Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.12.2016, Az. X ZR 118/15

X. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 1341

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:061216UXZR118.15.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
X ZR
118/15
Verkündet am:
6. Dezember 2016
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 6.
Dezember 2016 durch [X.], die Richter
Dr.
[X.], [X.], die Richterin Schuster und [X.]
Deichfuß
für
Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 22. Zivilkam-mer des [X.] vom 9. Oktober 2015 aufge-hoben.
Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. März 2015 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem [X.] seit dem 19. Februar 2014 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich und ihren
Ehemann eine Pauschalreise vom 15.
Dezember bis 29.
Dezember 2013 in die [X.] zum Preis von 1.482

. Zu den Reiseleistungen gehörte der Transfer vom Flughafen zum Hotel. Auf dieser
Fahrt kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem der 1
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[X.] auf der eigenen Fahrspur durch ein
entgegenkommendes Fahr-zeug
gerammt wurde. Die Klägerin und ihr Ehemann erlitten schwere Verlet-zungen;
der Ehemann musste bis zu seinem Rücktransport
nach [X.] am 4. Januar 2014 intensivmedizinisch betreut werden. Die Klägerin verlangt Rückzahlung des gezahlten Reisepreises. Das Amtsgericht hat das Vorliegen eines Reisemangels am Anreisetag bejaht, der Klage in Höhe von 105,86

nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsge-richt hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die [X.] der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, der die Beklagte entgegentritt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat
Erfolg
und führt zur antragsgemäßen [X.] der Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen,
die Reiseleistungen seien mangelfrei erbracht worden. Der Reiseveranstalter schulde eine bestimmte Ge-staltung der Reise
und
habe für deren Gelingen einzustehen.
Er
trage unab-hängig davon, auf welchen Ursachen die Beeinträchtigung der Reiseleistungen beruhe, die Gefahr des Misslingens der Reise, soweit deren
erfolgreiche Ge-staltung von seinen Leistungen abhänge; ihn
treffe daher insoweit eine Erfolgs-haftung. Um jedoch eine uferlose Einstandspflicht des Reiseveranstalters für noch so entfernte [X.] zu verhindern,
bedürfe es einer angemes-senen Einschränkung der Gewährleistungshaftung.
Beeinträchtigungen der Reise, in denen sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko des Reisenden ver-wirkliche,
seien
vom Mangelbegriff auszunehmen; sie
lägen außerhalb des 2
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Schutzzwecks der [X.] Gewährleistungshaftung. Danach sei
die Gefahr einer Kollision mit einem "Geisterfahrer"
auf einer Kraftfahrtstraße, die im privaten Alltag ebenso wie bei einer Auslandsreise bestehe, keine reisespe-zifische Gefahr und gehöre zum
allgemeinen Lebensrisiko. Ein solcher Unfall
habe auch keinen Einfluss auf die vertraglich geschuldeten Reiseleistungen.
Der Reiseveranstalter
sei gehalten, bei der geschuldeten Beförderung vom Flughafen zum Hotel ein verkehrs-
und betriebssicheres Fahrzeug einzusetzen und einen sorgfältig ausgewählten Fahrer zu beauftragen. Ihm obliege aber nicht,
den Reisenden vor privaten Verletzungsrisiken zu schützen, welchen die-ser im privaten Alltag oder als Individualreisender ebenso ausgesetzt wäre. Ob sich der Reisende im [X.]punkt des Eintritts einer alltäglichen, nicht reisespezi-fischen Gefahr in der physischen Obhut des Reiseveranstalters befunden habe, sei ebenso wenig von Belang,
da die eingetretene Gefahr in keinem inneren Zusammenhang hierzu stehe.
II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung
nicht stand.
Da es weiterer Feststellungen nicht bedarf, kann der Senat unter Aufhe-bung des Berufungsurteils abschließend in der Sache selbst entscheiden.
Der Klägerin steht ein Anspruch
auf Erstattung des gesamten Reisepreises gemäß § 651d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §
638 Abs. 4 [X.] zu.
1.
Nach §
651c Abs. 1 [X.] ist der Reiseveranstalter verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem [X.] oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ein Reisemangel liegt daher vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der [X.] von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, und dadurch der Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird. Der [X.] trägt unabhängig von der Ursache des Fehlers grundsätzlich die Gefahr des Gelingens der Reise und hat auch ohne Verschulden für den Erfolg 5
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und die Fehlerfreiheit der Gesamtheit der Reiseleistungen einzustehen ([X.], Urteil vom 23. September 1982

