Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2012, Az. X ZR 76/11

X. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 7271

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
X [X.]
Verkündet am:

17. April 2012

Wermes

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 307 Abs. 1 [X.], § 651c Abs. 3,
§ 651e, § 651f Abs. 2
a)
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstal-ters, in der bestimmt ist
"Die Abtretung von Ansprüchen gegen (den Reiseveranstalter), deren Rechtsgrund in Leistungsstörungen liegt, ist ausgeschlossen.",
benachteiligt den Reisenden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher unwirksam.
b)
Verlegt der Veranstalter einer Flugreise den Rückflug vertragswidrig in die frühen Morgenstunden des vereinbarten Rückreisetags und weigert sich ausdrücklich oder stillschweigend, dem Reisemangel abzuhelfen, kann der Reisende grundsätzlich die Erstattung der Kosten eines anderweitigen [X.] verlangen, mit dem er seine vertragsgemäße Rückreise sicherstellt.
c)
Ob ein Reisemangel die Reise erheblich beeinträchtigt, ist nach dem Anteil des Mangels in Relation zur gesamten Reiseleistung sowie danach zu beur-teilen, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Ein Reisemangel verliert insoweit nicht an Gewicht, wenn der [X.] besonders gering war.
[X.], Urteil vom 17. April 2012 -
X [X.] -
LG [X.]

AG [X.]

2
Der X. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 17. April
2012
durch [X.], [X.], die Richterin Mühlens und [X.]
Grabinski und Hoffmann
für
Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 20. Mai 2011 verkünde-te Urteil der 22. Zivilkammer des [X.] unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe eines Betrages v

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin macht gegenüber dem beklagten Reiseveranstalter [X.] wegen einer Minderung des Reisepreises und Schadensersatz geltend.
Der Lebensgefährte der Klägerin buchte im Februar
2009
für sich und die Klägerin bei der [X.] eine einwöchige Pauschalreise in die [X.] zum Preis von 369

Uhr von 1
2

3
München und einem Rückflug am 1. Juni 2009 um 16.40
Uhr. In den in den Vertrag einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen behielt sich die [X.] die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und Streckenführung vor, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird, und wurde die Abtretung von Ansprüchen gegen die [X.], die auf Leistungsstörungen be-ruhen, ausgeschlossen. Der Rückflug wurde am Vortag auf 5.15
Uhr des 1. Juni 2009 vorverlegt, wozu
die Reisenden um 1.25 Uhr am Hotel abgeholt werden sollten. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte bemühten sich um einen anderen Rückflug, den sie an dem vorgesehenen Rückflugtag um 14.00
Uhr antraten und selbst
bezahlten. Der Lebensgefährte der Klägerin trat ihr seine Ansprüche ab.
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des gesamten [X.] abzüglich 70

sleistungen und eines bereits gezahlten [X.] von
42,16

e-gehrt sie Ersatz von 504,52

r-haltenes Abendessen, 46

igung wegen
nutzlos aufgewendeter
Urlaubszeit in Höhe von 480,80

sich selbst
und von 2.193,10

ericht hat der Klage in Höhe von 25

bgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-senen Berufung verfolgt die Klägerin ihren Berufungsantrag in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin könne nur ihre eigenen Ansprüche gegenüber der [X.] geltend machen; Ansprüche ihres Lebensgefährten stünden ihr nicht zu. Dieser habe seine Ansprüche nicht abtre-ten können, weil eine Abtretung wirksam in den Allgemeinen Geschäftsbedin-3
4

4
gungen der [X.] ausgeschlossen worden sei. Dieser Ausschluss verstoße nicht gegen §
307 Abs.
1, §
138 [X.], denn es seien keine berechtigten Belan-ge des Kunden für eine [X.] zu erkennen, die das schützenswerte Inte-resse der [X.] an den Abtretungsausschluss überwögen.
Zugunsten der Klägerin sei eine Minderung des auf sie entfallenden [X.] über die bereits
geleistete Zahlung der [X.] hinaus nur in Höhe der vom Amtsgericht zugebilligten weiteren 25

