Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.03.2013, Az. X K 10/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 7689

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Gegenstand

Streitwertfestsetzung in beim BFH anhängigen Entschädigungsklageverfahren


Leitsatz

1. NV: Bedarf es im Rahmen einer beim BFH erhobenen Entschädigungsklage der Festsetzung eines vorläufigen Gebührenstreitwerts gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG, dann ist hierfür der Berichterstatter des angerufenen Senats zuständig .

2. NV: Bei der Wertfestsetzung gem. § 63 Abs. 1 Satz 1  GKG kann im Einzelfall die Wertung des § 198 Abs. 2 GVG zu berücksichtigen sein .

Tatbestand

1

I. Der Kläger begründete mit seinem am 10. Juli 2012 beim [X.] ([X.]) eingegangenen Schriftsatz vom 6. Juli 2012 seine gegen das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) [X.] vom 9. Februar 2012 3 K 232/11 erhobene Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision, über die der zuständige Senat des [X.] inzwischen entschieden hat. In seinem Schriftsatz führte er auch aus, er erhebe Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer.

2

Der Kläger ist der Auffassung, das einen Schenkungsteuerbescheid betreffende Klageverfahren 3 K 232/11 hätte vom [X.] wegen überfälliger Fortschreibungen von [X.] ausgesetzt werden müssen. Solche Fortschreibungen würden vom Kläger seit längerer [X.] begehrt. Die absolute Höchstdauer von acht bis zehn Jahren werde überschritten, da diese Problematik betreffende gerichtliche Verfahren beim [X.] [X.] seit dem Jahr 2000 rechtshängig gemacht worden seien. Mit Schriftsatz vom 20. August 2012 trug der Kläger ergänzend vor, ein Aufhebungsbescheid des im finanzgerichtlichen Verfahren beklagten Finanzamts vom 19. April 2001 sei nach § 68 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) Gegenstand der Verfahren vor dem [X.] [X.], 1. Senat, 123/00, 122/00, 192/00 und 226/00 sowie aller Verfahren vor dem 3. Senat des [X.] [X.] geworden. Alle Verfahren vor dem [X.] und dem [X.] seien damit auch Gegenstand der Entschädigungsklagen vor dem [X.] geworden.

3

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 forderte die Geschäftsstelle des angerufenen Senats den Kläger im richterlichen Auftrag auf, gemäß § 61 des Gerichtskostengesetzes (GKG) den Wert des Streitgegenstands anzugeben. Auch wurde in diesem Schreiben mitgeteilt, es werde davon ausgegangen, dass sich seine Entschädigungsklage vom 6. Juli 2012 ausschließlich auf das Klageverfahren vor dem [X.] [X.] 3 K 232/11 beziehe, andernfalls werde um entsprechende Klarstellung gebeten. Hierauf teilte der Kläger mit Schreiben vom 30. November 2012 lediglich mit, die Höhe des Streitwerts könne derzeit nicht mitgeteilt werden.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Der Streitwert ist gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 [X.] durch den Berichterstatter des angerufenen Senats festzusetzen.

5

a) Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt das Gericht den Wert ohne vorherige Anhörung der Parteien (Beteiligten) fest, wenn Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klageschrift fällig sind und Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in [X.] ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist.

6

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt:

7

aa) Gemäß § 12a [X.] ist in Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer § 12 Abs. 1 [X.] anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass die Klage erst nach Zahlung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen zugestellt werden soll. Diese bestimmt sich gemäß § 3 [X.] nach dem Streitwert. Gemäß § 52 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 [X.] ist in solchen Fällen die sonst in finanzgerichtlichen Verfahren geltende Regelung über den [X.] von 1.000 € nicht anwendbar.

8

bb) Die Klage richtet sich auch nicht auf eine bestimmte Geldsumme. Eine solche liegt nach dem Gesetzeswortlaut nur vor, wenn der Kläger eine genau bezeichnete Geldsumme begehrt. Nicht ausreichend ist, dass der Wert unter Berücksichtigung der Bedeutung der Rechtssache für den Kläger bezifferbar ist. Dem entspricht auch der Sinn und Zweck der Regelung. Denn der [X.] kann die anzusetzenden Gebühren nur dann ohne weiteres ermitteln, wenn die Klageforderung auf eine bestimmte Geldsumme gerichtet ist oder für die Gebühren ein gesetzlich bestimmter Festbetrag anzusetzen ist [X.], Kostengesetze, 42. Aufl., § 63 [X.] Rz 6). Andernfalls bedarf es der gerichtlichen Wertbestimmung.

