Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.06.2011, Az. X B 255/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 5703

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Gegenstand

Keine Betriebsaufspaltung bei Einstimmigkeitsprinzip in der Besitz-GbR


Leitsatz

1. NV: Überlässt eine GbR, an der Eheleute zu je 1/2 beteiligt sind, eine wesentliche Betriebsgrundlage an eine GmbH, an der allein der Ehemann beteiligt ist, erfüllt dies mangels personeller Verflechtung nicht die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung.

2. NV: Eine den Grundsätzen des § 710 BGB entsprechende Übertragung der gesamten GbR-Geschäftsführungsbefugnis durch den nicht an der GmbH beteiligten Ehegatten auf den anderen Ehegatten ist nicht gegeben, wenn der nicht an der GmbH beteiligte Ehegatte jeweils nur von Fall zu Fall stillschweigend sein Einverständnis mit Geschäftsführungsentscheidungen des anderen Ehegatten erklärt.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sowie ihr im [X.] verstorbener [X.]hemann ([X.]) erwarben am 23. Juni 1998 zu je ½ ein Grundstück, das sie in der Folgezeit bebauten. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass zwischen der Klägerin und [X.] eine GbR bestand. Ab dem [X.] wurden Teile des Gebäudes an eine GmbH vermietet, deren alleiniger Gesellschafter und einziger Geschäftsführer [X.] war. Mit notariell beurkundetem [X.] übertrugen die Klägerin und [X.] das [X.]igentum an dem Grundstück mit sofortiger Wirkung auf ihren [X.] ([X.]). Dieser übernahm als Gegenleistung die mit 876.653,49 € valutierenden Verbindlichkeiten. Gleichzeitig übertrug [X.] 50 % der GmbH-Anteile auf [X.].

2

In ihren [X.]inkommensteuererklärungen für die Jahre 2000 bis 2004 erklärten die Klägerin und [X.] aus der Nutzungsüberlassung an die GmbH [X.]inkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) folgte dem. Im angefochtenen geänderten [X.]inkommensteuerbescheid für das [X.]treitjahr 2004 vom 16. Januar 2007 beurteilte das [X.] die Grundstücksübertragung als privates Veräußerungsgeschäft und ermittelte einen Gewinn von 86.683,80 €.

3

Im [X.]inspruchs- und Klageverfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, die Grundstücksvermietung sei von Anfang an im Rahmen einer Betriebsaufspaltung erfolgt. Da der anlässlich der Grundstücksübertragung auf [X.] entstandene Gewinn die Freibeträge nach § 16 Abs. 4 des [X.]inkommensteuergesetzes nicht übersteige, falle aus diesem Vorgang keine [X.]teuer an. Neben der sachlichen Verflechtung sei auch die personelle Verflechtung gegeben. Zwar gelte in der GbR grundsätzlich das [X.]instimmigkeitsprinzip; hier habe es zwischen der Klägerin und [X.] aber die mündliche Absprache gegeben, dass [X.] alle [X.]ntscheidungen hinsichtlich des Grundstücks habe treffen können. Damit sei die [X.] gemäß § 710 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf [X.] übertragen worden. Der Klägerin hätten hingegen die Verwaltungsaufgaben oblegen. [X.]ie habe dem [X.] in allen Fragen rund um das Objekt beratend zur [X.]eite gestanden und [X.] in kaufmännischer Hinsicht unterstützt, jedoch "im Rahmen ihres rechtlich zustehenden [X.]" keine einzige [X.]ntscheidung des [X.] blockiert.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Annahme einer personellen Verflechtung scheitere schon an dem in der GbR gesetzlich geltenden [X.]instimmigkeitsprinzip, da die Klägerin nicht an der GmbH beteiligt gewesen sei. [X.]ine ausdrückliche --wenn auch mündliche-- Abrede über die Übertragung der [X.] auf [X.] habe nicht festgestellt werden können. Zwar könne eine solche Übertragung auch konkludent erfolgen; dies gelte aber nicht zwischen nahen Angehörigen, wo Verträge wegen des fehlenden Interessengegensatzes von vornherein klar und eindeutig geschlossen werden müssten. Die Klägerin habe lediglich von Fall zu Fall stillschweigend ihr [X.]inverständnis mit den [X.]ntscheidungen des [X.] erklärt. [X.]s sei auch kein Fall der personellen Verflechtung kraft faktischer Beherrschung der GbR durch [X.] gegeben. Denn die kaufmännische und beratende Tätigkeit der Klägerin habe es dieser jederzeit ermöglicht, den [X.]ntscheidungen des [X.] zu widersprechen. Auch wenn sie dies nicht getan habe, habe sie ihre [X.]influssmöglichkeiten ausgeübt, indem sie sich mit dem Handeln des [X.] einverstanden erklärt habe. Dass die Klägerin keine Möglichkeit einer abweichenden [X.]ntscheidung gehabt hätte, sei nicht erkennbar.

