Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2013, Az. X R 25/11

10. Senat | REWIS RS 2013, 293

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Gegenstand

Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen


Leitsatz

1. Die Abzinsung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG nach dem Zeitraum bis zur erstmaligen Erfüllung der Bestandspflegepflicht. Diesen hat der Steuerpflichtige darzulegen und mit Stichproben zu belegen (Fortentwicklung der Rechtsprechung in den Senatsurteilen vom 19. Juli 2011 X R 26/10, BFHE 234, 239, BStBl II 2012, 856; X R 48/08, BFH/NV 2011, 2032, und X R 8/10, BFH/NV 2011, 2035).

2. Steht fest, dass der Steuerpflichtige vertraglich zur weiteren Betreuung der von ihm vermittelten Versicherungsverträge verpflichtet ist und auch tatsächlich entsprechende Nachbetreuungsleistungen erbracht hat, scheitert die Bildung der Rückstellung zwar nicht daran, dass er keine der Rechtsprechung entsprechenden Aufzeichnungen über den Umfang der Betreuungsleistungen vorlegen kann. Da den Steuerpflichtigen aber die Darlegungs- und Beweislast trifft, muss sich die dann vorzunehmende Schätzung des Betreuungsaufwandes im unteren Rahmen bewegen.

Tatbestand

1

I. [X.]ie Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2004 zur Einkommensteuer [X.] wurden. [X.]er Kläger erzielte als selbständiger [X.]ersicherungsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelte seinen Gewinn durch [X.]etriebsvermögensvergleich (§ 4 [X.]bs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung --EStG--).

2

[X.]ls [X.]ertreter der [X.], bestehend aus der [X.] und der [X.], vermittelte der Kläger sowohl Lebens- als auch Sachversicherungen. [X.]er [X.] lautete auszugsweise wie folgt:

3

§ 3

[X.]ufgaben

1. [X.]er [X.]ertreter ist verpflichtet, die Geschäfte der "..." <[X.]> nach besten Kräften zu fördern und deren Interessen in jeder Hinsicht wahrzunehmen.
2. [X.]emzufolge hat er insbesondere
   a) [X.]ersicherungsverträge zu vermitteln,
   b) den [X.] zu pflegen sowie die sich daraus ergebenden geschäftlichen [X.]orgänge zu erledigen,
   c) an der [X.]earbeitung von Schadenfällen nach besonderer Weisung mitzuwirken,
   d) die Schadenverhütungsbestrebungen der "..." <[X.]> zu unterstützen.

4

Für die [X.]ermittlung von Sachversicherungen der [X.] erhielt der Kläger neben der [X.]bschlussprovision zusätzlich eine [X.]erwaltungsprovision für die Pflege des [X.]es, für den ihm übertragenen [X.]eitragseinzug, die Mitwirkung bei der [X.]earbeitung von Schadensfällen und für sonstige ihm nach § 3 des [X.]es obliegende [X.]ufgaben. Für die [X.]ermittlung von Lebensversicherungen der [X.] erhielt der Kläger eine einmalige [X.]bschlussprovision, mit der "die [X.]ermittlung des [X.]ersicherungsvertrages und andere Tätigkeiten abgegolten" waren sowie ab Erreichen von bestimmten Grenzen zusätzlich eine Sondervergütung.

5

[X.]ufgrund eines Kooperationsvertrages mit der [X.] hielt [X.] ihre [X.]ertreter in einem dem [X.] beigefügten Merkblatt dazu an, bei sich [X.] Gelegenheit als Untervertreter der [X.] [X.]ausparverträge für die [X.] zu vermitteln. Hierfür erhielt der Kläger von der [X.] im [X.]uftrag der [X.] eine einmalige [X.]bschlussprovision. Einmalige [X.]bschlussprovisionen erhielt er zudem für die [X.]ermittlung von Krankenversicherungen der [X.] als "Partner-Produkt".