des Rückfluges sei ein Reisemangel im Sinne der §§
651c, 651d [X.], nicht jedoch eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise im Sinne des §
651e [X.], der zur Kündigung berechtige. Faktisch sei der Klägerin zwar ein halber [X.] entgangen und die Nachtruhe vor dem Rückflug entfallen. Mit einer solchen Beeinträchtigung müsse aber der Reisende in den [X.]en des [X.], insbesondere bei besonders günstigen Reisen wie im Streitfall, we-gen der Besonderheiten des Charterflugverkehrs stets rechnen. Auch bei einer solchen Reise könne er nicht geltend machen, dass damit der gesamte Erho-lungswert der Reise beeinträchtigt sei.
Der Klägerin stehe kein Schadensersatz gemäß §
651f Abs.
1 [X.] zu, weil die geltend gemachten materiellen Schäden auf dem
Entschluss der Rei-senden
beruht hätten, in Eigenregie zu einem späteren [X.]punkt zurück zu [X.]. Dies sei eine ungewöhnliche Reaktion eines Pauschalreisenden, die ei-nem Zurechnungszusammenhang in Bezug auf die Vorverlegung des
Rückflu-ges entgegenstehe. Für einen Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß §
651f Abs.
2 [X.] fehle es an einer erheblichen [X.].
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1.
Die
Klägerin kann im Streitfall aufgrund des [X.] mit ihrem Mitreisenden
auch dessen Ansprüche gegenüber der [X.] geltend machen. Der Ausschluss dieser Abtretung in den mit der [X.] vereinbar-ten allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam, denn er stellt eine den 5
6
7
8

5
Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechende unangemessene Be-nachteilung des Reisenden dar (§
307 Abs.
1 [X.]).
a)
Grundsätzlich ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthal-tene Regelung, mit der der Verwender die Abtretung von gegen ihn gerichteten Forderungen ausschließt, wirksam. Ein Abtretungsausschluss führt nicht not-wendig zu einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers, anderer-seits schützt er die berechtigten Interessen des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung. Grundsätzlich darf er deshalb mit ei-nem Verbot oder zumindest einer Beschränkung der Abtretungsmöglichkeit die Vertragsabwicklung übersichtlicher gestalten und verhindern, dass ihm hierbei eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern entgegentritt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist daher ein Ausschluss der Abtretung durch allgemeine Geschäftsbedingungen wiederholt anerkannt worden, insbe-sondere wenn er die Hauptleistungspflichten des Verwenders betrifft ([X.], Ur-teile vom 28.
November 1968 -
VII
ZR
157/66, [X.]Z 51, 113, 117
ff.; vom 12.
Mai 1971 -
VIII
ZR
196/69, [X.]Z 56, 173, 175
ff.; vom 18.
Juni 1980 -
VIII
ZR
119/79, [X.]Z 77, 274, 275
f.; vom 3.
Dezember 1987 -
VII
ZR
374/86, [X.]Z 102, 293, 300; vom 24.
September 1980 -
VIII
ZR
273/79, NJW 1981, 117, 118; vom 9.
Februar 1990 -
V
ZR
200/88, [X.]Z 110, 241 unter
II
2). [X.] ist eine solche Klausel gleichwohl unwirksam, wenn ein schützenswer-tes Interesse des Verwenders an einem Abtretungsausschluss nicht besteht oder die berechtigten Belange des Kunden an der [X.] vertraglicher Forderungen das entgegenstehende Interesse des Verwenders überwiegen (vgl. [X.],
Urteile vom 8.
Dezember 1975 -
II ZR 64/74, [X.]Z 65, 364, 366 unter
1; vom 9.
November 1981 -
II ZR 197/80, [X.]Z 82, 162, 171 unter III
6; vom 15.
Juni 1989 -
VII
ZR
205/88, [X.]Z 108, 52 unter
I
1; vom 9.
Februar 1990, [X.]O
unter
II
2
a).
Für das Abwägen dieser einander gegenüberstehenden Interessen sind ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen; auf die speziellen Umstände des Einzel-9
10

