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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Ausschluß von bei Betriebsratswahlen auf einer konkurrierenden Liste kandidierenden Gewerkschaftsmitgliedern
Leitsatz:
Zur Frage, ob § 20 Abs. 2 [X.] es einer [X.] verbietet, Mitglieder auszuschließen, die bei [X.] auf einer konkurrierenden Liste kandidieren.
[X.]
- 1 BvR 123/93 -
der I..., vertreten durch den Vorstand,
dieser vertreten durch den Vorsitzenden und den Kassierer
S.,
gegen a) | den Beschluß des
[X.] vom 10. Januar 1994 - [X.] -, |
b) | das Urteil des
O[X.]landesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Dezem[X.] 1992 - 11 U 58/92 -, |
c) | das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 21. Mai 1992 - 2/20 O 234/91 - |
hat das [X.] - Erster Senat - unter Mitwirkung des
Vizepräsidenten Papier,
[X.],
Kühling,
der Richterin [X.],
der Richter Hömig,
[X.]
und der Richterin Hohmann-Dennhardt
am 24. Februar 1999 beschlossen:
Der Beschluß des [X.] vom 10. Januar 1994 - [X.] -, das Urteil des O[X.]landesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Dezem[X.] 1992 - 11 U 58/92 - und das Urteil des [X.] vom 21. Mai 1992 - 2/20 O 234/91 -, verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 9 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das [X.]zurückverwiesen.
Die [X.] und das [X.] haben der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
[X.] betrifft die Frage, ob eine [X.] Mitglieder ausschließen darf, die bei [X.] auf einer konkurrierenden Liste kandidieren.
Die beschwerdeführende [X.] wendet sich mit ihrer [X.]beschwerde gegen zivilgerichtliche Entscheidungen, durch die die Unwirksamkeit von Verbandsmaßnahmen (Ausschlüssen und Funktionsverboten) festgestellt wurde. Die Sanktionen waren gegen Mitglieder der Beschwerdeführerin verhängt worden, die bei [X.] auf einer Liste kandidiert hatten, die mit der von der Beschwerdeführerin aufgestellten konkurrierte.
1. Zur Wahl von Betriebsräten können neben den wahl[X.]echtigten Arbeitnehmern auch die im Betrieb vertretenen [X.]en Wahlvorschläge machen (§ 14 Abs. 5 des [X.]es in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Dezem[X.] 1988 <BGBl 1989 I S. 1, [X.]. S. 902>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. März 1997 <[X.]>; im folgenden: [X.]). [X.]wird in § 20 Abs. 1 und 2 [X.] wie folgt geregelt:
(1) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats behindern. Insbesondere darf kein Arbeitnehmer in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden.
(2) Niemand darf die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen.
[X.] gilt auch für die im Betrieb vertretenen [X.]en. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] folgt daraus, daß sie ihre Mitglieder nicht mit verbandsinternen Sanktionen belegen dürfen, wenn diese bei [X.] auf einer konkurrierenden Liste kandidieren, dabei a[X.] keine grundlegend gewerkschaftsfeindlichen Positionen vertreten (vgl. [X.], 314 ff.; 102, 265 ff.; NJW 1991, [X.]).
2. Alle neun Kläger des Ausgangsverfahrens (im folgenden: Kläger), sämtlich Mitglieder der Beschwerdeführerin, waren bei einer Automobilfabrik beschäftigt. Die Kläger zu 1) bis 6) waren dort Betriebsräte. [X.] lehnten sie es in der Folge von Meinungsverschiedenheiten mit der Beschwerdeführerin ü[X.] deren Politik gegenü[X.] dem Arbeitge[X.] ab, auf der Liste der Beschwerdeführerin erneut für den Betriebsrat zu kandidieren, und beantragten bei der Beschwerdeführerin die Genehmigung einer zweiten Liste. Als sie dies nicht erreichten, kandidierten sie zusammen mit den Klägern zu 7) bis 9) auf einer Liste "Alternative Metaller", für die sie mit Plakaten, Flugblättern und mehrseitigen Anzeigen unter Hinweis auf ihre eigene [X.]szugehörigkeit warben. Der Vorstand der Beschwerdeführerin beschloß nach Durchführung des in ihrer Satzung vorgeschriebenen Untersuchungsverfahrens, die Kläger zu 1), 2), 5) und 6) auszuschließen und die anderen Kläger bis zum 30. April 1994 mit einem befristeten [X.]zu belegen. Der Kontrollausschuß der Beschwerdeführerin wies die dagegen gerichteten Beschwerden zurück.
