Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.09.2011, Az. 27 W (pat) 576/10

27. Senat | REWIS RS 2011, 2957

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "MOTORRAD REISEN TOUREN-FAHRER (Wort-Bild-Marke)" – hinreichend eigentümliche graphische Gestaltung - Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 028 354.0

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 27. September 2011 durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin Werner

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des [X.] vom 2. August 2010 wird aufgehoben, soweit hierin der Marke der Schutz versagt worden ist.

Gründe

I

1

Die am 12. Mai 2009 für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 9, 16, 21, 25, 35, 38, 41 und 42 angemeldete farbige (blau, gelb, rot) Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist von der mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzten Markenstelle für Klasse 41 des [X.] mit Beschluss vom 2. August 2010 teilweise für die Waren und Dienstleistungen

3

„Datenträger, Software; [X.], CD-ROMs, DVDs; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Fotografien, [X.] aller Art, insbesondere Zeitungen, Zeitschriften, Bücher; Schreibwaren; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Behälter und Geräte für den Haushalt und Küche; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie in dieser Klasse enthalten sind; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Herausgabe von [X.] auch in elektronischer Form und im [X.]; Sammeln, Systemanalysieren und Aktualisieren von Daten in einer Datenbank; Telekommunikation; Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationen im [X.]; Bereitstellung von Portalen im [X.]; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer; Bereitstellen des Zugriffs auf Computerprogramme in Datennetzen; Bereitstellen des Zugriffs auf Informationsangebote im [X.]; Dienstleistungen eines Online-Anbieters, nämlich Bereitstellen des Zugriffs und Übermitteln von Informationen; Bereitstellen eines [X.]-Portals; Bereitstellung eines [X.]-Chatrooms; Unterhaltung; Erziehung; Ausbildung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Bereitstellen von elektronischen Publikationen (nicht herunterladbar); Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Herausgabe von [X.] und [X.]n auch in elektronischer Form und im [X.] (ausgenommen für Werbezwecke); Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Speicherung von Daten in Computerdatenbanken; Entwurf und Entwicklung von Computerprogrammen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“

4

wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden.

5

Zur Begründung ist ausgeführt, das angesprochene Publikum werde die Wortfolge „[X.] [X.] [X.]“ im Zusammenhang mit den vorgenannten Waren und Dienstleistungen lediglich als unmittelbar beschreibenden Sachhinweis auf Waren und Dienstleistungen verstehen, die sich speziell an mit dem Motorrad reisende Tourenfahrer richteten oder Informationen über solche Personen und/oder Reisen beinhalteten.

6

Bei Schreibwaren, Verpackungsmaterial aus Kunststoff, Behältern und Geräten für Haushalt und Küche, Glaswaren, Porzellan und Steingut, Bekleidung, Schuhe und Kopfbedeckungen handle es sich um Waren, die üblicherweise als Werbeträger verwendet würden und über bestimmte Aufdrucke eine Botschaft vermittelten. Die Kennzeichnung derartiger Waren mit dem angemeldeten Zeichen werde daher nur als Werbeslogan bzw. als Aufforderung zum Kauf derselben verstanden. Das Publikum werde sie ausschließlich als Sachangabe auffassen, nicht jedoch als Warenmarke.

7

Diese Charakterisierung erstrecke sich auch auf die Dienstleistungen „Herausgabe von [X.] auch in elektronischer Form und im [X.]“. Hier sehe das Publikum die Kennzeichnung nur als Werbemaßnahme mit einem besonderen Bezug zum Tourenfahren mit dem Motorrad.

8

Die graphische Gestaltung der angemeldeten Wort-/Bildmarke führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Sowohl die stilisierte Darstellung des Motorrads im Vordergrund als auch die konkrete Farbgestaltung der Marke oder die unterschiedliche Schriftanordnung und -größe bewegten sich im Rahmen des heutzutage für entsprechende Waren und Dienstleistungen Werbeüblichen und lasse auch bei Betrachtung der Gesamtmarke keinen über den Sinngehalt der Wortbestandteile hinausgehenden bildlichen Gesamteindruck entstehen. Vielmehr unterstreiche die Darstellung des Motorrads mit Fahrer und Sozius lediglich den Begriff „Tourenfahrer“, da es sich praktisch um die Darstellung desselben handle.

9

Soweit die Anmelderin geltend mache, dass der Bestandteil der angemeldeten Marke charakteristische graphische Merkmale in Form ihres Abstraktionsgrades aufweise und der Verbraucher darin einen Herkunftshinweis sehe, sei dem nicht zuzustimmen. Dass die Darstellung des Motorradfahrers samt Motorrad und Sozius leicht abstrakt sei und verschiedene Farben aufweise, führe noch nicht dazu, dass der angesprochene Verbraucher - der in der Regel nicht zur Analyse einer Gesamtmarke neige und diese Feinheiten deshalb kaum bewerten werde - in der Darstellung etwas anderes (oder mehr) sehe als ein Motorrad mit Fahrer und Sozius (und damit Tourenfahrer auf Motorradreise).

Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen führten zu keiner anderen Beurteilung, da sie einen Vergleich mit der vorliegenden Marke weder tatsächlich noch rechtlich zuließen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss vom 2. August 2010 aufzuheben, soweit hierin der Marke der Schutz versagt worden ist.