6
falls kommt es insoweit nicht an, sondern darauf, wie die Klausel unter [X.] aller nicht fernliegender Fallgestaltungen verwendet werden kann (vgl. [X.], Urteile vom 9.
Mai 1996 -
VII
ZR
259/94, [X.]Z 132, 383 unter III
2
b
[X.] mwN; vom 21.
Februar 2001 -
IV
ZR
11/00, NJW 2001, 3406 unter 3
b
[X.]; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
307 Rn.
5).
b)
Im Streitfall sind die Interessen der [X.] für einen [X.] nur von geringem Gewicht.
[X.])
Der Abtretungsausschluss betrifft Ansprüche, die auf Leistungs-störungen beruhen. Die Hauptleistungspflichten der [X.] werden von ihm nicht erfasst. Deren Übertragung wäre auch wegen §
651b [X.] im Ergebnis nur unter bestimmten Bedingungen zu verhindern. Das Interesse an einer über-sichtlichen Vertragsabwicklung und der Vorteil, mit einem Abtretungsausschluss eine Vielzahl von gegebenenfalls mehrfach wechselnden Gläubigern verhindern zu können, wirkt sich jedoch in erster Linie bei der Erfüllung der Hauptleis-tungspflichten aus, weil der Reiseveranstalter diese eigenverantwortlich organi-sieren muss
und ein Wechsel in der Person des Gläubigers die organisatori-schen Anstrengungen belastet.
Hingegen unterliegt die Erfüllung von Ansprüchen, die wie im Streitfall auf Leistungsstörungen beruhen, nicht einem vorgegebenen [X.]plan; die [X.] werden regelmäßig auch nicht in Gegenwart des Gläubigers erbracht. Die Person des Gläubigers gewinnt typischerweise nur für den Adressaten der anlässlich dieser Ansprüche zu führenden Korrespondenz und das für eine [X.] zu wählende Konto eine Bedeutung. Ein höherer Aufwand ist damit für die [X.] kaum festzustellen.
bb)
Allerdings kann die [X.] mit einem Abtretungsausschluss [X.], dass der Reisende, für dessen Person Gewährleistungs-
und Scha-densersatzansprüche geltend gemacht werden, in einem Rechtsstreit hierüber als Zeuge aussagen kann (vgl. [X.], Urteil vom 21.
April 2004 -
IV
ZR
113/03, NJW-RR 2004, 1100 unter II
2
b). Ohne eine Abtretung kann der Reisende die 11
12
13
14

7
Durchsetzung solcher Ansprüche nur als Kläger verfolgen, womit er hinsichtlich des Beweises eigener Wahrnehmung nur im Wege der [X.]anhörung und der [X.] gehört werden kann. Diese Einschränkung wirkt sich aber bei Fehlen anderer Beweismittel größtenteils nur formal aus. Im Prozess ist das Gericht gehalten, die [X.] jedenfalls gemäß §
141 [X.] anzuhören, deren Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen gemäß §
286 Abs.
1 [X.] zu würdigen und gegebenenfalls die [X.] von Amts wegen gemäß §
448 [X.] zu vernehmen (vgl. [X.], Urteile vom 16.
Juli 1998 -
I [X.], NJW 1999, 363, 364
unter II
2
b
bb; vom 22.
Mai 2001 -
VI
ZR
268/00, NJW-RR 2001, 1431, 1432 unter II
1
a; vom 27.
September 2005 -
XI ZR 216/04, [X.] 2006, 61, 63
unter II
3
b; vom 9.
Juni 2011 -
IX
ZR
75/10, NJW 2011, 2889 Rn.
19). Der prozessuale Vorteil für die [X.], mit dem Abtretungsaus-schluss eine Zeugenstellung
des Reisenden verhindern zu können, dem zu-gleich ein prozessualer Nachteil auf Seiten des Reisenden entspricht, hat [X.] bei Beachtung der vorgenannten Grundsätze nur einen geringfügigen Ein-fluss auf den Verlauf des Prozesses und sollte keinen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis eines Rechtsstreits haben.
[X.])
Für die von der [X.] geltend gemachte Gefahr, der ursprüngli-che Gläubiger könne durch eine Abtretung einen mittellosen Zessionar vor-schieben, gegen den im Falle einer Klageabweisung Prozesskostenerstat-tungsansprüche nicht wirksam vollstreckt werden könnten, sieht der Senat nur eine geringe praktische Relevanz.
c)
Dem gegenüber sind Interessen zugunsten des Reisenden zu er-kennen, die einem Abtretungsausschluss entgegenstehen.
[X.])
Allerdings ergeben sich diese Interessen nicht aus Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Geltendmachung von Gewährleis-tungsansprüchen, um der Ausschlussfrist gemäß §
651g Abs.
1 [X.] gerecht werden zu können ([X.], [X.], 18 unter
II
2). Bei Familien-
oder Gruppenreisen kann es zwar vorkommen, dass sich nach der Reise nur eine 15
16
17

