Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2011, Az. XII ZR 45/09

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6105

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XII ZR 45/09
Verkündet am:

1. Juni 2011

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §
1570
a)
Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des [X.] Gründen allein oder wesentlich auf das Alter des [X.], etwa während der Kindergarten-
und Grundschulzeit, abstellt, wird den [X.]n Anforderungen nicht gerecht (im
[X.] an das [X.]surteil vom 30.

März 2011 -
XII
ZR
3/09
-
FamRZ 2011, 791).
b)
Für die Betreuung des gemeinsamen Kindes ist grundsätzlich auch der barunter-haltspflichtige Elternteil in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verläss-lich anbietet. Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach §
1684 BGB ist auch im Rahmen des [X.] nach §
1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen [X.] müssen (im [X.] an das [X.]surteil vom 15.
September 2010 -
XII
ZR
20/09
-
FamRZ 2010, 1880).
[X.], Urteil vom 1. Juni 2011 -
XII ZR 45/09 -
OLG [X.]/Main

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1.
Juni 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne, die Richterin [X.] und [X.], Dr.
Klinkhammer und Dr.
Günter
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Antragsgegners wird das Urteil des 3.
[X.]s für Familiensachen des [X.]s [X.] am Main vom 6.
Februar 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlan-desgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten noch um nachehelichen Unterhalt.
Die 1965 geborene Antragstellerin und der 1953 geborene [X.] hatten im Dezember 2004 geheiratet. Im Januar 2005 wurde der [X.] geboren. Nach einer kurzfristigen Trennung im März 2005 trennten sich die Parteien im September 2005
endgültig. Auf den im Dezember 2006 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe der Parteien mit Verbundurteil geschieden, das hinsichtlich des [X.] seit dem 8.
Juli 2008 rechtskräftig ist.
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-
3
-
Am Tag vor der Heirat hatten die Parteien einen notariellen Ehevertrag geschlossen, in dem sie den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und Güter-trennung vereinbart haben. Daneben haben die Parteien wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt, mit Ausnahme des [X.] und des [X.], verzichtet. Die Höhe eines gleichwohl geschuldeten nachehelichen Unterhalts haben sie auf monatlich höchstens 2.000

Der gemeinsame [X.] lebt seit der Trennung der Parteien bei der [X.], der auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde. Der Antragsgegner übt sein Umgangsrecht an jedem Mittwochnachmittag
und an jedem zweiten Wochenende von samstags 10.00
Uhr bis sonntags 18.00
Uhr, an den übrigen Wochenenden freitags nachmittags aus. Für den [X.] steht während der Woche von 7.30
Uhr bis 16.30
Uhr ein Ganztagsplatz im [X.] zur Verfügung, den er auch in Anspruch nimmt. Die Kosten für den [X.] in Höhe von monatlich 345

trägt die Antragstellerin. Der Antragsgegner befindet sich im vorzeitigen Ruhestand und strebt eine Ausweitung seines Umgangsrechts bis hin zu einem Wechsel-modell an. Die Parteien streiten über die Höhe seines Einkommens; er ist [X.] für Unterhaltsleistungen bis zur Höhe von monatlich 2.000

ä-hig. Kindesunterhalt zahlt er in Höhe von monatlich 485

Das Amtsgericht hat den [X.] abgewiesen. Auf die Berufung der Antragstellerin hat das [X.] das Urteil abgeändert und den Antragsgegner neben
Unterhaltsrückständen zur Zahlung nachehelichen Un-terhalts für die [X.] ab Januar 2009 in Höhe von insgesamt 1.383

Elementarunterhalt und 270

egen rich-tet sich die vom [X.] zugelassene Revision des Antragsgegners, mit der er sein Begehren auf Abweisung des [X.]s weiterverfolgt.
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5
-
4
-
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Für das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor [X.] [X.]punkt eingeleitet worden ist (vgl. [X.]sbeschluss vom 3.
November 2010 -
XII
ZB
197/10
-
FamRZ 2011, 100).