Die Anmelderin hält die Marke für unterscheidungskräftig. Bereits die Wortbestandteile der einzutragenden Marke „[X.] [X.] [X.]“ verfügten für sich genommen über Unterscheidungskraft. Die Wortfolge sei insgesamt sprachunüblich gebildet. Ein [X.] Satz bestehe aus Subjekt, Prädikat und Objekt und nicht aus drei Substantiven. Das Publikum werde die einzutragenden Waren/Dienstleistungen daher nicht als „[X.] [X.] [X.]“ bezeichnen bzw. beschreiben und verbinde daher auch keinen entsprechenden beschreibenden Gehalt mit den [X.] der einzutragenden Marke.

Zumindest unter Berücksichtigung der graphischen Elemente der Marke sei deren Unterscheidungskraft zu bejahen. Die charakteristischen graphischen Merkmale der Marke, in denen der Verbraucher einen Herkunftshinweis sehe, bestünden in der abstrakten Abbildung eines Motorradfahrers mit Sozius sowie deren expressiver blau/gelber Farbgebung. Die graphischen Elemente erschöpften sich nicht in einer naturalistischen Abbildung. Der spezielle Eindruck der abstrakten Abbildung werde durch das Zusammenspiel von Flächen, sowie sich verjüngenden Linien und Fluchten erzeugt. Insgesamt sei die Zeichnung leicht abstrakt und durch „Mut zur Fläche“ gekennzeichnet. Einzelne Elemente (Schuhe, Hände etc.) seien bewusst nicht detailliert dargestellt; das trage zu einem dynamischen Gesamteindruck der Darstellung bei.

Aber auch die Farbgebung sei zu berücksichtigen, da sie den Gegenstand der Anmeldung begrenze. Die Farbgebung sei vorliegend insbesondere deswegen charakteristisch für das Bildelement der einzutragenden Marke, weil Motorradfahrer nicht blau/gelb gefärbt seien. Die Farbgebung unterstreiche daher, dass es sich nicht um eine schlichte Versinnbildlichung der thematischen Ausrichtung der einzutragenden Waren/Dienstleistungen handle, sondern um ein eigenständiges Zeichen, das als solches wahrgenommen werde. Das werde vom Publikum erst recht in Anbetracht des Umstands wahrgenommen, dass die Farben „knallig“ seien.

Ein Freihaltungsbedürfnis bestehe nicht, insbesondere nicht an der konkreten graphischen Gestaltung der angemeldeten Marke.

Die Anmelderin stützt ihr Eintragungsbegehren schließlich auf die Voreintragung von ihrer Ansicht nach vergleichbaren Drittmarken.

II

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder [X.] [X.] entgegen.

Die angemeldete Marke entbehrt in ihrer Gesamtheit nicht jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist.

Bei Marken, die aus Wort- und Bildbestandteilen kombiniert sind, hat sich die Prüfung der Schutzfähigkeit darauf zu erstrecken, ob die Marke in ihrer Gesamtheit den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (vgl. [X.] 2001, 397 - antiKalk).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Dies gilt entgegen der Auffassung der Anmelderin zwar nicht für die Wortbestandteile, denen das Publikum zumindest in Bezug auf einen Großteil der beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen lediglich einen beschreibenden Sachhinweis auf deren Inhalt bzw. deren Zielgruppe entnehmen wird.

Die konkrete Gestaltung der mehrfarbigen Wort-/Bildmarke weist dagegen eine den Schutz begründende Komplexität auf. Die überlappende Anordnung der auf blauem Untergrund in gelber Schrift geschriebenen Wörter [X.] und [X.], die links davon senkrecht in weißer Schrift auf rotem Untergrund geschriebenen weiteren Wortbestandteile [X.] [X.] sowie das ebenfalls in gelb und blau abgebildete Motorrad mit Fahrer und Sozius wirken in ihrer Gesamtheit noch hinreichend eigentümlich, um sich dem Publikum als betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen. Damit fehlt der Marke jedenfalls genau in der graphischen und farblichen Merkmalskombination, in der sie beansprucht wird, nicht jegliches Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

Die konkrete Gestaltung ist auch nicht freihaltungsbedürftig [X.] § 8 Abs. 2 [X.] [X.].

Damit kann der verfahrensgegenständlichen Marke ein - wenngleich möglicherweise eher geringer - Schutz letztlich nicht abgesprochen werden. Dem stehen auch Belange der Allgemeinheit (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 607, Rdn. 51 - [X.]) nicht entgegen, weil der Schutz der Marke auf die ganz konkrete Ausgestaltung beschränkt ist, also insbesondere nicht gegenüber Kennzeichnungen oder sonstigen Angaben besteht, welche zwar ebenfalls die Wortbestandteile „[X.]-[X.]“ und „[X.] [X.]“ enthalten, aber nicht die konkrete graphische Ausgestaltung der Marke der Anmelderin aufweisen. Vielmehr steht eine Verwendung in veränderter Gestaltungsform der [X.] der Allgemeinheit weiterhin offen.

Meta

27 W (pat) 576/10

27.09.2011

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.09.2011, Az. 27 W (pat) 576/10 (REWIS RS 2011, 2957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2957

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