8
Person um die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten kümmert und diese dabei nicht bedenkt, welche Ansprüche welchem Reisenden rechtlich zu-stehen und inwieweit danach eine Vollmacht erforderlich wäre. Ein solches Übersehen führt indessen kaum dazu, dass stattdessen ein Abtretungsvertrag über die Ansprüche geschlossen wird. Ein Abtretungsvertrag ist auch im [X.] nicht erforderlich, um eine [X.] im Sinne des §
651g Abs.
1 [X.] auf alle betroffenen Reisenden zu erstrecken. Hierfür reicht es in der Regel aus, die fremde Ansprüche betreffende [X.], für die als geschäftsähnliche Handlung die Regeln der Stellvertretung Anwendung fin-den, nachträglich zu genehmigen (vgl. [X.], Urteil vom 26.
Mai 2010 -
Xa
ZR
124/09, NJW 2010, 2950 Rn.
17
ff.).
bb)
Indessen kann für die von den allgemeinen Geschäftsbedingungen der [X.] angesprochenen Verkehrskreise das Bedürfnis entstehen, die aus dem Reisevertrag resultierenden Gewährleistungsansprüche an den [X.] abtreten zu können, dem sie wirtschaftlich zustehen.
Für Reisebuchungen, die mehrere als Gruppe oder als Familie zusam-men reisende Personen betreffen, hat die Rechtsprechung und Literatur ver-schiedene Grundsätze entwickelt, den jeweiligen Vertragspartner des [X.] zu bestimmen, der zur Zahlung des Reisepreises verpflichtet und zur Geltendmachung von Minderungsansprüchen sowie zur Erklärung einer Kündigung berechtigt ist (s. dazu
OLG [X.], NJW 1988, 636
f. unter II
1; [X.], [X.] 1996, 132; [X.], NJW-RR 2004, 1285 unter II
2.2; [X.], Reiserecht, 6.
Aufl., §
5 Rn.
117
f.; [X.]/[X.], [X.], Bearb.
2011, §
651a Rn.
85 bis 86; MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
651a Rn.
84 bis 89). Mit diesen Grundsätzen wird versucht, diejenige Person der Reisegruppe als Vertragspartner des Reiseveranstalters zu bestimmen, die wirtschaftlich innerhalb der Gruppe für den Reisepreis letzten Endes aufzu-kommen hat. Gleichwohl kann dieses Ziel in einer nicht unerheblichen Zahl der Fälle nicht erreicht werden, weil der Buchende bei der Buchung die zur Über-18
19