9

An einem solchen bezifferten Geldbetrag fehlt es im Streitfall, weil der Kläger einen solchen nicht benannt hat. Auch soweit der Ansatz eines Streitwerts von 5.000 € gemäß § 52 Abs. 2 [X.] in Betracht zu ziehen ist (vgl. hierzu unten unter [X.]), macht dies die gerichtliche Streitwertfestsetzung nicht entbehrlich, weil dieser Wert nur dann angesetzt werden kann, wenn der Streitwert nicht nach § 52 Abs. 1 [X.] unter Berücksichtigung des klägerischen Begehrens nach Ermessen bestimmt werden kann.

cc) Die gerichtliche [X.] ist auch nicht nach § 63 Abs. 1 Satz 3 [X.] ausgeschlossen. Zwar wird in dieser Vorschrift ausgeführt, die Sätze 1 und 2 der Vorschrift und damit auch die Regelung über die gerichtliche [X.] für die Gerichtsgebühren seien im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nicht anwendbar. Wie der nachfolgende Satz 4 zeigt, beruht die Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 3 [X.] jedoch darauf, dass sich der Gebührenvorschuss in diesem Verfahren vorläufig nach dem in § 52 Abs. 4 [X.] bestimmten Mindestwert (1.000 €) richtet. Dieser ist wie oben unter [X.] ausgeführt in [X.] wegen überlanger Verfahrensdauer gerade nicht anwendbar. § 63 Abs. 1 Satz 4 [X.] ist daher einschränkend dahingehend auszulegen, dass er sich nur auf normale finanzgerichtliche Verfahren und nicht auf [X.] bezieht.

b) Zur Entscheidung berufen ist der Berichterstatter des Senats. Dies folgt daraus, dass in [X.] wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 155 Satz 2 FGO die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug gelten. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Vorsitzenden, ggf. Berichterstatters für die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren über Kosten und den Streitwert gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 3, 4 FGO.

aa) Die Anwendung des § 79a FGO ist anders als die Entscheidung durch den Einzelrichter (so § 201 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--) in [X.] beim [X.] nicht ausgeschlossen.

Die FGO unterscheidet zwischen dem Einzelrichter i.S. des § 6 Abs. 1 FGO und dem nach dem senatsinternen Geschäftsverteilungsplan zuständigen Berichterstatter (zu dieser Unterscheidung vgl. [X.]-Beschluss vom 23. November 2011 IV B 7/10, [X.]/NV 2012, 429). Dieser tritt gemäß § 79a Abs. 4 FGO als [X.] [X.]. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes bei den in § 79a Abs. 1 FGO genannten Entscheidungen im "vorbereitenden Verfahren" an die Stelle des Senats bzw. des Vorsitzenden ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 79a FGO Rz 38, m.w.N.). Anders als der Einzelrichter i.S. des § 6 FGO ist der Berichterstatter in [X.] nicht ausgeschlossen. Ein für das Revisionsverfahren in § 121 Satz 2 FGO geregelter Ausschluss des § 79a FGO findet sich in § 155 Satz 2 FGO, der die [X.] beim [X.] betrifft, nicht. Durch den ausdrücklichen Hinweis auf die [X.] des § 87a der Verwaltungsgerichtsordnung in der Gesetzesbegründung (BTDrucks 17/7217, 28) wird deutlich, dass der Gesetzgeber eine solche Entscheidungsbefugnis des Berichterstatters gewollt hat.

bb) Die vorläufige [X.] für die Gerichtsgebühren durch das Gericht gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist eine solche Entscheidung über den Streitwert und die Kosten im vorbereitenden Verfahren nach § 79a Abs. 1 Nr. 4 und 5 FGO. Denn die [X.] dient der Feststellung, in welcher Höhe Gerichtsgebühren zu erheben sind. Von deren Zahlung hängt es nach § 12a [X.] i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] im Allgemeinen ab, ob die Klage zugestellt wird.

2. Der Streitwert wird auf 300 € festgesetzt.

a) Die Tatsache, dass ein Kläger wie im Streitfall keinen Antrag auf eine bezifferte Geldleistung stellt, welcher gemäß § 52 Abs. 3 [X.] für die Höhe des Streitwerts maßgeblich wäre, hat nicht automatisch zur Folge, dass der [X.] gemäß § 52 Abs. 2 [X.] von 5.000 € anzusetzen ist. Zwar ist die zuletzt genannte Vorschrift auch in [X.] wegen überlanger Verfahrensdauer anwendbar, weil für solche Verfahren lediglich gemäß § 52 Abs. 4 Satz 1 [X.] die Regelung über den [X.] ausgenommen ist.

