Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2013, Az. IX ZR 155/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5065

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 155/11

Verkündet am:

13. Juni 2013

Kirchgeßner

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 675 Abs.1
Zu den Pflichten des Rechtsanwalts bei gerichtlicher Geltendmachung eines [X.], wenn eine psychische Schädigung des Mandanten in Betracht kommt.
[X.], Urteil vom 13. Juni 2013 -
IX ZR 155/11 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2013 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und Dr. Pape

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 29.
August 2011 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens
-
an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der beklagte Rechtsanwalt vertrat den Kläger in einem
erfolglos geblie-benen
Rechtsstreit vor dem [X.] und dem [X.] gegen den
Haftpflichtversicherer des Unfallgegners, der am 12. März 2002 einen Auffahrunfall verursacht hatte, den der Kläger als Beifahrer erlitten hat. Der Kläger war schon im Jahr 1996 Opfer eines Auffahrunfalls mit schwer-wiegenden gesundheitlichen Folgen gewesen. Aufgrund des ersten Unfalls, der zum Verlust seiner Arbeitsstelle geführt hatte, lebte er in der ständigen Angst, dass sein körperlicher Zustand nicht so wiederherstellt werden könnte, wie vor diesem Unfall. In dem wegen des 2002 erlittenen Unfalls geführten Prozess trug der [X.] erstmals am Tag vor der mündlichen Verhandlung, in der das ab-weisende Urteil des [X.] erging, zu den psychischen Folgen des [X.]
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falls vor. Das [X.] befasste sich in seiner Entscheidung nur mit den vom Kläger behaupteten körperlichen Auswirkungen des erneuten [X.]. Dies beanstandete der [X.] in seiner Berufungsbegründung, in der er, oh-ne den diesbezüglichen Vortrag zu vertiefen, geltend machte, dass ein psycho-logisches Gutachten eingeholt
werden müsse. Eine Stellungnahme der den Kläger seit Ende Oktober 2003 behandelnden Ärztin für Psychiatrie und Psy-chotherapie vom 17.
Oktober 2005 legte der [X.] dem Berufungsgericht im Vorprozess erst mit Schriftsatz vom 28.
Juli 2006
vor. Darin trat
er erneut [X.] durch Einholung eines psychiatrischen
Gutachtens
an. Diesen Vortrag wies das [X.] in seinem in der mündlichen Verhandlung am 16.
August 2006 verkündeten Urteil als verspätet zurück. Den erstinstanzlichen Vortrag zu den psychischen Auswirkungen sah es in der Entscheidung als nicht hinreichend substantiiert an.

Der Kläger wirft dem [X.]n vor, im Vorprozess nicht ausreichend zu den psychischen Folgen des zweiten Unfalls, der zu einer posttraumatischen Belastungsstörung mit schwerer depressiver Reaktion und als Folge dieser [X.] zur dauerhaften Erwerbsunfähigkeit geführt habe, vorgetragen und die ärztliche Stellungnahme vom 17.
Oktober 2005 zu spät
vorgelegt zu haben. Er macht einen Anspruch auf Erstattung des infolge seiner Verrentung erlitte-nen Verdienstausfallschadens in Höhe von 136.209,24

Feststellung der Ersatzpflicht des [X.]n für jeden weiteren materiellen Schaden. Die Klage ist in beiden Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen [X.] weiter.
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Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwar sei davon auszugehen, dass der [X.] seine anwaltlichen Pflichten im Zusammenhang mit der Führung des [X.] schuldhaft verletzt habe. Der [X.] habe unter anderem gegen seine anwaltlichen Pflichten verstoßen, sich die erforderlichen Informati-onen zu beschaffen, den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären und durch Be-schreiten des sichersten Weges einen Schaden des Mandanten zu verhüten. Der Verstoß liege darin, dass er in dem Vorprozess in der ersten Instanz zu den beim Kläger
vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen nur unsubstantiiert vorgetragen habe und nicht auf die Retraumatisierung durch den erneuten [X.] eingegangen sei. Auch wenn hinsichtlich der medizinischen Fragen an die [X.] nur maßvolle Anforderungen zu stellen seien, wäre der [X.] als Laie zu einer solchen Darstellung ohne weiteres in der Lage ge-wesen. Dass ihm trotz einer gezielten Befragung des [X.] eine nähere Sachdarstellung nicht möglich gewesen sei, habe er nicht vorgetragen.

