Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2004, Az. IXa ZB 297/03

IXa- Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3079

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[X.]BESCHLUSS [X.]
vom 19. Mai 2004 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO §§ 807, 850c Abs. 4, §§ 899 ff a) Bei Aufstellung des [X.] und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat der Schuldner Angaben zu den Einkünften der [X.] jedenfalls dann zu machen, wenn in Betracht kommt, daß diese Perso-nen bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. b) Sind die erforderlichen Angaben unterblieben, kann Nachbesserung verlangt wer-den. c) Der Gerichtsvollzieher ist in der Regel nicht [X.] der Rechtsbehelfsverfahren in [X.]. Verfahrenskosten können nur der unterliegenden [X.] auferlegt werden. - 2 -

[X.], [X.]uß vom 19. Mai 2004 - [X.] - LG Halle

AG Halle-Saalkreis

- 3 - [X.] des Bundes[X.]ichtshofs hat durch [X.] Kreft, [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.]

am 19. Mai 2004 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubi[X.] wird der [X.]uß der 8. Zivilkammer des Land[X.]ichts Halle vom 28. Oktober 2003 auf-gehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der [X.] hat der Schuldner zu tragen.

Wert: bis 300 •

Gründe:
[X.]
Die Gläubi[X.] haben gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung betrieben. Der Schuldner erstellte im Oktober 1999 ein Vermö-gensverzeichnis und gab die eidesstattliche Versicherung ab (§§ 807, 899 ff ZPO). Er erklärte, er beziehe Arbeitslosenhilfe, seine Ehefrau verfüge über kein eigenes Einkommen; die Kinder S. (geb. 1990) und [X.] (geb. 1984) würden in seinem Haus-halt versorgt (Naturalunterhalt). - 4 -

Unter dem 18. April 2001 beantragten die Gläubi[X.] bei dem zuständigen [X.], den Schuldner zur Nachbesserung der eidesstattlichen Versiche-rung zu laden. Zur Begründung gaben sie an, es seien im Hinblick auf eine mögliche Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO nähere Angaben zu den Einkommensverhält-nissen der Kinder erforderlich. Der Gerichtsvollzieher lehnte die Ausführung des Auftrags auf Nachbesserung ab, weil der Schuldner mit der Angabe des Alters der Kinder und der Mitteilung, daß sie in seinem Haushalt versorgt würden, in ausrei-chendem Maße angegeben habe, daß hier kein schuldnerrelevantes Vermögen [X.].

Die dagegen erhobene Erinnerung der Gläubi[X.] hat das Amts[X.]icht [X.]. Das Land[X.]icht hat die sodann von den Gläubi[X.]n eingelegte sofortige Beschwerde zunächst durch [X.]uß des Einzelrichters, in dem die Rechtsbe-schwerde zugelassen wurde, zurückgewiesen; die erste Rechtsbeschwerde der Gläubi[X.] führte deshalb zur Aufhebung und Zurückverweisung ([X.]. v. 14. April 2003 - [X.]; zur Rechtslage vgl. [X.] 154, 200). Da inzwischen die Dreijahresfrist des § 903 ZPO abgelaufen war, haben die Gläubi[X.] das Verfah-ren für erledigt erklärt. Das Land[X.]icht hat sodann durch den angefochtenen Be-schluß das Verfahren auf die Kammer übertragen, die Kosten des Beschwerdever-fahrens den Gläubi[X.]n auferlegt und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Gläu-bi[X.] erstreben mit der Rechtsbeschwerde die Kostenbelastung des Schuldners.

I[X.] - 5 -

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 statthaft, weil sie vom Land[X.]icht zugelassen worden ist. Unerheblich ist deshalb, ob und inwieweit eine Kostenentscheidung, wie sie hier ergangen ist, überhaupt geeignet sein kann, grundsätzliche Rechtsfragen zu klären (vgl. dazu [X.], [X.]. v. 17. März 2004 - [X.], z.[X.].). Die Tatsache, daß die Rechtsbeschwerde sich gegen eine Kostenentscheidung wendet, steht der [X.] nicht grundsätzlich entgegen (vgl. [X.], [X.]. v. 3. März 2004 - [X.], z.[X.]., m.w.[X.]). Die son-stigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

