Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.10.2014, Az. II R 20/13

2. Senat | REWIS RS 2014, 2507

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Gegenstand

Einheitlicher Erwerbsvorgang im Grunderwerbsteuerrecht


Leitsatz

1. NV: Ergibt sich aus weiteren Vereinbarungen, die mit dem Grundstückskaufvertrag in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand .

2. NV: Der objektiv sachliche Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen wird indiziert, wenn die Veräußererseite dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück ein bestimmtes Gebäude zusammen mit dem Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hatte und der Erwerber dieses Angebot später unverändert oder mit geringen Abweichungen angenommen hat .

Tatbestand

1

I. Die [X.] unterbreitete der Klägerin und [X.] (Klägerin) am 30. Mai 2006 ein Angebot zur Errichtung eines näher bestimmten Haustyps zu einem Festpreis in Höhe von 97.200 €. Bei dem zu errichtenden Haus handelt es sich um ein Zweifamilienhaus (sog. Stadtvilla), bei dem die Klägerin die Wohnung im Obergeschoss und ein Ehepaar, das die Klägerin erst über das Verkaufsangebot kennengelernt hatte, die Wohnung im Erdgeschoss nach entsprechender Aufteilung in Wohneigentum erhalten sollten. In dem Angebot wurde das konkrete Baugrundstück mit Straßennamen und Hausnummer näher bezeichnet und auf den [X.] zu diesem Grundstück verwiesen. Das Angebot enthält den Zusatz, dass es "zum Vertrag werde", wenn die Finanzierungszusage einer Bank vorliege und das Grundstück notariell erworben sei. Die Klägerin nahm das Angebot am 30. Mai 2006 an.

2

Die Klägerin und die Eheleute erwarben durch notariell beurkundeten [X.] von der [X.] das Grundstück zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 47.955 €. Auf die Klägerin entfiel entsprechend ihrem Miteigentumsanteil von 312/1000 ein Anteil in Höhe von 14.965,40 €. In dem Kaufvertrag ist die Absicht der Erwerber erwähnt, das Grundstück später in Wohnungseigentum aufzuteilen. Die [X.] bestätigte am 10. Juli 2006 die Annahme des [X.] der Klägerin vom 30. Mai 2006.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) erließ am 31. Oktober 2006 einen Grunderwerbsteuerbescheid, in dem er die Grunderwerbsteuer ausgehend von dem [X.] in Höhe von 14.961 € auf 523 € festsetzte. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung ([X.]) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 26. Juni 2007 erließ das [X.] einen nach § 164 Abs. 2 [X.] geänderten Grunderwerbsteuerbescheid. Dabei rechnete es --rechnerisch unzutreffend-- die gesamten Grundstückskosten und die auf die Klägerin allein entfallenden Baukosten zusammen, berücksichtigte davon 312/1000 als Bemessungsgrundlage und setzte die Grunderwerbsteuer auf 1.585 € fest. Am 24. Juli 2007 erließ das [X.] einen nach § 129 [X.] geänderten Bescheid, rechnete die anteiligen Grundstückskosten und die auf die Klägerin entfallenden Baukosten zur Bemessungsgrundlage und setzte die Grunderwerbsteuer auf 3.925 € fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Mai 2008 setzte das [X.] die Grunderwerbsteuer nach entsprechendem [X.] auf 4.349 € fest. In die Bemessungsgrundlage bezog es weitere 12.100 € ein, die die Klägerin an die [X.] gezahlt hatte.

4

Das Finanzgericht ([X.]) verneinte das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands und gab der auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer auf den ursprünglichen Betrag von 523 € gerichteten Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1425 veröffentlicht.

5

Dagegen richtet sich die Revision des [X.]. Seiner Ansicht nach hat das [X.] bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) Miteigentumsanteile an einem Gebäude auf einem unbebauten Grundstück nicht für sich allein, sondern nur durch Errichtung des betreffenden Gebäudes "hergestellt" werden können.