I.
Das [X.] hat der Antragstellerin einen Anspruch auf nach-ehelichen Betreuungsunterhalt zugesprochen, weil sie wegen der Betreuung des gemeinsamen [X.]es gegenwärtig nicht verpflichtet sei, einer Vollzeiter-werbstätigkeit nachzugehen
und ihren Unterhaltsbedarf deswegen nicht selbst decken könne. Mit Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes beginne zwar grundsätzlich die Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils. Ein abrupter, übergangsloser Wechsel von der elterlichen Vollzeitbetreuung zur Vollzeiterwerbstätigkeit könne aber nicht verlangt werden. Durch die gesetzliche Neuregelung durch das [X.] sei eine Stär-kung der Eigenverantwortung und eine Abkehr von einer starren, pauschalen Betrachtung durch das Altersphasenmodell hin zu einer am Einzelfall orientier-ten Betrachtungsweise beabsichtigt. Aus dieser Konzeption folge als [X.], dass der unterhaltsberechtigte Elternteil darlegungs-
und beweispflichtig für eine Verlängerung des [X.] über die Voll-endung des dritten Lebensjahrs des Kindes hinaus sei. Solche Umstände seien vorliegend dargetan und weitgehend unstreitig.
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5
-
Zwar besuche der [X.] seit einem Jahr ganztags den Kindergarten,
und der Besuch gestalte sich auch problemlos. Grundsätzliche Bedenken gegen eine achtstündige Fremdbetreuung bestünden nicht;
diese werde auch von bei-den Parteien gutgeheißen.
Bei
einer Öffnungszeit des Kindergartens von 7.30
Uhr bis 16.30
Uhr sei die Antragstellerin aber trotz der weiteren Betreuung durch den Antragsgegner schon rein rechnerisch nicht zu
einer Vollzeitbeschäf-tigung mit einem Achtstundentag, einer halbstündigen Mittagspause und einer einfachen Fahrstrecke zum Arbeitsplatz von 45
Minuten in der Lage.
Die Be-treuungsbedürftigkeit des Kindes ende nicht mit [X.]. Kinder im Kindergartenalter benötigten eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Trotz der Fremdbetreuung könne die Erwerbsobliegenheit somit zu einer überobligatori-schen
Belastung führen. Zu berücksichtigen sei auch ein (erneuter) Gesell-schaftswandel, wonach erwartet werde, dass sich die Eltern intensiv mit ihren Kindern beschäftigten und sie förderten. Nach den Unterhaltsgrundsätzen des [X.] könne deswegen bis zur Beendigung der Grundschulzeit die Ausübung
einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit regelmäßig nicht erwartet wer-den. Entsprechend könne auch nach den Leitlinien des [X.]s [X.] bis zum Ablauf des dritten
Grundschuljahres nur geringfügige bis halbschichtige Erwerbstätigkeit, vom vierten bis zum Ablauf des siebten Schul-jahres grundsätzlich nur halbschichtige Erwerbstätigkeit und ab dem achten Schuljahr des Kindes jedenfalls eine Erwerbstätigkeit von 75
% bis zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit erwartet werden, sofern weder kind-
noch el-ternbezogene Belange entgegenstünden. Ähnlich verhielten sich die Leitlinien des [X.]s [X.]. Auch das [X.] Nürnberg habe sich in einer Entscheidung vom 19.
Mai 2008 im Interesse der Rechtssicherheit für ein Altersphasenmodell ausgesprochen.
Zwar strebe der Antragsgegner eine Ausweitung seines Umgangsrechts an, es bestehe aber keine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, dieses Angebot 9
10
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6
-
anzunehmen. Wegen des langjährigen vehementen Streits der Parteien
be-stünden erhebliche Zweifel, ob eine Ausweitung des Umgangsrechts dem Wohl des Kindes diene. Dem [X.] sei es nicht zumutbar, dem Streit seiner Eltern in einem noch größeren Umfang als bisher ausgesetzt zu sein, was zwangsläufig der Fall sei, wenn die Umgangskontakte weiter ausgedehnt oder die Eltern sich die Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells teilen würden.
Weder die gemeinsame Lebensplanung noch die sehr kurze [X.] des Zu-sammenlebens sprächen
gegen eine Beschränkung der Erwerbstätigkeit der Antragstellerin. Soweit die Antragstellerin in der Präambel ihres Ehevertrages ausgedrückt habe, dass sie nur im ersten Lebensjahr des Kindes die Betreuung übernehmen und sodann in Teilzeit oder ganztags erwerbstätig sein wolle, [X.] es sich
lediglich um eine Absichtserklärung.
Der Antragstellerin sei eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 25
Wochenstunden zumutbar. Bei einer täglichen Arbeitszeit von fünf Stunden könne sie das Kind problemlos bis 14.30
Uhr aus dem Kindergarten abholen. Der verbleibende Nachmittag stehe dann für die häusliche Betreuung oder für Aktivitäten außerhalb des Kindergartens zur Verfügung. Unter Berücksichtigung von 25
Wochenstunden errechne sich ein Bruttomonatslohn der Antragstellerin in Höhe von 3.199,73

