom [X.]n beteiligten Institutionen, insbesondere der [X.], nicht inzident auf Richtigkeit überprüft hat. Die Stellungnahmen der beteiligten Institutionen haben keinerlei Bindungswirkung für die in eigener Verantwortung zu treffende Entscheidung des [X.]. Dies schließt es zwar nicht aus, dass etwaige Fehler in den Stellungnahmen auf die Entscheidung des [X.]n in der Weise durchgeschlagen haben könnten, dass letztere rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Dies ist hier aber nicht ersichtlich. Selbst wenn die [X.], wie die Klägerin geltend macht, in ihrer Stellungnahme von ihren eigenen Richtlinien oder ihrer Praxis abgewichen sein sollte, sich bei Unterschreitung eines bestimmten [X.]s (1.400 bereinigte Urkunden) für eine Einziehung von [X.]n auszusprechen, ergibt sich daraus nicht, dass der [X.] bei der Ausübung seines Organisationsermessens die Klägerin in ihren subjektiven Rechten verletzt hätte. Insbesondere handelte es sich bei etwaigen Richtlinien der [X.] nicht zugleich um diejenigen des [X.]n; dieser hat im Gegenteil deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht ein Aufkommen von 1.400 bereinigten Urkunden nicht entscheidend sein kann. Eine Abweichung von einem diesbezüglichen Kriterium der [X.] kann deshalb einen Verstoß des [X.]n gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht begründen.

2. Auch der [X.] der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]) liegt nicht vor. Eine Rechtssache weist dann besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrundeliegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen Streitigkeiten deutlich abhebt (vgl. [X.], Beschluss vom 13. November 2017 - [X.] ([X.]) 2/17, D[X.] 2018, 469 Rn. 29 mwN). Die Meinung der Klägerin, dass das [X.] zahlreichen Fragen und Argumenten nicht (hinreichend) nachgegangen sei oder sie nicht zutreffend beantwortet habe, trifft - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - nicht zu und vermag eine besondere Schwierigkeit der höchstrichterlich bereits geklärten Rechtsfragen nicht zu begründen. Sachverhalt und Aktenumfang sind überschaubar; verfahrensgegenständlich ist lediglich die Entscheidung des [X.]n, eine [X.] in [X.] wieder zu besetzen.

3. Auch die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 i.V.m. § 111d Satz 2 [X.] liegen nicht vor. Wie bereits oben ausgeführt, hat der [X.] in seinem Beschluss vom 14. Juli 2003 ([X.] 47/02, D[X.] 2004, 230) für eine Fallkonstellation wie die vorliegende eine [X.] von Fall zu Fall ohne Selbstbindung der Verwaltung nicht ausgeschlossen. Eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von der [X.]srechtsprechung lässt sich daher nicht feststellen. Da in der - auch jüngeren - [X.]srechtsprechung zudem geklärt ist, dass eine Verpflichtung der Verwaltung nicht besteht, sich durch Aufstellung von Richtlinien oder eine ständige Übung selbst zu binden ([X.]sbeschluss vom 11. Juli 2005 - [X.] 1/05, D[X.] 2005, 947, 951, juris Rn. 21), und dass bei Fehlen von Richtlinien die [X.] gemäß § 4 [X.] aufgrund der Verhältnisse des Einzelfalls nach pflichtmäßigem Ermessen zu erfolgen hat ([X.]sbeschluss vom 22. Oktober 1979 - [X.] 3/79, D[X.] 1980, 177, 178, juris Rn. 16), ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Frage klärungsbedürftig, ob eine Entscheidung "von Fall zu Fall" heute noch den gesetzlichen Vorgaben des § 4 [X.] gerecht wird.

4. Schließlich fehlt es auch an einem Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]).

a) Der Anspruch der Klägerin auf Entscheidung durch [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt. Gemäß § 111 Abs. 4 [X.] entscheidet das [X.] in den sogenannten verwaltungsrechtlichen Notarsachen im Sinne von § 111 Abs. 1 [X.] in der für Disziplinarsachen gegen Notare vorgeschriebenen Besetzung. Durch Beschluss des Präsidiums des [X.] Naumburg gemäß § 102 [X.] zur Bestellung der richterlichen Mitglieder des [X.] bei dem [X.] als Disziplinargericht für Notare vom 2. Januar 2019 (Geschäftsnummer 3830 [X.]) in Verbindung mit dem gemäß § 102 Satz 2 [X.], § 21g GVG gefassten Beschluss der richterlichen Mitglieder des [X.] des [X.] vom 2. Januar 2019 war im Voraus bestimmbar, [X.] und welcher Notar über die Sache entscheiden würden.

b) Soweit die Klägerin pauschal auch die angeblich "fehlerhafte Beweiswürdigung" und "unzulängliche Tatsachenfeststellung" rügt und meint, dass "zahlreichen Argumenten und Fragen der Klägerin nicht bzw. nicht ausreichend nachgegangen wurde", ist - auch mit der unspezifischen Bezugnahme auf die "vorstehenden Ausführungen" - ein Verfahrensfehler schon nicht ordnungsgemäß dargetan. Auf hinreichend konkrete Angriffe in den "vorstehenden Ausführungen" der Klägerin wurde bereits oben eingegangen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Herrmann     

      

Tombrink     

      

Müller

      

Strzyz     

      

[X.]     

      

Meta

NotZ (Brfg) 5/19

20.07.2020

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 4. November 2019, Az: Not 2/18

§ 4 BNotO, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2020, Az. NotZ (Brfg) 5/19 (REWIS RS 2020, 1277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1277

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