1. Nach Auffassung des Beschwerde[X.]ichts hat der Gerichtsvollzieher den Auftrag zur Einholung einer Nachbesserungserklärung des Schuldners zu Recht ab-gelehnt. Nach § 807 ZPO habe der Schuldner ein Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen. Ein Zwang zur Angabe über das Vermögen anderer Gläubi[X.], hier der unterhaltsberechtigten Kinder, bestehe nicht. Die Grenze für Auskünfte über Lei-stungen des Schuldners an Dritte ergebe sich aus § 807 Abs. 2 ZPO, womit der mißbräuchlichen Verla[X.]ung von Vermögenswerten begegnet werde. Nicht damit vergleichbar sei das Begehren der Beschwerdeführer, lediglich Informationen hin-sichtlich einer eventuellen Anwendung von § 850c Abs. 4 ZPO zu "sammeln". Folge man der Rechtsauffassung der Beschwerdeführer, bestehe die Gefahr einer Ausufe-rung zu Lasten Dritter, weil bei der Anwendung des § 850c Abs. 4 ZPO eine Vielzahl von Daten in Betracht zu ziehen seien, die über das Erwerbseinkommen der Unter-haltsberechtigten hinausgingen. Ein Gläubi[X.] könnte dann tiefgreifende Informatio-nen über Dritte, zu denen keine Rechtsbeziehungen bestehen, erlangen. Für einen solch weitreichenden Eingriff in die Privatsphäre Dritter bestehe keine gesetzliche Grundlage. - 6 -

Dem hält die Rechtsbeschwerde entgegen, es sei nicht sach[X.]echt, wenn der Erfolg eines Antrags nach § 850c Abs. 4 ZPO letztlich davon abhänge, daß dem Gläubi[X.] zufällig oder durch eigene Nachforschungen die vorzutragenden Tatsa-chen bekannt würden. Es entspreche Sinn und Zweck des § 807 ZPO, daß der Schuldner dem Gläubi[X.] die Informationen verschaffen müsse, die dieser für erfolg-reiche Vollstreckungsmaßnahmen benötige. Dazu gehöre auch das Einkommen der Unterhaltsberechtigten, da dieses nach § 850c Abs. 4 ZPO Auswirkungen auf die Pfändbarkeit von Forderungen des Schuldners habe.

2. Der Senat folgt der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung.

Die Frage, ob der Schuldner im Hinblick auf § 850c Abs. 4 ZPO in dem [X.] Angaben zu den Einkünften der Unterhaltsberechtigten machen muß, wird teilweise verneint (etwa [X.]/[X.], ZPO, 24. Aufl., § 807 Rn. 27; vgl. auch [X.]/[X.], 2. Aufl., § 807 Rn. 50; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 807 Rn. 34 jeweils zum Taschengeldanspruch), teilweise bejaht (etwa [X.] [X.] 1999, 173, 174; [X.] [X.] 2002, 156; LG Ol-denburg [X.] 1996, 328, 329; [X.] [X.] 1996, 492, 493; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 62. Aufl., § 807 Rn. 33; [X.]/ [X.]/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 807 Rn. 170; [X.], Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 807 Rn. 31; [X.] NJW 1995, 1861, 1864).

Richti[X.]weise ist sie zu bejahen.

a) Der Zweck der in den §§ 807, 899 ff ZPO getroffenen Regelungen liegt darin, dem Gläubi[X.] eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben; ihm - 7 -

soll die Kenntnis von denjenigen Vermögensstücken verschafft werden, die mögli-cherweise seinem Zugriff im Wege der Zwangsvollstreckung unterliegen ([X.] 61, 126, 136; [X.]St 15, 128, 130; BayObLG NJW 2003, 2181, 2182; [X.]/[X.] aaO Rn. 1). Damit wird dem öffentlichen Interesse daran Rechnung getragen, dem Vollstreckungsgläubi[X.], dem der Staat als Inhaber des Zwangsmonopols die Selbsthilfe verbietet, die Verwirklichung seines Anspruchs und als Voraussetzung dafür die mit der Offenlegung bezweckte Feststellung der pfändbaren Vermögens-gegenstände zu ermöglichen ([X.] aaO). Um dem genannten Zweck [X.]echt zu werden, müssen die Angaben des Schuldners so genau und vollständig sein, daß der Gläubi[X.] an Hand des [X.] sofort die möglichen [X.] zu seiner Befriedigung treffen kann (BayObLG aaO).

b) Gemessen daran muß sich der Schuldner in geeigneten Fällen (dazu unten 3) auch zu einem etwaigen Einkommen der angegebenen Unterhaltsberechtigten erklären. Der Schuldner gibt in dem Vermögensverzeichnis die Unterhaltsberechtig-ten an, um den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens zu mindern (vgl. § 850c Abs. 1 ZPO). Der Wegfall eines Unterhaltsberechtigten, der über eigene Einkünfte verfügt, führt zu einer Erhöhung des pfändbaren Einkommensanteils; jedenfalls [X.] eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten zu einer Ermessensentscheidung des Vollstreckungs[X.]ichts nach § 850c Abs. 4 ZPO führen. In beiden Fällen erge-ben sich möglicherweise für den Gläubi[X.] verbesserte Vollstreckungsmöglichkei-ten. Die Mitteilung der Tatsache, daß und in welcher Höhe der Unterhaltsberechtigte über eigene Einkünfte verfügt, betrifft also das Vermögen des Schuldners, über das er sich nach § 807 ZPO zu erklären hat.