3. Die gegen die Verbandsmaßnahmen gerichteten Feststellungsklagen waren in allen Instanzen erfolgreich. Das O[X.]landesgericht gab in wesentlicher Ü[X.]einstimmung mit dem Landgericht der Klage mit der Begründung statt, die Maßnahmen verstießen gegen § 20 Abs. 2 [X.] und seien deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam. Das Verhalten der Beschwerdeführerin stelle eine unzulässige Beeinflussung der [X.] dar. Darü[X.] hinaus werde das [X.] (§ 14 Abs. 5 [X.]) und das passive Wahlrecht (§ 8 Abs. 1 [X.]) der Kläger eingeschränkt. Deren Kandidatur auf einer eigenen Liste bedeute keine grundsätzliche Gegnerschaft zur Beschwerdeführerin und sei daher von dieser zu dulden. Nur wenn die Kläger die Grundordnung der Beschwerdeführerin in Frage gestellt oder deren Zielsetzung bekämpft hätten, wären die Sanktionen [X.]echtigt gewesen. Die [X.]smitgliedschaft dürfe grundsätzlich kein Hindernis bilden, auf einer anderen als der gewerkschaftlich unterstützten Liste zu kandidieren, wenn das Mitglied der Ansicht sei, dies diene eher dem Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs. Die [X.]en hätten kein Anrecht darauf, bei [X.] ausschließlich durch von ihnen selbst ausgesuchte Bewer[X.] vertreten zu werden. Daran ändere auch ihr [X.] nichts.
Der [X.] nahm die von der Beschwerdeführerin eingelegte Revision nicht an. Die Instanzgerichte seien seiner ständigen Rechtsprechung gefolgt.
Mit ihrer [X.]beschwerde macht die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend. Dieses Grundrecht schütze ihre koalitionsmäßige Betätigung auch im Bereich der Betriebsverfassung. Gestützt auf ein eigenes Vorschlagsrecht zur [X.], nehme sie auch im Rahmen der Betriebsverfassung eigene gewerkschaftliche Interessen wahr. Die streitigen Ausschlüsse und Funktionsverbote seien daher keine unzulässige Wahlbeeinflussung. Eine Kandidatur ihrer Mitglieder auf konkurrierenden Listen brauche sie nicht hinzunehmen.
Der Staat dürfe die Koalitionen nicht durch gesetzliche Konkurrenzeinrichtungen aus ihrem Tätigkeits[X.]eich verdrängen; deswegen müsse der Beschwerdeführerin ein maßgeblicher Einfluß auf alle Mitbestimmungseinrichtungen eingeräumt werden. Da die Kandidaten nach [X.] Regeln aufgestellt worden seien und alle Mitglieder die gleiche Wahlchance gehabt hätten, seien die streitigen Maßnahmen zulässig. Die [X.]en könnten im [X.] nur durch ihre Mitglieder handeln. Deren Lenkung sei daher Lenkung der eigenen Betätigung. Die [X.]en seien mithin keine Dritten im Sinne des § 20 [X.].
Zu der [X.]beschwerde haben die [X.], der [X.], der Deutsche [X.]sbund ([X.]), der Christliche [X.]sbund Deutschlands und die Kläger Stellung genommen.
1. Die [X.] hält die Abwägung des [X.] zwischen dem Recht der Koalition aus Art. 9 Abs. 3 GG und dem Wahlschutz des [X.]es für vertretbar, soweit es um den Ausschluß der davon betroffenen Kläger geht. Die [X.]en verträten auch im Bereich der Betriebsverfassung vor allem die Interessen ihrer Mitglieder. Der Betriebsrat nehme dagegen im Rahmen der Betriebsverfassung die Interessen aller Arbeitnehmer des Betriebes wahr. Bei seiner Amtsausübung unterliege er dem Gebot der gewerkschaftlichen Neutralität. Die unterschiedlichen Aufgaben von [X.] und [X.] gleiche das Gesetz dadurch aus, daß es den [X.]en bestimmte Einflußmöglichkeiten zubillige. Diese Einflußmöglichkeiten könnten durch § 20 Abs. 2 [X.] im Sinne der Rechtsprechung der Zivilgerichte ohne [X.]verstoß eingeschränkt werden. In den Kern[X.]eich des Art. 9 Abs. 3 GG werde durch diese Rechtsprechung nicht eingegriffen.
