Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.10.2023, Az. 1 WB 8/23

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2023, 7980

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Gegenstand

Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes


Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich gegen seine Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes.

2

Der ... geborene Antragsteller ist seit Oktober 2014 Soldat auf [X.]. Er hat sich für eine Dienstzeit von 22 Jahren verpflichtet; nach aktuellem Stand wird seine Dienstzeit nach einer Festsetzung auf zehn Jahre mit dem September 2024 enden. Er wurde zunächst in der Laufbahn der Mannschaften im [X.] auf verschiedenen Dienstposten der Panzer-, Heeresaufklärungs- und [X.]truppe verwendet. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 wurde er in die Laufbahn der Unteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes übernommen, mit Wirkung vom 1. Januar 2018 unter Wechsel der Teilstreitkraft zur [X.] zum [X.] ernannt und als Materialbewirtschaftungsmaat bei der ... in ... verwendet.

3

Auf seinen Antrag vom 14. Mai 2019 und zustimmenden Stellungnahmen des nächsten und nächsthöheren Vorgesetzten wurde der Antragsteller mit Bescheid des [X.] vom 25. September 2020 in die Laufbahn der Feldwebel des [X.] übernommen und für einen Dienstposten als [X.]feldwebel eingeplant. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2020 wurde er mit Wirkung vom 1. November 2020 als Anwärter für die Laufbahn der Feldwebel des [X.] der [X.] zugelassen. Zum 1. November 2020 wurde er unter Wechsel von Laufbahn, Teilstreitkraft und Truppengattung zur ... in ... versetzt. Dort verhängte der Kompaniechef gegen ihn am 30. November 2020 eine [X.] in Höhe von 1 000 €. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

"Er hat am 09.11.2020 in ..., auf dem A4-Stand der [X.] die schießbegleitende Ausbildung der Anschlagarten und Ladetätigkeiten am Gewehr [X.] nicht wie durch den Auftragszettel seines Zugführers [X.] vom 03.11.2020 schriftlich befohlen und durch den stellvertretenden Zugführer [X.] am 04.11.2020 an ihn ausgegeben, sondern erst nach [X.] Wiederholen des Befehls und unter Androhung der vorläufigen Festnahme durch den [X.] durchgeführt. Dabei meldete er wahrheitswidrig, dass er den [X.] vergessen habe und deshalb die Ausbildung nicht durchführen könne, obwohl er wusste, dass dies den Ausbildungsbetrieb einschränken würde. Es kam dadurch zu zeitlichen Verzögerungen bei der Ausbildung."

4

Den [X.] allgemein militärischer Teil bestand der Antragsteller im ersten Versuch nicht. Nachdem er im [X.] einen Antrag auf Rückversetzung zur ... als Ausbilder in der dortigen Grundausbildung oder [X.]infanterist, hilfsweise auf Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere ohne Portepee und Einsatz als Materialbewirtschaftungsmaat gestellt hatte, führte der stellvertretende Kompaniechef der ... am 31. März 2021 ein Personalgespräch mit dem Antragsteller, in dem dessen bisherige Leistungen und seine Verwendungswünsche besprochen und ihm auch eine Entlassung wegen Nichteignung im Falle des Nichtbestehens des [X.]es in Aussicht gestellt wurden. [X.] unter dem 19. April 2021 und unter dem 26. Mai 2021 beantragte der Antragsteller mit Unterstützung des Kompaniechefs und des nächst höheren Vorgesetzten während der Wiederholung des [X.]es seine Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere ohne Portepee, den Wechsel zur [X.] und eine heimatnahe Verwendung.

5

Der [X.] gab unter dem 14. Dezember 2021 eine Stellungnahme zu den Leistungen, der Eignung und Befähigung des Soldaten auf der Grundlage seiner Verwendung bei der ... ab und fasste zusammen, dass der Antragsteller in dieser Verwendung die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllt habe und eine Eignung zum Unteroffizier mit Portepee nicht erkennbar sei.