6

Zum 31. [X.]ezember 2004 befanden sich 53 Krankenversicherungen, 125 [X.]ausparverträge sowie 591 Lebensversicherungsverträge im [X.]estand des Klägers. In seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr 2004 passivierte er erstmalig Rückstellungen für [X.]estandspflege sämtlicher [X.]ersicherungen, d.h. einschließlich der Sachversicherungen, in Höhe von insgesamt 311.823,58 €. [X.]er [X.]eklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) erkannte diese Rückstellungen nicht an.

7

Im Einspruchsverfahren legten die Kläger Schreiben der [X.] vor, nach denen der vom Kläger zugrunde gelegte [X.]ufwand von zwei Stunden für die [X.]etreuung der Lebensversicherungen nicht als zu hoch gegriffen erscheine. [X.]ufgrund von [X.] seiner Mitarbeiter für den Monat [X.]ezember 2006 ermittelte der Kläger einen [X.]etreuungsbedarf von 1:38 Stunden pro [X.]. [X.]ieser sei allerdings aufgrund des [X.]rbeitsanfalls bei den Kfz-[X.]ersicherungen niedriger als im Jahresdurchschnitt.

8

[X.]as F[X.] führte in dieser Zeit eine [X.]ußenprüfung durch. [X.]er Prüfer vertrat abschließend weiterhin die [X.]uffassung, die Rückstellungen seien bereits dem Grunde nach nicht anzuerkennen. [X.]er Prüfer forderte den Kläger u.a. auf, die Unterlagen zu 30 zufällig ausgewählten [X.]erträgen vorzulegen. [X.]em kam der Kläger nach Rücksprache mit [X.] aus [X.]atenschutzgründen nicht nach. [X.]er Einspruch blieb daraufhin erfolglos.

9

Im Klageverfahren begehrten die Kläger noch Rückstellungen für die Lebensversicherungen, Krankenversicherungen und [X.]ausparverträge in Höhe von insgesamt 188.493,73 €.

Im Rahmen der vertraglich vereinbarten [X.]etreuung seien beispielsweise Änderungen der [X.], Änderungen der [X.]ankverbindungen, Änderungen der [X.]dressen sowie Änderungen der [X.]eckung zu berücksichtigen. [X.]ei den [X.] seien außerdem [X.]nträge auf [X.]eitragsfreistellung sowie [X.]eitragsänderungen aufgrund finanzieller Engpässe vorzunehmen. Weiter kämen Änderungen der Laufzeit in [X.]etracht und seien jährliche [X.]uskünfte zum Rückkaufswert zu erteilen. Häufig würden auch [X.]nträge auf Teilauszahlung der Lebensversicherungen oder die Möglichkeit zum Ruhenlassen des [X.]ertrages geltend gemacht. Schließlich seien steuerliche Fragen zu beantworten. Häufig müsse er, der Kläger, bei der [X.]irektion in [X.] halten. Für die [X.]etreuung der Lebensversicherungsverträge sei von einem jährlichen [X.]ufwand von zwei Stunden auszugehen, die [X.]etreuung der [X.] erfordere einen Zeitaufwand von einer Stunde, die der [X.]ausparverträge von 30 Minuten.

[X.]ie Klage hatte teilweise Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1691). Für die Lebensversicherungsverträge sah das Finanzgericht ([X.]) die [X.]oraussetzungen für die [X.]ildung einer Rückstellung als dem Grunde nach gegeben an. [X.]er Höhe nach schätzte das [X.] eine Rückstellung in Höhe von 23.272 €. [X.]en [X.] schätzte es dabei auf 20 Minuten je [X.]ertrag und Jahr.

Für die [X.]ausparverträge sowie die Krankenversicherungen lehnte das [X.] hingegen die [X.]ildung von Rückstellungen ab. [X.]a es insoweit schon an einer eindeutigen vertraglichen [X.]erpflichtung zur [X.]estandsbetreuung fehle, befinde sich der Kläger nicht in einem Erfüllungsrückstand.

Gegen das [X.]-Urteil wenden sich sowohl die Kläger als auch das F[X.] mit der Revision wegen [X.]erletzung materiellen Rechts.