Es sei jedoch nicht festzustellen, dass dem Kläger aufgrund der Pflicht-verletzung des [X.]n ein Schaden entstanden sei. Zwar sei aufgrund der vom Berufungsgericht nunmehr durchgeführten Beweisaufnahme davon auszu-gehen, dass der im [X.] erlittene Unfall zu psychischen Störungen mit Krankheitswert und einer daraus resultierenden dauernden Arbeitsunfähigkeit 3
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des [X.] geführt habe. Dieser Schadenseintritt sei jedoch für den Schädiger objektiv nicht vorhersehbar gewesen, so dass eine Haftung nicht
in Betracht komme. Bei der festgestellten Kollisionsgeschwindigkeit von 6,5
km/h liege die Verursachung von psychischen Störungen mit Krankheitswert fern. Nur die be-sondere Schadensanfälligkeit des [X.] habe zu den unfallbedingt
eingetre-tenen
psychischen Störungen geführt. Eine Haftung des Unfallgegners scheide deshalb aus. Dem Kläger sei aufgrund der Pflichtverletzung des [X.]n kein Schaden entstanden, weil die Klage im Vorprozess auch bei pflichtgemäßem Vortrag abgewiesen worden wäre.

II.

Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt einer rechtli-chen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte
einen Schadenser-satzanspruch des [X.] gegen den [X.]n nicht wegen mangelnder Er-folgsaussicht des [X.] scheitern lassen
dürfen.

1. Noch zutreffend ist das
Berufungsgericht von einer schuldhaften [X.] des [X.]n bei der Vertretung des [X.] im Vorpro-zess ausgegangen.

a) Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts, der einen Anspruch seines [X.] klageweise geltend machen soll, die zugunsten seiner [X.] sprechen-den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, damit sie das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann
([X.], Urteil vom 18. Dezember 2008 -
IX ZR 179/07, [X.], 324 Rn.
8; vom 11. April 2013 -
IX ZR 94/10, [X.], Rn. 4). Er darf sich nicht ohne 6
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weiteres mit dem begnügen, was sein Auftraggeber ihm an Informationen lie-fert, sondern muss um zusätzliche Aufklärung bemüht sein, wenn den Umstän-den
nach für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer [X.] erforderlich und deren Bedeutung für den Mandanten nicht ohne [X.] ersichtlich ist ([X.], Urteil
vom 20.
Juni 1996 -
IX
ZR 106/95, [X.], 1832, 1834 f;
vom 7.
Februar 2002 -
IX
ZR 209/00, [X.], 1077, 1078; [X.] in [X.]/G.
Fischer/[X.]/D.
Fischer/[X.]/[X.], Handbuch der [X.], 3.
Aufl., Rn.
738
ff mwN). Er
ist zu
rechtzeitigem Vortrag verpflichtet ([X.], Urteil vom 28.
Juni 1990 -
IX
ZR 209/89, NJW-RR 1990,
1241, 1244) und muss damit verhindern, dass einzelne Angriffs-
oder Verteidigungsmittel als verspätet zurückgewiesen werden ([X.]/[X.], aaO Rn.
743
mwN).
Auch
hat
er die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist ([X.], Urteil vom 23.
September 2004 -
IX ZR 137/03,
NJW-RR 2005, 494, 495; vom 29.
Juni 2006 -
IX
ZR 76/04, [X.], 2055
Rn. 9; [X.]/[X.], aaO Rn.
635
ff;
jeweils
mwN).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht mit Recht
von der
schuldhaften
Verletzung anwaltlicher Pflichten im Vorprozess durch den [X.]n ausgegangen.
Den hiergegen gerichteten Angriffen der Revisionser-widerung muss der Erfolg versagt bleiben.

aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger be-reits frühzeitig gegenüber dem [X.]n seine unfallbedingten psychischen Beeinträchtigungen
angesprochen.
Der [X.] will diesen Vortrag im Haf-9
10
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tungsprozess
jedoch
zurückgehalten haben, weil ihm die von dem Kläger ge-schilderten unfallbedingten psychischen Probleme nicht beweisbar erschienen.
Damit hat er gegen seine anwaltlichen Pflichten verstoßen. Ein dem Gebot des sichersten Weges verpflichteter Rechtsanwalt
hätte die Beibringung entspre-chender weiterer Nachweise zur
Ursächlichkeit des [X.] für die geschilderten psychischen Beeinträchtigungen nicht lediglich abwarten dürfen.
Er hätte sich bei dem Kläger näher informieren und zeitnah Vortrag zu den
von diesem
geschilderten
psychischen Beeinträchtigungen
und der behaupteten Unfallursächlichkeit
halten müssen, zumal
sich
die Frage der Beweisbarkeit der
klägerischen
Angaben erst bei ihrem Bestreiten
durch die [X.] stellen konnte.
Der
in diesem Fall bestehenden
Gefahr des [X.]es
aufgrund einer notwendigen Substantiierung des Sachvortrages
hätte der
[X.]
mit einer zugleich formulierten Bitte um einen
gerichtlichen Hinweis
begegnen [X.],
ob das Gericht den Sachvortrag des [X.] für genügend erachte, um daraufhin ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen, oder eine vorherige Substantiierung für geboten halte. Einen solchen Hinweis hätte das Gericht gemäß § 139 Abs.1 ZPO erteilen müssen.
Sollte dem Kläger weiterer
Vortrag mangels eigener Sachkenntnis anderenfalls nicht möglich gewesen sein, hätte er auch die Einholung eines privaten Gutachtens als zu seiner Rechtsverfolgung notwendig ansehen dürfen (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Dezember 2002 -
VI [X.], [X.]Z 153, 235, 238 f; vom
23. Mai 2006 -
VI [X.], [X.], 2415 Rn. 9 ff).
Die hierfür notwendige Zeit hätte dem Kläger nach Darlegung der Erforderlichkeit vom Prozessgericht gewährt werden müssen. Ein auf diese Weise
ergänzter Vortrag hätte dann weder als
unsub-stantiiert noch als verspätet behandelt werden dürfen.