6

Nachdem der Antragsteller allerdings beim zweiten Versuch den [X.] allgemein militärischer Teil bestanden hatte, folgte zum August 2021 seine Versetzung zur ... in ..., wo er als Hilfsausbilder eingesetzt wurde. Das Verhalten des Antragstellers gegenüber auszubildenden Soldaten gab in der Folge Anlass zu [X.]ischen Ermittlungen und einem Strafverfahren: Am 16. August 2021 fragte der Soldat einen Funker (Offiziersanwärter), ob er schwul sei, weil er sich während der Waffenausbildung mehrfach umgesehen hatte. Während der Waffenausbildung am 17. August 2021 äußerte sich der Antragsteller einer Rekrutin gegenüber sexuell anzüglich und sagte: "Jetzt, wo ich weiß, dass Sie ganz gut mit den Fingern umgehen können, weiß ich, was Sie nach Dienst auf der Stube machen." In der gleichen Ausbildung fragte er einen Matrosen, wofür die Abkürzung "[X.]" stehe und befahl diesem nach der Beantwortung fünf Strafliegestütz mit der Begründung, "dass man so einen Scheiß nicht schaue". Zuletzt fragte der Antragsteller einen Funker (Offiziersanwärter), ob er "eine Frau sei", als dieser vereinfachte Liegestütze mit Abstützung auf den Knien absolvierte.

7

Von den strafrechtlichen Vorwürfen wurde der Antragsteller durch das Amtsgericht ... am 30. Juni 2022 aus Rechtsgründen freigesprochen, weil das angeschuldigte Verhalten die für die Erfüllung des Tatbestandes des § 31 Abs. 1 [X.] erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten habe. Eine Ahndung nach dem Disziplinarrecht bleibe davon unberührt. Das sachgleiche Disziplinarverfahren wird bei der [X.] geführt und ist noch nicht abgeschlossen.

8

Unter dem 15. Februar 2022 beantragte der Kompaniechef des Antragstellers dessen Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere. Der Antragsteller erfülle nicht die Anforderungen an einen zukünftigen Feldwebel des allgemeinen [X.], um als Führer/Erzieher/Ausbilder bestehen zu können. Eine Rückführung in die vorherige Laufbahn scheine seinem Leistungsvermögen gerecht zu werden. Er sei nur bedingt in der Lage, das eigene Fehlerverhalten einzugestehen. Für [X.] ziehe er in der Regel Dritte zur Verantwortung. Zu Untergebenen fehle die notwendige Distanz. Vorgesetzten gegenüber trete er [X.], teilweise unehrlich gegenüber. Eine [X.], ein Personalgespräch ermahnenden Charakters und ein in der Vergangenheit gestellter Antrag auf Rückführung hätten keine Besserung gezeigt. Das Fehlverhalten in seiner Kompanie untermauere das Bild. Der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte schloss sich dem an. Der Entwurf des Antrages und der Antrag wurden am 22. und 23. Februar 2022 dem Antragsteller eröffnet und mit ihm erörtert. Der Antragsteller erklärte sich mit der Rückführung nicht einverstanden und gab eine schriftliche Stellungnahme ab, in der eine Begründung durch seinen Bevollmächtigten angekündigt wurde. Dieser beantragte am 21. Februar 2022 und am 21. April 2022 Akteneinsicht, die ihm unter dem 27. April 2022 in der Form einer Übersendung von Kopien des [X.] durch das [X.] gewährt wurde.

9

Am 17. März 2022 leitete das [X.] ein Verfahren zur vorzeitigen Entlassung des Antragstellers nach § 55 Abs. 4 Satz 2 SG ein und hörte ihn zu dieser Absicht an. Während der stellvertretende Kompaniechef das Vorhaben unterstützte, stimmte die am 21. April 2022 angehörte [X.] ihm nicht zu. Die [X.] erklärte, die ursprüngliche Absicht des Kompaniechefs, den Antragsteller in die Laufbahn der Unteroffiziere zurückzuführen, zu teilen. Der Antragsteller solle seine festgesetzte Dienstzeit in einer Verwendung ohne Führungsverantwortung erfüllen. Auch der Antragsteller trat der Entlassung entgegen.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2022, dem Antragsteller ausgehändigt am 18. Oktober 2022 wurde der Antragsteller in die Laufbahn der Fachunteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes zurückgeführt und ihm die Berechtigung entzogen, seine Dienstgradbezeichnung mit dem Zusatz "[X.]" zu tragen. Während seiner bisherigen militärischen Verwendung habe sich herausgestellt, dass er sich nicht zum Feldwebel eigne. Die Gründe seien ihm bekannt. Er sei hierzu angehört worden. Das gegen ihn mit Verfügung vom 17. März 2022 eröffnete Verfahren zur vorzeitigen Entlassung werde eingestellt.