für eine private Rentenversicherung in Höhe von 153,39

u-sätzlich die Beiträge für die Pensionskasse in Höhe von 351,98

abzusetzen. Als Fahrtkosten seien lediglich Kosten zu berücksichtigen, die zwischen [X.] und dem Arbeitsplatz der Antragstellerin in [X.] notwendig seien. Von den Kindergartenkosten sei ein Teil in Höhe von 240

, nicht hinge-gen 50

such und die Verpflegungspau-schale von 55

Nach Abzug eines Erwerbstätigenbonus ergebe sich ein ver-bleibendes Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 1.086,80

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-
7
-
der Grundlage der relativen Sättigungsgrenze von 2.200

n-gedeckter Unterhaltsbedarf in Höhe von 1.113

Elementarunterhalt und wei-
teren 270

Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin sei nicht nach §
1579 Nr.
1 BGB verwirkt. Zwar sei die Dauer der Ehe von knapp zwei Jahren gerade noch als kurz anzusehen. Die Unterhaltspflicht sei unter Wahrung der Belange des zu betreuenden Kindes aber nicht grob unbillig. Dabei sei auch zu be-
rücksichtigen, dass der Antragsgegner in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe und der Wegfall des Unterhaltsanspruchs die Antragstellerin und den ge-
meinsamen [X.] in wirtschaftliche Bedrängnis brächte. Weitere Verwir-
kungsgründe seien nicht gegeben. Auch komme eine zeitliche Begrenzung des [X.] nach §
1578
b
BGB nicht in Betracht. Der [X.] sei gerade erst vier Jahre alt geworden und die künftigen Umstände hingen noch davon ab, welche körperliche, geistige und seelische Entwicklung er nehme.
Das [X.] hat die Revision zugelassen "im Hinblick auf das neue Recht zum Betreuungsunterhalt und die ungeklärte und in den Leitlinien der [X.]e höchst unterschiedlich beantwortete Frage der Gewichtung des Alters des Kindes und der Bildung von altersbezogenen Fallgruppen.

