Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.11.2013, Az. II R 38/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 969

STEUERRECHT GRUNDERWERBSTEUER BUNDESFINANZHOF (BFH) GRUNDBESITZ

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter Auflage


Leitsatz

Ist bei einer Grundstücksschenkung unter Auflage (hier Verpflichtung zur Einräumung eines Wohnrechts am Grundstück) die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach bereicherungsmindernd abziehbar, unterliegt sie mit ihrem nach den für die Grunderwerbsteuer geltenden Vorschriften zu ermittelnden Wert der Grunderwerbsteuer. § 3 Nr. 2 GrEStG gebietet es nicht, die Auflage bei der Schenkungsteuer und bei der Grunderwerbsteuer nach übereinstimmenden Maßstäben zu bewerten.

Tatbestand

1

I. Die 1944 geborene Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) übertrug mit notariell beurkundetem [X.] ein in ihrem Alleineigentum stehendes Wohngrundstück auf B. B räumte der Klägerin auf deren Lebenszeit ein unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht an dem Grundstück ein. Der Jahreswert des Wohnungsrechts wurde mit 9.000 € beziffert. Zudem verpflichtete sich B, für den Bedarfsfall auf seine Kosten einen Pflegedienst zu beauftragen. Im Übrigen sollte die Übertragung des Grundstücks unentgeltlich erfolgen. Die Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme der mit der Grundstücksübertragung verbundenen Verkehrsteuern. Bei der Bemessung der für den Grundstückserwerb festgesetzten Schenkungsteuer wurde die Einräumung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an die Klägerin mit einem Wert von 98.110 € erwerbsmindernd berücksichtigt.

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) setzte gegen die Klägerin mit Bescheid vom 17. Februar 2011 Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.912 € fest. Dabei legte er als Bemessungsgrundlage einen nach den allgemeinen Vorschriften des Bewertungsgesetzes ([X.]) ermittelten Wert des unentgeltlichen Wohnungsrechts in Höhe von 109.170 € (Jahreswert 9.000 € x Vervielfältiger von 12,130) zugrunde. Die für Zwecke der Schenkungsteuer geltende Begrenzung des Jahreswerts der Nutzungen (§ 16 [X.]) berücksichtigte er nicht. Der Einspruch blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit der Begründung statt, bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer sei der Kapitalwert des Wohnungsrechts nur in der Höhe zu berücksichtigen, in der er tatsächlich bei der Schenkungsteuer abgezogen werden könne, also in Höhe von 98.110 €. Das Urteil des [X.] ist in [X.] Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2013, 939 veröffentlicht.

4

Mit der Revision rügt das [X.] eine Verletzung des § 3 Nr. 2 Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und des § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Entgegen der Auffassung des [X.] sei der Bemessung der Grunderwerbsteuer bei einer Schenkung unter einer Auflage der nach §§ 13 bis 15 [X.] ermittelte Kapitalwert der Auflage zugrunde zu legen. Die Begrenzung der schenkungsteuerrechtlichen Abziehbarkeit der Auflage müsse gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] unberücksichtigt bleiben.

5

Das [X.] beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Entgegen der Auffassung des [X.] entspricht der Grunderwerbsteuerbescheid den Vorschriften des [X.] und ist auch mit Verfassungsrecht vereinbar.

8

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Von der Besteuerung ausgenommen sind gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 [X.] [X.]en unter Lebenden im Sinne des [X.] ([X.]). Soweit die Schenkung unter einer Auflage erfolgt, die bei der Schenkungsteuer abziehbar ist, unterliegt der Vorgang jedoch hinsichtlich des Werts der Auflage der Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 2 Satz 2 [X.]).

9

a) Eine Schenkung unter einer Auflage (§ 525 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) in diesem Sinn liegt vor, wenn die Leistung des Beschenkten nicht für die Zuwendung, sondern auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung erfolgen soll (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 29. Januar 1992 II R 41/89, [X.], 189, [X.] 1992, 420). Dies ist etwa der Fall, wenn die [X.] unter der Auflage einer Nießbrauchsbestellung oder der Bestellung eines dinglichen Wohnungsrechts (§§ 1090, 1093 BGB) zugunsten des [X.]s oder eines [X.] vorgenommen wird ([X.]-Urteil vom 13. April 2011 II R 27/09, [X.], 174, [X.] 2011, 730, Rz 12).