[X.]ie Kläger machen geltend:

(1) Entgegen der [X.]uffassung des [X.] seien auch für die [X.]etreuung der Krankenversicherungen und [X.]ausparverträge Rückstellungen zu bilden, da sich der Kläger insoweit ebenfalls in einem Erfüllungsrückstand befunden habe. [X.]us § 3 Nr. 2 [X.]uchst. b des [X.]es ergebe sich auch insoweit eine vertragliche [X.]etreuungsverpflichtung.

[X.]ie von dem [X.] für die Lebensversicherungen geschätzte Rückstellung sei der Höhe nach unzureichend, da insoweit von einem [X.]etreuungsaufwand von zwei Stunden pro [X.]ertrag und Jahr auszugehen sei.

(2) [X.]ie Revision des F[X.] sei demnach unbegründet.

[X.]ie Kläger beantragen,
das [X.]-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 6. März 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2008 dergestalt zu ändern, dass die Einkommensteuer unter [X.]erücksichtigung einer Rückstellung bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 95.438,57 € festgesetzt wird, sowie die Revision des F[X.] zurückzuweisen.

[X.]as F[X.] beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Es ist der [X.]nsicht, entgegen der Würdigung des [X.] könne aus § 3 Nr. 2 [X.]uchst. b des [X.]es nicht auf einen Erfüllungsrückstand des Klägers und damit auf die [X.]erechtigung zur [X.]ildung einer Rückstellung dem Grunde nach geschlossen werden. Erst recht ergebe sich daraus keine rechtliche [X.]erpflichtung zur Pflege des [X.]estandes von Produkten [X.]ritter wie den Krankenversicherungen und [X.]ausparverträgen.

[X.]ber auch dann, wenn die [X.]ildung von Rückstellungen dem Grunde nach möglich sein sollte, stelle sich die Frage nach deren Höhe. Nach den allgemeinen [X.]eweislastregeln habe keine Schätzung erfolgen dürfen. [X.]as [X.] lasse völlig unberücksichtigt, dass die objektive [X.]eweislast für die behaupteten [X.]etreuungsleistungen beim Kläger liege, die beigebrachten Unterlagen nach den Feststellungen des [X.] für eine [X.]erechnung der Rückstellung aber völlig unzureichend gewesen seien, insbesondere genügten diese auch nicht den vom [X.]undesfinanzhof ([X.]FH) gestellten [X.]nforderungen.

Sei es möglich, auch ohne entsprechende [X.]ufzeichnungen schätzen zu können, erscheine es gerechtfertigt, den zeitlichen [X.]ufwand für die [X.]etreuungsleistungen für die gesamte Laufzeit allenfalls mit einer Stunde pro Lebensversicherungsvertrag zu berücksichtigen. [X.]uch dann komme eine Schätzung nur dann in [X.]etracht, wenn für den Kunden daneben kein Sachversicherungsvertrag vorliege, für den eine entsprechende [X.]etreuungsprovision gezahlt werde.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.]orentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen [X.]erhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Gemäß § 5 Abs. 1 EStG sind für ungewisse [X.]erbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und [X.]erbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden; geboten ist ein Bilanzausweis u.a. aber bei [X.]orleistungen und Erfüllungsrückständen (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, [X.]E 183, 199, [X.] 1997, 735, m.w.N.). Es entspricht der gefestigten [X.]-Rechtsprechung, dass Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden sind, wenn ein [X.]ersicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die [X.]ermittlung der [X.]ersicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des [X.]ersicherungsvertrages erhält ([X.]-Urteil vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, [X.]E 207, 205, [X.] 2006, 866; Senatsurteile vom 9. Dezember 2009 [X.], [X.]/N[X.] 2010, 860; vom 19. Juli 2011 [X.], [X.]E 234, 239, [X.] 2012, 856; [X.], [X.]/N[X.] 2011, 2032, und [X.], [X.]/N[X.] 2011, 2035, jeweils m.w.N.).

