Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.08.2017, Az. 3 StR 227/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 6718

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverfolgungsverjährung bei fahrlässiger Insolvenzverschleppung durch GmbH-Geschäftsführer: Verjährungsunterbrechende Wirkung der Beauftragung eines Sachverständigen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. Januar 2017 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe wegen fahrlässiger verspäteter Insolvenzantragstellung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der fahrlässigen verspäteten Insolvenzantragstellung, des Betruges in fünf Fällen sowie der Vereitelung der Zwangsvollstreckung schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger verspäteter Insolvenzantragstellung in zwei Fällen, Betruges in fünf Fällen sowie Vereitelung der Zwangsvollstreckung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur teilweisen Einstellung des Verfahrens und hat insoweit zum Schuldspruch den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Soweit der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung betreffend die [X.] verurteilt worden ist, ist das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen, weil hinsichtlich dieser Tat mit Ablauf des 6. Oktober 2014 das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

3

Die Verjährungsfrist der fahrlässigen Insolvenzverschleppung, die gemäß § 15a Abs. 1, 4 und 5 [X.] mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht ist, beträgt drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB) und begann hier mit Beendigung der Tat durch den Beschluss des [X.] zur Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] mangels Masse am 18. Februar 2011 zu laufen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 [X.], [X.]St 53, 24, 26). In der Folgezeit wurde die Verjährung mehrfach unterbrochen, zuletzt durch die Durchsuchungsanordnungen des [X.] vom 7. Oktober 2011 (§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB). Eine weitere Unterbrechung innerhalb der hierdurch neu in Gang gesetzten Frist wurde nicht herbeigeführt.

4

Insbesondere war die in den betreffenden Zeitraum fallende Beauftragung des Sachverständigen Dr. H.  durch die Staatsanwaltschaft [X.] am 4. Juli 2014 nicht geeignet, eine verjährungsunterbrechende Wirkung zu entfalten. Zwar wird die Verjährung gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB durch die Beauftragung eines Sachverständigen durch [X.] oder Staatsanwalt unterbrochen, wenn vorher der Beschuldigte vernommen oder ihm die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben worden ist. Jedoch gilt dies nicht ausnahmslos. Die Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung sind als Ausnahmevorschriften eng auszulegen (vgl. [X.], Urteil vom 10. April 1979 - 4 [X.], [X.]St 28, 381, 382; Beschluss vom 22. Mai 2006 - 5 [X.], [X.]St 51, 72, 79). Hieraus folgt für die Regelung des § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB, dass nicht jede Inanspruchnahme eines Gutachters die Voraussetzungen einer "Beauftragung" im Sinne dieser Norm erfüllt (vgl. [X.], Urteil vom 10. April 1979 - 4 [X.], [X.]St 28, 381, 382). Eine Einschränkung ist unter anderem in den Fällen der mehrfachen Einholung von Sachverständigengutachten geboten. Diese können jeweils nur dann verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten, wenn entweder die Person des Sachverständigen ausgewechselt oder demselben Sachverständigen ein völlig neues Beweisthema aufgegeben wird (LK/[X.], StGB, 12. Aufl., § 78c Rn. 27; S/[X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 78c Rn. 11). Letzteres setzt dabei voraus, dass der Sachverständige bei seiner erneuten Inanspruchnahme damit beauftragt wird, nunmehr zu einer weiteren Frage, die nicht bereits Gegenstand des ersten Auftrages war, gutachterlich Stellung zu nehmen (BayObLG, Beschluss vom 11. Oktober 1976 - 1 Ob [X.], BayObLGSt 1976, 114, 116). Demgegenüber reicht es nicht aus, wenn er lediglich um Erläuterung oder Ergänzung eines bereits erstatteten Gutachtens gebeten wird (BayObLG aaO; LK/[X.] aaO; S/[X.]/[X.] aaO). In diesem Sinne sind auch Handlungen eines Richters oder Staatsanwalts, die der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens nachfolgen und die auf die Präzisierung der Ausführungen des Sachverständigen oder die Beseitigung von Unklarheiten gerichtet sind, ebenso wie Fragen an den Sachverständigen im Rahmen seiner Vernehmung über das Gutachten nicht als neue Aufträge anzusehen (BayObLG aaO).

