Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2011, Az. KRB 2/10

Kartellsenat | REWIS RS 2011, 4113

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
KRB 2/10
vom

10. August 2011
in der Kartellbußgeldsache
gegen

-
2 -
Der Kartellsenat des [X.] hat am 10.
August 2011
durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr.
Tolksdorf
und die Richter Dr.
Raum, [X.], [X.] und Dr. Bacher

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerden der [X.]n zu 4
und 5 gegen das Urteil des 2. Kartellsenats des [X.] vom 30. März 2009 werden nach § 79 Abs.
3 OWiG i.V.m. §
349 Abs.
2 StPO als unbegründet verworfen; sie tragen die Kosten ih-rer Rechtsmittel.
Auf die Rechtsbeschwerde der [X.]n zu 6 wird das vorgenannte Urteil gemäß
§ 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG aufgehoben, soweit es diese [X.] betrifft; die [X.] zu
6 wird auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.
Gründe:
Das [X.] hat die [X.]n zu 4, 5 und 6 wegen Verstoßes gegen das Verbot des § 1 [X.] (§ 38 Abs.
1 Nr. 1 [X.] a.F. bzw. § 81 Abs.
1 Nr. 1 [X.]) zu Geldbußen zwischen 30.000

100.000

Während die
Rechtsbeschwerden der [X.]n zu 4 und 5 im Sinne des § 349 Abs.
2 StPO offensichtlich unbegründet
und nach dieser Vorschrift i.
V.
mit §
79 Abs.
3 OWiG zu verwerfen sind, führt die Rechtsbeschwerde der [X.]n zu 6 zu deren Freispruch.
1

-
3 -
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s waren
die [X.]n
zu 4 und 5 an Preisabsprachen auf dem Markt für Transportbeton im Raum [X.]/[X.] beteiligt. Die T.

GmbH, eine ein-
hundertprozentige Tochtergesellschaft der [X.]n zu 6,
wirkte über ihren Geschäftsführer an einem solchen Kartell im Bereich [X.] mit. Die [X.] zu 6 ist die Holding-Gesellschaft und zugleich die Rechtsnachfolgerin der T.

GmbH. Diese hat mittlerweile ihren Ge-
schäftsbetrieb eingestellt und das verbliebene operative Geschäft sowie Be-
triebsanlagen auf die T.

GmbH & Co. KG mit Sitz in [X.]
übertragen, die gleichfalls eine
einhundertprozentige Tochtergesellschaft der [X.]n zu 6 ist. Der
Wert der von der T.

GmbH an die T.

GmbH & Co. KG übertragenen Vermögenswerte belief
sich nach der
steuerlichen Ergänzungsbilanz auf etwa
610.000

23.
Dezember
2003 wurde die T.

GmbH auf die [X.] zu
6 verschmolzen.
Das [X.] hat gegen die [X.] zu 6 als [X.]in der T.

GmbH ein Bußgeld verhängt.
Es ist der Auffas
sung, dass zwar die T.

GmbH & Co. KG den wesentlichen Teil des
Vermögens der T.

GmbH übernommen
habe. Da diese jedoch eine
einhundertprozentige Tochtergesellschaft der [X.]n zu 6 sei, könne dieses Vermögen bei wirtschaftlicher Betrachtung der Konzernmutter
zugerechnet werden.
II.
Die Rechtsbeschwerde der [X.]n zu 6 ist begründet, die Rechtsbeschwerden der [X.]n zu 4 und 5 bleiben ohne Erfolg.
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3
4

-
4 -
1. [X.] der [X.]n zu 6 angenommen.
a)
Die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen für Ta-ten ihrer Mitarbeiter bestimmt sich nach §
30 Abs. 1 OWiG. Nach dieser Vor-schrift kann gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung ein Bußgeld festgesetzt werden, wenn ein Organ (Nr.
1) oder leitender Mitarbei-ter (Nr.
4,
5) unter Verletzung der dieser obliegenden Pflichten eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat oder diese bereichert worden ist oder werden sollte (sogenannte Verbandsgeldbuße).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Ordnungswidrigkeit, wegen der die [X.] zu
6 im vorliegenden Fall mit einer [X.] belegt wurde, ist nicht von einem ihrer Organe oder leitenden Mitarbeiter begangen worden. Täter ist vielmehr der Geschäftsführer der früheren T.