Indessen kommt die Anwendung von § 52 Abs. 2 [X.] nur in Betracht, wenn der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung nach Ermessen (§ 52 Abs. 1 [X.]) bietet (Urteil des [X.] vom 28. Juli 1989  7 [X.] 39/87, [X.] 1989, 3233; [X.]-Beschluss vom 7. Mai 2010 IV S 3/10, [X.]/NV 2010, 1476). Zwar bedarf es hierzu keiner weiteren Ermittlungen; insbesondere müssen zur [X.] nicht die Akten des betroffenen finanzgerichtlichen Verfahrens beigezogen werden, wegen dem Entschädigung begehrt wird. Denn die [X.] ist lediglich vorläufiger Natur. Auch hat das Gericht den Wert unverzüglich festzusetzen und es soll vorher keine weiteren Handlungen vornehmen ([X.], [X.], 12. Aufl., § 63 Rz 6).

b) Bei der vorläufigen [X.] kann zu berücksichtigen sein, dass § 198 GVG bei Vorliegen einer unangemessenen Verfahrensdauer i.S. von Abs. 1 dieser Vorschrift in Abs. 2 Sätze 3 und 4 eine Regelentschädigung von 1.200 € je Jahr der Verzögerung vorsieht, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls ein höherer oder niedrigerer Betrag festzusetzen ist.

Das Gericht hält es für sachgerecht, bei der Bestimmung des für den Gebührenvorschuss maßgebenden Streitwerts an der Vorschrift über die Regelentschädigung anzuknüpfen, sofern sich aus dem klägerischen Vorbingen im Einzelfall nichts anderes ergibt. Hierbei berücksichtigt das Gericht auch, dass der Kläger im Fall der Durchführung des Klageverfahrens nach § 65 Abs. 1 FGO den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und deshalb so genau bestimmen muss, dass für das Gericht die nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO bestehenden Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis feststellbar sind (Gräber/von [X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl. § 65 Rz 47, m.w.N. aus der [X.]-Rechtsprechung).

c) Im Streitfall hat der Kläger dem Hinweis im Schreiben der Geschäftsstelle des angerufenen Senats, wonach davon auszugehen sei, dass sich seine Entschädigungsklage lediglich auf das Klageverfahren vor dem [X.] 3 K 232/11 beziehe, nicht widersprochen. Das Gericht geht deshalb im wohlverstandenen Interesse des Klägers davon aus, dass dieser eine Entschädigung lediglich wegen dieses finanzgerichtlichen Verfahrens erstrebt und er durch den Hinweis auf dort früher anhängig gewesene gerichtliche Verfahren lediglich zum Ausdruck bringen will, bei einer sachgerechten Behandlung dieser Verfahren wäre sein sachliches Begehren bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt erledigt worden, das Klageverfahren 3 K 232/11 beruhe daher auf einer [X.] Behandlung seines Begehrens.

Hierbei berücksichtigt das Gericht auch, dass das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ([X.], 2302) gemäß Art. 23 (im Gesetzesentwurf Art. 22) bereits abgeschlossene gerichtliche Verfahren nur erfasst, wenn sie nach dem innerstaatlichen Abschluss vor dem [X.]päischen Gerichtshof für Menschenrechte zu einer Beschwerde wegen der Verfahrensdauer geführt haben oder noch führen können. Da die Beschwerdefrist des Art. 35 Abs. 1 der [X.]päischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sechs Monate beträgt, darf der [X.] nicht länger als sechs Monate zurückliegen (vgl. BTDrucks 17/3802, 31), was bei den vom Kläger angesprochenen Altverfahren ersichtlich nicht der Fall ist.

Im Hinblick darauf, dass die Klage vor dem [X.] 3 K 232/11 am 12. Dezember 2011 erhoben wurde und das Urteil am 9. Februar 2012 erging ist damit von einem Streitwert von drei [X.] von 1.200 €, mithin also von 300 € auszugehen.

III.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 63 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

Meta

X K 10/12

05.03.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

§ 12 Abs 1 GKG, § 12a GKG, § 52 Abs 1 GKG, § 52 Abs 2 GKG, § 52 Abs 4 GKG, § 63 Abs 1 GKG, § 198 GVG, § 201 Abs 2 S 2 GVG, § 79a Abs 1 Nr 4 FGO, § 79a Abs 1 Nr 5 FGO, § 79a Abs 4 FGO, § 155 S 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.03.2013, Az. X K 10/12 (REWIS RS 2013, 7689)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7689

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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