9
nahme des Reisepreises unter den Reiseteilnehmern intern getroffenen [X.] nicht offenbart.
In diesen Fällen haben die Reiseteilnehmer im Falle von [X.] und Ansprüchen auf Rückzahlung des Reisepreises nach einer Kün-digung das Interesse, diese Ansprüche untereinander an denjenigen abzutre-ten, der
für die Zahlung des Reisepreises
aufgekommen ist, weil diesem
die Rückzahlungen am Ende auch zukommen sollen. Das Auseinanderfallen von vertraglich berechtigtem Anspruchsinhaber und wirtschaftlich an der Rückzah-lung Berechtigten würde dazu führen, dass der Anspruchsinhaber einen An-spruch
gegebenenfalls gerichtlich verfolgen und hierfür auch zunächst das [X.] tragen müsste, obwohl ihm dieser Anspruch letzten Endes nicht zugute kommt. Dies widerspräche in erheblichem Maße einem interes-sengerechten Vorgehen für die Geltendmachung solcher Ansprüche.
d)
Infolgedessen ist angesichts des geringen Gewichts der Interessen des Reiseveranstalters
an einem Ausschluss der Abtretung von Ansprüchen der Reisenden, die auf Leistungsstörungen beruhen, ein deutliches Überge-wicht für die Interessen der Reisenden zu erkennen, die ihnen sich aus §
398 [X.] bietende Möglichkeit einer Abtretung solcher Ansprüche wahrnehmen zu können. Die sich daraus ergebende unangemessene Benachteiligung der Kun-den der [X.] führt gemäß §
307 Abs.
1 [X.] zur Unwirksamkeit des Abtre-tungsausschlusses.
2.
Ansprüche der Reisenden
auf den Ersatz der Kosten für den in Ei-genregie gebuchten Rückflug
nach München sind auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen.
a)
Nach §
651c Abs.
3 [X.] kann der Reisende den Ersatz der [X.] verlangen, die er erbringen musste, um einem Reisemangel
selbst abzuhelfen, wenn er zuvor vom Reiseveranstalter erfolglos Abhilfe innerhalb einer angemessenen Frist verlangt hat. Der Fristsetzung bedarf es nicht, wenn die Abhilfe vom Reiseveranstalter verweigert wird oder die sofortige Abhilfe 20
21
22
23

10
durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten ist (§
651c Abs.
3 Satz
2 [X.]). Gegebenenfalls kann auch das Abhilfeverlangen entbehrlich sein, wenn der Reiseveranstalter von vornherein unmissverständlich zu erkennen gibt, zur Abhilfe nicht bereit zu sein, wobei sich eine solche Verweigerung auch aus den Umständen ergeben kann, etwa wenn der
Reiseveranstalter den [X.] bewusst
begründet und ihn als unvermeidlich
darstellt (vgl. [X.], [X.] 2000, 182; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O, §
651c Rn.
62). In diesen Fällen wäre ein Abhilfeverlangen eine unnötige [X.], an der kein vertraglich relevantes Interesse besteht.
b)
Gemäß §
651f Abs.
1 [X.] kann der Reisende weiterhin Ersatz für den Schaden verlangen, der ihm dadurch entstanden ist, dass er dem [X.] selbst abgeholfen hat, es sei denn der Reiseveranstalter hat den [X.], auf dem der Mangel beruht, nicht zu vertreten. Auch insoweit ist für einen Ersatz des Schadens grundsätzlich ein vorangegangenes Abhilfeverlangen er-forderlich (vgl. [X.], Urteil vom 20.
September 1984 -
VII
ZR
325/83, [X.]Z 92, 177 unter I
2).
Ist ein Schadensersatzanspruch gemäß §
651f Abs.
1 [X.] dem Grunde
nach gegeben, ist dieser als Schadensersatz wegen Nichterfüllung auf das po-sitive Leistungsinteresse des Reisenden gerichtet. Der Reisende ist mithin so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Reiseveranstalter den [X.] erfüllt hätte (vgl.
zu §
281 [X.]: [X.], Urteil vom 11.
Februar 2009 -
VIII
ZR
328/07, JZ
2010, 44 Rn.
20). Der Ersatzanspruch
umfasst insbesonde-re den Ersatz des Aufwandes aus einem Deckungsgeschäft, das im Sinne einer Selbstabhilfe zur Behebung eines Mangels darauf gerichtet
ist, dem Gläubiger den geschuldeten [X.] doch noch zu verschaffen (vgl. zu §
635 [X.] aF: [X.], Urteile vom 10.
März 2005 -
VII
ZR
321/03, NJW-RR 2005, 1039 un-ter II
2
a mwN; zu §
326 [X.]
aF: vom 27.
Mai 1998 -
VIII
ZR
362/96, NJW 1998, 2901 unter II
2
b). Damit sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Reisenden aus der mangelhaften Reiseleistung entstanden sind. Der Zweck dieses Anspruchs würde unterlaufen, wenn der Reiseveranstalter als 24
25

