Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.09.2015, Az. XI B 87/14

11. Senat | REWIS RS 2015, 5677

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Gegenstand

Zur umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage bei steuerpflichtiger Lieferung eines Grundstücks durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung


Leitsatz

NV: Erwirbt ein zur Befriedigung aus einem Grundstück Berechtigter im Zwangsversteigerungsverfahren das Grundstück (umsatzsteuerpflichtig) durch Zuschlag zu einem Gebot, welches hinter 7/10 des Grundstückswerts zurückbleibt, so gehört zur umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage der Grundstückslieferung neben dem Meistgebot auch der Anspruch des Berechtigten auf Befriedigung, soweit dieser Anspruch durch das abgegebene Meistgebot nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot zum Betrag der 7/10-Grenze gedeckt sein würde .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 10. Juli 2014  4 K 1182/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GbR, erwarb im Vorfeld einer empfangenen Grundstückslieferung, deren umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage vorliegend streitig ist, eine durch eine Buchgrundschuld am betreffenden Grundstück abgesicherte Kreditforderung gegen den Grundstückseigentümer in Höhe von [X.] zum Kaufpreis von [X.]. Diese Forderung einschließlich der Sicherheiten trat sie aufgrund Forderungskaufvertrags an eine [X.] ab und vereinbarte mit dieser, dass sie, die Klägerin, das Grundstück treuhänderisch für die [X.] erwerben werde. Die Gesellschafter der Klägerin beantragten die Zwangsversteigerung des Grundstücks, dessen Verkehrswert aufgrund eines von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachtens mit [X.] ermittelt und vom Vollstreckungsgericht nach Anhörung der Gläubiger rechtskräftig auf diesen Betrag festgesetzt wurde.

2

Im Versteigerungstermin verzichtete der Insolvenzverwalter des Grundstückseigentümers auf die Steuerbefreiung. Der Klägerin wurde aufgrund eines [X.]s von [X.] der Zuschlag erteilt; laut [X.] kam § 114a des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ([X.]) zur Anwendung. Gemäß § 114a Satz 1 [X.] gilt der zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigte, dem der Zuschlag zu einem Gebot erteilt wird, welches hinter 7/10 des [X.] zurückbleibt, auch insoweit als aus dem Grundstück befriedigt, als sein Anspruch durch das abgegebene [X.] nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot zum Betrag der 7/10-Grenze gedeckt sein würde.

3

Mit Änderungsbescheid über Umsatzsteuer für das Streitjahr (2005) vom 24. April 2009 bezog der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) neben dem Bargebot von [X.] die nach § 114a [X.] als befriedigt geltende Forderung in Höhe von [X.] (Verkehrswert [X.] x 7/10 = [X.] abzüglich [X.] von [X.] und in [X.] bestehen bleibende Rechte in Höhe von [X.]) in die Bemessungsgrundlage der von der Klägerin gemäß § 13b Abs. 2 i.V.m. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) geschuldeten Steuer ein. Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie die Minderung der Bemessungsgrundlage für den betreffenden Umsatz um [X.] begehrte, blieb ohne Erfolg.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision. Sie macht in erster Linie geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die Klägerin Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügend dargetan hat, liegen solche nicht vor.

6

1. Insbesondere ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) zuzulassen.

7

a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 7. Dezember 2009 XI B 52/09, [X.]/NV 2010, 482; vom 4. Oktober 2012 XI B 46/12, [X.]/NV 2013, 273; vom 20. Februar 2014 XI B 85/13, [X.]/NV 2014, 828).

8

b) Nach Auffassung der Klägerin wirft der Streitfall die Rechtsfrage auf, "ob die Einbeziehung der - um das [X.] und die bestehenden Rechte geminderte - [X.] des § 114a [X.] in den [X.] des § 10 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG vom [X.] des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der [[X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.])] gedeckt wird oder ihm widerspricht".

9

Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[X.] stelle für die Bemessungsgrundlage einer entgeltlichen Leistung darauf ab, was der Leistende erhält; maßgeblich sei nach dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) [X.] vom 9. Juni 2011 [X.]/10 ([X.]:C:2011:381, [X.] --UR-- 2012, 440, Rz 28) die tatsächlich für die Leistung erhaltene Gegenleistung, also der subjektive, nämlich tatsächlich erhaltene und nicht ein nach objektiven Kriterien geschätzter Wert. Da im Streitfall dem Grundstückseigentümer ein wesentlich niedrigerer Betrag als die [X.] zugewandt worden sei, stelle diese kein Entgelt i.S. des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[X.] dar. Eine Ermächtigung nach Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/[X.], wonach die [X.] bei der Ermittlung des umsatzsteuerrechtlichen Entgelts Ausnahmen in Gestalt der Anwendung einer Fiktion anwenden könne, liege nicht vor.

Es sei überdies fraglich, ob die im Hinblick auf § 114a [X.] zur Bemessungsgrundlage der --unionsrechtlich nicht harmonisierten-- Grunderwerbsteuer ergangene [X.]-Rechtsprechung auf die Bemessungsgrundlage der [X.] Umsatzsteuer übertragen werden könne.

c) Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer für Lieferungen ist das vereinbarte Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).

