Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2007, Az. III ZR 100/06

III. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 1207

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 25. Oktober 2007 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 675 Abs. 2 Zur Haftung eines Anlagevermittlers von Fondsanteilen aus einem still-schweigend geschlossenen Auskunftsvertrag, wenn er über deren Sicher-heit und Rentierlichkeit unrichtige Angaben macht und es gewähren lässt, dass der Anleger im vom Vermittler vorbereiteten Kaufauftrag an die Kapi-talanlagegesellschaft unter allen in Betracht kommenden [X.] (si-cherheitsorientiert, konservativ, gewinnorientiert, risikobewusst) eingeordnet wird. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2007 - [X.]/06 - [X.]

LG Heidelberg - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2007 durch [X.], [X.] [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 1. März 2006 im Kostenpunkt - mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 - und insoweit aufgehoben, als die ge-gen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2 aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau auf Schadensersatz mit der Behauptung in Anspruch, durch unzureichende Beratungsleistungen seit Februar 2000 zum Erwerb ver-schiedener Fondsanteile der [X.] [X.] (im Folgenden: [X.]) veranlasst worden zu sein, deren Wert in der Folgezeit erheblich gefallen sei. Der für die Beklagte zu 2 tätige 1 - 3 - Handelsvertreter, der frühere Beklagte zu 1, habe ihm und seiner Ehefrau zur Kündigung eines Kapitallebensversicherungsvertrags geraten und die mit dem Erwerb der [X.]anteile verbundenen Risiken verschwiegen. Nachdem der Kläger und seine Ehefrau die [X.]anteile im November 2003 verkauft haben, verlangt der Kläger - jeweils mit Zinsen - Schadensersatz wegen des Verlustes aufgewendeten Kapitals in Höhe von 17.180,88 • und wegen eines Zinsverlustes bis zur Veräußerung in Höhe von 4.575,67 •. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision, die auf die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete [X.] beschränkt wurde, verfolgt der Kläger sein Begehren nur noch gegen die Beklagte zu 2 weiter. 2 Entscheidungsgründe Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die ge-gen die Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagte) gerichtete Klage betrifft, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 3 [X.] Das Berufungsgericht zieht eine Haftung der Beklagten aus einem Aus-kunftsvertrag in Betracht, verneint sie aber im Ergebnis mit der Erwägung, eine Pflichtverletzung sei nicht erkennbar. Der für die Beklagte tätige Handelsvertre-ter habe die zutreffende Auskunft erteilt, dass die Lebensversicherung des [X.] kündbar sei. Im Kaufauftrag an den [X.] habe der Kläger angegeben, "risi-4 - 4 - kobewusst (4)" zu sein, was bedeute, dass der Anleger "nicht kalkulierbare [X.]" einzugehen bereit sei. Dies vermindere den Inhalt von Beratungs-pflichten des Vermittlers. Aus seinem Hinweis, dass die Kapitalanlage bei dem [X.] mindestens 17 Jahre bestehen bleiben müsse, um einen höheren Gewinn als bei der Lebensversicherung zu erwarten, ergebe sich im Umkehrschluss, dass der Wert bei einer kürzeren Anlage geringer sein könne als der Auszah-lungsanspruch aus der Lebensversicherung. Unter diesen Umständen habe der Vermittler seine Pflichten erfüllt. I[X.] Diese Beurteilung hält den [X.] der Revision nicht stand. 5 1. a) In der Klageschrift hat der Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, [X.] des Jahres 1999/Anfang des Jahres 2000 habe der für die Beklagte tätige Handelsvertreter festgestellt, dass der Kläger und seine Ehefrau bei der [X.] eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen hätten, in die bereits erhebliche Geldbeträge einbezahlt worden seien. Er habe daraufhin erklärt, dass ihr Geld dort nicht gut angelegt sei und dass er ihnen eine Anlage-form empfehlen könne, bei der ihr Vermögen und weiterhin anzusparendes Geld in jedem Fall eine bessere Rendite erzielen würde als bei der [X.]