Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2015, Az. 4 StR 188/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8896

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 188/15

vom
30. Juni
2015
in der Straf[X.]ache
gegen

wegen gefährlichen Eingriff[X.] in den Straßenverkehr u.a.

-
2
-
Der 4.
Straf[X.]enat de[X.] [X.] hat nach Anhörung de[X.] [X.] und de[X.] Be[X.]chwerdeführer[X.] am 30.
Juni
2015
gemäß §
349 Ab[X.].
2 und 4 StPO be[X.]chlo[X.][X.]en:

1.
Auf die Revi[X.]ion de[X.] Angeklagten wird da[X.] Urteil de[X.] [X.] vom 19.
Februar 2015 mit den zugehöri-gen Fe[X.]t[X.]tellungen aufgehoben
a)
[X.]oweit der Angeklagte im Fall
III.4 der Urteil[X.]gründe we-gen vor[X.]ätzlichen gefährlichen Eingriff[X.] in den Straßen-verkehr in Tateinheit mit Wider[X.]tand gegen Voll[X.]tre-ckung[X.]beamte und vor[X.]ätzlichem Fahren ohne [X.] verurteilt i[X.]t;
b)
im Ge[X.]amt[X.]trafen-
und Maßregelau[X.][X.]pruch.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Ent[X.]cheidung, auch über die Ko[X.]ten de[X.] Recht[X.]mit-tel[X.], an eine andere Strafkammer de[X.] [X.] zurück-verwie[X.]en.
3.
Die weiter gehende Revi[X.]ion wird verworfen.

Gründe:
Da[X.] [X.] hat den Angeklagten wegen Dieb[X.]tahl[X.] in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vor[X.]ätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubni[X.] 1
-
3
-
und wegen vor[X.]ätzlichen gefährlichen Eingriff[X.] in den Straßenverkehr in [X.] mit Wider[X.]tand gegen Voll[X.]treckung[X.]beamte und vor[X.]ätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubni[X.] zu einer Ge[X.]amtfreiheit[X.][X.]trafe von vier Jahren verurteilt. Außerdem hat e[X.] die Verwaltung[X.]behörde angewie[X.]en, dem Angeklagten vor Ablauf von fünf Jahren keine neue Fahrerlaubni[X.] zu erteilen. Die hiergegen ein-gelegte Revi[X.]ion de[X.] Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Recht[X.] rügt, hat den au[X.] der [X.] er[X.]ichtlichen Erfolg; im Übrigen i[X.]t [X.]ie unbegründet im Sinne de[X.] §
349 Ab[X.].
2 StPO.
1.
Die (tateinheitliche) Verurteilung wegen vor[X.]ätzlichen gefährlichen Eingriff[X.] in den Straßenverkehr gemäß §
315b Ab[X.].
1 Nr.
3 StGB im Fall
III.4 der Urteil[X.]gründe hält rechtlicher Überprüfung nicht [X.]tand. Die bi[X.]herigen Fe[X.]t-[X.]tellungen ergeben nicht, da[X.][X.] da[X.] Fahrverhalten de[X.] Angeklagten zu einer konkreten Gefahr für die bezeichneten [X.] geführt hat. Auch i[X.]t nicht erkennbar, da[X.][X.] er zuminde[X.]t mit bedingtem Schädigung[X.]vor[X.]atz ge-handelt hat.
a)
Nach den Fe[X.]t[X.]tellungen hielt [X.]ich der Angeklagte am 16.
Augu[X.]t 2014 mit einem von
ihm Tage zuvor entwendeten Pkw Audi
A3 auf dem Park-platz der Ra[X.]tanlage H.

an der Bunde[X.]autobahn A
8 auf. Dort wurde er
von einer Zivil[X.]treife der Polizei bemerkt, die [X.]ich daraufhin mit ihrem Fahrzeug neben da[X.] Fahrzeug de[X.] Angeklagten [X.]tellte. Der Angeklagte erkannte die Po-lizeibeamten und wollte [X.]ich der befürchteten Kontrolle und Fe[X.]tnahme entzie-hen. Er fuhr de[X.]halb [X.]ogleich in Richtung Autobahn. Die beiden Polizeibeamten folgten mit ihrem Fahrzeug nach und ver[X.]uchten ihn mittel[X.] Leuchtzeichen und Hupen zum Anhalten zu bringen. Zudem ver[X.]tändigten [X.]ie über Funk eine wei-tere uniformierte Polizei[X.]treife, die [X.]ich mit ihrem Streifenwagen an der Au[X.]fahrt der Ra[X.]t[X.]tätte befand und baten um eine Blockade der Au[X.]fahrt. Die Beamten 2
3
-
4
-
PHM K.

und [X.] R.

blockierten daraufhin mit ihrem Streifenwagen bei
einge[X.]chaltetem Blaulicht die [X.], indem [X.]ie [X.]ich quer zur Fahrbahn [X.]tellten, [X.]oda[X.][X.] ein Durchkommen vor und hinter dem Streifenwagen wegen der dort vorhandenen Leitplanken nicht mehr möglich war. Der Angeklagte [X.] [X.]ein Fahrzeug auf der mehrere hundert Meter langen [X.] der Ra[X.]tanlage auf 100 bi[X.] 120
km/h. Obwohl er die [X.] bemerkte, be[X.]chleunigte er weiter und fuhr ungebrem[X.]t auf da[X.] Streifenfahrzeug zu, um die Polizeibeamten zur Freigabe
der Fahrbahn zu zwingen. Al[X.] der [X.] R.