Derartige Nutzungs- oder Duldungsauflagen mindern bei der Schenkungsteuer die Bereicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] ([X.]-Urteil vom 17. Oktober 2001 II R 72/99, [X.], 296, [X.] 2002, 25, unter [X.]; [X.] in Troll/[X.]/ [X.], [X.], § 7 Rz 160, 494, § 10 Rz 4; [X.] in [X.]/ [X.], [X.], Einleitung Rz 25.1 ff., § 7 [X.], Rz 76 ff.). Dies gilt für [X.] nach dem 31. Dezember 2008 auch dann, wenn die Grundstücksnutzung dem [X.] oder dessen Ehegatten zusteht; denn das insoweit früher in § 25 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgesehene Abzugsverbot wurde durch Art. 1 Nr. 20 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des [X.] (ErbStRG) vom 24. Dezember 2008 ([X.], 3018) mit Wirkung ab 1. Januar 2009 aufgehoben und gilt daher gemäß § 37 Abs. 1 [X.] i.d.F. des Art. 1 Nr. 29 Buchst. a ErbStRG nicht mehr für Erwerbe, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2008 entsteht (vgl. z.B. [X.], a.a.[X.], § 25 Rz 5; [X.], a.a.[X.], Einleitung Rz 25.1 f., 28.1, § 7 Rz 76; [X.] in [X.]/[X.], § 25 [X.], Rz 1; [X.] in [X.], [X.], 17. Aufl., § 3 Rz 262).

b) Die Abziehbarkeit der Nutzungs- oder Duldungsauflagen bei der Schenkungsteuer hat gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 [X.] zur Folge, dass der Grundstückserwerb mit dem Wert der Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt ([X.], [X.], Kommentar, 9. Aufl., § 3 Rz 24 f.; [X.] in [X.], a.a.[X.]). Ist die freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) unter der bei der Schenkungsteuer abziehbaren Auflage erfolgt, dass der Bedachte dem [X.] ein lebenslängliches Wohnungsrecht einräumt, entspricht der Wert der Auflage dem Wert des Wohnungsrechts, das nach § 1 Abs. 1 i.V.m. §§ 14 und 15 [X.] mit seinem Kapitalwert zu bewerten ist. Bei dem Wohnungsrecht handelt es sich um eine Nutzung, die nicht in Geld besteht und deren Jahreswert deshalb gemäß § 15 Abs. 2 [X.] mit dem üblichen Mittelpreis des [X.] anzusetzen ist. Der Jahreswert ist für die Anwendung des § 3 Nr. 2 Satz 2 [X.] anders als bei der Bemessung der Schenkungsteuer nicht nach § 16 [X.] auf den Wert beschränkt, der sich ergibt, wenn der für das zugewendete Grundstück für Zwecke der Schenkungsteuer gemäß § 12 Abs. 3 [X.] nach den Vorschriften des [X.] (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 157 Abs. 3, §§ 176 bis 198) anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. § 16 [X.] findet gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 [X.] auf die Grunderwerbsteuer keine Anwendung.

Dem § 3 Nr. 2 [X.] lässt sich nichts anderes entnehmen. Die Vorschrift begründet weder eine verfahrensrechtliche noch eine materiell-rechtliche Bindung der Bemessung der Grunderwerbsteuer an den Wert, mit dem die Auflage bei der Festsetzung der Schenkungsteuer berücksichtigt wurde oder zu berücksichtigen ist. Vielmehr ist der ohne Berücksichtigung des § 16 [X.] ermittelte Wert der Auflage der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen ([X.], Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis 2006, 83, 85; a.A. Beschluss des [X.] Nürnberg vom 23. Juli 2013  4 V 545/13, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1789). Es spielt dabei keine Rolle, ob Schenkungsteuer festgesetzt wurde und ggf. mit welchem Wert die Auflage sich dabei bereicherungsmindernd auswirkte. Dies hat der [X.] bereits mit dem Beschluss vom 5. März 1975 II B 61/74 ([X.]E 115, 151, [X.] 1975, 419) und den Urteilen vom 17. September 1975 II R 42/70 ([X.]E 117, 280, [X.] 1976, 126) und vom 20. April 1977 II R 48/76 ([X.]E 122, 355, [X.] 1977, 676) zur seinerzeitigen Fassung des § 3 Nr. 2 [X.] entschieden (vgl. auch [X.]-Urteil vom 7. September 1994 II R 99/91, [X.]/NV 1995, 433, unter [X.]; [X.], a.a.[X.], § 3 Rz 7).