GmbH, welche nach Übertragung ihrer wesentlichen
Vermögensgegenstände auf eine Schwestergesellschaft auf die [X.] zu 6, die Muttergesellschaft des Konzerns, verschmolzen wurde und dadurch erloschen ist (§
20 Abs. 1 Nr. 2 [X.]).
b) Eine Erstreckung der bußgeldrechtlichen Haftung auf den Gesamt-rechtsnachfolger der Person, für die der Täter gehandelt hat, kann nur in dem schon bisher in der Rechtsprechung des [X.] anerkann-ten

hier nicht gegebenen

Ausnahmefall angenommen werden, in dem zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung nach [X.] Betrachtungsweise Identität oder nahezu Identität besteht. Eine dar-über hinausgehende Erstreckung der bußgeldrechtlichen Haftung auf Ge-samtrechtsnachfolger, wie sie die Rechtsbeschwerde anstrebt, scheidet aus. Eine solche Ausdehnung der Haftung würde mit dem Wortlaut des §
30
OWiG nicht mehr in Einklang zu bringen sein und deshalb die durch Art.
103 Abs.
2 GG gezogene Grenze richterlicher Auslegung überschreiten. Eine 5
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-
5 -
bußgeldrechtliche Sanktion gegen die [X.] zu
6 ist damit ausge-schlossen.
aa) Nach dem Wortlaut des §
30 OWiG kann nur diejenige juristische Person oder Personenvereir-den, deren in Leitungsfunktion handelnde Mitarbeiter eine Straftat oder Ord-nungswidrigkeit begangen haben. Einer Erstreckung der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit auf den Gesamtrechtsnachfolger dieser juristischen Per-son sind durch diesen Wortlaut enge Grenzen gesetzt.
(1) Wie sich aus §
3 OWiG in Übereinstimmung mit der auch für das Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden ([X.] 71, 108, 114; 87, 363, 391) Verfassungsnorm des Art.
103 Abs.
2 GG ergibt, kann
eine Handlung als Ordnungswidrigkeit nur geahndet werden, wenn die Möglichkeit der Ahndung gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. Daraus folgt zum einen das Verbot einer die Ahndung begründenden Analogie, welches jede Rechtsanwendung ausschließt, die tatbestandsausweitend über den Inhalt der gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht, wobei der mögliche Wort-sinn die äußerte Grenze zulässiger richterlicher Interpretation bildet ([X.] 71, 108, 115; 82, 236, 269; 92, 1, 12; NJW 2010, 3209 Rn. 77). Diesem Gesetzlichkeitsprinzip unterliegt zum anderen aber auch die in §
30 Abs. 1 OWiG getroffene Bestimmung, die die Grundlage dafür schafft, eine Organtat durch Verhängung einer Verbandsgeldbuße zu ahnden. Eine Erweiterung dieser [X.] ist nur innerhalb des durch Art.
103 Abs. 2 GG eröffneten [X.] statthaft (vgl. [X.] in [X.], OWiG, 15. Aufl., §
3 Rn. 4; [X.] in [X.] Kommentar zum OWiG, 3. Aufl., §
3 Rn. 62; für Vorschriften des allgemeinen Teils des Strafrechts ferner Dan-necker in [X.] Kommentar zum StGB, 12. Aufl., §
1 Rn. 82 ff.).
(2) Nach §
30 OWiG trifft die bußgeldrechtliche Sanktion für Organtaten im Ausgangspunkt die juristische Person oder Personenvereinigung, die das 9
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6 -
Unternehmen betreibt. Diese gesetzgeberische Entscheidung für das Rechtsträgerprinzip lässt eine Auslegung, die das Vermögen des von dem Rechtsträger zum Tatzeitpunkt geführten Unternehmens

i.
S. einer gewerb-lich tätigen Einheit

in die bußgeldrechtliche Haftung nehmen und hiervon ausgehend eine Sanktionierbarkeit der Tat auch gegenüber dem [X.] annehmen wollte, wenn dieser das Vermögen des Unternehmens oder wesentliche Teile hiervon übernommen hat, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Mit einer solchen Umdeutung in Richtung auf eine Unternehmens-geldbuße wäre die durch den Wortlaut der Norm gezogene Grenze über-schritten. Die Möglichkeit, die von einem Organ oder leitenden Mitarbeiter begangene Tat durch eine Verbandsgeldbuße zu ahnden, steht und fällt [X.] grundsätzlich mit dem Fortbestand des Rechtsträgers, für den das Organ oder der leitende Mitarbeiter zum Tatzeitpunkt gehandelt hat.
(3) Hieraus folgt indessen nicht, dass eine Ahndung der Tat nach dem Erlöschen des Rechtsträgers unter allen Umständen ausgeschlossen wäre. Vielmehr erstreckt sich die bußgeldrechtliche Haftung für eine Organtat nach der gefestigten Rechtsprechung des [X.] unter zwei Voraus-setzungen auf eine andere juristische Person als diejenige, für die der Täter gehandelt hat.
Die Verhängung eines [X.] bleibt möglich, wenn die [X.] juristische Person

etwa im Wege der Umwandlung

Gesamt-rechtsnachfolgerin der Organisation geworden ist, deren Organ die Tat be-gangen hat, und wenn zwischen der früheren und der neuen Vermögensver-bindung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nahezu Identität besteht. ö-