,
der zuvor bereit[X.] von den verfolgenden Zivilbeamten vor einem [X.] gewarnt worden war, da[X.] Fahrzeug de[X.] Angeklagten mit hoher Ge-[X.]chwindigkeit ungebrem[X.]t auf [X.]ich zukommen [X.]ah, fuhr er den Streifenwagen nach hinten auf eine [X.] und gab den Weg frei. Im Zeitpunkt de[X.] Be-al[X.] 50

mit einer Vollbrem[X.]ung
nicht mehr vor dem Streifenwagen zum Stehen bringen können. Ihm kam e[X.] dabei darauf an, den Streifenwagen zum Zurück[X.]etzen zu zwingen. Ohne die[X.]e[X.] Rückfahrmanöver wäre e[X.] zu einem Zu[X.]ammen[X.]toß mit Leben[X.]gefahr für die Fahrzeugin[X.]a[X.][X.]en gekommen. Der Angeklagte verfügte nicht über die erforderliche Fahrerlaubni[X.].
b)
Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß §
315b
Ab[X.].
1 StGB liegt er[X.]t dann vor, wenn durch eine der in §
315b Ab[X.].
1 Nr.
1 bi[X.] 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicher-heit de[X.] Straßenverkehr[X.] herbeigeführt worden i[X.]t und [X.]ich die[X.]e ab[X.]trakte Ge-fahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eine[X.] anderen Men[X.]chen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. [X.], Be[X.]chlu[X.][X.] vom 9.
September 2014

4
StR
251/14, [X.], 278; [X.] vom 18.
Juni 2013

4
StR
145/13, Urteil vom 4.
Dezember 2002
4
-
5
-

4
StR
103/02, [X.]St 48, 119, 122; [X.] in [X.], 2.
Aufl.,
§
315b Rn.
5, 16). Die[X.] i[X.]t der Fall, wenn die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinau[X.] in eine kriti[X.]che Situation geführt hat, in der

wa[X.] nach allgemeiner Leben[X.]erfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Progno[X.]e zu beurteilen i[X.]t

die Sicherheit einer be[X.]timmten Per[X.]on oder
Sache [X.]o [X.]tark beeinträchtigt war, da[X.][X.] e[X.] nur noch vom Zufall abhing ([X.]og.
Beinahe-Unfall), ob da[X.] Recht[X.]gut verletzt wurde oder nicht (vgl. [X.], [X.] vom 4.
Dezember 2012

4
StR
435/12, [X.], 167; Urteil vom 30.
März 1995

4
StR
725/95, NJW 1995, 3131, jeweil[X.] zu §
315c StGB;
[X.] in [X.], 2.
Aufl.,
§
315b Rn.
16). Bei Vorgängen im fließenden Verkehr mu[X.][X.] zu einem bewu[X.][X.]t zweckwidrigen Ein[X.]atz eine[X.] Fahrzeug[X.] in [X.] Ab[X.]icht ferner hinzukommen, da[X.][X.] da[X.] Fahrzeug mit
zu-minde[X.]t bedingtem
Schädigung[X.]vor[X.]atz mi[X.][X.]braucht wurde (vgl. [X.], [X.] vom 5.
November 2013

4
StR
454/13, [X.], 86; Urteil vom 20.
Februar 2003

4
StR
228/02, [X.]St 48, 233, 237
f.). Beide[X.] i[X.]t nicht hin-reichend belegt.
Da[X.][X.] da[X.] Fahrverhalten de[X.] Angeklagten zu einer konkreten Gefahr in dem darge[X.]tellten Sinne geführt hat, lä[X.][X.]t [X.]ich den Fe[X.]t[X.]tellungen nicht ent-nehmen. Al[X.] der Polizeibeamte [X.] R.

die Rückwärt[X.]fahrt einleitete, war

[X.] 50

e-[X.]e nur [X.]ehr vage Be[X.]chreibung der Entfernung[X.]verhältni[X.][X.]e lä[X.][X.]t keinen [X.]iche--könnte. Fe[X.]t[X.]tellungen zu den räumlichen Verhältni[X.][X.]en an der Stelle, an der der Angeklagte da[X.] zurückge[X.]etzte Polizeifahrzeug mit hoher Ge[X.]chwindigkeit pa[X.][X.]ierte (Ab[X.]tände zwi[X.]chen den Fahrzeugen, zur Verfügung [X.]tehender Raum für die Durchfahrt in Richtung Autobahn),
fehlen.
Soweit da[X.] [X.] an anderer Stelle (im Rahmen der Au[X.]führungen zu §
113 Ab[X.].
2 Satz
2 Nr.
2 5
-
6
-
StGB) darauf abhebt, e[X.] habe

i-zeibeamte einen Fahrfehler macht (UA
14), fehlt dafür jeder Beleg. Die[X.] gilt um[X.]o mehr al[X.] [X.] R.