Statt dessen hat der [X.] erst mit Schriftsatz vom 22.
Mai 2005

unmittelbar vor dem Termin per Telefax eingereicht und schriftlich im Termin 11
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überreicht
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auf die "schweren psychischen Auswirkungen" hingewiesen, die der Unfall auf den Kläger hatte,
und einen Befundbericht vorgelegt, aus welchem sich nicht ergibt, dass die dort beschriebenen psychischen Beschwerden im Zusammenhang mit dem im [X.] erlittenen Unfall stehen.

bb) Im Übrigen ist dem [X.]n vorzuwerfen, dass er in der Berufungs-instanz nicht alles getan hat, um die Lücken im Vortrag, die zum vorläufigen [X.] geführt hatten, noch auszugleichen, wenn er glaubte, ihm hätten bis zum Abschluss der ersten Instanz keine ergiebigen Informationen zur [X.] gestanden. Dazu hätte es im Hinblick auf
§ 529 Abs.1 Nr. 2,
§§
530,
531 Abs.
2 ZPO
nicht nur gehört, den bisher versäumten Vortrag zur Kausalität zwi-schen dem zweiten Unfall und den bisherigen Beeinträchtigungen in einer für eine Beweisaufnahme geeigneten
Weise nachzuholen. Der [X.] hätte im Blick auf § 531 Abs.
2 ZPO auch
erläutern müssen, warum ihm der
weiterge-hende
Vortrag zuvor
nicht möglich war.
Demgegenüber ist der [X.] auch im zweiten Rechtszug eine detaillierte Darstellung
zur Ursächlichkeit des Unfall-ereignisses für die psychischen Störungen des [X.] bis kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung schuldig geblieben.
Das Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom 17.
Oktober 2005
hat er
dem Berufungs-gericht erst so spät vorgelegt, dass es in dessen Entscheidung auf die mündli-che Verhandlung vom 16.
August 2006 als verspätet zurückgewiesen worden ist.

c) Das objektiv fehlerhafte Verhalten des [X.]n
spricht für sein [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 1995 -
IX ZR 140/94, [X.]Z 129,
386, 399; vom 7. Dezember 2006 -
IX ZR 37/04, [X.], 564
Rn. 20; vom 18. [X.] 2008 -
IX ZR 12/05, [X.], 369 Rn. 16 jeweils mwN). Er trägt die Darlegungs-
und Beweislast
dafür, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertre-12
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ten hat (vgl. [X.], Urteil
vom 18. Dezember 2008, aaO).
Auch die
Gegenrügen der Revisionserwiderung
haben ein Verschulden
nicht
ausgeräumt.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann demgegenüber keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, ein
Schmerzensgeld-
und Feststellungsanspruch des [X.]
wäre
aufgrund der fehlenden
objektiven
Vorhersehbarkeit der psychischen Störungen für den Schädiger auch bei pflichtgemäßem [X.] Vortrag des [X.]n ab-gelehnt worden. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang
ist viel-mehr gegeben, weil die psychische Störung, die der Kläger aufgrund des [X.] im Jahre 2002 erlitten hat, auf einer Retraumatisierung beruht, deren Ausgangspunkt
zwar
der 1996 erlittene Auffahrunfall ist, die aber aufgrund des erneuten Auffahrunfalls im [X.] eingetreten ist.
Auf die vom Berufungsge-richt angenommene Vorhersehbarkeit dieser Folge aus der Sicht eines medizi-nischen Laien kommt es nicht an.

