Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.06.2013, Az. 10 W (pat) 1/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 5043

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – zur Akteneinsicht in die Erfinderbenennung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das [X.] Patent 10 2007 055 445.3-44

(wegen Akteneinsicht in die Erfinderbenennung)

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2013 durch [X.], die Richterin [X.] und den Richter Prof. Dr. Dr. Ensthaler

beschlossen:

1. [X.] wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des [X.] 2007 055 445, das mit „[X.] mit Vortrocknung (Schnecken-Trocknung) und Nachtrocknung ([X.]) für Klärschlamm“ bezeichnet ist. Es geht zurück auf eine vom Ehemann der Antragsgegnerin, Herrn Dipl.-Ing. C…, am 20. November 2007 beim [X.] ([X.]) eingereichte Anmeldung, die am 22. April 2009 auf die Antragsgegnerin umgeschrieben wurde. Bereits mit Datum vom 19. August 2008 hatte die als Erfinder benannte Person einen Antrag auf Nichtnennung gestellt. Dementsprechend wurde in der am 2. Juli 2009 veröffentlichten [X.] und in der am 7. Januar 2010 veröffentlichten Patentschrift der Erfinder jeweils nicht genannt.

2

betreffend eine Trocknungsanlage für Klärschlamm – sei es zu einem Verfahren vor der Schiedsstelle nach dem Gesetz für [X.] gekommen. In dem dort unterbreiteten [X.] sei festgestellt worden, dass es sich bei der genannten Erfindung um eine Diensterfindung gehandelt habe und Herr C… die Erfindung nicht gemeldet habe. Zur Begründung stellt der [X.] darauf ab, dass Herr C… zum Zeitpunkt der Anmeldung bei der [X.] beschäftigt und als Diplom-Ingenieur auch mit der Bearbeitung technischer Probleme im Zusammenhang mit der Verwendung von Klärschlamm für die [X.] tätig gewesen sei. Die Antragstellerin geht davon aus, dass Herr C… auch im Fall des vorliegenden Patents als Erfinder anzusehen sei, wobei er die Erfindung wiederum nicht bei ihr gemeldet habe.

3

Am 1. April 2010 hat die Antragstellerin beim [X.] beantragt, ihr Einsicht in den die Erfinderbenennung betreffenden Teil der Akte zu gewähren. Zur Begründung hat sie angegeben, sie habe ein berechtigtes Interesse, den Namen des Erfinders zu erfahren, weil der Ausgang des [X.] davon abhängig sei. Die Antragsgegnerin hat dem widersprochen und dabei betont, selbst Erfinderin zu sein.

4

Das [X.] hat dem Antrag durch Beschluss vom 20. Dezember 2011 stattgegeben. Die Antragstellerin habe ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] glaubhaft gemacht. Sie habe schlüssig dargelegt, dass dem vorliegenden Patent möglicherweise eine nach § 5 Abs. 1 [X.] meldepflichtige Diensterfindung zu Grunde liege. Weil [X.] bereits auf dem Gebiet der Klärschlammtrocknung erfinderisch tätig gewesen sei, bestehe zumindest die ernsthafte Möglichkeit, dass gegen das Patent wegen widerrechtlicher Entnahme vorgegangen werden könne. Damit die Antragstellerin überprüfen könne, ob ihr tatsächlich Ansprüche zustehen, müsse sie jedoch den Namen des Erfinders kennen. Sie habe daher ein berechtigtes Interesse, diesen Namen durch Akteneinsicht zu erfahren. Demgegenüber habe die Antragsgegnerin kein höherrangiges Interesse an der Geheimhaltung darlegen können.

5

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie verweist darauf, dass das Schiedsstellenverfahren ein anderes Patent als das hier gegenständliche betreffe. Der Vorschlag der Schiedsstelle sei auch nicht angenommen worden, weshalb das Verfahren der Schiedsstelle keine Indizwirkung für das vorliegende Verfahren entfalte. Die Betriebsleitertätigkeit von [X.] sei kein Indiz dafür, dass der Gegenstand des Streitpatents eine Diensterfindung sein könnte. Als Betriebsleiter habe er in erster Linie für einen reibungslosen Ablauf der vorhandenen Infrastruktur zu sorgen. Aus diesen Gründen fehle es vorliegend an der Glaubhaftmachung der Umstände, die eine Arbeitnehmererfindung wahrscheinlich sein ließen. Die Erfindung gehe auf sie (die Antragsgegnerin) selbst zurück, wobei sie u. a. auf eine eidesstattliche Versicherung des [X.] verweist, der sie bei der Umsetzung ihrer Ideen unterstützt habe.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

7

den Beschluss der Patentabteilung des [X.] vom 20. Dezember 2011 aufzuheben und den Antrag auf Akteneinsicht in die Erfinderbenennung zurückzuweisen.

8

Die Antragstellerin beantragt,

9

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt sie ihr früheres Vorbringen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Patentamt hat dem Antrag auf Einsichtnahme in die Erfinderbenennung zu Recht stattgegeben. Die Antragstellerin kann insoweit ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht geltend machen, das die Interessen an der Geheimhaltung der Erfinderbenennung überwiegt.