Die Neufassung des § 3 Nr. 2 Satz 2 [X.] durch Art. 7 Nr. 2 des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 ([X.] 1996, 2049) hat daran nichts geändert. Durch diese Vorschrift, nach der Schenkungen unter einer Auflage der Besteuerung hinsichtlich des Werts solcher Auflagen unterliegen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, hat der Gesetzgeber lediglich im [X.] an den Beschluss des [X.] vom 15. Mai 1984  1 BvR 464/81 u.a. ([X.] 67, 70, [X.] 1984, 608, unter [X.].) klargestellt, dass Auflagen, die bei der Schenkungsteuer nicht abziehbar sind, sondern nur zu einer Stundung der Steuer nach § 25 [X.] a.F. führen, der Bemessung der Grunderwerbsteuer nicht zugrunde gelegt werden dürfen (vgl. dazu [X.]-Urteil in [X.]/NV 1995, 433).

Dies hat indes nichts daran geändert, dass die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und von Grunderwerbsteuer andererseits verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich grundsätzlich unabhängig voneinander nach den jeweils geltenden Vorschriften zu erfolgen haben ([X.], a.a.[X.], § 3 Rz 100). Wie sich aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 [X.] ergibt, der den Nebensatz "die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind", grammatikalisch an "Auflagen" anknüpft, soll es für die Grunderwerbsteuer nur darauf ankommen, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach abziehbar ist. Hätte der Gesetzgeber etwas anderes regeln wollen, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck bringen können und müssen, etwa durch die Anordnung, dass eine Schenkung unter einer Auflage der Grunderwerbsteuer unterliegt, soweit der Wert der Auflage bei der Schenkungsteuer abgezogen wurde oder abziehbar ist.

Ein Verfassungsverstoß liegt in der getroffenen gesetzlichen Regelung auch dann nicht, wenn aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsvorschriften der Wert der Auflage, der der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen ist, höher ist als der bei der Schenkungsteuer abziehbare Wert. Die Hinnahme solcher [X.] ist vielmehr auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zumutbar.

2. Da das [X.] von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen. Das [X.] hat gegen die Klägerin zutreffend Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 2 Satz 2 [X.] in Höhe von 4.912 € festgesetzt. Den Jahreswert der Nutzung hat es zu Recht dem [X.] entnommen. Dass dieser Wert überhöht sei, macht die Klägerin nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich. Die für Zwecke der Schenkungsteuer gemäß § 16 [X.] geltende Begrenzung des Jahreswerts des Nutzungsrechts ist auf die Grunderwerbsteuer nicht anwendbar. Der Vervielfältiger von 12,130 ist zwar fehlerhaft. Der Vervielfältiger von 12,165, der sich aus § 14 Abs. 1 Satz 4 [X.] in Verbindung mit dem Schreiben des [X.] vom 8. November 2010 (BStBl I 2010, 1288) aufgrund des von der Klägerin beim Abschluss des [X.] vollendeten Lebensalters von 66 Jahren ergibt, ist aber höher als 12,130 und kann daher wegen des im gerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbots der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden.

Meta

II R 38/12

20.11.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 7. März 2012, Az: 7 K 105/11, Urteil

§ 3 Nr 2 S 2 GrEStG 1997, § 16 BewG 1991, § 17 Abs 3 S 2 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.11.2013, Az. II R 38/12 (REWIS RS 2013, 969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 969

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 57/14 (Bundesfinanzhof)

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter einer Auflage


4 K 410/13 (FG Nürnberg)

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Schenkung unter Lebenden mit Nießbrauchsvorbehalt


4 K 410/13 (FG Nürnberg)

(Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Schenkung unter Lebenden mit Nießbrauchsvorbehalt)


4 K 410/13 (FG Nürnberg)

(Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Schenkung unter Lebenden mit Nießbrauchsvorbehalt)


II B 38/15 (Bundesfinanzhof)

Grunderwerbsteuer bei Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.