Hiergegen beschwerte sich der Antragsteller mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2022 am 15. November 2022. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2023, beim [X.] eingegangen am 9. März 2023, erhob der Antragsteller "weitere Beschwerde" und rügte die Untätigkeit in seinem Beschwerdeverfahren. Der angegriffene Bescheid sei nicht ordnungsgemäß begründet. Am 21. März 2023 beantragte der Antragsteller ausdrücklich die Entscheidung des Senats. Weder seine Beschwerde noch seine weitere Beschwerde seien beschieden worden. Die Rückführung in die Laufbahn der Fachunteroffiziere verletze ihn in seinen Rechten. Der Bescheid sei nicht ordnungsgemäß begründet und ermessensfehlerhaft.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2023 wies das [X.] die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid über seine Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere des allgemeinen Fachdienstes zurück. Trotz des [X.] dürfe noch über die Beschwerde entschieden werden. Dieser werde Gegenstand des [X.]. Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig. Der Antragsteller sei ausreichend angehört worden. Er habe wiederholt Gelegenheit zur Stellungnahme und über seinen Verfahrensbevollmächtigten mehrfach Akteneinsicht erhalten. Dass eine Rückführung vor der Entlassung vorrangig sei, habe er selbst vorgetragen. Den entscheidungstragenden Tatsachen sei er nicht entgegengetreten. Die [X.] sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Zwar sei sie zur Entlassung angehört worden, habe aber selbst an deren Stelle eine Rückführung in die alte Laufbahn vorgeschlagen. Eine erneute Anhörung nur zur Rückführung sei ein bloßer Formalismus und rechtlich nicht erforderlich, da die Rückführung ein Minus zur Entlassung sei. Einer Begründung habe es nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG nicht bedurft. Diese könne zudem auch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Der Bescheid sei nach § 55 Abs. 4 Satz 3 und Satz 2 Nr. 5 SG materiell rechtmäßig. Er trage noch den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers und genüge nicht den charakterlichen Anforderungen an einen Feldwebel. Nach § 55 Abs. 4 Satz 2 SG sei eine Prognoseentscheidung als Akt wertender Erkenntnis vorzunehmen. Ein [X.], der - wie der Antragsteller - wiederholt [X.] in Erscheinung getreten sei, als Vorgesetzter gegenüber ihm anvertrauten Soldaten mit dümmlichen und abwertenden Sprüchen Anerkennung suche, sein Unwohlsein in der [X.] bekunde, sich in seinem Werdegang unbeständig und sprunghaft verhalte, gegenüber Vorgesetzten [X.], unangemessen und teilweise unehrlich auftrete und für eigenes Fehlverhalten die Verantwortung bei [X.] suche, belege das Fehlen der charakterlichen Eignung.

Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das [X.] mit seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2023 dem Senat vorgelegt.

Der Antragsteller macht geltend, die Voraussetzungen des § 55 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 SG lägen nicht vor. Er habe den allgemeinen militärischen Teil des [X.]es und den A-[X.] für [X.] bestanden und sei daher für die [X.] fachlich geeignet. Die militärische Ausbildung sei eine Herausforderung, die Ausbilder psychisch und physisch an Grenzen bringe. Es sei richtig, dass seine im Beschwerdebescheid als dümmlich und abwertend beschriebenen Sprüche in der militärischen Ausbildung nichts zu suchen hätten. Dies habe er auch erkannt. Er habe sich leider Sprüche und Vorgehensweisen seiner Ausbildung in ... während des [X.]es zu eigen gemacht. Dass dies falsch sei, habe er erkannt. Er habe dieses Verhalten abgestellt. Er werde zur Zufriedenheit seines aktuellen [X.] als Ausbilder eingesetzt. Es sei weder eine Stellungnahme seines jetzigen [X.] noch eine aktuelle Stellungnahme der [X.] eingeholt worden. Dass er selbst 2021 einen Rückführungsantrag gestellt habe, sei auf mehrfache Aufforderungen seines damaligen [X.] auch während seines Urlaubes zurückzuführen, der Druck auf ihn ausgeübt habe. Er sei mit dem Antrag tatsächlich nicht einverstanden gewesen. Dass er gegenüber Vorgesetzten [X.], unangemessen und teilweise unehrlich auftrete, sei unsubstantiiert. Von seinem Chef bei der ... in ... sei er für seine Ausbildung gelobt worden. Die hohen Anforderungen an eine Nichteignung seien nicht erfüllt.

