Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2015, Az. VI ZR 569/13

6. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 15771

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Gegenstand

Rechtsanwaltshaftung wegen treuhänderischer Investition von Fremdkapital in ein unzulässiges Einlagengeschäft


Leitsatz

Zur Haftung eines Rechtsanwalts, der als Treuhänder aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages Kapital in einem unzulässigen Einlagengeschäft anlegt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 21. Zivilkammer des [X.] vom 8. August 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin schloss mit dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, im Oktober 2009 einen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Kündigung eines [X.] und die Verwendung des hieraus resultierenden Abrechnungsbetrags in Höhe von 6.977,73 €. Dieser Betrag wurde von dem Beklagten treuhänderisch vereinnahmt und (nach Abzug der Treuhandkosten) an die Klägerin ausgezahlt. Das restliche Kapital leitete der Beklagte vereinbarungsgemäß an die 4F. [X.] (Im Folgenden: [X.]) weiter. Nach Ablauf von zehn Jahren sollte der doppelte Betrag an die Klägerin ausgezahlt werden.

2

Die [X.] verfügte nicht über eine Erlaubnis nach § 32 KWG. Am 26. Januar 2010 wurde ihr von der [X.] ([X.]) das Betreiben eines Einlagengeschäfts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG untersagt. Über ihr Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

3

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 3.530,39 € nebst Zinsen sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] den Beklagten unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung der Klageforderung Zug um Zug gegen Abtretung der gegen die [X.] titulierten Forderung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des [X.] amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der [X.] im Zusammenhang mit dem Abschluss des "Kaufvertrages" mit der [X.], bei dem er als Vertreter der Klägerin tätig geworden sei, sittenwidrig gehandelt und dabei einen Schaden jedenfalls billigend in Kauf genommen habe.

5

Der [X.] habe in hervorgehobener Position für die [X.] gehandelt und sei in deren Vertriebssystem eingebunden gewesen. Denn er sei nicht nur als Treuhänder für die Klägerin und andere Kunden aufgetreten, sondern auch im Verhältnis zur [X.] treuhänderisch tätig und letztlich in deren Geschäftstätigkeit einbezogen gewesen. Zwar habe diese Tätigkeit nur einige Monate gedauert. Allerdings sei der [X.] zuvor bereits als Rechtsanwalt für die [X.] tätig geworden.

6

Dahinstehen könne, ob der [X.] positive Kenntnis vom Fehlen einer Erlaubnis der [X.] gehabt habe. [X.] sei ihm jedenfalls, dass er nicht in dem gebotenen Maß die rechtlichen Rahmenbedingungen des angebotenen Anlagemodells geprüft habe, obwohl sich ihm als Rechtsanwalt hätte aufdrängen müssen, dass dieses Anlagemodell ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft darstelle.

7

Der [X.] habe schließlich auch mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Er habe einen Schaden der Klägerin wegen seiner Teilnahme an dem sittenwidrigen Vertriebssystem und der fehlenden Sicherung des Anlagemodells jedenfalls billigend in Kauf genommen.

8

Wegen der eingetretenen Insolvenz der [X.] werde die Klägerin keine Auszahlung erhalten bzw. nur einen geringen Teil ihrer Einlage zurückbekommen. Soweit der [X.] vortrage, der Klägerin sei seitens der [X.] die Beteiligung an einem Blockheizkraftwerk übertragen worden, aus der sie regelmäßige Zahlungen erhalte, weshalb kein wirtschaftlicher Schaden vorliege, sei sein Vortrag unsubstantiiert.

II.

9

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme sittenwidrigen Handelns des [X.]n.

1. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Unterstützung eines objektiv unzulässigen Vertriebssystems in herausgehobener und für dieses unerlässlicher Funktion sittenwidrig, wenn der Funktionsträger sich für dieses System hat einspannen lassen und es zugleich zumindest leichtfertig unterlassen hat, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2004 - [X.], NJW 2004, 3706, 3709 f.; [X.], [X.], 325, 330 f.).

a) Eine herausgehobene und für das Vertriebssystem unerlässliche Funktion liegt etwa vor, wenn eine Person als Zeichnungsvertrauen schaffender anwaltlicher Treuhänder auftritt ([X.], aaO; bestätigt durch [X.], Urteil vom 13. September 2004 - [X.], aaO, 3710). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war dies vorliegend der Fall.

b) Das Berufungsgericht hat allerdings bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der [X.] von Seiten der [X.] in ihr Vertriebssystem hat einspannen lassen. Daran könnte es dann fehlen, wenn er erst auf Veranlassung der Klägerin als Treuhänder aufgetreten ist und nicht schon zuvor im Vertriebskonzept der [X.] hierfür vorgesehen war. Schon aus diesem Grund ist die Entscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.

c) Die berufungsgerichtlichen Feststellungen sind zudem nicht ausreichend, um hieraus eine Unzulässigkeit des Vertriebssystems der [X.] zu folgern. Das Berufungsgericht geht zwar davon aus, dass das angebotene Anlagemodell ein nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KWG erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG darstellt. Gesonderte Feststellungen hierzu hat es jedoch nicht getroffen.

aa) Allerdings tragen die übrigen Feststellungen des Berufungsgerichts die Einordnung des Anlagemodells als Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG. Danach sollten 50 Prozent des aus der Kündigung des [X.] vereinnahmten Kapitals - abzüglich der Treuhandkosten - sofort an diese ausbezahlt werden. Nach Ablauf von zehn Jahren sollte die Klägerin den doppelten Betrag des an die [X.] überwiesenen Restguthabens ausbezahlt erhalten.

Offen bleiben kann, ob ein solches Anlagemodell ein Einlagengeschäft in Form der Annahme fremder Gelder als Einlagen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 1 KWG) darstellt (vgl. hierzu Senatsurteile vom 19. März 2013 - [X.], [X.]Z 197, 1 Rn. 15 ff.; vom 23. November 2010 - [X.], [X.], 216 Rn. 15; jeweils mwN). Denn jedenfalls stellt es sich als Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 KWG) dar (ebenso [X.] Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 19. August 2010 - 6 [X.]/10, juris Rn. 23; [X.], Beschluss vom 11. März 2010 - 1 L 271/10.F, juris Rn. 26 ff.). Diese Alternative setzt - ohne dass es auf die subjektive Zweckrichtung ankommt - lediglich voraus, dass Gelder angenommen werden, diese Gelder unbedingt rückzahlbar sind und es sich um Gelder des Publikums handelt (Senatsurteil vom 23. November 2010 - [X.], aaO Rn. 17 mwN; BT-Drucks. 13/7142, [X.] f.). Im Streitfall sollte die [X.] Gelder in Form von Buchgeld von dem im Namen und für Rechnung der Klägerin handelnden [X.]n annehmen (vgl. hierzu Senatsurteile vom 19. März 2013 - [X.], aaO Rn. 18; vom 11. Juli 2006 - [X.], [X.], 1374 Rn. 17; jeweils mwN). Dabei handelte es sich um Gelder des Publikums; die Klägerin ist offensichtlich kein mit der [X.] verbundenes Unternehmen (vgl. BVerwG, [X.], 208 Rn. 12; BT-Drucks. 73/7142, [X.]). Darüber hinaus waren die Gelder auch unbedingt - einschließlich eines hundertprozentigen Zuschlags nach zehn Jahren - an die Klägerin zurückzuzahlen, da der Rückzahlungsanspruch unabhängig vom Geschäftserfolg der [X.] bestehen sollte (vgl. Senatsurteile vom 9. November 2010 - [X.] 303/09, [X.], 218 Rn. 11; vom 23. März 2010 - [X.] 57/09, [X.], 910 Rn. 17 mwN).

bb) Das Betreiben eines [X.] ohne Erlaubnis ist aber nur dann unzulässig, wenn es gewerbsmäßig oder in einem Umfang erfolgt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG). Wenngleich dies naheliegend sein mag, so fehlen hierzu doch entsprechende Feststellungen des Berufungsgerichts.