Es sei zweifelhaft, ob der [X.]sausschluß ü[X.]haupt ein taugliches und erforderliches Mittel zur Abwehr der Konkurrenz durch eigene Mitglieder sei. Die Bildung und Kundgabe interner Opposition sei erfahrungsgemäß auf diesem Weg nicht zu verhindern. Welchen Einfluß konkurrierende Wahlvorschläge von [X.]smitgliedern auf die Wahlchancen der gewerkschaftseigenen Liste hätten, sei nicht dargelegt worden.
Die uneingeschränkte Wahrung der Verbandssolidarität sei keine notwendige Voraussetzung für die Fähigkeit der Beschwerdeführerin, an der Arbeit des Betriebsrats mitzuwirken. Ihre Durchsetzungskraft werde durch eine Verselbständigung einzelner Mitglieder bei den [X.] ersichtlich nicht beeinträchtigt. Trotz der seit rund 30 Jahren feststehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung seien Mißstände und Unzuträglichkeiten nicht aufgetreten. Jedenfalls habe die Beschwerdeführerin dazu nichts vorgetragen. Daß die [X.]en infolge der konkurrierenden Listen möglicherweise weniger Stimmen erhalten hätten, sei unbedenklich. Der Umfang ihres innerbetrieblichen Einflusses werde durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht geschützt.
Soweit in den angegriffenen Entscheidungen auch Funktionsverbote für unzulässig erklärt würden, werde Art. 9 Abs. 3 GG verletzt. Dieses Grundrecht schütze die interne Selbstbestimmung der Koalition. Dazu gehöre auch die Befugnis, ein Mitglied zum [X.] zu bestellen. Würden die [X.]en daran gehindert, bestimmte Tatbestände zum satzungsgemäßen Anlaß für einen Funktionsentzug oder eine Sperre zu wählen, so werde ihr Selbstbestimmungsrecht in einer Weise eingeschränkt, die mit den schutzbedürftigen Belangen des Betriebes nicht zu rechtfertigen sei. Die [X.]en seien befugt, Ü[X.]tragung und Innehabung solcher Ämter an eine besondere Loyalität der Amtsinha[X.] zu knüpfen. Anderenfalls wären die Geschlossenheit der Koalition nach außen und ihre Durchsetzungsfähigkeit auch in Tarifauseinandersetzungen in Frage gestellt.
2. Der [X.] weist auf seine ständige Rechtsprechung hin, nach der es den [X.]en gemäß § 20 Abs. 2 [X.] verwehrt sei, ein Mitglied allein deswegen zu maßregeln, weil es bei [X.] auf einer konkurrierenden Liste kandidiert habe.
3. Der [X.] macht geltend, durch das 1989 eingeführte [X.] der [X.]en habe der Gesetzge[X.] deren Einfluß im Betrieb verstärkt. Die Wirksamkeit der Arbeitnehmerkoalitionen hänge wesentlich von der Geschlossenheit der wahl[X.]echtigten Mitglieder und vom Abschneiden ihrer Liste ab. Die Unterstützung anderer Wählerlisten durch die eigenen Mitglieder stelle einen empfindlichen Angriff auf die gewerkschaftliche Geschlossenheit dar.
Es verstoße daher gegen Sinn und Zweck der Koalitionsfreiheit, den [X.]en das Recht abzusprechen, Mitglieder, die auf einer freien oder neutralen Liste kandidierten, auszuschließen. § 20 Abs. 2 [X.] müsse im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG einschränkend ausgelegt werden. Das gelte jedenfalls dann, wenn die Kandidaten in einem [X.] Verfahren aufgestellt würden und die opponierenden Mitglieder dabei zu Worte kämen. Dies sei geschehen.
4. Der Christliche [X.]sbund Deutschlands hält die [X.]beschwerde für unbegründet. Der Bundesgesetzge[X.] habe mit § 20 Abs. 2 [X.] den innerbetrieblichen Belangen Vorrang vor den Belangen der Koalitionen eingeräumt. Die Beschwerdeführerin vertrete nach eigenem Verständnis alle Arbeitnehmer in ihrer Branche. Dann a[X.] müsse sie auch kritische Mitglieder in ihren Reihen dulden, wenn diese bei der [X.] auf anderen, neutralen Listen kandidierten. Art. 9 Abs. 3 GG schütze nicht die Idee der Einheitsgewerkschaft.