11
Ausgleich für das mangelhafte Werk nur Ersatz der objektiven Minderung der Reiseleistung schuldete, auch wenn der Ersatz der Aufwendungen für eine Selbstabhilfe wesentlich höher ausfällt (vgl. [X.], Urteil vom 10.
März 2005,
[X.]O Rn.
11, 13).
c)
Das Berufungsgericht hat einen Reisemangel auch unter Berücksich-tigung der Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, in den sich die [X.] die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und der Streckenführung vor-behalten hat, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträch-tigt wird, bejaht. Angesichts des Umstands, dass die Abreisezeit um fast einen halben Tag und unter Berücksichtigung der für den Transfer notwendigen [X.] in die Nacht zum vorgesehenen Abreisetag vorverlegt wurde, lässt dies keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der [X.] nicht ange-griffen.
d)
Das Berufungsgericht
hat weder Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin und ihr Lebensgefährte zuvor Abhilfe verlangt und hierfür eine Frist gesetzt
haben, noch ob eine solche Abhilfe verweigert oder ein entsprechendes
Verlangen aus anderen Gründen entbehrlich war. Für die weitere revisions-rechtliche Prüfung ist dies zugunsten der Klägerin zu unterstellen.
e)
Davon ausgehend sind
nicht nur die Voraussetzungen für einen [X.] gemäß §
651c Abs.
3 [X.], sondern auch diejenigen für einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens gemäß §
651f Abs.
1 [X.] dem Grunde nach erfüllt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es für einen Schadensersatzanspruch gemäß §
651f Abs.
1 [X.] nicht an einem Zu-rechnungszusammenhang zwischen dem Reisemangel und den Handlungen der Klägerin und ihres Lebensgefährten zum Abschluss des [X.].
Der für den Schadensersatz notwendige Zurechnungszusammenhang setzt voraus, dass für solche Schäden, die mitursächlich auch auf einem Wil-lensentschluss des Geschädigten beruhen, nach dem haftungsbegründenden 26
27
28
29

12
Ereignis ein rechtfertigender Anlass bestand oder dieser Willensentschluss durch das haftungsbegründende Ereignis zumindest herausgefordert oder we-sentlich mitbestimmt wurde und dieser Entschluss keine ungewöhnliche Reakti-on darauf darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Oktober 2000 -
X
ZR
169/99, NJW 2001, 512 unter 2
d; [X.]/[X.], [X.], 71.
Aufl., vor §
249 Rn.
41; [X.] mwN). Der Zweck des Schadensersatzanspruchs, dem Reisenden nach Möglichkeit den
beeinträchtigten [X.] doch noch zugute kommen zu lassen, begründet regelmäßig einen rechtfertigenden Anlass zum Abschluss eines Deckungsgeschäfts, das geeignet ist, den Reisemangel
vollständig oder
zumindest weitgehend zu beheben.
Auf die Üblichkeit eines solchen Verhaltens kommt es hierfür nicht an. Insoweit bleibt es ohne Bedeutung, wie häufig [X.] versuchen, einen Mangel der hier vorliegenden Art durch eine Ersatzbuchung selbst zu beseitigen.
3.
Hingegen hat das Berufungsgericht die weiterhin geltend gemachten
Ansprüche
auf eine angemessene Entschädigung in Geld wegen nutzlos auf-gewendeter Urlaubszeit

651f Abs.
2 [X.]) und die auf eine Kündigung des Reisevertrages gestützten
Rückforderungsansprüche für den Reisepreis (§
651e [X.]) im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
a)
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können sol-che Ansprüche allerdings nicht verneint werden.
Sowohl eine Kündigung des Reisevertrags gemäß §
651e [X.] als auch ein Entschädigungsanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß §
651f Abs.
2 [X.] sind dem Reisenden eröffnet, wenn die Reise "erheblich beeinträchtigt" wird. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist für beide Vorschriften grundsätzlich einheitlich auszulegen (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
651f Rn.
51). Ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegt, unter-liegt der
tatrichterlichen Würdigung, die vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. [X.] Urteil vom 20.
September 1984 -
VII
ZR
325/83, [X.]Z 92, 177 unter
III). Die revisionsrechtliche Überprüfung 30
31
32