30 OWiG Verantwortlichen ge-trennt, in gleicher oder in ähnlicher Weise wie bisher eingesetzt wird und in der neuen juristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermö-gens ausmacht ([X.], Beschluss vom 11.
März 1986

[X.], [X.]/E 2265

Bußgeldhaftung; Beschluss vom 23. November 2004

[X.], NJW 2005, 1381, 1383

nicht verlesener Handelsregisterauszug; Beschluss 12

-
7 -
vom 4.
Oktober 2007

[X.], [X.]St 52, 58, Rn. 7

[X.]). Diese Rechtsprechung hat in der Entscheidungspraxis der Oberlan-desgerichte (vgl. KG [X.]/[X.] 3837

Altölpreise; [X.], 395, 396) und der Literatur ([X.] in [X.], OWiG, 15.
Aufl., §
30 Rn.
38a
ff.; [X.] in KK, OWiG, 3. Aufl., §
30 Rn.
30 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], OWiG, 7.
Aufl. §
30 Rn. 50) Gefolgschaft gefunden.
Die Voraussetzung, dass das Vermögen der ursprünglich haftenden ju-ristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens der neuen juristischen Person ausmacht, ist unverzichtbar, um die Ahndung auch in den Fällen von Rechtsnachfolge

wie nach dem Wortlaut des §
30 OWiG erfor-derlich

Täter gehandelt hat. An dieser Funktion, die Identität oder [X.] der in die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit genommenen Verbände [X.], hat sich das Verständnis dessen zu orientieren, wann in [X.] eine Festlegung auf bestimmte Schwellenwerte oder Verhältniszahlen angesichts der Vielzahl und der Verschiedenartigkeit der möglicherweise re-levanten Umstände ausscheidet, muss die Annahme einer wirtschaftlichen Identität danach auf Fälle beschränkt bleiben, in denen das Unternehmen unverändert oder doch nahezu unverändert von einem neuen Rechtsträger fortgeführt wird, dessen sonstige Vermögenswerte demgegenüber weitge-hend in den Hintergrund treten. Nur dann kann

in einem bußgeldrechtli-chen Sinn

davon gesprochen werden, dass aus der gesellschaftsrechtli-chen Umgestaltung wieder dieselbe juristische Person hervorgegangen ist.
Solche Fälle unterscheiden sich zwar in ihrer gesellschaftsrechtlichen Gestaltung, nicht aber in ihren Ergebnissen und Wirkungen von einem blo-ßen Wechsel der Firma oder der Rechtsform des das Unternehmen [X.] und weisen damit Bezüge zu gesellschaftsrechtlichen Vorgängen auf, die die bußgeldrechtliche Sanktionsmöglichkeit nach §
30 13
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-
8 -
OWiG unberührt lassen. Es liegt in der Konsequenz des [X.], dass eine bloße Änderung der Firma oder der Wechsel der Rechtsform auf die Verantwortlichkeit nach §
30 OWiG ohne Einfluss sind, weil sie, was für den [X.] in §
202 Abs.
1 Nr.
1 [X.] ausdrücklich be-stimmt ist, die Identität des Rechtsträgers nicht berühren. Mit Blick auf diese Konstellationen ist es sachgerecht und auch mit dem Wortlaut des §
30
OWiG vereinbar, in Fällen, die dem gleich zu achten sind, eine Kontinuität der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit anzunehmen.
(4) Demgegenüber fehlt es an einer wirtschaftlichen Identität, wenn Un-ternehmen mit annähernd gleicher Größe und fast identischen Marktanteilen fusioniert und deren Geschäftsbereiche zusammengeführt werden. Im Fall einer solchen Fusion, die, zumal wenn mit ihr größere konzerninterne Um-strukturierungsmaßnahmen verbunden sind, in ihren Ergebnissen und [X.] einem bloßen Wechsel der Firma oder der Rechtsform des das Un-ternehmen führenden Rechtsträgers nicht annähernd vergleichbar ist, [X.] der übernehmende und der übertragende Rechtsträger auch bei wirt-schaftlicher Betrachtung nicht als dieselbe juristische Person angesehen werden.
Mit einer Zurechnung von Vermögensgegenständen konzern-verbundener Unternehmen kann eine wirtschaftliche Identität ebenfalls nicht -tende Recht keinen Raum. Die einzelnen konzernab-hängigen Schwestergesellschaften sind im Verhältnis zueinander ebenso selbständige juristische Personen wie in ihrem Verhältnis zur Muttergesell-schaft. Eine die bußgeldrechtliche Haftung begründende Zurechnung von Vermögen könnte daher nur auf der Grundlage einer ausdrücklichen gesetz-lichen Bestimmung erfolgen. An einer solchen fehlt es.
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9 -
(5) An der Beschränkung der bußgeldrechtlichen Haftung auf in diesem Sinne wirtschaftlich identische Rechtsnachfolger vermag auch der schon bei der Einführung der Verbandsgeldbuße in §
26 OWiG 1968 in den Gesetzes-materialien (BT-Drucks. V/1269, [X.]) genannte, in der Rechtsprechung des [X.] wiederholt betonte (vgl. Beschluss vom 14.
Februar 2007