II.
Diese
Ausführungen des [X.] halten den Angriffen der Re-vision nicht in allen Punkten stand.
1. Zutreffend ist
das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass mit Vollendung des dritten Lebensjahrs
des gemeinsamen Kindes grundsätzlich 13
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15
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-
8
-
eine Erwerbsobliegenheit des
betreuenden
Elternteils
einsetzt. Mit der Neure-gelung des [X.] durch das Gesetz zur Änderung des Unter-haltsrechts vom 21.
Dezember 2007 ([X.]
I S.
3189) hat der Gesetzgeber ei-nen auf [X.] befristeten Basisunterhalt eingeführt, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann (BT-Drucks.
16/6980 S.
8
f.). Im Rahmen die-ser Billigkeitsentscheidung sind nach dem Willen des Gesetzgebers kind-
und elternbezogene [X.] zu berücksichtigen.
Dabei wird der Be-treuungsunterhalt vor allem
im Interesse des Kindes gewährt, um dessen Be-treuung und Erziehung sicherzustellen (BT-Drucks.
16/6980 S.
9; [X.]surteil vom 30.
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ZR
3/09
-
FamRZ 2011, 791 Rn.
18 mwN).
Zugleich hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung dem unterhaltsbe-rechtigten Elternteil die Darlegungs-
und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des [X.] über die Dauer von [X.]n hinaus auferlegt. Kind-
oder elternbezogene Umstände, die aus Gründen der Billigkeit zu einer Verlängerung des [X.] über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus führen könnten, sind deswegen vom [X.] darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ([X.]surteile [X.]Z 180, 170 =
[X.], 770 Rn.
23 und [X.]Z 177, 272 =
[X.], 1739 Rn.
97).
Wie der [X.] bereits wiederholt ausgesprochen hat, verlangt die [X.] Neuregelung
zwar keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Be-treuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit (BT-Drucks.
16/6980 S.
9). Nach [X.] der im Gesetz genannten kindbezogenen (§
1570 Abs.
1 Satz
3 BGB) und elternbezogenen (§
1570 Abs.
2 BGB) Gründe ist auch nach dem neuen Unter-haltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit mög-lich ([X.]surteil vom 30.
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FamRZ 2011, 791 Rn.
20 mwN). Ein solcher gestufter Übergang setzt aber
nach dem Willen des Gesetz-17
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-
gebers voraus, dass der unterhaltsberechtigte Elternteil kind-
und/oder eltern-bezogene Gründe vorträgt, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des [X.] Elternteils mit Vollendung des dritten Lebensjahrs
entgegenstehen.
Nur an solchen individuellen Gründen kann sich der gestufte Übergang im Ein-zelfall orientieren.
Soweit in Rechtsprechung und Literatur auch zu der seit dem 1.
Januar 2008 geltenden Rechtslage abweichende Auffassungen vertreten wurden, die an das frühere Altersphasenmodell anknüpften und eine Verlängerung des [X.] allein oder überwiegend vom Kindesalter abhängig machten, sind diese im Hinblick auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht halt-bar ([X.]surteil [X.]Z 180, 170 =
[X.], 770 Rn.
28). Die kindbezoge-nen [X.], insbesondere die Betreuungsbedürftigkeit,
und die elternbezogenen [X.] als Ausdruck der nachehelichen [X.] sind vielmehr
nach den individuellen Verhältnissen zu ermitteln.
2. Diesen gesetzlichen Vorgaben trägt das Berufungsurteil nicht hinrei-chend Rechnung. Die zur Begründung angeführten Umstände können weder als individuelle kindbezogene noch als individuelle elternbezogene Gründe eine Fortdauer des [X.] über die Vollendung des dritten Lebens-jahrs hinaus rechtfertigen.
a) [X.] Gründe für eine Verlängerung des [X.] nach Billigkeit entfalten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung das stärkste
Gewicht
und sind deswegen vorrangig zu
prüfen (BT-Drucks.
16/6980 S.
9; [X.]surteil vom 30.
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FamRZ 2011, 791 Rn.
23 mwN).
aa) Mit der Neuregelung des [X.] zum 1.
Januar 2008 hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahrs grund-19
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21
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-
10
-
sätzlich den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindge-rechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahrs eine kindgerechte Einrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil also nicht mehr auf die [X.] einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbe-zogene [X.] im Sinne von §
1570 Abs.
1 Satz
3 BGB berufen. Das gilt sowohl für den rein zeitlichen Aspekt der Betreuung als auch für den sachlichen Umfang der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung ([X.]s-urteil vom 30.