a) Rückstellungen für ungewisse [X.]erbindlichkeiten setzen eine dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse [X.]erbindlichkeit gegenüber einem anderen voraus; es genügt, dass Grund und Höhe wahrscheinlich sind ([X.]/Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 5 Rz 361, 376). In zeitlicher Hinsicht muss die [X.]erbindlichkeit in der [X.]ergangenheit wirtschaftlich verursacht sein; es muss bereits bis zum Bilanzstichtag eine wirtschaftliche Belastung eingetreten sein ([X.]-Urteile vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, [X.]E 211, 475, [X.] 2006, 371, und vom 29. November 2007 I[X.] R 62/05, [X.]E 220, 85, [X.] 2008, 557).

b) Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Bildung der Rückstellung nicht wegen Unwesentlichkeit der [X.]erpflichtung ausgeschlossen. Zur [X.]ermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seine grundlegenden Ausführungen im Urteil in [X.]E 234, 239, [X.] 2012, 856 (unter [X.]).

2. Die Würdigung des [X.], der Kläger sei aufgrund der Regelung in § 3 Nr. 2 [X.]. b des [X.] rechtlich zur Betreuung lediglich der vermittelten Lebensversicherungsverträge (unter a), nicht aber auch der Krankenversicherungs- und Bausparverträge (unter b) verpflichtet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Gemäß § 3 Nr. 2 [X.]. b des [X.] ist der Kläger "insbesondere" verpflichtet, den [X.]ersicherungsbestand zu pflegen sowie die sich daraus ergebenden geschäftlichen [X.]orgänge zu erledigen.

aa) Für die Pflege des Bestandes an --für B vermittelte-- Sachversicherungen, für den ihm übertragenen Beitragseinzug, die Mitwirkung bei der Bearbeitung von Schadensfällen und für sonstige ihm obliegende Aufgaben erhält er eine entsprechende [X.]erwaltungsprovision. Gemäß den Provisionsbestimmungen der A in Anlage 4 sind dagegen mit der Abschlussprovision sowohl die [X.]ermittlung eines Lebensversicherungsvertrages als auch "andere Tätigkeiten" abgegolten. Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass mit dieser Umschreibung die Betreuungstätigkeiten gemeint sind, die sich im Zuge der in § 3 Nr. 2 [X.]. b des [X.] vereinbarten Bestandspflege durch den Kläger ergeben.

bb) Das [X.] wendet sich insoweit letztlich auch nicht gegen die Annahme einer vertraglich vereinbarten Pflicht zur Betreuung bestehender Lebensversicherungsverträge. [X.]ielmehr ist es der Auffassung, in Bezug auf den Bestand an Lebensversicherungen habe diese [X.]erpflichtung keinen wirtschaftlichen Gehalt, was sich daran zeige, dass [X.] als für die Betreuung der Sachversicherungen-- keine zusätzliche [X.]erwaltungsprovision zahle.

cc) Anders als das [X.] offenbar meint, ist zwischen der rechtlichen [X.]erpflichtung zur Nachbetreuung von [X.]ersicherungsverträgen und der Frage, ob sich der [X.]ersicherungsvertreter in einem Erfüllungsrückstand befindet, zu trennen. Die Bildung einer entsprechenden Rückstellung setzt zunächst eine [X.]erpflichtung des [X.] voraus, auch nach Abschluss des [X.]ertrages tätig zu werden. Diese ergibt sich nicht aus dem Gesetz, kann aber im Rahmen der [X.]ertragsfreiheit als vertragliche Zusatzpflicht des [X.] vereinbart werden (vgl. Senatsurteil in [X.]/N[X.] 2010, 860, unter II.3.). Im Erfüllungsrückstand befindet sich der [X.]ersicherungsvertreter, wenn er aufgrund einer individualvertraglichen Regelung zur künftigen Betreuung bereits abgeschlossener [X.]ersicherungsverträge verpflichtet ist, diese [X.]erpflichtung aber auch durch die einmalige, bei Abschluss des vermittelten [X.]ertrages gezahlte Provision abgegolten ist. In diesem Fall hat der [X.]ersicherungsvertreter weniger geleistet, als er nach dem [X.] (der [X.]ersicherungsgesellschaft) erbrachte Leistung (Zahlung einer einmaligen Provision) insgesamt zu leisten hatte ([X.]-Urteil in [X.]E 207, 205, [X.] 2006, 866, unter [X.]). Hierbei handelt es sich auch um eine wesentliche [X.]erpflichtung ([X.]-Urteil in [X.]E 207, 205, [X.] 2006, 866, unter [X.]; Senatsurteil in [X.]E 234, 239, [X.] 2012, 856, unter [X.]).