. Der Kläger und seine Ehefrau hätten dem Handelsvertreter mehrmals und ausdrücklich erklärt, dass sei bei ihrer Geldanlage keinerlei Ri-siko eingehen wollten. Aus diesem Grunde hätten sich bereits Mitarbeiter von mehreren Banken, zu denen sie Kundenbeziehungen unterhielten, vergeblich wegen der Empfehlung von risikobehafteten Aktienanlagen "die Zähne [X.]". Aus diesem Grund seien sie gar nicht an einer Kündigung ihres [X.] - 5 - bensversicherungsvertrags interessiert. Daraufhin habe der Handelsvertreter erwidert, dass er [X.] vorschlagen würde, bei denen keinerlei [X.] für das zu investierende Kapital bestehe und die in jedem Fall eine deutlich bessere Rendite als die momentan vorhandene Lebensversicherung erzielen würde. Als einzige Bedingung oder Einschränkung habe der Handelsvertreter erklärt, dass die Eheleute die Anlage [X.] "nicht anschauen" dürf-ten, dass sie sie also [X.] liegen lassen müssten, dann würden sie aber in jedem Fall eine bessere Rendite als die Ablaufleistung der [X.] haben. Daraufhin hätten sie sich mit den Vorschlägen des [X.] einverstanden erklärt, so dass dieser ein Kündigungsschreiben an die [X.] für sie verfasst habe, welches sie nur noch hätten unterzeichnen müssen. Dieser Vortrag des [X.] ist im Tatbestand des land-gerichtlichen Urteils, auf den das Berufungsgericht Bezug nimmt, knapp zu-sammengefasst. b) Auf der Grundlage dieses Vortrags können Schadensersatzansprüche des [X.] gegen die Beklagte, die sich beim Vertrieb der Kapitalanlage ihres Handelsvertreters als Erfüllungsgehilfen bedient hat, nicht ausgeschlossen wer-den. Vielmehr ist, wie auch das Berufungsgericht erwägt, eine Haftung der [X.] aus einem zwischen ihr und den [X.] geschlossenen Auskunftsvertrag in Betracht zu ziehen. Ein solcher [X.] kommt im Rahmen der Anlagevermittlung zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte [X.] bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des [X.] in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (vgl. 7 - 6 - Senatsurteile vom 13. Mai 1993 - [X.] - NJW-RR 1993, 1114 f; vom 13. Januar 2000 - [X.]/99 - NJW-RR 2000, 998; vom 11. September 2003 - [X.] - NJW-RR 2003, 1690; vom 19. Oktober 2006 - [X.]/05 - NJW-RR 2007, 348, 349 Rn. 9; vom 22. März 2007 - [X.] - NJW-RR 2007, 925 Rn. 4; vom 12. Juli 2007 - [X.]/06 - [X.], 1606, 1607 Rn. 8). Nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen des [X.] kann der [X.] eines Auskunftsvertrages nicht verneint werden. Denn der Kläger und seine Ehefrau waren an einer Information über die Rentierlichkeit und Sicher-heit der angebotenen Kapitalanlage interessiert, und zwar vor allem im Hinblick auf einen bestehenden Lebensversicherungsvertrag, aus dessen Kündigung anzulegende Gelder fließen sollten, sowie bei weiter folgenden Kapitalanlagen in Bezug auf Gelder, die aus frei werdenden Sparverträgen zur Verfügung stan-den. 8 Darüber hinaus kann nach dem Vorbringen des [X.], dessen [X.] seit Jahren von Vertretern der Beklagten wahrgenommen worden sind, nicht ausgeschlossen werden, dass - weitergehend - zwischen den [X.] ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist. 9 2. Die Revision rügt mit Recht, dass die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht genügen, um die Verletzung von Auskunftspflichten des Vermittlers zu verneinen. 10 - 7 - a) Soweit das Berufungsgericht ausführt, der Vermittler habe die richtige Auskunft erteilt, dass die Lebensversicherung kündbar sei, berücksichtigt es nicht hinreichend den nach dem Klagevortrag bestehenden zeitlichen und sach-lichen Zusammenhang zwischen der Kündigung der Lebensversicherung und der Anlage in [X.]. Es ging dem Kläger und seiner Ehefrau nicht isoliert um die Frage, ob die Lebensversicherung kündbar sei. Vielmehr sollten dem Kläger durch die Kündigung der Lebensversicherung gerade liquide Fi-nanzmittel verschafft werden, um anderweitig angelegt zu werden. Das [X.] befasst sich in diesem Zusammenhang nicht mit dem näheren In-halt der Beratung, der nach dem Vortrag des [X.] dahin ging, der Vermittler habe die Anlage in [X.] als sicher und ungeachtet der mit einer Kündigung des [X.] verbundenen finanziellen Nach-teile als rentierlicher empfohlen. Es geht auch nicht näher auf die Frage ein, dass der Vermittler nach dem Vortrag des [X.] durch die Verwendung des Begriffs "[X.]" verschleiert hat, dass es sich um Aktienfonds [X.], bei denen das Aktienrisiko auf den Fonds durchschlägt, und dass unter ge-wissen Voraussetzungen, etwa einem Kurseinbruch, massive Verluste drohen. Feststellungen, dass der Vermittler den Kläger und seine Ehefrau über diese Zusammenhänge unterrichtet hätte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es sind auch keine Unterlagen vorgelegt worden, die den Schluss erlauben, sie hätten hierüber nicht informiert werden müssen. 