Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. XII ZB 233/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 461

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 233/11

vom

14. Dezember 2011

in der Familiensache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 14.
Dezember 2011
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne und die Richter [X.], Dr.
Klinkhammer, Dr.
[X.] und Dr.
Nedden-Boeger
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6.
Familiensenats des [X.] vom 25.
Februar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.
[X.]: 23.760

1.980

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch. Ihre Klage ist durch Versäumnisurteil abgewiesen und der hierge-gen gerichtete Einspruch durch Urteil vom 28.
Juli 2010 verworfen worden. Das betreffende Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläge-rin am 17.
September 2010 zugestellt worden. Bereits mit Schriftsatz vom 5.
September 2010 -
unterzeichnet von Rechtsanwältin [X.]
-
hatten diese mitge-teilt, dass sie die Klägerin nicht mehr vertreten. Am 18.
Oktober 2010, einem Montag, hat Rechtsanwältin [X.], die inzwischen aus der Kanzlei der
erstinstanz-lichen Prozessbevollmächtigten ausgeschieden war, gegen das Urteil Berufung 1
-
3
-
eingelegt und diese am 17.
November 2010 begründet. Nachdem der Beklagte den Mangel der [X.] von Rechtsanwältin [X.] gerügt hatte, ist der Klägerin durch Verfügung vom 30.
Dezember 2010 aufgegeben worden, die Prozess-vollmacht ihrer Anwältin bis zum 31.
Januar 2011 nachzuweisen. Die Auflage ist innerhalb der Frist nicht erfüllt worden.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das [X.] die Be-rufung verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der [X.].

II.
Auf das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor [X.] Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25.
November 2009 -
XII
ZR
8/08
-
FamRZ 2010, 192 Rn.
5).
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach §
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtspre-chung erforderlich. Das Berufungsgericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-schutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den [X.]en den Zugang zu einer in der [X.] eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23.
März 2011 -
XII
ZB
51/11
-
FamRZ 2011, 881 Rn.
7 mwN).
2
3
4
-
4
-
2. Die
Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
Die Berufung hätte nicht mit der Begründung verworfen werden dürfen, die Bevollmächtigung von Rechtsanwältin [X.] durch die Klägerin sei nicht bis zum 31.
Januar 2011 nachgewiesen worden.
a) Das [X.] ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass sich die [X.]en vor dem [X.] durch einen Rechtsanwalt vertre-ten lassen müssen (§
78 Abs.
1 Satz
1 ZPO). Insofern ist die wirksame Pro-zessvollmacht grundsätzlich Prozesshandlungsvoraussetzung. Liegt sie bei der Einlegung eines Rechtsmittels nicht vor, so ist dieses zu verwerfen ([X.], 219, 221 =
NJW 1990, 910 mwN).
b) Der Mangel der [X.] kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§
88 Abs.
1 ZPO). Auf diese Rüge ist die Bevoll-mächtigung -
abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen (vgl. hierzu [X.] ZPO 22.
Aufl. §
80 Rn.
23
f.)
-
durch eine schriftliche Voll-macht nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten einzureichen; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen (§
80 ZPO).
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich [X.] indessen nicht um eine Ausschlussfrist (BGHZ
166, 278, 280 =
NJW 2007, 772
Rn.
8; [X.] aaO §
89
Rn.
6; [X.]/[X.] ZPO 29.
Aufl. §
80 Rn.
12; [X.] in [X.]/[X.] ZPO 32.
Aufl. §
80 Rn.
8). Wird die [X.] innerhalb der Frist nicht eingereicht, so kann sie noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder bis zu dem in §
128 Abs.
2 Satz
2 ZPO bestimmten Zeitpunkt beigebracht oder die bisherige Prozessführung durch die [X.] oder ihren neuen Vertreter genehmigt werden ([X.]/[X.] aaO §
80 Rn.
12; [X.] in [X.]/[X.] aaO §
80 Rn.
8).
5
6
7
8
-
5
-
d) Die Klägerin brauchte deshalb nicht damit zu rechnen, dass ihre Beru-fung vor der auf den 15.
April 2011 anberaumten mündlichen Verhandlung [X.] werden würde. Vielmehr konnte sie, wie nach dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde
beabsichtigt, die [X.] noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachweisen. Dass das Berufungsgericht die Berufung gleichwohl bereits zuvor verworfen hat, stellt sich danach als rechtsfehlerhaft dar.
e) Die Vorgehensweise des [X.]s verletzt die Klägerin überdies in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG. Zwar sieht §
522 Abs.
1 ZPO im Gegensatz zu §
522 Abs.
2 Satz
2 ZPO für den Fall der Verwerfung eines Rechtsmittels eine Anhörung der [X.] nicht aus-drücklich vor. Die Pflicht hierzu folgt indessen unmittelbar aus Art.
103 Abs.
1 GG (st. Rspr.: Senatsbeschlüsse vom 24.
Februar 2010 -
XII
ZB
168/08
-
FamRZ
2010, 882 Rn.
7; vom 15.
August 2007 -
XII
ZB
101/07
-
NJW-RR 2007, 1718 und vom 18.
Juli 2007 -
XII
ZB
162/06
-
FamRZ 2007, 1725). Art.
103 Abs.
1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt (hier:
zu der angenommenen fehlenden [X.] von Rechtsanwältin [X.]) [X.] zu können. Hätte das [X.] der Klägerin einen entsprechen-den Hinweis erteilt, so hätte diese die Anfang Oktober 2010 erteilte [X.] -
wie mit der Rechtsbeschwerdebegründung durch Einreichen des Originals geschehen
-
nachweisen können. Dass
die Bevollmächtigung "unter dem [X.] erfolgt" ist, "dass die Kosten des Verfahrens von Rechtsanwältin [X.] übernommen werden",
bleibt auf die Wirksamkeit ohne Einfluss. Der Zusatz
9
10
-
6
-
betrifft, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt, allein das Innenverhält-nis zwischen der Klägerin und Rechtsanwältin [X.]
Der angefochtene Beschluss beruht deshalb auch auf dem unterbliebenen Hinweis.

Hahne

[X.]

Klinkhammer

[X.]

Nedden-Boeger

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.07.2010 -
3 F 382/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 25.02.2011 -
II-6 UF 163/10 -

Meta

XII ZB 233/11

14.12.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. XII ZB 233/11 (REWIS RS 2011, 461)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 461

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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