5

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. [X.] sei, ob eine Betriebsaufspaltung auch dann, wenn der Alleingesellschafter der Betriebs-GmbH nur zu 50 % an der [X.] beteiligt sei, durch eine unter nahen Angehörigen getroffene konkludente Übertragung der [X.] nach § 710 BGB begründet werden könne.

6

Das [X.] hält die Beschwerde für jedenfalls unbegründet. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage sei bereits nicht entscheidungserheblich, da auch eine Übertragung der [X.] nichts daran ändern würde, dass [X.] nur zu 50 % --und damit nicht beherrschend-- an der GbR beteiligt gewesen sei. Auf die Frage, ob das gesetzliche [X.]instimmigkeitsprinzip durch eine Übertragung der [X.] abbedungen werden könne, komme es danach nicht mehr an.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

8

Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) liegt --jedenfalls im [X.] nicht vor.

9

a) Allerdings könnten bei isolierter Betrachtung möglicherweise rechtliche Bedenken gegen die Auffassung des [X.] bestehen, zwischen nahen Angehörigen seien konkludent getroffene Vereinbarungen über die Übertragung der [X.] nach § 710 BGB der Besteuerung in keinem Fall zugrunde zu legen. Aus diesen rechtlichen Bedenken könnte möglicherweise auch die von der Klägerin angenommene grundsätzliche Bedeutung der entsprechenden Rechtsfrage folgen.

b) Gleichwohl muss die Beschwerde ohne [X.]rfolg bleiben, da diese Rechtsfrage auf der Grundlage der weiteren Feststellungen des [X.] in einem künftigen Revisionsverfahren im Streitfall nicht entscheidungserheblich wäre, so dass es an der erforderlichen Klärungsfähigkeit fehlt (vgl. hierzu u.a. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 14. November 2005 [X.], [X.], 305, unter II.1.).

aa) Zum einen hat das [X.] festgestellt, dass die Klägerin stets nur von Fall zu Fall stillschweigend ihr [X.]inverständnis mit den [X.]ntscheidungen des [X.] erklärt hat. Damit hat es gerade keine konkludente Übertragung der [X.] auf [X.] festgestellt --die es dann in möglicherweise angreifbarer Weise für steuerrechtlich unbeachtlich erklärt hätte--, sondern lediglich ein [X.]inverständnis mit [X.]inzelmaßnahmen der Geschäftsführung. Dies schließt eine von Anfang an bestehende, den Grundsätzen des § 710 BGB entsprechende Übertragung der gesamten [X.] auf [X.] aber gerade aus. Auch die Feststellungen, die das [X.] im Rahmen der Prüfung einer faktischen Beherrschung der GbR durch [X.] getroffen hat, schließen die Annahme einer konkludenten Übertragung der [X.] aus. Damit stimmt überein, dass auch die Klägerin in der Klagebegründung von einem ihr "rechtlich zustehenden Vetorecht" ausgeht.

bb) Zum anderen ist dem [X.] darin zuzustimmen, dass es auf die Rechtsfrage, ob auch zwischen [X.]hegatten eine konkludente Übertragung der [X.] steuerrechtlich zugrunde gelegt werden könnte, im Streitfall schon deshalb nicht ankommt, weil damit lediglich das für die GbR geltende gesetzliche [X.]instimmigkeitserfordernis abbedungen wäre. Demgegenüber würde die Übertragung der [X.] nichts daran ändern, dass der [X.] mit 50 % an der GbR beteiligte-- [X.] nicht als Mehrheitsgesellschafter der GbR anzusehen wäre.

In den bisherigen höchstrichterlichen [X.]ntscheidungen zur Abbedingung des [X.]instimmigkeitserfordernisses durch eine Übertragung nach § 710 BGB hatte der zum Geschäftsführer bestimmte GbR-Gesellschafter --ggf. gemeinsam mit weiteren Personen, die ebenfalls an der Betriebs-GmbH beteiligt [X.] zugleich die Anteilsmehrheit in der Besitz-GbR inne (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 24/01, BFH[X.] 202, 535, [X.] 2003, 757: Beteiligung 62,5 %; BFH-Urteil vom 24. August 2006 IX R 52/04, BFH[X.] 215, 107, [X.] 2007, 165: [X.] derjenigen Personen, die auch an der Betriebs-GmbH beteiligt sind, von zumindest 54 %). Daran fehlt es im Streitfall. Zumindest hätte die Klägerin nicht dargelegt, dass --über die bisherige Rechtsprechung hinaus-- mit einer Vereinbarung nach § 710 BGB nicht nur das [X.]instimmigkeitserfordernis abbedungen, sondern zugleich auch das steuerrechtliche [X.]rfordernis einer Mehrheitsbeteiligung an der GbR durch die die Betriebs-GmbH beherrschenden Personen überspielt werden könnte.

Meta

X B 255/10

15.06.2011

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 11. November 2010, Az: 11 K 824/08, Urteil

§ 15 Abs 2 EStG 2001, § 710 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.06.2011, Az. X B 255/10 (REWIS RS 2011, 5703)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5703

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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