Der Antragsteller beantragt,

den Rückführungsbescheid vom 17. Oktober 2022 in Form des [X.] vom 2. Mai 2023 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Gründe des [X.]. Der Antragsteller sei binnen eines Jahres zweimal [X.] als Vorgesetzter in Erscheinung getreten. Er habe die [X.] nicht zum Anlass für eine Verhaltensänderung genommen, stattdessen erneut Dienstpflichten verletzt. Er sei auch nicht in der Lage, Fehlverhalten einzugestehen und suche Verantwortung bei [X.]. Dies belege auch seine Argumentation im Verfahren. Dass das Disziplinarverfahren zu den Vorkommnissen im August 2021 noch nicht abgeschlossen sei, sei unerheblich. Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt sei unstreitig. Die Eignung hänge nicht von der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme ab. Eine erneute Anhörung des jetzigen [X.] sei nicht erforderlich. Die [X.] sei angehört worden.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des [X.] und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig. Die Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere ohne Portepee stellt eine truppendienstliche Maßnahme des [X.] im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] dar, die der Antragsteller mit dem korrekt formulierten Aufhebungsantrag anfechten kann (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2021 - 1 [X.] 73.19 - Rn. 20).

Der Antrag auf Entscheidung des [X.] (§ 21 Abs. 1 [X.]) wurde zulässig als Untätigkeitsantrag gestellt, weil das [X.] über die unstreitig fristgerecht eingegangene Beschwerde des Antragstellers vom 19. Oktober 2022 nicht innerhalb eines Monats entschieden hat (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Der Beschwerdebescheid vom 2. Mai 2023 ist in das anhängige Verfahren einzubeziehen und dieses ist mit dem Ziel auch seiner Aufhebung fortzusetzen, weil der Antragsteller die Rechtswidrigkeit auch des [X.] rügt (vgl. [X.], Beschluss vom 21. März 2019 - 1 [X.] 21.18 - juris Rn. 18 f. m. w. N.).

2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Der Bescheid vom 17. Oktober 2022 und der Beschwerdebescheid vom 2. Mai 2023 sind formell und materiell rechtmäßig und verletzten den Antragsteller daher auch nicht in seinen Rechten.

a) Die angegriffenen Bescheide sind nicht aus formellen Gründen aufzuheben.

aa) Die Anhörung der zuständigen Vertrauensperson war nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 [X.] erforderlich, da die Rückführung in die alte Laufbahn eine Form des Laufbahnwechsels darstellt (Gronimus, Soldatenbeteiligungsrecht, 1. Aufl. 2021, § 24 [X.] Rn. 31b) und weil der Antragsteller unter dem 23. Februar 2022 auf Nachfrage die Beteiligung ausdrücklich nicht ablehnte. Die Vertrauensperson war am 21. April 2022 zu der beabsichtigten Entlassung des Antragstellers nach § 55 Abs. 4 Satz 2 [X.] angehört worden. Sie hatte der vorzeitigen Entlassung nicht zugestimmt und nach Sichtung der Unterlagen wegen der ihrer Auffassung nach hieraus erkennbaren charakterlichen Mängeln angeregt, die bereits zuvor vom [X.] beabsichtigte Rückführung in die Laufbahn der Unteroffiziere umzusetzen.

Eine erneute Beteiligung der Vertrauensperson war nicht deswegen geboten, weil das [X.] entschied, aus der mangelnden Eignung des Antragstellers anstelle der zunächst beabsichtigten Rechtsfolge die von der Vertrauensperson vorgeschlagene Rechtsfolge zu knüpfen. Bei der Anhörung der Vertrauensperson gehören § 55 Abs. 4 Satz 2 und 3 [X.] zusammen, da es sich lediglich um alternative Rechtsfolgen zum selben Tatbestand handelt. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine erneute Beteiligung der Vertrauensperson, zu der Maßnahme, die diese selbst vorgeschlagen hatte, zur Erreichung des Zieles der Beteiligung Erhebliches beigetragen hätte. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine Information der Vertrauensperson über seine Einwendungen gegen die Rückführung. Die Vertrauensperson entscheidet grundsätzlich selbst, welche (zusätzlichen) Informationen sie benötigt, um sich zu einem Sachverhalt äußern zu können und hat hier durch die Abgabe einer Stellungnahme zu dem ursprünglichen Plan, den Antragsteller in seine alte Laufbahn zurückzuführen, zu erkennen gegeben, dass sie sich - auch ohne eine Rücksprache mit dem Antragsteller - ausreichend informiert sieht. Der Antragsteller hat auf den ihm am 27. April 2023 erteilten Hinweis nach § 31 Abs. 2 Satz 2 [X.] eine Beteiligung der Vertrauensperson im Beschwerdeverfahren nicht beantragt und damit die Gelegenheit, die Befassung einer Vertrauensperson mit seinen Einwänden zu erreichen, ungenutzt verstreichen lassen. Er hat nicht substantiiert vorgetragen, zu welchen bislang unberücksichtigten Gesichtspunkten eine Stellungnahme der Vertrauensperson Erkenntnisse ergeben könnte, die in der Ermessensentscheidung ergänzend zu berücksichtigen wären.