6

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Entgegen der Auffassung des [X.] war das Grundstück im bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Die Feststellungen des [X.] reichen jedoch nicht aus, um die von der Klägerin an die [X.] gezahlten Kosten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

9

1. [X.], nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des [X.]es ([X.]) die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. März 2012 II R 57/10, [X.], 460, [X.], 920; vom 27. September 2012 II R 7/12, [X.], 154, [X.], 86; vom 19. Juni 2013 II R 3/12, [X.], 173, [X.], 965, und vom 27. November 2013 II R 56/12, [X.], 415, [X.] 2014, 534).

a) Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln (BFH-Urteile in [X.], 460, [X.], 920, Rz 12; in [X.], 154, [X.], 86, Rz 10, und in [X.], 173, [X.], 965, Rz 11). Der objektiv sachliche Zusammenhang wird indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude zusammen mit dem Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hatte und der Erwerber dieses Angebot später unverändert oder mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändert haben, angenommen hat (BFH-Urteile in [X.], 154, [X.], 86, Rz 10; in [X.], 173, [X.], 965, Rz 11, und vom 26. Februar 2014 II R 54/12, [X.], 1403, Rz 10, jeweils m.w.N.).

b) Auf der [X.] können dabei mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den [X.] begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (BFH-Urteile vom 23. November 1994 II R 53/94, [X.], 450, [X.] 1995, 331; vom 21. September 2005 II R 49/04, [X.], 530, [X.] 2006, 269; in [X.], 154, [X.], 86, Rz 12; in [X.], 173, [X.], 965, Rz 13, und in [X.], 1403, Rz 11, jeweils m.w.N.).

2. Das [X.] ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat aber nicht erkannt, dass die Voraussetzungen eines einheitlichen [X.] "bebautes Grundstück" aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts (§ 118 Abs. 2 [X.]O) erfüllt sind. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.

a) Aufgrund der Vorplanungen der [X.] und des [X.] vom 30. Mai 2006 wurde der Klägerin bereits vor Abschluss des Kaufvertrags über die Miteigentumsanteile an dem Grundstück ein bestimmtes Gebäude auf dem Grundstück zu einem feststehenden Preis angeboten. Die Klägerin hat dieses Angebot bereits vor Beurkundung des [X.] angenommen. Dass der Bauvertrag unter der aufschiebenden Bedingung des Abschlusses des [X.] und der Finanzierungszusage einer Bank stand, steht der Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs nicht entgegen.

b) Für das Zusammenwirken auf der [X.] reicht es aus, dass die [X.] das Grundstück der [X.] zur Vermarktung "an die Hand" gegeben hatte. Das ergibt sich aus der Bezeichnung des Baugrundstücks in dem Angebot an die Klägerin und der Bezugnahme auf den [X.] zu diesem Grundstück. Weiterer Abreden über die Veräußerung und Bebauung des Grundstücks bedurfte es somit nicht.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die von der Klägerin an die [X.] gezahlten 12.100 € in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind. Das [X.] wird zunächst festzustellen haben, um welche Kosten es sich bei dem an die [X.] entrichteten Beträgen konkret handelt. Handelt es sich um anteilige Erschließungskosten für das gesamte Baugebiet, ist für die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage entscheidend, ob das Grundstück unerschlossen oder erschlossen bzw. mit der Verpflichtung des Veräußerers, es erschlossen zu verschaffen, Gegenstand des Erwerbsvorgangs war (vgl. BFH-Urteile vom 15. März 2001 II R 39/99, [X.], 452, [X.] 2002, 93; vom 15. März 2001 II R 51/00, [X.] 2001, 1297, und vom 11. Februar 2004 II R 31/02, [X.], 489, [X.] 2004, 521; [X.], [X.], Kommentar, 5. Aufl., § 8 Rz 18 ff.; Loose in [X.], [X.], 17. Aufl., § 9 Rz 279 ff.). Handelt es sich hingegen um reine Hausanschlusskosten, ist nach den dargestellten Grundsätzen zu entscheiden, ob diese von dem einheitlichen Erwerbsgegenstand erfasst sind.

4. Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 20/13

01.10.2014

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 29. August 2012, Az: 11 K 11139/08, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.10.2014, Az. II R 20/13 (REWIS RS 2014, 2507)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2507

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