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FamRZ 2011, 791 Rn.
24 mwN).
bb) Soweit das Berufungsgericht eine persönliche Betreuung des ge-meinsamen Kindes
durch die Antragstellerin während der Nachmittagsstunden für erforderlich hält, was einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entgegenstehe, hält dies den Angriffen der Revision nicht stand.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass der gemeinsame [X.] im Alter von vier Jahren von 7.30
Uhr bis 16.30
Uhr einen Vollzeitkindergarten be-sucht und beide Eltern gegen diese Fremdbetreuung keine Einwände erheben. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner, der bereits den vorzeitigen Ruhestand angetreten hat, ein großzügiges Umgangsrecht ausübt und angeboten hat, die Antragstellerin in der Betreuung des gemeinsamen Kindes weiter zu unterstüt-zen, um ihr eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Nach den Fest-stellungen des [X.] betreut der Antragsgegner das gemeinsame Kind an jedem Mittwochnachmittag sowie im wöchentlichen Wechsel von [X.] 10.00
Uhr bis sonntags 18.00
Uhr oder freitags nachmittags. Damit ist schon jetzt
eine zusätzliche
Entlastung der Antragstellerin verbunden, die die
Ausführungen
des [X.], der Umfang einer vollschichtigen [X.] nebst Mittagspause und Fahrzeiten übersteige den Umfang der 23
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-
11
-
neunstündigen Betreuungsmöglichkeiten im Kindergarten, jedenfalls für [X.] in Frage stellt. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner eine Ausweitung oder Umgestaltung der Betreuung des gemeinsamen Kindes angeboten hat. Der [X.] hat bereits entschieden, dass grundsätzlich auch der [X.] Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen ist, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet ([X.]surteil vom 15.
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FamRZ 2010, 1880 Rn.
28; vgl. auch Empfehlung
5 des Ar-beitskreises
2 des 18.
Deutschen Familiengerichtstages). Wie bei der Ausge-staltung des Umgangsrechts nach §
1684 BGB
ist auch im Rahmen des [X.] nach §
1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustel-len, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen. Ist bereits eine am Kindeswohl
orientierte abschließende Umgangsregelung vor-handen, ist diese grundsätzlich vorgreiflich.
Durchgreifende Umstände
gegen eine Umgestaltung des Umgangs-rechts des Antragsgegners hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es hat insbesondere nicht festgestellt, ob und auf welche Weise der Antragsgegner die Antragstellerin gegenüber dem gemeinsamen Kind abwertet und dadurch dem Kindeswohl zuwider handelt. Die Ausführungen des [X.] be-schränken sich vielmehr darauf, allgemein die Folgen einer erlebten ständigen Abwertung des jeweils anderen Elternteils darzulegen. Auch eine seelische Be-lastung des gemeinsamen Kindes durch den Streit der Eltern hat das Oberlan-desgericht nicht konkret festgestellt. Es
hat lediglich ausgeführt, dass sich ein vehementer Streit der Eltern zwangsläufig als seelische Belastung des Kindes auswirken müsse.
Hinzu kommt, dass hier schon eine Umgestaltung des Umgangsrechts ohne zeitliche Ausweitung zu einer ausreichenden Betreuung des [X.] während einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit der Antragstellerin füh-25
26
-
12
-
ren könnte. Ist -
wie hier
-
der barunterhaltspflichtige Elternteil bereits im [X.] und der betreuende Elternteil noch erwerbstätig, liegt es nahe, das Umgangsrecht mit einem Kindergartenkind so umzugestalten, dass dadurch der
betreuende Elternteil entlastet
und ihm eine Erwerbstätigkeit ermöglicht wird.
Dass eine solche Umgestaltung des Umgangsrechts die jeweilige Rückkehr des Kindes zur Mutter erschweren könnte, hat das Berufungsgericht nicht konkret festgestellt.
cc) Das Berufungsurteil
widerspricht dem Willen des Gesetzgebers bei der Neuregelung
des [X.]. Soweit
es
darauf abstellt, eine
Teil-zeiterwerbstätigkeit der Antragstellerin ermögliche es ihr, das Kind bis 14.30
Uhr aus dem Kindergarten abzuholen, um dann die häusliche Betreuung zu übernehmen, verkennt es den Wegfall des Vorrangs der persönlichen Be-treuung mit Vollendung des dritten Lebensjahrs. Dies widerspricht außerdem der von den Eltern einvernehmlich ausgeübten Praxis. Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung maßgeblich auf die eigenen Leitlinien und entsprechende frühere Leitlinien anderer [X.]e gestützt hat, die für den Betreuungsunterhalt ein modifiziertes Altersphasenmodell vorsehen. Indem das [X.] darauf abstellt, dass bis zur Beendigung der Grundschulzeit eine vollschichtige Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils nicht erwartet werden kann, stellt es entscheidend auf das Alter des Kindes und nicht auf die gebotenen individuellen Verhältnisse ab. Gleiches ergibt sich auch aus der Bezugnahme auf die früheren