bb) Die angegriffenen Bescheide sind auch nicht wegen einer Verletzung des § 28 Abs. 1 VwVfG aufzuheben. Dem Antragsteller sind sowohl der Antrag auf Rückführung in seine vorherige Laufbahn als auch der Antrag auf Entlassung übermittelt worden. Seinem Bevollmächtigten ist auch antragsgemäß Einsicht in den Verwaltungsvorgang gewährt worden. Er hatte damit ausreichend Gelegenheit, sich zu äußern und hatte hiervon auch durch Stellungnahmen seines Bevollmächtigten Gebrauch gemacht. Damit ist zugleich den Vorgaben der Nummern 4018 f., 4076 Satz 2 [X.]/49 Genüge getan.

cc) Eine den Erfordernissen des § 39 Abs. 1 VwVfG genügende Begründung ist jedenfalls gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG nachgeholt worden. Im Unterschied zum Bescheid vom 17. Oktober 2022 erläutert der Beschwerdebescheid vom 2. Mai 2023 die Gründe für die Rückführung ohne Bezugnahme auf dem Antragsteller bekannte, aber nicht näher ausgeführte Gründe.

b) Die Bescheide sind materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

Gemäß § 55 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 [X.] soll ein [X.] (im Status eines Soldaten auf Zeit), der sich nicht zum Feldwebel eignet, entlassen werden. Ist er zuvor in einer anderen Laufbahn verwendet worden, soll er gemäß § 55 Abs. 4 Satz 3 [X.], § 9 Abs. 5 Satz 2, 3 und 5 [X.] nicht entlassen, sondern in diese zurückgeführt werden, soweit er noch einen dieser Laufbahn entsprechenden Dienstgrad führt.

aa) Dass dem Antragsteller die "Eignung zum Feldwebel" im Sinne von § 55 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 [X.] fehlt, ist ohne Rechtsfehler festgestellt worden. Das [X.] hat den ihm dabei zukommenden Beurteilungsspielraum (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Januar 2021 - 1 [X.] 73.19 - [X.] 449.2 § 40 [X.] 2022 Nr. 9 Rn. 32 m. w. N.) nicht überschritten.

Der Begriff der "Eignung zum Feldwebel" ist an den Anforderungen für diese Laufbahn orientiert und umfasst die hierfür erforderlichen geistigen, körperlichen und charakterlichen Eigenschaften sowie die notwendige fachliche Qualifikation (vgl. Nr. 2002 [X.]/49 "Beförderung, Einstellung, Übernahme und Zulassung mil. Personals" in der seit dem 9. September 2022 geltenden Fassung; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl. 2022, § 55 Rn. 12, 12a). Dem Dienstherrn, steht bei der Entscheidung über die Eignung eines Soldaten ein Beurteilungsspielraum zu, den er unter Berücksichtigung des von dem Soldaten wahrzunehmenden Dienstpostens auszufüllen hat; demzufolge beschränkt sich die gerichtliche Nachprüfung auf die Kontrolle, ob er bei der Entscheidung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen des [X.] verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. Januar 2013 - 1 [X.] 60.11 - NVwZ 2013, 1227 Rn. 34 m. w. N. und vom 25. Juni 2020 - 1 [X.] 77.19 - [X.] 449 § 3 [X.] Nr. 103 Rn. 28).

aaa) Bescheid und Beschwerdebescheid sind nicht auf einen unrichtigen Sachverhalt gestützt.