2. Für die Annahme eines Sittenverstoßes in subjektiver Hinsicht ist grundsätzlich die Feststellung erforderlich, dass der Schädiger Kenntnis von den [X.] hatte, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (Senatsurteil vom 21. April 2009 - [X.] 304/07, [X.], 942 Rn. 20 mwN; [X.], Urteile vom 24. November 1952 - [X.], [X.]Z 8, 83, 87 f.; vom 30. Januar 1953 - [X.], [X.]Z 8, 387, 393; vom 15. Juni 1987 - [X.], [X.]Z 101, 153, 159). Im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Vertriebssystems genügt jedoch, dass Funktionsträger es leichtfertig unterlassen haben, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern ([X.], Urteil vom 13. September 2004 - [X.], aaO mwN).

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem [X.]n sei vorzuwerfen, dass er nicht in dem gebotenen Maße die rechtlichen Rahmenbedingungen des angebotenen Anlagemodells geprüft habe. Für ihn als Rechtsanwalt hätte es sich aufdrängen müssen, dass es sich dabei um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft handelt. Zur Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände im Übrigen hat das Berufungsgericht darüber hinaus keine Feststellungen getroffen, weshalb auch aus diesem Grund das Urteil keinen Bestand haben kann.

III.

1. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

2. Dies gibt dem Berufungsgericht insbesondere auch Gelegenheit zur Prüfung, ob nicht bereits wegen des zwischen den Parteien geschlossenen entgeltlichen Treuhandvertrags, der als Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB zu qualifizieren ist ([X.], Urteil vom 5. Mai 1969 - [X.], [X.], 935), ein (vor-)vertraglicher Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den [X.]n gegeben ist.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] besteht bei einem Geschäftsbesorgungsvertrag - auch wenn der [X.] lediglich mit der Abwicklung eines Geschäfts betraut ist und mit dem Geschäftsherrn nicht in persönlichen Kontakt tritt - eine Pflicht zur Offenlegung von Kenntnissen insbesondere dann, wenn der eine Teil einen erkennbaren Wissensvorsprung über Umstände hat, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind ([X.], Versäumnisurteil vom 28. Juli 2005 - [X.], [X.], 1998, 2000 f.; vgl. auch [X.], Urteil vom 1. Dezember 1994 - [X.], NJW 1995, 1025, 1026; [X.], Teilurteil vom 15. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 205 Rn. 8; jeweils mwN). Eine Pflichtverletzung käme demnach im Streitfall etwa dann in Betracht, wenn der [X.] von der fehlenden Absicherung des [X.] gewusst haben sollte.

b) Ausnahmsweise steht sogar die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen - wie ggf. der Genehmigungsbedürftigkeit des Anlagemodells oder dessen fehlender Absicherung - der positiven Kenntnis gleich, wenn sich diese dem Vertragspartner nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen mussten und er die Augen davor verschlossen hat ([X.], Urteil vom 29. April 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1226 Rn. 20 mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 1. Dezember 1994 - [X.], aaO, 1025 f.). Eine derart grobe Pflichtverletzung kommt zumindest in solchen Bereichen in Betracht, für die der Vertragspartner aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit eigene Kompetenz beansprucht (vgl. [X.], Urteil vom 5. Juli 1990 - [X.], NJW 1990, 2464).

3. Im Rahmen der erneuten Befassung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, auch das weitere wechselseitige Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen.

[X.]                         [X.]

             Offenloch                        [X.]

Meta

VI ZR 569/13

10.02.2015

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Düsseldorf, 8. August 2013, Az: 21 S 48/12

§ 675 BGB, § 826 BGB, § 1 Abs 1 S 2 Nr 1 KredWG, § 32 KredWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.02.2015, Az. VI ZR 569/13 (REWIS RS 2015, 15771)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15771

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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