13
bezieht sich dabei -
abgesehen von hier nicht gerügten Verfahrensfehlern
-
da-rauf, ob der Tatrichter die dem Zweck und der Bedeutung des unbestimmten Rechtsbegriffs entsprechenden Wertungsmaßstäbe angewendet und deren Grenzen zutreffend erkannt sowie alle hierfür wesentlichen Tatsachen, Denk-gesetze und Erfahrungssätze beachtet hat (vgl. [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
546 Rn.
12; MünchKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
546 Rn.
14; Musielak/Ball, [X.], 9.
Aufl., §
546 Rn.
12).
Das Berufungsgericht hat im Streitfall die Grenzen der tatrichterlichen Würdigung überschritten, indem es die Erheblichkeit des Reisemangels insbe-sondere mit der Erwägung verneint
hat, der [X.] sei besonders nied-rig
gewesen.
Ein hoher Reisepreis kann zwar neben anderen Aspekten einen erhöh-ten Qualitätsstandard für die Reiseleistung begründen und damit die Schwelle für das Vorliegen eines Mangels senken. Damit kann der Reisepreis Einfluss darauf haben, ob ein Reisemangel vorliegt und als ein Kriterium für die Grenze zwischen Mangelfreiheit und der Bejahung eines Reisemangels wirken. Für die Wertung der Erheblichkeit eines Reisemangels im Sinne der §§
651e, 651f Abs.
2 [X.] kommt es aber auf diese Grenze auch nicht in dem Sinne an, wel-chen Abstand der festgestellte Mangel zu dieser Grenze hat. Für diese
Wertung
bildet der Reisepreis deshalb keinen Maßstab und hat dieser darauf keinen Ein-fluss. Vielmehr ist für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung darauf abzustellen, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat, sowie darauf, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. [X.] ist das Maß, mit dem ein Mangel die Reise beeinträchtigt, aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beein-trächtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen ([X.] Urteil vom 7.
Oktober 2008 -
X
ZR
37/08, [X.], 287 Rn.
15). Die Auswirkungen eines den Mangel begründenden Ereignisses können
insoweit im Einzelfall auch den Erholungswert der Reise in
der davor liegenden [X.] beeinträchtigen
(vgl. [X.] Urteil vom 15.
Juli 2008 -
X
ZR
93/07, [X.]Z 177, 249 unter I
2
b). Ein Reise-33
34

14
mangel verliert indessen nicht an Gewicht und wird auch nicht erträglicher, wenn der [X.] besonders gering war.
b)
Die Abweisung der auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise gestützten Ansprüche erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend.
Die geltend
gemachte erhebliche Beeinträchtigung der Reise wird von der Klägerin in der Vorverlegung des [X.] in die frühen Morgenstunden des 1. Juni 2009 gesehen. Den darin zugleich liegenden Mangel der Reise ha-ben die Reisenden jedoch dadurch beseitigt, dass sie den von der [X.] angebotenen Rückflug nicht genutzt haben, sondern im Wege der Selbstabhilfe einen anderen Rückflug zu der ursprünglich vorgesehenen [X.] angetreten ha-ben. Für eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise ist hiernach kein Raum.
4.
Soweit das Berufungsgericht die Abweisung des Anspruchs auf Er-ätigt hat, es fehle insoweit an einem Berufungsangriff, ist auch die Revision nicht [X.] worden. Das Berufungsurteil hat daher auch insoweit Bestand.
35
36
37

15
III.
Im Übrigen ist das Berufungsurteil aufzuheben,
und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen eines Abhilfeverlangens nebst Fristsetzung oder deren
Entbehr-lichkeit sowie gegebenenfalls zu den den Reisenden durch die Selbstabhilfe entstandenen Aufwendungen zu treffen haben wird, die in Höhe von 504,52

geltend gemacht wurden. Da die [X.] den Reisenden vorprozessual bereits 42,16

sgericht der Klägerin weitere 25

ist insoweit noch über einen Klagebetrag von 437,36

iden.
Meier-Beck
[X.]
Mühlens

Grabinski
Hoffmann
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 30.09.2010 -
232 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 20.05.2011 -
22 [X.]/10 -

38

Meta

X ZR 76/11

17.04.2012

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.04.2012, Az. X ZR 76/11 (REWIS RS 2012, 7271)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7271

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