Wenn – wie im vorliegenden Fall – der Erfinder gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3 [X.] seine Nichtnennung beantragt hat, kann gemäß § 31 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 [X.] Einsicht in die Erfinderbenennung ohne Zustimmung des [X.] nur gewährt werden, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird (vgl. [X.]/Rudloff-Schäffer, [X.], 8. Aufl., § 31 Rn. 35). Vom Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Akteneinsicht in die Erfinderbenennung ist im Allgemeinen dann auszugehen, wenn die Kenntnis von der Person des benannten Erfinders den Antragsteller in die Lage versetzen kann, Maßnahmen zu ergreifen, die er im Falle der Unkenntnis nicht ergreifen könnte, und wenn diese Kenntnis des Antragstellers höher zu bewerten ist als das [X.] (B[X.]E 40, 33, 35). Die Möglichkeit, dass die Akteneinsicht die Rechtsposition des Antragstellers beeinflussen könnte, ist grundsätzlich ausreichend ([X.] 1994, 121, 122 - Akteneinsicht [X.]). Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn ein Antragsteller hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass das streitige Patent für eine Erfindung erteilt wurde, zu deren Inanspruchnahme er als ehemaliger Arbeitgeber des Erfinders nach den [X.] über [X.] berechtigt gewesen wäre (B[X.]E 23, 278, 279; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 16. Dezember 2010, 10 W (pat) 27/09 und vom 20. Februar 2003 , 10 W (pat) 34/02, beide veröffentlicht in juris).

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin das Vorliegen eines berechtigten Interesses glaubhaft dargelegt. Sie hat gegen die Erteilung des hier gegenständlichen Patents Einspruch erhoben und die Begründung darauf gestützt, es handele sich bei der dem Patent zugrunde liegenden Erfindung um eine anmeldepflichtige Diensterfindung. Der Ausgang des [X.] ist demnach davon abhängig, dass es sich bei der Anmeldung um eine Diensterfindung des Ehemannes der Patentinhaberin handelt, zu deren Inanspruchnahme die Antragstellerin auch berechtigt ist. Insofern hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an der nachgesuchten Information.

Die von der Antragstellerin vorgetragenen und nicht bestrittenen Tatsachen erscheinen auch glaubhaft. Danach war [X.], bei dem es sich um einen Diplom-Ingenieur handelt, zum Zeitpunkt der Anmeldung der Erfindung bei der Antragstellerin als Betriebsleiter für die von der [X.] unterhaltene Kläranlage beschäftigt und in dieser Funktion damit betraut, sich mit den damit in Zusammenhang stehenden technischen Problemen zu befassen. In der Vergangenheit hat [X.] verschiedene Erfindungen auf dem betreffenden Gebiet getätigt und angemeldet, wobei die Schiedsstelle nach dem Gesetz für [X.] in einem der Fälle das Vorliegen einer Diensterfindung festgestellt hat.

Es sprechen demnach erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass [X.] auch im vorliegenden Fall Erfinder sein könnte. Bereits dieser Umstand begründet ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme. Sollte nämlich [X.] in der Anmeldung als Erfinder benannt worden sein, wäre dies ein wichtiges Indiz dafür, dass er tatsächlich auch der Erfinder ist. Aus diesem Grund hat die Erlangung der die Erfindernennung betreffenden Kenntnis möglicherweise Auswirkungen auf den Verlauf und das Ergebnis des anhängigen [X.] und somit auch auf die dort von den Beteiligten zu ergreifenden Maßnahmen.

Dies gilt unabhängig davon, dass im Einspruchsverfahren die Feststellung einer anderen Person als Erfinder – selbst wenn [X.] in der Anmeldung als Erfinder benannt sein sollte - nicht ausgeschlossen ist. Es ist nicht Aufgabe des vorliegenden, lediglich die Frage der Akteneinsicht betreffenden Verfahrens, die Frage, wer tatsächlich Erfinder ist, abschließend zu klären. Insbesondere kommt es hier auf die Prüfung und Bewertung des Vortrags der Antragsgegnerin, wonach sie (zusammen mit [X.]) die Erfindung ausgearbeitet habe, nicht an. Entscheidend ist allein, dass es die von der Antragstellerin glaubhaft vorgebrachten Gründe plausibel erscheinen lassen, dass der Ehemann der Antragsgegnerin Erfinder sein könnte.

Aus diesem Grund kann die Antragsgegnerin kein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Erfinderbenennung geltend machen, dass höher zu bewerten wäre als das Interesse der Antragstellerin an der Einsichtnahme (zu der hier vorzunehmenden Interessenabwägung vgl. B[X.]E 40, 33; [X.] in: [X.], [X.], [X.], [X.], 4. Aufl., § 31 Rn. 29). Der Antragsgegnerin bleibt es – unabhängig davon, wer in den Anmeldungsunterlagen als Erfinder benannt ist – in jedem Fall unbenommen, ihre eigene [X.] im Einspruchsverfahren darzulegen und entsprechende Nachweise dafür zu liefern.

[X.]

Die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 [X.] der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Weil es sich bei dem Verfahren über die Akteneinsicht um ein echtes Streitverfahren handelt, entspricht es billigem Ermessen, der unterlegenen Beteiligen die Verfahrenskosten aufzuerlegen (siehe [X.] - Akteneinsicht [X.]).

Meta

10 W (pat) 1/12

13.06.2013

Bundespatentgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.06.2013, Az. 10 W (pat) 1/12 (REWIS RS 2013, 5043)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5043

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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