Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.10.2022, Az. IX ZR 105/21

9. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6721

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen: Vergütungsanspruch des nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten bestellten gemeinsamen Vertreters in Höhe der auf die einzelnen Gläubiger entfallenden Quote


Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 8. Juni 2021, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und das Urteil der 10. Zivilkammer des [X.] vom 13. September 2019 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussrevision der Kläger wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Der Wert des Revisionsverfahrens wird auf 9.085 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger sind Gläubiger inhaltsgleicher Anleihen, welche die zwischenzeitlich insolvente [X.] (fortan: Schuldnerin) im Rahmen einer Gesamtemission ausgegeben hat. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde der Beklagte durch Mehrheitsbeschluss der Gläubigerversammlung zum gemeinsamen Vertreter der Gläubiger bestellt. Die Kläger nahmen an der Abstimmung nicht teil oder wurden überstimmt.

2

Im [X.] 2018 zahlte der Insolvenzverwalter an den Beklagten einen Abschlag auf die zu erwartenden Quoten. Der Beklagte leitete den auf den jeweiligen Gläubiger entfallenden Betrag an diesen weiter, behielt jedoch einen Betrag in Höhe von 1,1 % der Nominalhöhe der Schuldverschreibung als Abschlag auf seine Vergütung ein.

3

Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger die Auszahlung der einbehaltenen Beträge nebst Zinsen sowie die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen verlangt. Das [X.] hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten hatte nur hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Im Wege der [X.] verfolgen die Kläger den Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten nebst Zinsen weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg. Die [X.] der Kläger ist unbegründet.

A.

5

Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und zur Abweisung der Klage.

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwischen den Parteien sei ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen. Aus dieser vertraglichen Beziehung folge jedoch kein Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des gemeinsamen Vertreters. Der Vergütungsanspruch richte sich vielmehr ausschließlich gegen den Schuldner. Die insoweit einschlägige Vorschrift des § 7 Abs. 6 [X.] sei auch dann anzuwenden, wenn der gemeinsame Vertreter erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners bestellt worden sei. Die Kostenregelung des § 9 Abs. 4 [X.] führe zu keiner anderen Beurteilung. Eine ergänzende Vertragsauslegung in dem vom Beklagten gewünschten Sinne komme angesichts der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 6 [X.] nicht in Betracht. [X.] entfielen, weil der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Parteien den Rechtsgrund für die Leistung des Beklagten bilde. Die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB lägen schließlich ebenfalls nicht vor.

II.

7

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

8

1. Grundlage des Begehrens der Kläger ist § 667 BGB in entsprechender Anwendung. Das Rechtsverhältnis zwischen dem nach § 19 Abs. 2 [X.] von der Gläubigerversammlung bestellten gemeinsamen Vertreter und den Gläubigern richtet sich, soweit das Schuldverschreibungsgesetz keine abweichenden Bestimmungen trifft, nach den Vorschriften der §§ 675, 667 ff BGB ([X.], Urteil vom 10. März 2022 - [X.], [X.], 617 Rn. 8 mwN). Der Beklagte ist verpflichtet, das, was er aus seiner Tätigkeit nach § 19 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 [X.] erlangt hat, an den jeweiligen Kläger herauszugeben.

9

2. Der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten bestellte gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger ist jedoch berechtigt, die ihm zustehende angemessene Vergütung nebst Auslagen der auf den einzelnen Anleihegläubiger entfallenden Quote zu entnehmen (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 2022 - [X.], [X.], 617 Rn. 10 ff).

a) Der von der Gläubigerversammlung bestellte gemeinsame Vertreter hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Dieser Anspruch richtet sich zwar grundsätzlich gegen den Schuldner (vgl. § 7 Abs. 6 [X.]). Das gilt auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Auch dann steht dem gemeinsamen Vertreter kein selbständig durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung gegen den einzelnen Gläubiger zu (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 2022, aaO Rn. 11 f mwN).

b) Der Vergütungsanspruch berechtigt den gemeinsamen Vertreter jedoch, die angemessene Vergütung und seine Auslagen der auf den einzelnen Gläubiger entfallenden Quote zu entnehmen. Grundlage der Entnahmebefugnis ist der nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] gefasste Mehrheitsbeschluss der Gläubiger. Das Schuldverschreibungsgesetz schützt den einzelnen Gläubiger nicht vor Mehrheitsbeschlüssen, die sich nachteilig auf dessen Hauptforderung auswirken. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das bereits zitierte [X.]surteil vom 10. März 2022 ([X.], [X.], 617 Rn. 13 ff) Bezug genommen. Die Höhe der geltend gemachten Vergütung ist (bisher) nicht zu beanstanden ([X.], Urteil vom 10. März 2022, aaO Rn. 20).

3. Das [X.]surteil vom 10. März 2022 ist überwiegend kritisch aufgenommen worden (vgl. die Anmerkungen von [X.]/[X.], [X.], 454; [X.], [X.], 1033; [X.]/Wintzer, EWiR 2022, 371; hinsichtlich der Begründung auch [X.], [X.], 277). Der [X.] hat die Kritik zur Kenntnis genommen, hält aber an seiner Auffassung fest. Wünschenswert wäre eine gesetzliche Regelung der Vergütung des gemeinsamen Vertreters nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners.

III.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf die Berufung des Beklagten wird die Klage abgewiesen.

B.

Die [X.] der Kläger bleibt ohne Erfolg. Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 280 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift setzt eine Pflichtverletzung voraus. Der Beklagte war jedoch, wie gezeigt, berechtigt, einen Abschlag in Höhe der streitbefangenen Beträge einzubehalten.

[X.]     

      

[X.]     

      

Schultz

      

Selbmann     

      

Harms     

      

Meta

IX ZR 105/21

13.10.2022

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 8. Juni 2021, Az: 14 U 3753/19

§ 7 Abs 6 SchVG, § 9 Abs 4 SchVG, § 19 Abs 2 SchVG, § 667 BGB, § 675 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.10.2022, Az. IX ZR 105/21 (REWIS RS 2022, 6721)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6721

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 266/20 (Bundesgerichtshof)

Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen: Vergütung des nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten …


IX ZR 42/22 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren gegen den eine KGaA und Emittentin von Schuldverschreibungen: Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters von Schuldverschreibungsgläubigern


IX ZR 178/20 (Bundesgerichtshof)

Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen: Vergütung des nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten …


IX ZR 196/20 (Bundesgerichtshof)

Bestellung des gemeinsamen Vertreters der Schuldverschreibungsgläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der emittierenden …


IX ZR 77/20 (Bundesgerichtshof)

Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Emittenten: Vergütungsanspruch des bestellten gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZR 178/20

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.