Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2015, Az. 3 StR 314/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 3276

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Fehlerhafte Ablehnung bei einem gewalttätigen jugendlichen Suchtkranken


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. März 2015, soweit es ihn betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Urteile des [X.] zu der [X.] von drei Jahren verurteilt. Während die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten zum Schuldspruch keinen Erfolg hat, kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Die [X.] hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt. Dies führt gemäß § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 [X.] auch zur Aufhebung des Strafausspruchs.

2

1. Das [X.] hat die Voraussetzungen des Hangs, des symptomatischen Zusammenhangs sowie der Gefährlichkeit für gegeben erachtet. Demgegenüber hat es - dem Sachverständigen folgend - die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) verneint und dies vor allem mit dem fehlenden Schulabschluss des Angeklagten, dem frühen Beginn seiner [X.] Auffälligkeiten, insbesondere seines [X.]s, sowie mit seiner Impulsivität, Aggressivität und Reizbarkeit begründet.

3

Dies hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand; denn diese Kriterien werden teilweise durch die Feststellungen nicht belegt, teilweise sind sie für sich nicht geeignet, gegen die konkrete Aussicht zu sprechen, der - therapiewillige - Angeklagte könnte durch den Vollzug der Maßregel geheilt und jedenfalls über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall bewahrt werden, so dass zu erwarten steht, dass bei erfolgreichem Verlauf der Therapie seine Gefährlichkeit aufgehoben oder deutlich herabgesetzt werden wird (vgl. zu diesen Maßstäben [X.], Beschluss vom 22. Januar 2013 - 3 StR 513/12, [X.]R StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1). Im Einzelnen:

4

a) Allein ein fehlender Schulabschluss spricht nicht für eine intellektuelle Behinderung, die wegen ihrer Schwere dazu führen könnte, dass der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt nicht behandelbar wäre (vgl. [X.] aaO; MüKoStGB/[X.], 2. Aufl., § 64 Rn. 68).

5

b) Darüber hinaus ist zwar von dem zu [X.] ein gewisses Maß an Introspektionsfähigkeit sowie Kränkungs- und Frustrationstoleranz zu fordern (vgl. [X.], [X.], 414, 417). Dass es daran dem Angeklagten mangelt, wird aber durch die Feststellungen zu dessen persönlichen Werdegang nicht belegt. Den Urteilsgründen ist insoweit nur zu entnehmen, dass im Jahre 2010 ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 45 Abs. 2 [X.] eingestellt worden und dass es zwischen dem Angeklagten und seinem Vater - wegen seines Drogenkonsums (!) - zu massiven, teils sogar gewalttätigen Streitigkeiten gekommen war. Auch die verfahrensgegenständlichen Straftaten, die im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen zwei Personengruppen begangen wurden, belegen keine den Angeklagten von anderen Gewalttätern unterscheidende höhere Aggressivität oder Reizbarkeit. Die Maßregel des § 64 StGB steht aber auch Gewalttätern offen.

6

c) Schließlich kommt es unter dem Aspekt der Verfestigung eines Konsumverhaltens weniger auf dessen Beginn als auf dessen Dauer an. Ein sechs Jahre andauernder [X.] vermag für sich betrachtet das Verdikt der Unbehandelbarkeit nicht zu begründen. Dies gilt umso mehr, als das Urteil keine Feststellung dahin enthält, dass sich der Angeklagte zuvor bereits einmal einer Therapie unterzogen hätte.

7

2. Die fehlerhafte Ablehnung der [X.] zieht gemäß § 5 Abs. 3, § 105 Abs. 1 [X.] die Aufhebung auch des Strafausspruchs nach sich (vgl. [X.], Beschluss vom 25. November 2014 - 5 StR 509/14, juris Rn. 4). Dieser ist jedoch auch für sich genommen nicht bedenkenfrei. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des [X.] unter Ziffer 2 und 3 der Antragsschrift vom 24. August 2015.

Becker                           Pfister                        Schäfer

                 Gericke                        Spaniol

Meta

3 StR 314/15

27.10.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Krefeld, 19. März 2015, Az: 21 KLs 37/14

§ 64 S 2 StGB, § 267 StPO, § 5 Abs 3 JGG, § 105 Abs 1 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2015, Az. 3 StR 314/15 (REWIS RS 2015, 3276)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3276

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 314/15 (Bundesgerichtshof)


3 StR 427/11 (Bundesgerichtshof)

Revisionsgerichtliche Nachprüfung einer Maßregelentscheidung: Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


5 StR 509/14 (Bundesgerichtshof)

Jugendstrafverfahren: Anordnung der Unterbringung eines alkoholkranken Jugendlichen in einer Entziehungsanstalt


5 StR 509/14 (Bundesgerichtshof)


1 StR 490/19 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.