VII ZR 301/81, [X.]Z 85, 50, 56; Urteil vom 17. Januar 1985

VII ZR 375/83, NJW 1985, 1165, 1166; Urteil vom 20. März 1986

VII
ZR
187/85, [X.]Z 97, 255, 259; Urteil vom 12.
Juni 2007

X
ZR
87/06, NJW 2007, 2549 = [X.] 2007, 215 Rn. 20; vgl. auch [X.], Reiserecht, 7. Aufl., § 7 Rn. 3; [X.]/A. [X.]; [X.], Neubearbeitung 2016, § 651 c Rn. 9, 42, jeweils mwN). Fällt
bereits die erste Reiseleistung aus und wird damit die gesamte Reise vereitelt, verliert der Reiseveranstalter seinen Vergütungsanspruch insgesamt
([X.]Z 97, 255).
2.
Nach diesen Maßstäben liegt ein Reisemangel im Sinne von §
651c Abs. 1 [X.] vor.
a)
Die von der Beklagten als Reisebestandteil geschuldete Transferleis-tung hatte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nur zum Inhalt, ein zum Transport der Reisenden wie ihres Gepäcks geeignetes verkehrssiche-res Fahrzeug und zu dessen Führung ausgebildetes und geeignetes Personal bereitzustellen. Vielmehr schuldete die Beklagte insoweit

wie auch im Übri-gen

den Erfolg der Reise(teil)leistung, von dem die Inanspruchnahme aller weiteren Leistungen abhing; sie hatte mithin die Reisenden unversehrt vom Flughafen zum Hotel zu befördern. Auch wenn die Parteien im Reisevertrag keine konkreten Vereinbarungen über die Beschaffenheit der [X.] hatten, entsprach dieser Inhalt der Leistungspflicht der Beklagten nach der Verkehrsauffassung der gewöhnlichen Beschaffenheit dieses Reisebe-standteils. Der Reisende darf erwarten, dass der Reiseveranstalter die Trans-ferleistung so erbringt, dass seine körperliche Unversehrtheit hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
b)
Die Beklagte hat diese Leistung objektiv fehlerhaft erbracht, da der [X.] während des Transports in einen Verkehrsunfall verwickelt und die Reisenden hierdurch schwer verletzt wurden. Entgegen der Auffassung des 7
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Berufungsgerichts ist ein Reisemangel nicht deshalb zu verneinen, weil sich in der mangelhaften Transferleistung das allgemeine Lebensrisiko der Reisenden verwirklicht hätte.
aa)
Eine Begrenzung der [X.] Gewährleistung kann in [X.] auf Umstände geboten sein, die allein in der persönlichen Sphäre des [X.] liegen oder in denen sich Risiken verwirklichen, die der Reisende im täglichen Leben ebenfalls zu tragen hat. Damit wird dem Schutzzweck der rei-severtraglichen Gewährleistung Rechnung getragen, ebenso wie es im Scha-densersatzrecht anerkannter Lehre entspricht, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird. Eine vertragliche Haftung [X.] danach nur für diejenigen adäquaten Schadensfolgen, zu deren Abwen-dung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Die Haftungsbegrenzung aufgrund des Schutzzwecks der Norm erfordert dabei eine wertende Betrach-tung des Einzelfalls. Der [X.] hat zu dem Schadensersatzan-spruch nach §
651f [X.] ausgesprochen, es könne nicht Zweck [X.] Haftung sein, den Reisenden von seinem allgemeinen Lebensrisiko zu entlasten. Für Schäden, die aufgrund des allgemeinen Lebensrisikos einträten, werde auch dann nicht gehaftet, wenn sie im Zusammenhang mit einem haf-tungsbegründenden Ereignis einträten ([X.], Urteil vom 11.
Januar 2005

X
ZR 163/02, NJW 2005, 1420 Rn. 18 = [X.] 2005, 112 mwN). Der Reisende hat deshalb in Fällen, in denen kein Zurechnungszusammenhang zu einer Pflichtverletzung des Reiseveranstalters oder sonst zu einem
haftungsbegrün-denden Ereignis besteht, die Risiken einer Unternehmung, die dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt, hinzunehmen (vgl. Erman/[X.], [X.], 14.
Aufl., §
651c Rn. 10). So verhält es sich etwa, wenn der Reisende außerhalb der In-anspruchnahme von Reiseleistungen am Urlaubsort verunglückt, erkrankt oder Opfer einer Straftat wird oder sonst aus persönlichen Gründen die weiteren Reiseleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen kann.
bb)
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
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Der Unfall, der sich während der von der Beklagten geschuldeten [X.] ereignete, wirkte unmittelbar auf die vertragliche Transportleistung ein und führte zu ihrer Fehlerhaftigkeit. Soweit die Reisenden