5. Die Kläger verteidigen die angegriffenen Entscheidungen. Sie seien der Beschwerdeführerin nach wie vor verbunden und hätten nach der Entscheidung des O[X.]landesgerichts ihre gewerkschaftliche Arbeit ohne Beanstandungen fortgesetzt. Ihre Kandidatur habe keinen gewerkschaftsschädigenden Charakter gehabt. [X.]sfeindliche oder diffamierende Angriffe seien bei den streitigen Wahlen nicht vorgekommen. Bei den damaligen Auseinandersetzungen sei es allein um betriebliche Belange und die Politik der Betriebsratsmehrheit gegangen. In zahlreichen anderen Betrieben dulde die Beschwerdeführerin konkurrierende Listen von [X.]. Durch die Auslegung von § 20 Abs. 2 [X.], auf der die angegriffenen Entscheidungen [X.]uhten, werde die Beschwerdeführerin weder in ihrer betrieblichen noch in ihrer ü[X.]betrieblichen Arbeit behindert.
[X.] ist zulässig. Das gegenü[X.] den Klägern zu 3), 4), 7), 8) und 9) ausgesprochene Funktionsverbot hat sich zwar inzwischen durch Zeitablauf erledigt. Die Beschwerdeführerin hat a[X.] auch insoweit ein Rechtsschutzinteresse an einer Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen. Ihre Verbandsautorität bleibt in jedem Fall beeinträchtigt. Außerdem hat sie ein Interesse an einer Klärung der verfassungsrechtlichen Rechtslage für den Wiederholungsfall.
[X.] ist begründet. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrer Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) verletzt.
1. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet jedermann das Recht, zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden. Die individualrechtliche Gewährleistung setzt sich nach feststehender Rechtsprechung des [X.]s in einem Freiheitsrecht der Koalitionen selbst fort. Es schützt ihren Bestand und ihre Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte. Geschützt sind ferner die Selbstbestimmung der Koalitionen ü[X.] ihre innere Ordnung sowie ihre Tätigkeiten zum Zwecke der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder (vgl. [X.] 50, 290 <373>; 84, 212 <224>; 93, 352 <357>; 94, 268 <282 f.>). In den Schutz[X.]eich des [ref=eba306f8-40ed-43a7-a283-[X.]. 9 Abs. 3 [X.]] fallen damit auch Maßnahmen zur Aufrechterhaltung ihrer Geschlossenheit nach innen und außen. Dieser Schutz ist nicht von vornherein auf einen Kern[X.]eich koalitionsmäßiger Betätigung beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (vgl. [X.] 93, 352 <358 ff.>).
Indem die angegriffenen Entscheidungen die Beschwerdeführerin daran hindern, ihre innere Geschlossenheit durch verbandsinterne Sanktionen zu wahren, wird diese in ihrem Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt.
2. a) § 20 Abs. 2 [X.], auf den die Gerichte ihre Entscheidungen gestützt haben, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gerichte haben jedoch bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift die Ausstrahlungswirkung von Art. 9 Abs. 3 GG zu beachten. Feststellung und Würdigung des Sachverhalts sowie Auslegung und Anwendung des Rechts bleiben allerdings grundsätzlich Sache der Fachgerichte. Das [X.] hat auf eine [X.]beschwerde hin nur zu prüfen, ob die angegriffenen Entscheidungen Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutz[X.]eichs, [X.]uhen (vgl. [X.] 18, 85 <92 f.>).
b) Die Gerichte haben Bedeutung und Tragweite des Art. 9 Abs. 3 GG verkannt. Sie gehen im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des [X.] (vgl. etwa [X.], 314; NJW 1981, [X.]) davon aus, daß die Koalitionsfreiheit nur in ihrem Kern[X.]eich durch [ref=0e29b5f5-825f-4a90-99f7-8ce76d1e6be1]Art. 9 Abs. 3 [X.]] geschützt ist, und sehen diesen durch ihre Auslegung des § 20 Abs. 2 [X.] nicht als verletzt an. Das wird weder im Ansatz noch in der fallbezogenen Würdigung der Bedeutung und Tragweite des Art. 9 Abs. 3 GG gerecht.
aa) Die Reduzierung des Schutzes von [ref=1a7a42f2-3933-49ba-9c79-242537e3f2ce]Art. 9 Abs. 3 [X.]] auf einen Kern[X.]eich [X.]uht, wie das [X.] inzwischen klargestellt hat, auf einem Mißverständnis seiner Rechtsprechung (vgl. [X.] 93, 352 <358 ff.>). Vielmehr müssen in jedem Fall die Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung und das Gewicht der entgegenstehenden Rechtsgüter abgewogen werden. A[X.] selbst von ihrem Standpunkt aus hätten die Gerichte die Koalitionsfreiheit der Beschwerdeführerin wohl anders werten müssen. Das Verbot einer Maßregelung von Mitgliedern, die bei [X.] auf einer konkurrierenden Liste kandidieren, beeinträchtigt dieses Freiheitsrecht der Beschwerdeführerin nachhaltig.
