Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2012, Az. VI ZB 76/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5835

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
76/11

vom

5. Juni
2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 85 Abs. 2, §§ 233 Fc, 234 B, 520
a)
Der Rechtsanwalt muss sich davon überzeugen, dass ihm am Tag des notierten [X.]
noch Zeit für die Anfertigung der Rechtsmittelbegründung oder für ei-nen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird.

b)
Ein stillschweigender Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dann nicht angenommen werden, wenn die fristgebundene Prozesshandlung in der irrigen Annahme erbracht wird, die Frist sei noch nicht abgelaufen.

[X.], Beschluss vom 5. Juni 2012 -
VI [X.]/11 -
LG [X.]

[X.]. [X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
5. Juni 2012
durch den Rich-ter
Zoll, die Richterin [X.], [X.] und [X.] und die Richte-rin von Pentz
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 21.
November 2011 wird auf Kos-ten der Klägerin als unzulässig verworfen.
[X.]: 3.501,89

Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Das Urteil des Amtsgerichts, mit dem die Klage
abgewiesen
worden ist, ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.
April 2011 zugestellt worden. Er hat am 16. Mai 2011, einem Montag, Berufung eingelegt.
Mit [X.] vom 16.
Juni 2011 hat er beantragt, die Berufungsbegründungs-frist um zwei Wochen zu verlängern. Dem Antrag hat das Berufungsgericht stattgegeben. Mit Verfügung vom 5.
Juli 2011 hat das Berufungsgericht die Be-rufungsbegründungsfrist antragsgemäß [X.] bis
zum
14.
Juli 2011 verlängert. Mit [X.]
vom 14.
Juli 2011, eingegangen beim Berufungsge-richt am selben Tag, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufung 1
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begründet. Das Berufungsgericht
hat mit Verfügung vom 27. September 2011 den
Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass die [X.] am 15. Juni 2011 abgelaufen ist und deshalb
am 16.
Juni 2011 nicht mehr verlängert werden konnte. Der [X.] der Klägerin hat mit [X.] vom 24.
Oktober 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde, mit der die Klägerin die Aufhebung des Beschlusses und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist begehrt.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbe-schwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, nicht erfüllt sind.
1. Der angefochtene Beschluss begegnet allerdings Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, aufgrund deren eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Es handelt sich um einen Beschluss, der von Gesetzes wegen mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann (§
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO). Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiederge-ben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der [X.]en in beiden Instan-2
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4
-