Keinesfalls lässt sich die "Unwesentlichkeit" der Nachbetreuungsverpflichtung daraus ableiten, dass keine jährliche [X.]erwaltungsprovision gezahlt wird. Die Zahlung einer separaten jährlichen [X.]erwaltungsprovision führt lediglich dazu, dass sich der [X.]ersicherungsvertreter --trotz seiner vertraglichen [X.]erpflichtung zur Nachbetreuung-- nicht in einem Erfüllungsrückstand befindet.

b) Entgegen der Auffassung der Kläger hält auch die Würdigung des [X.], es fehle hinsichtlich der vermittelten Bausparverträge und Krankenversicherungen an einer eindeutigen vertraglichen [X.]erpflichtung zur Bestandsbetreuung, einer Überprüfung stand.

Die [X.]ertragsauslegung durch das [X.] entspricht den Auslegungsgrundsätzen und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Sie ist daher gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O für den erkennenden Senat bindend (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil in [X.]E 234, 239, [X.] 2012, 856). Das [X.] weist insbesondere zutreffend darauf hin, dass es sich bei den Bausparverträgen und Krankenversicherungen nicht um Produkte der [X.] handelt, sondern um "Partner-" bzw. "Kooperationsprodukte", die nicht ausdrücklich von § 3 Nr. 2 [X.]. b des [X.] erfasst werden. In Bezug auf die Bausparverträge ist dies offensichtlich, da die Klausel nur eine Regelung zur Pflege des [X.]ersicherungsbestandes enthält. Angesichts der dort ausdrücklich getroffenen Regelung über die Bestandspflege liefert erst recht die allgemeine Regelung in § 3 Nr. 1 des [X.], nach der der Kläger verpflichtet ist, die Geschäfte der [X.] nach besten Kräften zu fördern und deren Interessen wahrzunehmen, keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anerkennung einer Bestandspflegepflicht für Produkte Dritter. Das [X.] führt auch zutreffend aus, anders als die Anlage 4 für die vermittelten Lebensversicherungen enthalte die Anlage 7 in Bezug auf die Bausparverträge nur Regelungen zu einer Abschlussprovision und der damit einhergehenden [X.]ermittlungstätigkeit. Für die Anlage 8 betreffend die Krankenversicherungen gilt nichts anderes.

3. Hinsichtlich der Höhe der Rückstellung hat der Senat in seinen Urteilen vom 19. Juli 2011 (in [X.]E 234, 239, [X.] 2012, 856; in [X.]/N[X.] 2011, 2032, und in [X.]/N[X.] 2011, 2035) folgende zu beachtende Grundsätze aufgestellt:

a) [X.] ist eine Sachleistungsverpflichtung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a [X.]. b EStG; sie ist mit den Einzelkosten und den Gemeinkosten zu bewerten.

aa) Abzustellen ist auf die Anzahl der [X.]ersicherungsverträge, für die noch künftige Betreuungsleistungen aufgrund rechtlicher [X.]erpflichtung zu erbringen sind, für die aber kein weiteres Entgelt beansprucht werden kann.

Einbezogen werden dürfen nur Leistungen für die Betreuung bereits abgeschlossener [X.]erträge. Werbeleistungen mit dem Ziel, Kunden (auch Bestandskunden) zu neuen [X.]ertragsabschlüssen zu veranlassen (Einwerbung von Neugeschäften), sind nicht rückstellbar.