bb) Die Beeinträchtigung trifft die Beschwerdeführerin empfindlich. Die Selbstbestimmung der Koalitionen ü[X.] ihre innere Ordnung ist ein wesentlicher Teil der Koalitionsfreiheit. Das Prinzip der freien [X.] Gruppenbildung ist, wie das [X.] im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 1 GG ausgeführt hat, konstituierend für die [X.] und rechtsstaatliche Ordnung des Grundgesetzes (vgl. [X.] 50, 290 <353>). Für Koalitionen im Sinne von Art. 9 Abs. 3 GG sind die Solidarität ihrer Mitglieder und ein geschlossenes Auftreten nach außen von besonderer Bedeutung. Vor allem darauf [X.]uht ihre Fähigkeit, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder wirksam zu fördern und zu wahren. [X.]steht von [X.] wegen nur solchen Koalitionen zu, die in der Lage sind, den von der staatlichen Rechtsordnung freigelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu gestalten. Voraussetzungen dafür sind die Geschlossenheit der Organisation und die Durchsetzungskraft gegenü[X.] dem [X.] Gegenspieler (vgl. [X.] 58, 233 <248 f.> m.w.N.). [X.] gehört zum Wesen der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionen ([X.] 18, 18 <28>). [X.] Regularien, die diese Voraussetzungen sicherstellen sollen, sind daher zentrales Schutzgut des Art. 9 Abs. 3 GG.
Auch im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung fördern die [X.]en die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder und nehmen damit eine verfassungsrechtlich geschützte Funktion wahr. Seit 1989 gibt ihnen das [X.] (§ 14 Abs. 5) das Recht, sich an den [X.] mit eigenen Listen zu beteiligen. Die Glaubwürdigkeit ihrer [X.] und das Vertrauen in ihre Durchsetzungsfähigkeit hängen wesentlich von dem Eindruck ihrer Geschlossenheit ab. Konkurrierende Listen eigener Mitglieder wirken dem entgegen. Die abträgliche Wirkung strahlt auf das Gesamtbild der [X.] ab und [X.]ührt damit auch das Vertrauen in ihre Durchsetzungsfähigkeit bei Tarifauseinandersetzungen.
cc) Allerdings tritt das Recht der Beschwerdeführerin aus Art. 9 Abs. 3 GG in Widerstreit mit der individuellen Koalitionsfreiheit ihrer Mitglieder und kann hierbei Beschränkungen erfahren; denn auch das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG kann zum Schutz anderer verfassungsrechtlich begründeter Positionen, insbesondere zum Ausgleich konkurrierender Positionen desselben Grundrechts, eingeschränkt werden (vgl. [X.] 84, 212 <228>).
Dem Schutz der individuellen Koalitionsfreiheit der [X.]smitglieder kommt hier jedoch nur geringes Gewicht zu. Sie haben sich mit ihrem Beitritt zur [X.] freiwillig deren Satzungsautonomie unterworfen und die Verbindlichkeit ordnungsgemäß zustande gekommener Beschlüsse anerkannt. Im Gegenzug hatten sie die Gelegenheit, sich an der gewerkschaftsinternen Willensbildung zu beteiligen und so selbst auf deren Entscheidungen Einfluß zu nehmen. Der Wahlvorschlag der Beschwerdeführerin wird nach den Richtlinien der Beschwerdeführerin für die Vertrauensleutearbeit vom Vertrauenskörper unter der Leitung der Ortsverwaltung aufgestellt und beschlossen. Der Vertrauenskörper besteht aus den Vertrauensleuten, die auf [X.] von den Mitgliedern der Beschwerdeführerin gewählt werden. Die den Klägern wie allen Mitgliedern obliegende Solidaritätspflicht gegenü[X.] den in satzungsgemäßen Verfahren zustande gekommenen Entscheidungen der Beschwerdeführerin ist vom Zweck der Koalition her sachlich begründet. Sie gilt wie dargelegt auch im Rahmen der Beteiligung der [X.] an der betrieblichen Mitbestimmung und dient letztlich auch der Förderung der Interessen der Kläger. Verstöße gegen die Solidaritätspflicht dürfen deshalb grundsätzlich zu verbandsinternen Sanktionen führen, ohne daß die individuelle Koalitionsfreiheit der betroffenen Mitglieder dadurch von vornherein verletzt wird. Dies gilt auch für den in § 20 Abs. 2 [X.] gewährten Schutz vor unzulässiger Wahlbeeinflussung.
