Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2013, Az. 4 StR 363/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 909

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
363/13

vom
21. November 2013
in der Strafsache
gegen

wegen Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21.
November
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
Bender

als beisitzende [X.],

Bundesanwalt

in
der Verhandlung,
[X.] am Amtsgericht

bei der Verkündung

als Vertreter des
[X.]s,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwältin

als Vertreterin der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des
[X.]s Essen vom 30.
Oktober 2012 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten durch Urteil vom 15.
Dezember 2010 wegen schweren
sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen zum Nachteil der
Nebenklägerin, seiner Stieftochter, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei [X.] und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 11.
Mai 2011 dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendschutzkammer des [X.]s zurückverwiesen. Das [X.] hat den Angeklagten nunmehr aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Neben-klägerin, die die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Die Rechtsmittel sind un-begründet. Die Revision der Staatsanwaltschaft wird vom [X.] nicht vertreten.
1
-
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-
1.
Die Revisionen rügen zwar zu Recht Darstellungsmängel des ange-fochtenen Urteils
(vgl. [X.], [X.], 56.
Aufl., §
267 Rn.
33 mwN). So wird der jeweilige Anklagevorwurf nicht nach Tatzeit und Begehungsweise kon-kretisiert wiedergegeben. Dies ist bei einer Vielzahl von Taten zur [X.] ähnlich gelagerter Fälle an sich geboten (vgl. [X.], Urteil vom 26.
April 1990

4
StR
24/90, [X.]St 37, 21, 22). Das Urteil teilt lediglich die rechtliche Bezeichnung der dem Angeklagten vorgeworfenen Taten mit; konkrete [X.] werden nicht beschrieben. Dies gefährdet den Bestand des Urteils indes nicht. Vielmehr reichen
angesichts der besonderen Verfahrenssituation
die ge-troffenen Feststellungen noch aus, um dem Senat die Überprüfung der Be-weiswürdigung auf Rechtsfehler zu ermöglichen.
Aus dem Gesamtzusammenhang der Darlegungen wird nämlich deutlich, dass sich das [X.] vor dem Hintergrund der bestehenden Aussage-gegen-Aussage-Situation wegen des Fehlens objektiver Beweisumstände nicht davon überzeugen konnte, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat. Diese Wertung hält angesichts der Zeugnisverweigerung der Nebenklägerin in der jetzigen Hauptverhandlung, ihrer mehrfach inkonstanten früheren Aussagen zur Frage des Eindringens in die Vagina, ihrer Parteinahme gegen den Angeklagten im Sorgerechtsverfahren um die Halbgeschwister und der Nichtaufklärbarkeit der Hintergründe ihrer in diesem Zusammenhang getä-tigten Äußerung gegenüber der Mutter des Angeklagten, sie werde alles dafür tun, dass der Angeklagte das Sorgerecht für seine beiden Kinder nicht bekom-me, sie habe sich dazu bereits im [X.] schlau gemacht und etwas gefunden, ung stand.
Insbesondere die letztgenannte Äußerung lässt besorgen, dass die Ne-benklägerin den Angeklagten vorsätzlich zu Unrecht belastet haben könnte. Der 2
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5
-
Senat hatte das frühere Urteil in dieser Sache aufgehoben, weil sich der dama-lige Tatrichter mit der Frage, was die Nebenklägerin im [X.] gefunden ha-ben wollte, nicht auseinandergesetzt und nicht dargelegt hatte, welche Erklä-rung die Nebenklägerin selbst für diese Äußerung gegeben hatte. Nunmehr ist das [X.] auf tragfähiger Grundlage zu der Überzeugung gelangt, dass der durch diese Äußerung begründete Verdacht der intentionalen Falschaussa-ge nicht ausgeräumt werden konnte. Die Nebenklägerin hat eine solche Äuße-rung bei ihrer Vernehmung in der früheren Hauptverhandlung nicht in Abrede genommen. In der jetzigen Hauptverhandlung hat sie die Aussage verweigert, so dass eine nähere Aufklärung der Hintergründe dieser Äußerung nicht erfol-gen konnte. Dass der neue Tatrichter diesem Umstand ein entscheidendes Gewicht beigemessen hat, ist nicht zu beanstanden.
2.
Auch die Rüge, das Urteil teile die Anknüpfungstatsachen der Sach-verständigen D.