Die Regelung entspricht im Ergebnis Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/[X.]. Danach ist Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen ... "alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen" (vgl. [X.]-Urteil vom 16. Januar 2003 V R 36/01, [X.]/NV 2003, 667, unter II.2., Rz 15; Handzik in [X.]/Söhn/[X.], Umsatzsteuer, § 10 UStG Rz 36a; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]r, UStG § 10 Rz 47).

d) Es ist durch die Rechtsprechung des [X.] geklärt, dass die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung eines Gegenstands oder die Erbringung einer Dienstleistung die tatsächlich dafür erhaltene Gegenleistung und nicht ein nach objektiven Kriterien geschätzter Wert ist (z.B. [X.]-Urteile Hotel Scandic Gasabäck vom 20. Januar 2005 C-412/03, [X.]:C:2005:47, UR 2005, 194, Rz 21, m.w.N.; [X.], [X.]:C:2011:381, UR 2012, 440, Rz 28).

Gegenleistung in diesem Sinn ist das, was der Leistungsempfänger tatsächlich aufwendet (vgl. [X.]-Beschluss vom 18. Januar 2007 V B 39/05, [X.]/NV 2007, 1200, [X.], 382, unter II.2., Rz 17).

e) Davon ausgehend ist nicht ersichtlich --jedenfalls nicht hinreichend von der Klägerin dargetan--, dass die Rechtsfrage abweichend vom [X.] zu beantworten ist oder dass der [X.] im Streitfall zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre als das [X.].

aa) § 114a Satz 1 [X.] --der nach der mit der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] im Streitfall eingreift-- bewirkt, dass die Forderung des zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigten Gläubigers gegenüber dem [X.] auch insoweit erlischt, als sein bares Meistgebot (ohne Meistgebotszinsen nach § 49 Abs. 2 [X.]) zuzüglich bestehen bleibender Rechte hinter 7/10 des [X.] zurückbleibt. Der berechtigte Gläubiger und der Vollstreckungsschuldner werden rechtlich so gestellt, als ob der Gläubiger ein Gebot abgegeben hätte, das 7/10 des [X.] erreicht; soweit durch ein solches Gebot sein Anspruch gedeckt ist, ihm also der Erlös im Verteilungsverfahren zuzuteilen gewesen wäre, gilt er mit dem Zuschlag als befriedigt. In Höhe des fiktiven Befriedigungsbetrags tritt beim [X.] zwangsläufig kraft Gesetzes eine Schuldbefreiung ein (vgl. [X.]-Urteil vom 19. Juni 2013 II R 5/11, [X.]E 241, 424, [X.], 926, Rz 13, m.w.N.).

bb) Die Klägerin hat für die Ersteigerung des betreffenden Grundstücks neben dem [X.] und der Übernahme der in [X.] bestehen bleibenden Rechte auch die durch Grundpfandrechte gesicherte Forderung gegen den Grundstückseigentümer hingegeben, soweit diese zivilrechtlich --aufgrund von § 114a [X.] angeordneter [X.] in Höhe von [X.] tatsächlich erloschen ist; hierbei handelt es sich mithin nicht um einen (lediglich) geschätzten Wert im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des [X.].

Das [X.] hat nicht festgestellt, dass --wie die Klägerin meint-- die durch eine erstrangige Grundschuld am betreffenden Grundstück, dessen Verkehrswert das Vollstreckungsgericht nach Anhörung der Klägerin auf … € festgesetzt hatte, gesicherte Forderung in Höhe von … € nicht werthaltig gewesen sei; hieran wäre der [X.] in einem sich anschließenden Revisionsverfahren mangels zulässiger und begründeter Revisionsgründe gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden.

cc) Die Klägerin hält im [X.] mit ihrem --im Stile einer Revisionsbegründung abgefassten-- Beschwerdevorbringen die Rechtsauffassung des [X.] für falsch und stellt die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage. Dies vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 9. April 2014 XI B 128/13, [X.]/NV 2014, 1224, Rz 20, m.w.N.).

2. Soweit die Klägerin ferner geltend macht, die Revision sei nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O "aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung" zuzulassen, hat sie Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O).

a) Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz setzt eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung der angefochtenen Entscheidung voraus. Diese ist dann gegeben, wenn das [X.] bei vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der [X.] oder ein anderes [X.] (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 18. November 2010 XI B 28/10, [X.]/NV 2011, 204, Rz 6, m.w.N.). Die Klägerin hat jedoch nicht dargetan, dass das [X.] seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt habe, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der (Divergenz-)Entscheidung eines anderen Gerichts nicht übereinstimmt.

b) Ein Rechtsfehler des [X.] von erheblichem Gewicht, der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. z.B. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2011, 204, Rz 11; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 115 [X.]O Rz 200 ff., 202, m.w.N.), und der die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O nach sich zöge, ist weder von der Klägerin dargelegt noch sonst ersichtlich.

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI B 87/14

09.09.2015

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 10. Juli 2014, Az: 4 K 1182/11, Urteil

§ 10 Abs 1 S 1 UStG 2005, § 10 Abs 1 S 2 UStG 2005, Art 11 Teil A Abs 1 Buchst a EWGRL 388/77, § 114a ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.09.2015, Az. XI B 87/14 (REWIS RS 2015, 5677)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5677

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