11 b) Die Klageabweisung wird nach dem bisherigen Sachstand auch nicht durch die Erwägung getragen, der Kläger habe eine Beratung nicht benötigt, weil er sich im Kaufauftrag als "risikobewusst" bezeichnet habe. Es mag [X.], dass die Beratungspflichten gegenüber einem risikobewussten Anleger [X.] sein können, wenn er den Eindruck erweckt, er wolle die von ihm gese-henen Risiken bewusst eingehen. Der Klägervortrag geht jedoch gerade dahin, 12 - 8 - er sei von dem Vermittler über die Risiken einer Anlage in [X.] nicht richtig informiert worden. Es kommt hinzu, dass in dem durch den Vermittler vorbereiteten [X.] nicht allein der Anlegertyp "risikobewusst" angekreuzt worden ist, son-dern alle in Betracht kommenden [X.] (sicherheitsorientiert, konserva-tiv, gewinnorientiert, risikobewusst). Die Beklagte, die dies selbst als in sich wi-dersprüchlich ansieht, hat hierzu vorgetragen, sofern ein Kunde angegeben habe, er wolle als risikobewusst eingestuft werden, seien seinerzeit vom [X.] sämtliche Kategorien angekreuzt worden. Dies habe die Bedeutung, dass der Anleger sogar bereit sei, Fonds zu erwerben, die der (höchsten) [X.]klasse 4 zuzuordnen seien. Entsprechend sei die Angabe vom [X.] auch ge-deutet worden. Der [X.] habe diese Lesart verstehen können, weil der hier täti-ge Vermittler keineswegs der einzige gewesen sei, der auf diese Weise die [X.] vorgenommen habe. Um Irritationen oder Missverständnisse zu [X.], sei man erst später übereingekommen, nur ein Kreuz zu fertigen. 13 Dieser Vorgang ist nicht geeignet, eine fehlerfreie Gesprächsführung durch den Vermittler zu belegen. Die Angaben zum Anlegertyp, die freiwillig erteilt werden, liegen im Interesse des Kunden, weil der Kapitalanlagegesell-schaft hierdurch bei allen Aufträgen die Prüfung ermöglichst wird, ob die [X.] (Risikoprofil) des gewählten Fonds noch mit dem Anlegertyp des Kun-den vereinbar ist. Wenn auch die Zuordnung zu einem bestimmten Anlegertyp letztlich Sache des Kunden selbst ist, ist der Vermittler nicht der Pflicht entho-ben, die Angaben über den Anlegertyp mit dem (bisherigen und in Aussicht ge-nommenen) Anlageverhalten des Kunden in Beziehung zu setzen und bei Wi-dersprüchen eine Klärung herbeizuführen. Dies wird durch den vorformulierten Kaufauftrag erleichtert, der Anlageziel, Risiken, Chancen und Anlagedauer bei-14 - 9 - [X.] verschiedenen [X.] zuordnet und danach fragt, welche [X.] bisher getätigt worden sind und über welches für Anlagezwe-cke frei verfügbare Monatseinkommen und frei verfügbare Vermögen der [X.] verfügt. Wenn der Kunde unter solchen Umständen zugleich angibt, die Substanzerhaltung der Anlage stehe im Vordergrund und seine Ertragserwar-tungen gingen deutlich über das marktübliche Zinsniveau hinaus, dann spricht die kritiklose Übernahme solcher Anlegervorstellungen für eine unzulängliche Befragung des Anlegers und/oder für eine nur unzureichende Beschäftigung mit diesen Angaben im Verlauf des Beratungsgesprächs. Die Beklagte macht zwar geltend, dem Kläger und seiner Ehefrau sei alsbald nach den [X.] eine Mitteilung des [X.] zugegangen, in der die Vormerkung des Anlegertyps "risikobewusst" enthalten gewesen sei. Das Berufungsgericht hat sich indes nicht mit dem Vortrag des [X.] und der Aussage der Zeugin [X.], der Vermittler habe auf Nachfrage Bedenken bezüglich des [X.] dieses Schreibens zerstreut und sie damit im Glauben gehalten, ihr Geld in eine sichere Anlage investiert zu haben. - 10 - 3. Das angefochtene Urteil ist daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen. 15 [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.06.2005 - 1 O 368/04 - [X.], Entscheidung vom 01.03.2006 - 1 U 110/05 -

Meta

III ZR 100/06

25.10.2007

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2007, Az. III ZR 100/06 (REWIS RS 2007, 1207)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1207

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