Leitlinien der [X.]e [X.] und [X.] und eine frühere Entscheidung des [X.]s Nürnberg, die Umfang und Dauer des [X.] ebenfalls an einem modifizierten Altersphasenmodell orientierten. Dies widerspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.]s. Entsprechend haben das Berufungsgericht und das [X.] [X.] ihre Leitlinien inzwischen der [X.]srecht-sprechung angepasst und das Altersphasenmodell aufgegeben.
27
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-
b)
Auch sonst hat das Berufungsurteil keinen Bestand, weil das [X.] auch keine
individuellen
elternbezogenen
Gründe festgestellt
hat.
aa) Die Berücksichtigung [X.] Gründe für eine Verlängerung des [X.] ist Ausdruck der nachehelichen Solidarität. [X.] ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die praktizierte [X.] und die gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung (BT-Drucks.
16/6980 S.
9). Das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten gewinnt bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erzie-hung gemeinsamer Kinder weiter an Bedeutung (§
1570 Abs.
2 BGB).
Auch darf die ausgeübte oder verlangte Erwerbstätigkeit des betreuen-den Elternteils neben dem nach der Erziehung und Betreuung in einer Tages-einrichtung verbleibenden Anteil der persönlichen Betreuung nicht zu einer überobligatorischen Belastung des betreuenden Elternteils führen. Unter Be-rücksichtigung des konkreten Betreuungsbedarfs ist dann eine Prüfung gebo-ten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des [X.] Elternteils auch während der [X.] der möglichen Betreuung des Kindes in einer kindgerechten Einrichtung eingeschränkt ist ([X.]surteil vom 30.
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FamRZ 2011, 791 Rn.
25 mwN).
bb) Elternbezogene [X.] als Ausdruck der nacheheli-chen Solidarität hat das Berufungsgericht hier nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Schon der Ausgangspunkt des [X.], weder die gemeinsame Le-bensplanung noch die kurze Ehedauer sprächen
gegen eine Beschränkung der Erwerbsobliegenheit, verkennt die Darlegungslast der Antragstellerin als unter-haltsberechtigtem Elternteil. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass hier nur von einer begrenzten nachehelichen Solidarität ausgegangen werden kann. Denn die Parteien hatten sich bereits nach drei Ehemonaten kurzzeitig und 28
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14
-
schließlich bereits nach neun Monaten endgültig getrennt. Ein besonderes Ver-trauen auf eine dauerhafte Absicherung innerhalb der bestehenden Ehe konnte deswegen auch im Hinblick auf §
1579 Nr.
1 BGB nicht entstehen. Hinzu kommt, dass die Parteien von Beginn an eine Doppelverdienerehe führen woll-ten und die Antragstellerin in der [X.] ausdrücklich kundgetan hatte, nach Vollendung des ersten Lebensjahrs des Kindes ihre [X.] wieder aufnehmen zu wollen. Wenn sie nach der Trennung gleichwohl entsprechend §
1570 Abs.
1 Satz
1 BGB
für [X.] die persönli-che Betreuung übernommen hat, kann daraus jedenfalls kein besonderes Ver-trauen in die gegenseitige Absicherung erwachsen.
Auch eine überobligatorische Belastung der Antragstellerin durch vollzei-tige Erwerbstätigkeit und ergänzende Betreuung des gemeinsamen Kindes hat das [X.] nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Im Hinblick auf das Betreuungsangebot des Antragsgegners wäre eine Gestaltung seines [X.] neben der Kindergartenbetreuung möglich, die zu einer nicht uner-heblichen Entlastung führen und eine überobligatorische Belastung der Antrag-stellerin in diesem Umfang
verhindern könnte. Dies hat das [X.] nicht in seine Entscheidung einbezogen.
3. Mangels hinreichend festgestellter individueller kind-
oder elternbezo-gener Gründe kann das angefochtene Urteil, das von einer nur eingeschränkten Erwerbsobliegenheit
im Umfang von 25
Wochenstunden ausgeht, keinen [X.] haben. Die Entscheidung ist aufzuheben und der Rechtsstreit ist zur er-neuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen, damit es unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des [X.]s eine neue Billigkeitsabwägung treffen kann.
4. Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:
32
33
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-
15
-
a) Soweit das [X.] bei der Ermittlung des unterhaltsrecht-lich relevanten Einkommens der Antragstellerin bei einem unterstellten Brutto-einkommen von 3.199,73