5

Nach diesen Maßstäben konnte die Beauftragung des Sachverständigen Dr. H.  am 4. Juli 2014 keine verjährungsunterbrechende Wirkung im Sinne des § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB entfalten, da die Staatsanwaltschaft [X.] denselben Sachverständigen bereits am 2. August 2011 damit betraut hatte, ein betriebswirtschaftliches Sachverständigengutachten (unter anderem) zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der [X.] und der Erkennbarkeit dieses Umstandes für die Geschäftsführer zu erstellen. Der Auftrag vom 4. Juli 2014 umfasste auch kein neues Beweisthema. Der Sachverständige wurde insoweit lediglich um "ergänzende Stellungnahme" gebeten, ob das zwischenzeitlich eingegangene Vorbringen des Verteidigers etwas am Ergebnis des auf den Auftrag vom 2. August 2011 hin erstatteten Gutachtens vom 29. Februar 2012 ändere. Bereits die Bezeichnung der Zielrichtung des neuerlichen Auftrags als "ergänzende gutachterliche Stellungnahme" sowie die ausdrückliche Bezugnahme auf das Ausgangsgutachten verdeutlichen den Rekurs auf das diesem zugrunde liegende Beweisthema. Eine positive Umschreibung eines davon abzugrenzenden oder darüber hinausgehenden, eigenständigen Themenbereichs ist der Auftragsverfügung vom 4. Juli 2014 nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass der Verteidiger des Angeklagten zwischenzeitlich zu dem tatgegenständlichen Verdacht der Insolvenzverschleppung betreffend die [X.] Stellung genommen und den Vorwurf zurückgewiesen hatte, vermag daran nichts zu ändern. Dies allein reicht nicht aus, um der Fragestellung des Auftrags vom 4. Juli 2014 die inhaltliche Qualität eines eigenen [X.] zu verleihen. Die nunmehr vorliegende Stellungnahme des Verteidigers betraf stattdessen lediglich die tatsächliche Grundlage für die Bearbeitung des bereits im Auftrag für das Ausgangsgutachten definierten [X.] und hätte bereits dort Berücksichtigung gefunden, wenn sie seinerzeit bekannt gewesen wäre. In diesem Fall hätte es jedenfalls insoweit einer neuerlichen, ergänzenden Inanspruchnahme des Sachverständigen auch nicht bedurft.

6

Sonstige verjährungsunterbrechende Maßnahmen nach § 78c Abs. 1 StGB wurden innerhalb der durch die letzte Unterbrechung am 7. Oktober 2011 neu in Gang gesetzten Frist nicht veranlasst. Die diesbezüglich zeitlich nächste Handlung bestand in dem - später wieder zurückgenommenen - Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegen den Angeklagten vom 7. Juli 2015 (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB), der jedoch erst am 13. Juli 2015 beim [X.] einging und damit außerhalb des maßgebenden Zeitraums lag.

7

2. Die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Tat zu Fall [X.] der Urteilsgründe hat die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Änderung des Schuldspruchs zur Folge. Der dadurch bedingte Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe führt hier jedoch nicht zur Aufhebung der Gesamtstrafe; diese hat vielmehr Bestand. In Anbetracht der verbleibenden [X.] von sieben Monaten, fünf Monaten, [X.] drei Monaten und [X.] zwei Monaten ist mit Blick auf die im eingestellten Fall verhängte [X.] von drei Monaten auszuschließen, dass das [X.] bei entsprechender Teileinstellung des Verfahrens auf eine niedrigere als die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

8

3. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

VRi[X.] [X.] befindet
sich im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.

        

Schäfer     

        

Gericke

Schäfer

                                   
        

     Tiemann     

        

Hoch     

        

Meta

3 StR 227/17

10.08.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 16. Januar 2017, Az: 2 KLs 3/16

§ 15a Abs 1 InsO, § 15a Abs 4 InsO, § 15a Abs 5 InsO, § 78 Abs 3 Nr 5 StGB, § 78c Abs 1 Nr 3 StGB, § 206a Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.08.2017, Az. 3 StR 227/17 (REWIS RS 2017, 6718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6718

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 227/17 (Bundesgerichtshof)


2 StR 275/10 (Bundesgerichtshof)

Strafverfolgungsverjährung: Ersuchen um technische Unterstützung bei der Wiederherstellung gelöschter Computerdateien als verjährungsunterbrechender Gutachtenauftrag


1 StR 218/17 (Bundesgerichtshof)

Unterbrechung der Verfolgungsverjährung: Mündliche Anordnung der Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens


5 StR 440/22 (Bundesgerichtshof)


1 StR 279/17 (Bundesgerichtshof)

Strafverfolgungsverjährung bei Umsatzsteuerhinterziehung: Verjährungsunterbrechende Wirkung eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses hinsichtlich der Verfolgung des faktischen GmbH-Geschäftsführers


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 227/17

1 StR 364/18

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.