zen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetz-mäßigen Gründen versehen (Senatsbeschlüsse vom 20.
Juni 2006 -
VI
ZB 75/05, [X.], 1423, 1424 und vom 22.
Januar 2008 -
VI
ZB 46/07, [X.], 1374 Rn.
4; [X.], Beschlüsse vom 20. Juni 2002 -
IX
ZB 56/01, [X.], 926; vom 12.
Juli 2004 -
II
ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78 und vom 7.
April 2005 -
IX
ZB 63/03, [X.]-Report 2005, 1000). Das Fehlen einer Sachdarstel-lung kann hier nur deshalb ausnahmsweise hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es alleine ankommt, gerade noch mit hinrei-chender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ermitteln lassen.
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall 2 ZPO) keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin weder in ihrem Anspruch auf rechtliches
Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) noch in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1
GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprin-zip). Zwar
darf einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres [X.] versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht
ver-langt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu recht-fertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. November 2002 -
VI
ZB 40/02, [X.], 437; vom 12.
April 2011 -
VI
ZB 6/10,
NJW 2011, 2051 Rn.
5 und vom 17.
Januar 2012 -
VI
ZB 11/11, NJW-RR 2012, 427 Rn.
6).
Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
3. Das Berufungsgericht rechnet der Klägerin mit Recht als schuldhafte Fristversäumnis an, dass ihr Prozessbevollmächtigter seine Pflicht zur eigen-verantwortlichen Prüfung
der richtigen Notierung des Endes der Berufungsbe-5
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gründungsfrist schuldhaft verletzt hat, als ihm die Akten zur Bearbeitung im Hinblick auf den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vorge-legt worden sind.
Nach den zur anwaltlichen Fristenkontrolle entwickelten Grundsätzen hat der Rechtsanwalt alles ihm Zumutbare zu tun und zu veranlassen, damit die Fristen zur Einlegung und Begründung eines Rechtsmittels gewahrt werden ([X.], Beschluss
vom
28.
September 1989 -
VII
ZR 115/89, NJW 1990, 1239, 1240
= [X.]R ZPO §
233 Fristenkontrolle 12
und vom 10. März 2011 -
VII
ZB 37/10, NJW 2011, 1597 Rn.
12). Nur von der routinemäßigen Fristberechnung und Fristenkontrolle kann er sich durch Übertragung dieser Tätigkeit auf zuver-lässige und sorgfältig überwachte Bürokräfte entlasten. Hiervon ist die Prüfung des [X.] im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Sache zu [X.]. Diesen hat der Rechtsanwalt eigenverantwortlich
nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird (vgl. Senat, Beschlüsse vom 29.
September 1998 -
VI
ZB 16/98, juris Rn.
5;
vom 9.
März 1999 -
VI
ZB 3/99, [X.], 866, 867
und vom 10.
Juni 2008 -
VI
ZB 2/08, [X.], 283 Rn.
7; [X.], Beschlüsse vom 13.
November 1975 -
III
ZB 18/75, NJW 1976, 627, 628; vom 6.
Juli 1994 -
VIII
ZB 12/94, NJW 1994, 2831, 2832;
vom 24.
Oktober 2001 -
VIII
ZB 19/01, [X.], 1391
f.
und vom 19.
April 2005 -
X
ZB
31/03,
juris Rn.
4). Die [X.] entsteht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt
oder die [X.] beantragt. Bei der Vorlage muss sich der Rechtsanwalt da-von überzeugen, ob ihm am Tag des notierten [X.] noch Zeit für die An-fertigung der Rechtsmittelbegründung oder für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt (Senat, Beschlüsse vom
25. April 2007 -
VI
ZB 66/06, [X.], 273 Rn.
7 und vom
29. September 1998 -
VI
ZB 16/98 aaO).
7
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6
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Im Streitfall ist entscheidend, dass der Prozessbevollmächtigte der Klä-gerin jedenfalls die notierte Frist auf ihre Richtigkeit nicht überprüft hat, als ihm die Akte im Hinblick auf den bevorstehenden Ablauf der notierten Frist vorgelegt worden ist.
Dabei kann offen bleiben, ob nach der Büroorganisation -
wie es einer sorgfältigen Fristenkontrolle entspricht
-
eine Vorfrist notiert worden ist. Jedenfalls hat der
Anwalt infolge der unterlassenen Prüfung der Frist
nicht [X.], dass zwar die Frist zur Einlegung der Berufung
erst
am
Montag, dem 16.
Mai 2011,
die Frist zur Berufungsbegründung
gemäß §
520 Abs.
2 Satz
1 ZPO jedoch
am Mittwoch, dem 15.
Juni 2011, abgelaufen
ist.
Er hat in der Fol-ge auch nicht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb der Monatsfrist gemäß §
234 Abs.
1 Satz
2 ZPO bis Montag,
den 18. Juli 2011,
gestellt. Die Fristversäumnis beruht allein auf dem Verschulden des [X.], auch wenn das Berufungsgericht mit der Gewäh-rung der beantragten Verlängerung den Anschein erweckt hat, der Rechtsstreit werde demnächst materiell-rechtlich entschieden. Selbst wenn anzunehmen wäre, dass ein Wiedereinsetzungsantrag auch stillschweigend gestellt werden kann, lassen
sich im vorliegenden Fall weder die
Gesuche
des Prozessbevoll-mächtigten der Klägerin um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
noch die Einreichung der Berufungsbegründung
als stillschweigende Anträge
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen
die Versäumung der Begrün-dungsfrist verstehen. Ein stillschweigender Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann dann nicht angenommen werden, wenn die fristgebundene Prozesshandlung in der irrigen Annahme erbracht wird, die Frist sei noch nicht
abgelaufen (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
September 1952 -
III
ZB 13/52, [X.]Z 7, 194, 197
f.). So liegt der Fall hier. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin
ging irrigerweise davon aus, dass die bei Stellung des Antrags auf Fristverlängerung am 16. Juni 2011 bereits abgelaufene [X.]
-
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dungsfrist noch
laufe.
Er
begehrte deshalb gerade nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung infolge der schuldhaften Fristver-säumnis des Prozessbevollmächtigten, die der Klägerin gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnen ist, nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Be-rufung der Klägerin wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.
4. [X.] beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.
Zoll
[X.]
[X.]

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.]. [X.], Entscheidung vom 08.04.2011 -
911 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 21.11.2011 -
302 [X.]/11 -

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Meta

VI ZB 76/11

05.06.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2012, Az. VI ZB 76/11 (REWIS RS 2012, 5835)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5835

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