der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 153,39

i-derspricht dies der Rechtsprechung des [X.]s. Wie das [X.] selbst anführt, kann eine solche zusätzliche Altersvorsorge nach der [X.]s-rechtsprechung lediglich bis zur Höhe von 4
% des Bruttoeinkommens berück-sichtigt werden ([X.]surteile [X.]Z 163, 84, 97
ff. =
[X.], 1817, 1821
f. und [X.]Z 171, 206, 216 =
FamRZ 2007, 793, 795). Sollte das [X.] auch in seiner erneuten Entscheidung von einem erzielbaren Brut-toeinkommen in Höhe von 3.199,73

n-den Kosten für eine zusätzliche Altersvorsorge auf rund 128

e-grenzt.
b) Im Gegenzug hat das [X.] von den Kindergartenkosten, die die Antragstellerin allein trägt, nur einen Anteil in Höhe von 240

k-sichtigt, weil die Kosten für einen halbtägigen Kindergartenbesuch von bis zu 50

e-ren Rechtsprechung des [X.]s, wonach [X.] in vollem [X.] als Mehrbedarf des Kindes zu behandeln sind. Lediglich die in einer [X.] anfallenden Verpflegungskosten sind mit dem Tabellenunterhalt abgegolten ([X.] Urteil vom 26.
November 2008 -
XII
ZR
65/07
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[X.], 962 Rn.
25
ff.).
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Befristung des [X.] nach §
1578
b BGB abgelehnt. Dies scheidet schon deswegen aus, weil §
1570 BGB in seiner seit dem 1.
Januar 2008 geltenden Fassung insoweit eine Sonderregelung für die
Billigkeitsabwägung enthält. Nach Vollendung des dritten Lebensjahrs steht dem betreuenden Elternteil nur noch Betreuungsun-35
36
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16
-
terhalt nach Billigkeit zu. Im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung sind bereits alle kind-
und elternbezogenen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Wenn sie zu dem Ergebnis führt, dass der Betreuungsunterhalt über die Vollen-dung des dritten Lebensjahrs
hinaus wenigstens teilweise fortdauert, können dieselben Gründe nicht zu einer Befristung im Rahmen der Billigkeit nach §
1578
b BGB führen ([X.]surteil vom 15.
September 2010 -
XII
ZR
20/09
-
FamRZ 2010, 1880 Rn.
33 mwN).

Hahne

[X.]

Dose

Klinkhammer

Günter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.03.2008 -
13 [X.]/06 -

OLG [X.]/Main, Entscheidung vom 06.02.2009 -
3 UF 124/08 -

Meta

XII ZR 45/09

01.06.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2011, Az. XII ZR 45/09 (REWIS RS 2011, 6105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6105

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZR 45/09

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