ein au[X.]gebildeter Polizeibeamter

durch den
Hinwei[X.] [X.]einer Kollegen vorgewarnt war.
Einen zuminde[X.]t bedingten Schädigung[X.]vor[X.]atz hat da[X.] [X.] nicht fe[X.]tge[X.]tellt. In der rechtlichen Würdigung i[X.]t lediglich davon die Rede, da[X.][X.] der Angeklagte die Gefahr für die beiden Polizeibeamten durch [X.]einen Eingriff auch vor[X.]ätzlich herbeigeführt habe
(UA
14). In der Bewei[X.]würdigung führt da[X.] [X.] dazu au[X.], da[X.][X.] e[X.] dem Angeklagten darauf angekommen [X.]ei, die Durchfahrt in Kenntni[X.] der Blockade zu erzwingen und er dement[X.]pre-chend damit gerechnet habe, da[X.][X.] durch [X.]ein bedingung[X.]lo[X.]e[X.] Fahrverhalten da[X.] Polizeifahrzeug den Weg freigibt (UA
12).
2.
Die Aufhebung der Verurteilung wegen vor[X.]ätzlichen gefährlichen Ein-griff[X.] in den Straßenverkehr gemäß §
315b Ab[X.].
1 Nr.
3 StGB zieht die Aufhe-bung der tateinheitlichen Verurteilungen wegen Wider[X.]tand[X.] gegen Voll[X.]tre-ckung[X.]beamte gemäß §
113 Ab[X.].
1 StGB und wegen vor[X.]ätzlichen Fahren[X.] ohne Fahrerlaubni[X.] (§
21 Ab[X.].
1 Nr.
1 StVG) nach [X.]ich. Dadurch verlieren auch der Ge[X.]amt[X.]trafen-
und der Maßregelau[X.][X.]pruch ihre Grundlage.
3.
Für die neue Hauptverhandlung wei[X.]t der Senat auf da[X.] Folgende hin:
Bei einer wiederum erfolgenden Verurteilung wegen Wider[X.]tand[X.] gegen Voll[X.]treckung[X.]beamte gemäß §
113 Ab[X.].
1 StGB (Gewalt durch Zufahren auf die Polizeibeamten; vgl. dazu [X.], Be[X.]chlu[X.][X.] vom 19.
Dezember 2012

4
StR 497/12, [X.], 336, 337), wird auch da[X.] Regelbei[X.]piel de[X.] §
113 Ab[X.].
2 Nr.
1 StGB erneut 6
7
8
9
-
7
-
die[X.]er Vor[X.]chrift ange[X.]ehen werden (vgl. [X.], NJW 2008, 3627, 3629). E[X.] kommt aber

nicht ander[X.] al[X.] in den Fällen der §
244 Ab[X.].
1 Nr.
1,
§
250 Ab[X.].
1 Nr.
1a, Ab[X.].
2 Nr.
1 StGB

[X.], Urteil vom 30.
Mai 2000

4
StR
90/00, [X.], 530 zu §
252, §
250 Ab[X.].
2 Nr.
1 StGB). Da[X.] Regelbei[X.]piel de[X.] §
113 Ab[X.].
2 Satz
2 Nr.
2 StGB [X.]etzt eine bedingt vor[X.]ätzlich herbeigeführte konkrete Gefahr de[X.] Tode[X.] oder einer [X.]chweren Ge[X.]undheit[X.]be[X.]chädigung vorau[X.], die durch eine Gewalttätigkeit (vgl. dazu [X.], Urteil vom 20.
Juli 1995

1
StR
126/95, NJW 1995, 2643, 2645 zu §
125 Ab[X.].
1 Nr.
1 StGB) herbeigeführt worden [X.]ein mu[X.][X.]. Al[X.] eine [X.]olche Gewalttätigkeit kann zwar auch da[X.] [X.]chnelle Zufahren auf eine Per[X.]on in Betracht kommen (vgl. [X.] in [X.], 2.
Aufl.,
§
113 Rn.
17; [X.], StGB, 62.
Aufl., §
113 Rn.
39; E[X.]er in [X.]/[X.], StGB,
29.
Aufl.,
§
113 Rn.
67; [X.] in [X.], 2.
Aufl., §
113 Rn.
76).
Die konkrete Gefahr mu[X.][X.] aber

ander[X.] al[X.] bi[X.]her ge[X.]chehen

mit be[X.]timmten Tat[X.]achen belegt wer-den, wobei die oben zu §
315b StGB gemachten Au[X.]führungen einen Anhalt bieten.
So[X.]t-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin

Meta

4 StR 188/15

30.06.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.06.2015, Az. 4 StR 188/15 (REWIS RS 2015, 8896)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8896

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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