Nicht einzubeziehen ist der Aufwand für die eigene künftige Arbeitsleistung des Betriebsinhabers; [X.]ertreter ohne angestelltes Personal können daher von vornherein keine Rückstellung bilden. Sollte neben dem angestellten Personal auch der Einzelunternehmer selbst in die Betreuung eingeschaltet sein, könnte für den von ihm erbrachten Teil der Leistungen ebenfalls keine Rückstellung gebildet werden.

bb) Für die Höhe der Rückstellung ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung pro [X.]ertrag und Jahr von entscheidender Bedeutung; zur Darlegung des (voraussichtlichen) Zeitaufwandes ist im Einzelnen notwendig:

- die genaue Beschreibung der einzelnen Betreuungstätigkeiten; die Darstellung muss das [X.] und das [X.] in die Lage versetzen, anhand der rechtlichen Anforderungen zu prüfen, ob der Aufwand für die jeweilige Tätigkeit zur Bildung einer Rückstellung berechtigt;

- die Angabe, welchen Zeitbedarf die jeweilige Tätigkeit mit sich bringt, wenn sie im Einzelfall anfällt;

- die Angabe, wie oft die jeweilige Tätigkeit über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen [X.]ertrages zu erbringen ist;

- die Laufzeit bzw. Restlaufzeit der einzubeziehenden [X.]erträge; dabei ist vor allem auch der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass ein Teil der [X.]erträge vorzeitig gekündigt wird.

cc) Neben dem zeitlichen Umfang der Betreuungsleistungen ist für die Bemessung der Rückstellung der Stundenlohn der vom Kläger für die Nachbetreuung eingesetzten Mitarbeiter sowie die auf diese anteilig entfallenden Gemeinkosten von Bedeutung.

dd) Als Sachleistungsverpflichtung ist eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3a [X.]. e Satz 2 EStG abzuzinsen.

Maßgebend ist insoweit der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung, d.h. bis zur konkreten Umsetzung der Sachleistungspflicht. Entsprechend dem Gesetzeswortlaut ist entscheidend darauf abzustellen, wann im konkreten Einzelfall erstmalig Bestandspflegemaßnahmen (z.B. als Reaktion auf eine Adressänderung des Kunden, eine Änderung der Bankverbindung oder ähnliches) durchgeführt werden (ebenso [X.]/[X.], a.a.[X.], § 6 Rz 482; Schreiben des [X.] vom 20. November 2012, [X.], 1100; [X.], [X.] 2012, 36; a.[X.], [X.], 2280).

Der Steuerpflichtige hat insoweit darzulegen und mittels Stichproben zu belegen, zu welchem nach dem [X.]ertragsabschluss liegenden Zeitpunkt unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten im einzelnen [X.]ertrag erstmals mit Betreuungsmaßnahmen zu rechnen ist.

b) Über die unter a) bezeichneten Angaben sind Aufzeichnungen zu führen und vorzulegen.

aa) Diese Aufzeichnungen müssen so konkret und spezifiziert sein, dass eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden Betreuungsaufwendungen sowie des Zeitraums bis zum Beginn der erstmaligen Durchführung von Betreuungsmaßnahmen (Abzinsungszeitraum) möglich ist. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass eine Rückstellung ein Passivposten ist, der eine dem Grund und/oder der Höhe nach noch ungewisse (also nur wahrscheinliche) künftige [X.]erbindlichkeit zum Ausdruck bringt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Rückstellung jedes Jahr angepasst werden muss und jedes Jahr zu prüfen ist, in welchem Umfang der rückgestellte Aufwand tatsächlich eingetreten ist und ob für die Zukunft Korrekturen vorzunehmen sind.