Die Feststellung der fehlenden charakterlichen Eignung ist im [X.] auf wiederholte [X.] des Antragstellers gestützt, die Gegenstand disziplinarrechtlicher und strafrechtlicher Verfahren waren bzw. sind. Hiernach ist zum einen durch den Bescheid über die [X.] vom 30. November 2020 festgestellt worden, dass dem Antragsteller am 9. November 2020 die Durchführung einer Ausbildung mehrfach befohlen werden musste und dass er den Befehl erst nach Androhung einer Festnahme ausführte. Festgestellt wurde auch, dass er die Nichtdurchführung der Ausbildung mit einer wahrheitswidrigen Meldung zu rechtfertigen versuchte.

Die den Gegenstand des noch nicht abgeschlossenen gerichtlichen Disziplinarverfahrens und des Strafverfahrens vor dem [X.] bildenden Äußerungen des Antragstellers vom 16. und 17. August 2021 ergeben sich aus der schriftlichen Stellungnahme des Kompaniechefs der ... vom 30. August 2021 zur Abgabe des Vorganges an die Staatsanwaltschaft. Das [X.] hat den Antragsteller nicht deshalb freigesprochen, weil die angeschuldigten Äußerungen nicht gefallen wären, sondern allein deshalb, weil sie den Tatbestand der angeschuldigten [X.] nicht erfüllten. Das Strafurteil hält fest, dass eine disziplinare Ahndung von dem Freispruch unberührt bleibe und bewertet die angeschuldigten Äußerungen als dümmliche und abwertende Sprüche bei der Ausbildung der dem Antragsteller unterstellten Soldaten. Dieser hat im vorliegenden Verfahren nicht bestritten die fraglichen Sprüche geäußert zu haben, vielmehr versucht, sich mit dem Hinweis auf ähnliche Verhaltensweisen anderer Soldaten zu rechtfertigen.

Dass der Antragsteller bekundet hat, sich in der [X.] nicht wohlzufühlen, und dass er sich hinsichtlich seines künftigen Werdeganges unbeständig und sprunghaft verhält, ergibt sich aus seinen eigenen Anträgen auf Rückführung in seine ursprüngliche Laufbahn und dem Entgegentreten gegen den Rückführungsbescheid.

Barriereloses, unangemessenes und teilweise unehrliches Verhalten gegenüber Vorgesetzten sowie die Suche von Verantwortung für eigenes Fehlverhalten bei Anderen sind dem Antragsteller durch seinen früheren Kompaniechef in der Begründung von dessen Rückführungsantrag vom 15. Februar 2022 attestiert worden. Die Grundlage dieser Feststellung ergibt sich zum einen aus dem Geschehen, das der [X.] vom 30. November 2020 zugrunde lag. Zum Anderen hat der stellvertretende Kompaniechef der ... dem Antragsteller in einem "Personalgespräch über dienstliche Leistungen und eigene Vorstellungen des Soldaten" vom 31. März 2021 nach der Erörterung disziplinarer und fachlicher Defizite und verschiedener Versetzungs- und Rückführungsantrage Folgendes vorgehalten:

[X.]:" Ich stelle [X.] vor, dass Sie bis zur Wiederholung Ihres Feldwebellehrgangs AMT als [X.] in einer entsprechenden Tätigkeit eingesetzt werden, zum Beispiel als Hilfsausbilder in der Grundausbildung. Hier erwarte ich einen tadellosen Umgang sowohl mit den Rekruten als auch mit Vorgesetzten. Außerdem erwarte ich hier eine umfassende Vorbereitung auf die Ihnen zugewiesenen Ausbildungsthemen und eine fachlich korrekte Durchführung dieser Ausbildung mit entsprechender Nachbereitung. Darüber hinaus erwarte ich, dass Sie ein Ihrem Dienstgrad und Lebensalter entsprechendes Selbstverständnis für den Soldatenberuf an den Tag legen und auch vermeintlich unangenehme Aufträge ohne Diskussion nach besten Gewissen und Möglichkeiten ausführen. Hierzu zählt auch das ständige Ersuchen von persönlichen Gesprächen mit dem [X.] oder [X.] als Vertreter sowie das Stellen von Anträgen und das stetige finden von Ausflüchten um vermeintlich unangenehmen Aufträgen zu entgehen. Natürlich können Sie in schwerwiegenden Angelegenheiten jederzeit zu [X.] oder auch dem [X.] kommen, dies sollten Sie aber situationsbedingt abwägen".