nicht mit und lege auch deren Schlussfolgerungen

Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin

nur schlagwortartig dar, stellt die Beweiswürdigung des
[X.]s nicht in Frage. Der Tatrichter hat eingehend dargelegt, warum er an der Glaubhaftigkeit der Angaben der Neben-klägerin bei den früheren Vernehmungen zweifelt. In diesem Zusammenhang ist er auch auf die Begründung der jeweiligen Aspekte des [X.] eingegangen. Die Gründe, weshalb der Tatrichter den Ausführun-gen der Gutachterin, insbesondere die Aussagegenese spreche gegen eine absichtliche Falschaussage, nicht folgt, hat er nachvollziehbar dargelegt. Die Sachverständige hat insoweit ersichtlich dieselben Umstände zugrunde gelegt wie der Tatrichter; letzterer
hat sie
jedoch

vertretbar

unter Heranziehung weiterer Gesichtspunkte abweichend gewürdigt. Auch mit der Einschätzung der Sachverständigen, die Inkonstanz im [X.] der Nebenklägerin sei zwar grundsätzlich aussagekritisch, dennoch sei die Aussage glaubhaft, setzt 5
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6
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sich der Tatrichter auseinander. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass die Sachverständige die widersprüchlichen Angaben der Nebenklägerin zur Frage eines Eindringens in die Vagina in der früheren Hauptverhandlung am 8.

u-rückgeführt hat. Erklärungen bezüglich derselben Inkonstanzen
bei der polizei-lichen Erstaussage in F.

am 14.
Juli 2010 und in ihrer kurz darauf gefertig-
ten und im Sorgerechtsverfahren beim Amtsgericht H.

eingereichten

n
späteren An-gaben bei der Polizei und gegenüber den
Sachverständigen andererseits, hat die Sachverständige aber offensichtlich nicht gegeben, denn der Tatrichter vermisst ausdrücklich eine plausible Begründung dafür, wie die weitere [X.] aussagepsychologisch erklärt werden kann.
3.
Soweit das Urteil eine ausführliche
Wiedergabe der Aussagen der Ne-benklägerin bei den verschiedenen Vernehmungen vermissen lässt, stellt auch dies keinen durchgreifenden Rechtsfehler dar. Die Beschwerdeführer meinen, eine ausführliche Wiedergabe
der Aussagen
sei erforderlich gewesen, um beur-teilen zu können, ob die Angaben der Nebenklägerin zumindest insoweit zutref-geschildert habe. Es trifft zu, dass sich das [X.] mit
dieser Frage nicht auseinandergesetzt
hat.
Zwar ist es bei einer entsprechend sorgfältigen und umfassenden Würdi-gung aller Erkenntnisse nicht schon im Ansatz ausgeschlossen, einem Zeugen teilweise zu glauben und teilweise nicht. Wie im [X.] schon aus §
261 [X.] folgt, gibt es keinen Rechts-
und auch keinen Erfahrungssatz, dass einer [X.] zumal zu unterschiedlichen Lebenssachverhalten, nur entweder 6
7
-
7
-
insgesamt geglaubt oder insgesamt nicht geglaubt werden könnte ([X.], Urteil vom 21.
Februar 2006

1
StR
278/05).
Angesichts der hier von vornherein bestehenden Möglichkeit einer be-a-gung des Sorgerechts auf ihn zu verhindern, deren Verdacht in der neuen Hauptverhandlung nicht ausgeräumt werden konnte, hält sich die tatrichterliche Wertung, dass die Inkonstanzen zum [X.]geschehen Zweifel an der Glaubhaf-tigkeit der gesamten Aussage der Nebenklägerin begründen (UA
11), aber im Rahmen der zulässigen Beweiswürdigung.
4.
Dass der Tatrichter die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gemäß §
52 [X.] in unzulässiger Weise zu Gunsten des Angeklagten gewertet haben könnte, ist nicht zu besorgen. Er hat nicht die Aussageverweigerung als solche, sondern lediglich die [X.] der Äußerung zum [X.] be-rücksichtigt.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Franke
Bender
8
9

Meta

4 StR 363/13

21.11.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2013, Az. 4 StR 363/13 (REWIS RS 2013, 909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 909

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