Dieser Natur des Rückstellungspostens entsprechend (Schätzung von Aufwand, der auf unter Umständen sehr langfristigen [X.]erpflichtungen beruht) kann ggf. auch auf spätere Aufzeichnungen zurückgegriffen werden, sofern sie geeignet sind, die voraussichtlich anfallenden Kosten zu belegen.

bb) Die laufenden Aufzeichnungen sind "vertragsbezogen" zu führen; der Steuerpflichtige hat zu belegen, welche einzelnen Tätigkeiten (z.B. Fälle von Namens- und [X.], [X.], Baufinanzierungen, Abtretungen, Änderungskündigungen) in welcher Häufigkeit mit welchem Zeitaufwand über die Gesamtlaufzeit des einzelnen [X.]ertrages (typischerweise) anfallen werden. Diese Prüfung muss nicht für alle [X.]erträge einzeln vorgenommen werden; im Einzelfall können fundierte Stichproben (z.B. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der [X.]erträge oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben der Kundennamen) ausreichen, um eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit zu begründen.

cc) Die Richtigkeit der vorgenommenen Aufzeichnungen kann im Einzelfall verprobt werden durch eine Gegenüberstellung von [X.]erträgen ohne [X.] mit [X.]erträgen mit [X.]. Dabei muss die [X.]ergleichbarkeit der [X.]ersicherungen gewährleistet sein; so darf etwa der Teil der Bestandspflege, der auf den Inhaber der [X.]ersicherungsagentur entfällt, nicht berücksichtigt werden.

dd) Eine derartige Dokumentation der Beratungsleistungen erlegt dem Steuerpflichtigen keine unangemessenen und unverhältnismäßigen Belastungen auf. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der zu führende [X.] sich auf [X.]orgänge bezieht, die sich allein in der Sphäre des Steuerpflichtigen zugetragen haben und die zu einem späteren Zeitpunkt nur in eingeschränktem Umfang und nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand auf ihre zutreffende Erfassung hin überprüft werden können (vgl. hierzu [X.]-Urteil vom 9. November 2005 [X.]I R 27/05, [X.]E 211, 508, [X.] 2006, 408, unter [X.], zu den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch). Zum anderen sind auch angesichts der Höhe und der Zeitdauer des vom Kläger geltend gemachten Erfüllungsrückstandes aussagekräftige Aufzeichnungen geboten.

4. Diese Grundsätze konnte das [X.] noch nicht beachten, da es zeitlich vor den Urteilen des erkennenden Senats vom 19. Juli 2011 in [X.]E 234, 239, [X.] 2012, 856, [X.]/N[X.] 2011, 2032 und [X.]/N[X.] 2011, 2035 entschieden hat. Seit der [X.]eröffentlichung der Entscheidungen am 19. Oktober 2011 hatte der Kläger auch Gelegenheit, die von ihm und seinen Mitarbeitern getätigten [X.] entsprechend den vom Senat niedergelegten Anforderungen zu dokumentieren, um so der ihm obliegenden Feststellungslast (objektive Beweislast) für die behaupteten Aufwendungen Rechnung zu tragen (vgl. Senatsurteil in [X.]E 234, 239, [X.] 2012, 856, unter II.5.).

a) Ist der Kläger nach wie vor nicht in der Lage, Aufzeichnungen entsprechend den unter II.3. dargelegten Anforderungen vorzulegen, so führt dies entgegen der Ansicht des [X.] nicht zwangsläufig dazu, dass die Bildung einer Rückstellung gänzlich zu unterbleiben hat. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des [X.] ist der Kläger hinsichtlich der von ihm abgeschlossenen Lebensversicherungsverträge zur weiteren Betreuung dieser [X.]erträge vertraglich verpflichtet. Das [X.] ist weiter zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger insoweit auch tatsächlich [X.] erbracht hat. Auch dies ist nicht zu beanstanden. Dies genügt für die grundsätzliche Berechtigung zur Bildung der Rückstellung.

b) Der tatsächliche Umfang der [X.] ist erst für die konkrete Bemessung der Höhe der Rückstellung von Bedeutung. Zutreffend ist das [X.] insoweit davon ausgegangen, dass die von dem Kläger vorgelegten Aufzeichnungen infolge der festgestellten Mängel einen [X.] von zwei Stunden pro [X.]ertrag und Jahr nicht rechtfertigen und ein solcher im Streitfall auch nicht ansatzweise als gerechtfertigt erscheint. Kann der Kläger im zweiten Rechtsgang den von ihm erbrachten Betreuungsaufwand nicht durch neue, substantiierte Aufzeichnungen belegen, kommt die Bildung einer Rückstellung in der von ihm beantragten Höhe deshalb nicht in Betracht, da ihn die Darlegungs- und Beweislast trifft. [X.]ielmehr hat das [X.] den künftigen Betreuungsaufwand aufgrund der --noch im Einzelnen festzustellenden-- [X.]erhältnisse im Betrieb des [X.] erneut zu schätzen.