Die mit § 20 Abs. 2 [X.] verfolgten Ziele sind zwar geeignet, die Position der Kläger zu verstärken. Sie wiegen a[X.] in der vorliegenden Konstellation nicht besonders schwer. Das in § 20 Abs. 2 [X.] enthaltene generelle Verbot, die [X.] weder durch die Zufügung oder Androhung von Nachteilen noch durch die Gewährung oder das Versprechen von Vorteilen zu beeinflussen, dient der Integrität der [X.]. Diese soll frei und ungehindert durchgeführt werden. Die Ausübung des passiven und des aktiven Wahlrechts soll allein auf der freien Entscheidung der Betriebsangehörigen [X.]uhen und keiner Steuerung von dritter Seite unterliegen (vgl. BTDrucks I/1546, S. 43; BTDrucks I/3585, S. 5; [X.], in: Däubler/Kittner/[X.] <Hrsg.>, [X.], 6. Aufl., 1998, § 20 Rn. 1; Fitting/[X.]/Heither/[X.], [X.], 19. Aufl., 1998, § 20 Rn. 1).
[X.] hat für sich genommen erhebliches Gewicht. Der Betriebsrat repräsentiert die gesamte Belegschaft und nimmt die Belange aller Beschäftigten wahr. Freie und unbehinderte Wahlen sind dafür unabdingbare Voraussetzung.
Das hier streitige Maßregelverbot ist diesem Ziel förderlich, indem es die betriebsangehörigen Mitglieder der Beschwerdeführerin bei der Ausübung ihres passiven Wahlrechts auch von einer Rücksichtnahme auf ihre Verbandssolidarität freistellt. Für das gesetzge[X.]ische Ziel, die Glaubwürdigkeit und Legitimität der Wahl zu sichern, ist diese Ungebundenheit jedoch weniger bedeutsam. Zwar kann die Drohung mit einem Ausschluß oder einem Funktionsverbot die Entscheidung zur Kandidatur bei den [X.] beeinflussen. Dies nimmt dem Wahlakt a[X.] nicht [X.]. Denn der Gesetzge[X.] selbst hat den [X.]en eine aktive Rolle bei der [X.] eingeräumt. Dieser Rolle entspricht es, daß die [X.]en dabei geschlossen auftreten und diese Geschlossenheit auch mit verbandsinternen Sanktionen zu verteidigen suchen.
3. Die angegriffenen Entscheidungen sind aufzuheben. Die Sache ist an das [X.]zurückzuverweisen. Es läßt sich nicht ausschließen, daß das Gericht bei Berücksichtigung der dargelegten Abwägungsgesichtspunkte zu einem anderen Ergebnis kommt.
Papier | Grimm | Kühling |
[X.] | Hömig | [X.] |
Hohmann-Dennhardt |
Meta
24.02.1999
Sachgebiet: BvR
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 24.02.1999, Az. 1 BvR 123/93 (REWIS RS 1999, 11)
Papierfundstellen: REWIS RS 1999, 11 BVerfGE 100, 214-225 REWIS RS 1999, 11
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 BvR 2130/98 (Bundesverfassungsgericht)
Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Unterschriftenquoren bei Wahlen von Arbeitnehmervertretern zum Aufsichtsrat (§ 12 Abs. …
1 BvF 2/86, 1 BvF 1/87, 1 BvF 2/87, 1 BvF 3/87, 1 BvF 4/87, 1 BvR 1421/86 (Bundesverfassungsgericht)
Kurzarbeitergeld
1 BvF 2/86, 1 BvF 1/87, 1 BvF 2/87, 1 BvF 3/87, (Bundesverfassungsgericht)
Zahlung von Lohnersatzleistungen (Kurzarbeitergeld) bei regional beschränkten Arbeitskämpfen an Arbeitnehmer derselben Branche in anderen Tarifbezirken
1 BvR 1571, 1588, 2883/15, 1043, 1477/16 (Bundesverfassungsgericht)
Teilweise Verfassungswidrigkeit des Tarifeinheitsgesetzes vom 3. Juli 2015 ( Art. 9 Abs. 3 GG)
1 BvR 1213/85 (Bundesverfassungsgericht)
Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen