Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2006, Az. III ZR 122/05

III. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1261

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/05 Verkündet am: 19. Oktober 2006 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 675 Abs. 2 Zur Haftung eines Anlagevermittlers von Fondsanteilen aus einem still-schweigend geschlossenen [X.], wenn er diese dem Anleger gegenüber als "sicher" bezeichnet, obwohl sie nach der Zuordnung durch die Kapitalanlagegesellschaft dem Risikoprofil "gewinnorientiert" und "risikobe-wusst" unterfallen. [X.], Urteil vom 19. Oktober 2006 - [X.]/05 - OLG [X.]

LG Potsdam - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 2006 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 12. April 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Der Kläger nimmt die [X.]n aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau auf Schadensersatz mit der Behauptung in Anspruch, durch deren Vermittlung hätten sie seit Mai 2000 verschiedene Fondsanteile der [X.]-T. Gesellschaft für Wertpapieranlagen mbH (im Folgenden: [X.]) erworben, deren Wert in der Folgezeit erheblich gefallen sei. Sie hätten eine sichere Anlage gewünscht und das Ziel verfolgt, in zehn Jahren den auf ihrer Immobilie lastenden Kredit erheblich zu reduzieren und sich [X.] - 3 - fristig eine Rente zu sichern. Der [X.] zu 1 habe persönlich eine Verzin-sung der Anlage von jährlich mindestens 6 % garantiert. Die [X.] zu 2 ist eine rechtlich verselbständigte Vertriebsorganisa-tion eines Versicherungskonzerns, die Vermögensanlagen aller Art vermittelt und vertreibt, wobei sie mit konzernzugehörigen und konzernfremden Gesell-schaften durch Agenturverträge im Sinne der §§ 92, 84 ff HGB verbunden ist. Dementsprechend vermittelt sie Versicherungsverträge aller Art des zugehöri-gen Versicherungskonzerns, Fondsanteile [X.] Großbanken, [X.], Hypothekendarlehen, Baufinanzierungen und zahlreiche andere Anlage-formen. Für ihre Vertriebstätigkeit bedient sie sich ihrerseits selbständiger [X.], im Streitfall des [X.]n zu 1. 2 Mit der Klage hat der Kläger - Zug um Zug gegen Übertragung der Fondsanteile - Rückzahlung des insgesamt eingezahlten Kapitals von (67.500,00 DM =) 34.512,20 • nebst Zinsen und Ersatz für den bis zum 30. April 2003 behaupteten [X.] von 4.748,62 • verlangt. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revi-sion verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. 3 Entscheidungsgründe Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das Berufungsgericht. 4 - 4 - [X.] Das Berufungsgericht verneint vertragliche Ansprüche aus den Kapital-anlageverträgen des [X.] und seiner Ehefrau gegen die [X.]n, da die Zeichnungsverträge mit dem [X.] geschlossen worden seien. Ihre Inanspruch-nahme als Vertreter komme nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für eine Vertreterhaftung nicht gegeben seien. Das Provisionsinteresse und der [X.], dass der [X.] zu 1 langjähriger Arbeitskollege der Ehefrau des [X.] gewesen sei, genügten hierfür nicht. Der [X.] zu 1 hafte auch nicht aus Garantievertrag oder aufgrund eines [X.]. Einen [X.] hätten die Parteien nicht geschlossen. Ob zwischen ihnen ein [X.] zustande gekommen sei, könne offen bleiben. Denn die [X.]n hätten keine Pflicht aus dem [X.] verletzt. Der Kläger sei nach eigener Darstellung darauf hingewiesen worden, dass Gewinne von bis zu 14 % entsprechend der Kursentwicklung möglich seien. Das schließe für jeden allgemein gebildeten Menschen, auch den nach Eindruck des Berufungs-gerichts "geschäftsgewandten und persönlich beeindruckenden" Kläger, die Möglichkeit negativer Kursentwicklungen ein. Deswegen könne sich der Kläger nicht im Nachhinein mit Erfolg darauf berufen, er habe nur eine "absolut siche-re" Geldanlage vornehmen wollen. Dass bei den Fonds außergewöhnliche Ver-luste eingetreten seien, könne den [X.]n mangels Vorhersehbarkeit nicht als Pflichtverletzung zugerechnet werden. 5 I[X.] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. 6 - 5 - 1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt, dass die [X.] unmittelbar mit dem [X.] geschlossen worden sind. Insoweit sind die [X.], die der [X.] zu 1 als "Vermögensberater/Genehmigung nach § 34 c GewO" unterzeichnet hat, unmittelbar an die Kapitalanlagegesellschaft gerichtet worden. Das bedeutet jedoch nicht - wie die [X.]n in den [X.] vertreten haben -, dass für eine in Bezug auf diese Anlage vorgenom-mene Falschberatung nur die Kapitalanlagegesellschaft wegen der Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Zeichnungsvertrag einzustehen hätte. 7 2. Das Berufungsgericht zieht daher im Ansatz zu Recht eine Haftung der [X.]n zu 2 aus einem zwischen dem [X.] und dem Ver-mittler geschlossenen [X.] in Betracht. 8 a) Ein solcher [X.] kommt im Rahmen der Anla-gevermittlung zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deut-lich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die be-sonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher [X.] verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des [X.] von besonderer Bedeutung sind (Senatsurteile vom 13. Mai 1993 - [X.] - NJW-RR 1993, 1114; vom 13. Januar 2000 - [X.]/99 - NJW-RR 2000, 998; vom 11. September 2003 - [X.] - NJW-RR 2003, 1690). 9 b) Nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen des [X.], das in der Revisionsinstanz zugrunde zu legen ist, weil das Berufungsgericht insoweit kei-10 - 6 - ne Feststellungen getroffen hat, ist von dem Abschluss eines Auskunftsvertra-ges auszugehen. Hiernach haben der Kläger und seine Ehefrau am 10. Mai 2000 eine "Private Renten- und Vermögensanalyse" auf einem Formblatt der [X.]n zu 2 ausgefüllt, in der als für sie besonders wichtige Information eine "sichere Geldanlage wegen Kredit, Festgeld?" und als Wunsch angegeben war, "genug Geld anzusparen, um möglichst viel Kredit nach zehn Jahren abzubezahlen". In dem Gespräch vom gleichen Tag auf ihrem Grundstück habe der Kläger dem [X.]n zu 1 verdeutlicht, dass er an dem Erwerb der von diesem empfohle-nen Fondsanteile nur interessiert sei, wenn er keinerlei Verlust machen werde. Der [X.] zu 1 habe den Kauf der Fondsanteile als absolut sichere [X.] bezeichnet und ausdrücklich betont, dass sie mit mindestens 6 % jährlich verzinst würden. Nach diesem Vortrag ist ein [X.] mit der [X.] zu 2, für die der [X.] zu 1 aufgetreten ist, zustande gekommen. Denn der [X.] zu 1 hat, was im Übrigen auch unstreitig ist, über das vermittelte Produkt in Kenntnis der mit der Geldanlage verfolgten Ziele seiner Kunden In-formationen gegeben, die für ihren Anlageentschluss von Bedeutung waren. 11 c) Eine Verletzung der Pflichten aus diesem [X.] lässt sich nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneinen, dem Kläger und seiner Ehefrau sei es - wie jedem allgemein gebildeten Menschen - geläufig gewesen, dass sich aus negativen Kursentwicklungen auch Verluste ergeben könnten. Es mag sein, dass solche Überlegungen - nach Klärung des [X.] - bei der Frage eine Rolle spielen können, ob dem Kläger und seiner Ehe-frau ein Mitverschulden zuzurechnen ist. Ob Pflichten aus dem [X.] verletzt sind, hängt demgegenüber davon ab, ob die vom [X.]n zu 1 gegebenen Informationen zutreffend waren. 12 - 7 - Das ist nach dem für das Revisionsverfahren zugrunde zu legenden [X.] des [X.] nicht der Fall. Die am 10. Mai 2000 und zu späteren Zeit-punkten gezeichneten Fondsanteile unterfielen nach der von den [X.]n im anhängigen Verfahren vorgelegten "Zuordnung der Publikumsfonds zu den [X.] Anlageklassen" ausnahmslos dem Risikoprofil "gewinnorientiert" und "risikobewusst". Diese Anlagen durfte der [X.] zu 1 nicht als "sicher" be-zeichnen. Zwar enthält der Kaufauftrag vom 10. Mai 2000 die Kundenangabe, das - in dem Kaufauftrag dokumentierte - Anlageverhalten entspreche dem [X.] "risikobewusst". Insoweit hat der Kläger jedoch unter Beweisantritt [X.], der [X.] zu 1 habe diese Angaben - und zwar nicht nur im Fall des [X.], sondern auch bei anderen Anlegern - erst nachträglich mit dem Bemerken angekreuzt, es handele sich lediglich um statistische Angaben. 13 3. Das klageabweisende Urteil hat auch in Bezug auf den [X.]n zu 1 keinen Bestand. Zwar ist der [X.] zu 1 namens der [X.]n zu 2 aufge-treten, so dass seine Haftung als Vertreter nur unter besonderen Vorausset-zungen in Betracht kommt. Insoweit gibt das Berufungsgericht im Ausgangs-punkt zutreffend die Rechtsprechung des [X.] wieder, nach der eine Vertreterhaftung wegen eines besonderen wirtschaftlichen Interesses in der Regel eine so enge Beziehung zum Vertragsgegenstand voraussetzt, dass der [X.] gleichsam in eigener Sache tätig wird und als wirtschaftlicher Herr des Geschäfts anzusehen ist (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 1992 - [X.] - NJW-RR 1992, 605). Richtig ist auch, dass für die Annahme einer solchen Stellung das Provisionsinteresse des Vertretenen nicht ausreicht. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Vorbringen kann eine Haf-tung des [X.]n zu 1 indes nicht ausgeschlossen werden. 14 - 8 - Der Kläger hat vorgetragen, der [X.] zu 1 habe den Kauf der Fonds-anteile als absolut sichere Geldanlage bezeichnet und persönlich eine Verzin-sung von mindestens 6 % jährlich garantiert. Es mag offen bleiben, ob hierin - wie die Revision meint - der Abschluss eines selbständigen Garantievertrags gesehen werden könnte. Es bedarf jedoch der weiteren tatrichterlichen Über-prüfung, ob - unter Einbeziehung der langjährigen persönlichen Bekanntschaft des [X.]n zu 1 und der Ehefrau des [X.] - hierin nicht eine die Vertre-terhaftung rechtfertigende Übernahme der [X.] und die Erfüllung des Geschäfts liegen kann (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 1992 aaO [X.]). 15 - 9 - 4. Das angefochtene Urteil ist daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen. 16 [X.] [X.] [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.11.2003 - 2 O 169/03 - OLG [X.], Entscheidung vom 12.04.2005 - 6 U 175/03 -

Meta

III ZR 122/05

19.10.2006

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.10.2006, Az. III ZR 122/05 (REWIS RS 2006, 1261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1261

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