c) Eine solche Schätzung des --durch die von dem erkennenden Senat geforderten substantiierten Aufzeichnungen nicht belegten-- Umfangs der Betreuungsleistungen durch das [X.] muss sich im Hinblick auf die den Steuerpflichtigen treffende Darlegungs- und Beweislast aber im unteren Rahmen bewegen. [X.]. muss das [X.] zudem den Zeitraum schätzen, in dem unter Berücksichtigung von Durchschnittswerten noch keine Betreuungsmaßnahmen anfallen, d.h. den gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a [X.]. e Satz 2 EStG maßgeblichen Abzinsungszeitraum. Auch hier gehen Unklarheiten infolge nicht nachvollziehbarer Aufzeichnungen zu Lasten des Steuerpflichtigen. Wie vom [X.] im ersten Rechtsgang bereits zutreffend ausgeführt, ist im Streitfall in diesem Zusammenhang insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Kläger unter [X.]erletzung seiner Mitwirkungspflichten im Rahmen der Außenprüfung die Einsichtnahme in 30 zufällig ausgewählte [X.]erträge verweigert hat.

d) Insbesondere wird das [X.] noch aufzuklären haben, wer (der Kläger, Mitarbeiter) im Streitjahr welche [X.] für welchen [X.]ersicherungstyp erbracht hat. Zu seinen im ersten Rechtsgang angestellten Überlegungen wird es auch zu überdenken haben, ob angesichts der angeführten eigenen Erfahrungen des Senats, nach denen während der Laufzeit regelmäßig überhaupt nur geringfügige [X.]errichtungen anfallen und sich auch die Tätigkeiten im Streitfall oftmals in einer bloßen Weiterleitung von Anträgen und Erklärungen von [X.]ersicherungsnehmern an den Direktionsbetrieb erschöpfen, ein Ansatz von jährlich 20 Minuten pro [X.]ertrag tatsächlich gerechtfertigt ist. Solange der Kläger die [X.]ornahme von --über die Entgegennahme und Weiterleitung von Unterlagen für den Direktionsbetrieb bzw. für den [X.]ersicherungsnehmer hinausgehende-- arbeitsintensiveren [X.] nicht belegen kann, können diese für die Höhe der Rückstellung naturgemäß keine Rolle spielen. Maßgeblich ist ferner, welche(r) Mitarbeiter im Betrieb des [X.] für die Bestandspflege zuständig war(en), und dass diese(r) in der Arbeitszeit nicht nur die 591 Lebensversicherungen, sondern auch die 53 Krankenversicherungen, 125 Bausparverträge und 5.209 Sachversicherungen zu betreuen hatte(n).

III. Die Revision des [X.] ist ebenfalls begründet, da die zur teilweisen Stattgabe der Klage führende Schätzung der Höhe der Rückstellung nicht den vom Senat aufgestellten Grundsätzen entspricht.

Meta

X R 25/11

12.12.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 11. Mai 2011, Az: 2 K 11301/08, Urteil

§ 6 Abs 1 Nr 3a Buchst b EStG 2002, § 6 Abs 1 Nr 3a Buchst e S 2 EStG 2002, § 162 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.12.2013, Az. X R 25/11 (REWIS RS 2013, 293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 293

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Erfüllungsrückstand wegen Nachbetreuungspflichten bei einem für einen Versicherungsmakler tätigen Handelsvertreter


X R 26/10 (Bundesfinanzhof)

Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen


X R 27/13 (Bundesfinanzhof)

Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstand; Auslegung von Willenserklärungen


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