wie die Klägerin und ihr Ehemann

schwer verletzt und in ein Krankenhaus gebracht wurden, konn-ten sie die Fahrt zum Hotel auch nach der unfallbedingten Unterbrechung nicht fortsetzen. Damit hat sich durch den von dem Falschfahrer verursachten Unfall eine für die Personenbeförderung im allgemeinen Straßenverkehr typische und, weil der Transport als Reiseleistung geschuldet war, insofern auch reisespezifi-sche Gefahr verwirklicht. Die Reisenden befanden sich auf der [X.] in einem von dem Reiseveranstalter eingesetzten Fahrzeug und somit gleichsam in dessen Obhut, so dass der Zusammenstoß mit dem von einem Falschfahrer gesteuerten Fahrzeug und die Folgen dieses Zusammenstoßes auch in einem inneren Zusammenhang mit der Transportverpflichtung des Reiseveranstalters standen.
Der Umstand, dass den Reiseveranstalter keine Schuld an dem durch den "Geisterfahrer"
verursachten Unfall trifft, ist für die Minderung nach §
651c [X.] und die daraus folgende Verpflichtung zur (vollständigen oder teilweisen) Erstattung des Reisepreises unerheblich. Der Reiseveranstalter trägt das [X.], den vereinbarten Reisepreis nicht zu erhalten, auch dann, wenn der [X.] durch Umstände vereitelt wird, die weder ihm noch dem Reisenden zuge-rechnet werden können. Diese Wertung entspricht dem Grundgedanken des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, insbesondere der Regelung des §
326 [X.], wonach derjenige Vertragspartner, der die vertragliche Leistung objektiv nicht zu erbringen vermag, die Gegenleistung nicht erhalten oder behalten soll. Es mag daher mit dem Berufungsgericht davon gesprochen
werden können, dass sich in dem Unfall das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht habe, das je-der Teilnehmer am Straßenverkehr eingeht. Dieses Risiko hat indessen in ei-nem Fall wie dem vorliegenden, in dem es die fehlerfreie Erbringung der von der Beklagten
geschuldeten Reiseleistung beeinträchtigt hat, nicht der Reisen-12
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8
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de, sondern der Reiseveranstalter zu tragen, der die [X.] auch sonst tragen muss.
3.
Aufgrund des Reisemangels hat die Beklagte keinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis.
a)
Das Vorliegen eines Reisemangels führt nach §
651d Abs. 1 [X.] zu einer Minderung des Reisepreises für die Dauer des Mangels. Minderung für die Dauer des Mangels bedeutet nicht, dass aufgrund eines durch einen Unfall auftretenden Reisemangels zwingend nur eine Minderung nach der anteiligen [X.], hier also nur für den Unfalltag, eintritt. Ein Ereignis, das einen besonders schweren Reisemangel herbeiführt, kann dazu führen, dass die Reise insge-samt oder weitgehend ihren Zweck verfehlt und kann eine Minderung rechtferti-gen, die nicht auf den anteiligen Reisepreis für die Dauer des Ereignisses be-schränkt ist. Für den Fall, dass der Reisende zu Tode kommt oder schwere Verletzungen erleidet, liegt dies auf der Hand ([X.], Urteil vom 15.
Juli 2008

X
ZR 93/07, [X.]Z 177, 249 Rn. 9, 11).
b)
So liegen die Dinge hier.
Durch die fehlerhafte Transportleistung wurde der Wert der gesamten Reise und deren Tauglichkeit zu dem nach dem [X.] aufgehoben. Nach dem festgestellten Sachverhalt
erlitten die Klägerin und ihr Ehemann schwere Verletzungen, die bei dem Ehemann eine intensivmedizi-nische Betreuung erforderten.
Die Reisenden
konnten
nach den unangefochte-nen
Feststellungen des Amtsgerichts die weiteren Reiseleistungen aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht nutzen.
Unter diesen Umständen war der [X.] vereitelt, denn ein Nutzen der Reise und der mit der Reise verbundene und zu erwartende [X.] konnte für die Reisenden nicht mehr eintre-ten.
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9
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1
ZPO.
Meier-Beck
[X.]
[X.]

Schuster
Deichfuß
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.03.2015 -
92 [X.] 2383/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 09.10.2015 -
22 [X.]/15 -

18

Meta

X ZR 118/15

06.12.2016

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.12.2016, Az. X ZR 118/15 (REWIS RS 2016, 1341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1341

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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