Nach dem vom Antragsteller unterzeichneten Protokoll dieses [X.] hat der Antragsteller diesem Vorhalt nicht widersprochen, vielmehr angegeben:

[X.] ([X.]) ...: "Ich habe Ihre Punkte verstanden. Ich werde meine Ausbildungen bestmöglich gestalten, denn ich arbeite sehr gerne mit Waffen. Anträge kann ich ja dennoch stellen."

Hiernach ist auch in der Sache nicht bestrittenes barriereloses und unangemessenes Verhalten gegenüber Vorgesetzten Gegenstand eines ermahnenden [X.] mit dem Antragsteller gewesen. Dass der Antragsteller die Gründe für eigenes Fehlverhalten bei anderen sieht, zeigt sich auch darin, dass er zur Entschuldigung seiner eigenen unangemessenen Äußerungen gegenüber Auszubildenden auf ein schlechtes Vorbild anderer verweist. In dem zitierten Personalgespräch verhielt sich der Antragsteller ebenso, indem er die Gründe für seine mangelhafte Eingliederung in seine damalige Einheit in Vorbehalten ihm gegenüber und seiner schlechten Aufnahme dort sah. Mit dem Verweis auf Versäumnisse anderer hatte er auch versucht, sein mit der [X.] geahndetes Fehlverhalten zu erklären.

bbb) Die Einschätzung, im Hinblick auf dieses Verhalten fehle dem Antragsteller die Eignung für die Laufbahn der Feldwebel, verletzt weder allgemeingültige Wertmaßstäbe noch beruht sie auf sachfremden Erwägungen.

Der Antragsteller weist zwar zutreffend darauf hin, dass die militärische Ausbildung zum Feldwebel eine Herausforderung darstellt, die Bewerber an ihre Grenzen bringt. Die Schwierigkeit der Ausbildung macht die Einschätzung des Dienstherrn, charakterliche Defizite des Antragstellers ließen ihn an dieser Herausforderung scheitern, nicht fehlerhaft.

Ebenso trifft es zwar zu, dass der Antragsteller notwendige Lehrgänge bestanden hat. Damit hat er allerdings nur seine fachliche Eignung für die [X.] aufgezeigt, neben die zusätzlich auch die Forderung nach einer charakterlichen Eignung tritt, von deren Fehlen hier ohne Überschreitung des [X.] ausgegangen werden darf.

Unerheblich ist, dass der Dienstherr nicht zusätzlich weitere Stellungnahmen aktueller Vorgesetzter zur Bewährung des Antragstellers in der [X.] eingeholt hat. Die Einschätzung des Dienstherrn, auf der Grundlage der bereits vorliegenden Einschätzungen und Tatsachen eine Einschätzung seiner charakterlichen Eignung vornehmen zu können, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Es ist weder ersichtlich noch vom Antragsteller nachvollziehbar dargetan, dass weitere Stellungnahmen die Fehlerhaftigkeit der der Einschätzung zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen ergeben könnten. Auf die Einschätzung einzelner Vorgesetzter, die für die Entscheidung über die Rückführung des Antragstellers in seine vorherige Laufbahn nicht zuständig sind, kommt es nicht an.

Dass der Antragsteller seinen charakterlichen Defiziten kein hinreichendes Gewicht für die vom Dienstherrn vorgenommene Prognose zugesteht, ist nicht maßgeblich. Denn damit setzt er nur seine Wertung an die Stelle der Wertung des Dienstherrn, kann so aber eine Überschreitung des [X.] grundsätzlich nicht aufzeigen.

bb) Der Antragsteller konnte vor diesem Hintergrund gemäß der Soll-Bestimmung des § 55 Abs. 4 Satz 3 [X.] in die Laufbahn der Unteroffiziere des Allgemeinen Fachdienstes zurückgeführt werden, weil er in dieser Laufbahn zuvor verwendet worden war. Außerdem führt er als Stabsunteroffizier im Sinne von Nr. 2 a) aa) eee) der Anlage 2 zur Soldatenlaufbahnverordnung noch einen dieser Laufbahn entsprechenden Dienstgrad (§ 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2, Satz 5 [X.]).

Meta

1 WB 8/23

26.10.2023

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 55 Abs 4 S 2 Nr 5 SG, § 55 Abs 4 S 3 SG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.10.2023, Az. 1 WB 8/23 (REWIS RS 2023, 7980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7980

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