a) Der für eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung verant-wortliche Schädiger
muss
grundsätzlich auch für Folgewirkungen einstehen, die auf einer psychischen Prädisposition oder einer neurotischen Fehlverarbeitung beruhen; für die Ersatzpflicht als haftungsausfüllende Folgewirkung des [X.] genügt die hinreichende Gewissheit, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre ([X.], Urteil vom 9.
April 1991 -
VI
ZR 106/90, [X.], 704, 705; vom
30.
April 1996 -
VI [X.], [X.]Z 132, 341, 343 f, 346; vom 25.
Februar 1997 -
VI
ZR 101/96, [X.], 752, 753; vom 11.
No-vember 1997 -
VI
ZR 376/96, [X.]Z 137, 142, 145; vom 16.
März 2004 -
VI
ZR 138/03, NJW
2004, 1945, 1946; vom 10.
Juli 2012 -
VI
ZR 127/11, [X.], 2964 Rn.
8;
MünchKomm-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
249 Rn.
189 ff; [X.]/[X.], [X.], 2005, §
249 Rn.
39). Die Zurechnung von Folgeschäden 14
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-
scheitert nicht daran, dass sie auf einer konstitutiven Schwäche des Verletzten beruhen. Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein
besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge von Anomalien oder Dispositionen zur Krankheit besonders anfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen ([X.], Urteil
vom 30.
April 1996, aaO S. 345; vom 19. April 2005 -
VI
ZR 175/04, [X.], 945, 946; vom 10.
Juli 2012, aaO).
In Ex-tremfällen scheitert die Zurechnung psychischer Folgeschäden
allerdings dann, wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist, nicht gerade speziell die [X.] des Verletzten trifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall, weil in einem groben Missverhältnis zu dem Anlass stehend, schlechterdings nicht mehr verständlich ist ([X.], Urteil
vom 30. April 1996, aaO S. 346;
vom 25. Februar 1997, aaO;
vom 11.
November 1997, aaO [X.] ff;
vom 11.
November 1997 -
VI
ZR 146/96, NJW
1998, 813, 814;
vom 10.
Juli 2012, aaO Rn. 9;
MünchKomm-[X.]/[X.], aaO Rn. 192). Ebenfalls nicht zu-rechenbar sind psychische Folgeschäden dem Schädiger dann, wenn sie auf einer sogenannten Begehrensneurose beruhen und wesentlich durch die [X.] des Geschädigten geprägt sind ([X.], Urteil vom 10.
Juli 2012, aaO Rn.
10). Von der Zurechnung psychischer Folgeschäden ist jedoch dann auszugehen, wenn das Unfallereignis -
sei es auch geringfügig
-
speziell die [X.] des Verletzten trifft.

b) Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht den [X.] Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der beim Kläger eingetretenen psychischen Störung aufgrund fehlender objektiver Vorherseh-barkeit solcher Störungen nicht verneinen dürfen.

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Im Streitfall waren die psychischen Unfallschäden des [X.] dem [X.]gegner zuzurechnen,
ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei einer [X.] von 6,5
km/h nur um ein geringfügiges Unfallereignis ge-handelt haben mag. Dies folgt aus dem
vom Berufungsgericht eingeholten
neu-rologisch-psychiatrischen
Gutachten
des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. D.

, auf dessen Grundlage das Berufungsgericht
seine Feststellun-gen getroffen hat.
Demnach
lag eine besondere Schadensanfälligkeit des [X.] vor, für die entscheidend
war, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Unfall
um das
Spiegelbild des früheren Auffahrunfalls aus dem Jahre 1996 handelte, so dass der erneute Auffahrunfall beim Kläger Erinnerungen [X.], weil eine nahezu identische Wiederholung "wie ein spezifischer Schlüssel in ein vorgegebenes Schloss"
passt. Eine
Überreaktion, wie sie sonst bei einem Ba-gatellereignis gegeben sein könnte, ist in einem solchen Fall nicht anzunehmen.

3.
Der Vorprozess hätte deshalb bei pflichtgemäßem anwaltlichem
Han-deln des [X.]n
dem Grunde
nach wegen seiner psychischen Schädigung
zugunsten des [X.] entschieden werden müssen. Dass der im Vorprozess in Anspruch genommene Unfallgegner den Auffahrunfall schuldhaft herbeige-führt hat, ist nicht streitig gewesen.

III.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben
und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§
562 Abs.
1, §
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist (§
563
Abs.
3 ZPO).
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-

Das Berufungsgericht wird sich nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Kläger ungeachtet des Umstands, dass er zum Zeitpunkt des Unfalls längerfristig arbeitsunfähig erkrankt war, weiter einen Verdienst hätte erzielen können und welche Ansprü-che ihm
gegebenenfalls
der Höhe nach aufgrund der eingetretenen psychi-schen Störung
und der darauf beruhenden Verrentung
zustehen.

Kayser [X.]

[X.]

Fischer Ri[X.] Dr. Pape ist in

Urlaub und kann deshalb

nicht unterschreiben.

Kayser

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.06.2009 -
2 O 351/08 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 29.08.2011 -
I-13 U 123/09 -

20

Meta

IX ZR 155/11

13.06.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2013, Az. IX ZR 155/11 (REWIS RS 2013, 5065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5065

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 155/11

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