c) Dem Schuldner werden nur Erklärungen abverlangt, die sich ohne Schwie-rigkeiten erfüllen lassen (vgl. [X.] aaO). Angaben zur Beschäftigung minderjähri-- 8 -

[X.], im Haushalt des Schuldners lebender Kinder - um die es hier geht - sind ihm in der Regel ohne weiteres möglich. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich der Schuldner unter anderen Umständen nähere Kenntnisse verschaffen muß, kann hier unentschieden bleiben. Erforderlich sind nur die Angaben, die zur Beurteilung der [X.] des Gläubi[X.]s benötigt werden. Eine genaue [X.] oder Ausbildungsbetriebs des Unterhaltsberechtigten wird daher in der Regel ebensowenig erforderlich sein wie die Mitteilung der genauen Einkommenshöhe (vgl. [X.] aaO). Die Forderung nach derartigen Erklärungen greift nicht in unzumutbarer Weise in die Rechte des Schuldners oder der [X.] ein. Angaben zu den Einkünften Unterhaltsberechtigter werden den Betroffenen in vielfältigen Lebenssachverhalten (etwa im [X.] mit der [X.]) abverlangt. Soweit dies der Wahrung berechtig-ter privater oder öffentlicher Interessen dient, bestehen keine durchgreifenden Be-denken (vgl. [X.], [X.]. v. 19. Mai 2004 - [X.] 224/03 - zur [X.] bestimmt).

3. Das Vermögensverzeichnis des Schuldners vom 14. Oktober 1999 enthielt keine Angaben zu etwaigen Einkünften der Kinder S. und [X.] Solche Angaben waren hier schon deswegen erforderlich, weil das Kind [X.] (geboren im November 1984) bereits bei Erstellung des [X.] in einem Alter war, in dem es eigene Einkünfte in einem Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis erzielen konnte.

4. Das Vermögensverzeichnis vom 14. Oktober 1999 war mithin in dem ge-nannten Punkt unvollständig. Wird ein äußerlich erkennbar unvollständiges, [X.] oder widersprüchliches Verzeichnis vorgelegt, ist der Schuldner zur Nach-besserung verpflichtet, die in Fortsetzung des bisherigen Verfahrens zu erfolgen hat (vgl. [X.]/[X.] aaO § 903 Rn. 18 ff; [X.] aaO - 9 -

§ 903 Rn. 4 ff; [X.]/[X.] aaO § 903 Rn. 14 ff). Einen Antrag auf Nachbesserung hinsichtlich der Einkünfte der Kinder hatten die Gläubi[X.] hier gestellt.

5. Danach hätten die Erinnerung und die sofortige Beschwerde Erfolg haben müssen. Der Gerichtsvollzieher hätte angewiesen werden müssen, den Antrag der Gläubi[X.] nicht aus den von ihm vorgebrachten Gründen zurückzuweisen. Für eine Aussichtslosigkeit des Antrags aus anderen Gründen ist nichts ersichtlich. Da [X.] weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, entscheidet der Senat als Rechts-beschwerde[X.]icht in der Sache selbst (§ 577 Abs. 5 ZPO).

Die Kosten sind nach zivilprozessualen Regeln (§ 91 ff ZPO, hier § 91a Abs. 1 ZPO) dem [X.] aufzuerlegen. Dies ist hier der Schuldner. Ohne Bedeutung ist insoweit, daß die Beschwerdeverfahren durch einen Fehler des [X.]s veranlaßt wurden. Der Gerichtsvollzieher ist Organ der [X.] und kann deshalb in der Regel nicht [X.] (und Kostenschuldner) der Rechtsbehelfsverfahren in [X.] sein (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 766 Rn. 27, 37). Bei einem Obsiegen des Gläubi[X.]s können die Kosten da-nach nur dem Schuldner auferlegt werden. Dies ist auch in der Sache [X.]echtfertigt, weil der Schuldner aufgrund der Nichterfüllung der titulierten Forderungen letztlich Veranlasser der vom Gläubi[X.] eingeleiteten Verfahren ist. Allerdings setzt die [X.] Auferlegung der Kosten auch in zunächst - wie hier - einseitig geführten Verfahren in - 10 -

der Regel voraus, daß der Schuldner in dem spezifischen Verfahren Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Vorliegend hat der Schuldner Kenntnis vom Verfahrensgang zumindest aufgrund der urkundlich belegten Zustellungen in den [X.] erhalten.

Kreft [X.] Boetticher

[X.] [X.]

Meta

IXa ZB 297/03

19.05.2004

Bundesgerichtshof IXa- Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2004, Az. IXa ZB 297/03 (REWIS RS 2004, 3079)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3079

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