5 [X.], [X.], 13 mwN) und neuerdings in §
81 Abs.
5 [X.] 2005 für bestimmte Kartellbußgeldtatbestände gesetzlich [X.] hervorgehobene Zweck der Geldbuße, der u.
a. in der Vorteilsab-schöpfung bestehen kann, nichts zu ändern. Angesichts des eindeutig ent-gegenstehenden Wortlauts des §
30 OWiG, in dem diese Erwägungen kei-nen Niederschlag gefunden haben, fehlt es an einer ausreichenden Grundla-ge dafür, die aus der Tat erwachsenen Vorteile im [X.] unter er-leichterten Voraussetzungen bei dem Rechtsnachfolger des Unternehmens-trägers abzuschöpfen. Auch aus der

hier in zeitlicher Hinsicht noch nicht anwendbaren

Vorschrift des §
81 Abs. 4 Satz 2 [X.] 2005, die sich mit der iverhängenden
Geldbuße befasst, ergibt sich nichts anderes. Diese Norm hat nur die Bußgeldbemessung zum Gegenstand; die in §
30 OWiG [X.] Begrenzung der Ahndung einer Organjuristischen Person, deren Organ die Tat begangen hat,
vermag sie nicht aufzuheben.
bb)
Nach diesen Maßstäben liegen die
Voraussetzungen für eine Haf-tung der [X.]n zu
6 für die von dem Geschäftsführer der frühe-ren T.

GmbH
begangenen Ordnungswidrigkeiten nicht vor.
Zwar ist die [X.] zu
6 infolge Verschmelzung Gesamt-rechtsnachfolgerin der T.

GmbH geworden. Die weitere Vorausset-
zung, wonach bei wirtschaftlicher Betrachtung zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung nahezu Identität bestehen muss, ist hier [X.] nicht erfüllt, weil die wesentlichen Vermögensgegenstände der T.

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10 -

GmbH vor der Verschmelzung auf eine Schwestergesellschaft, die T.

GmbH & Co. KG mit Sitz in [X.], übertragen worden waren.
Unter diesen Umständen käme
die Annahme einer wirtschaftlichen

Identität zwischen der früheren T.

GmbH und der [X.]n
zu
6 nur in Betracht, wenn dieser das Vermögen ihrer Tochtergesellschaft T.

GmbH & Co. KG bußgeldrechtlich zugerechnet werden könnte. Dafür
fehlt es jedoch

wie dargelegt

an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage.
Da die [X.] zu 6 nach allem bußgeldrechtlich nicht haftet, war sie freizusprechen.
2. Dagegen sind
die Rechtsbeschwerden der [X.]n zu 4 und 5 im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Der näheren Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
a)
Das [X.] hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Ta-ten erst im Mai 1999 beendet worden sind,
und ausgehend davon den [X.] in Anwendung von §
81 Abs.
2 [X.] als des im Zeitpunkt der Beendigung geltenden Gesetzes (vgl. §
4 Abs. 2 OWiG) bestimmt.
Dies
beanstandet die Rechtsbeschwerde der [X.]n zu 4. Sie ist der Auffassung, es müsse §
81 Abs.
4 Satz
2 [X.] 2005 als milderes Gesetz (§
4 Abs.
3 OWiG) angewandt werden; nach dieser Vorschrift dürfe das Bußgeld 10 % des im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten [X.] nicht überschreiten; dementsprechend betrage die Bußgeldgrenze in ihrer Sache 16.800

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11 -
Diese Beanstandung bleibt ohne Erfolg. Das [X.] hat §
81 Abs.
4 Satz 2 [X.] 2005 zu Recht nicht angewandt. Die Vorschrift ist im Vergleich zu §
81 Abs.
2 [X.] kein
milderes Gesetz.
Nach der

bis zum 21.
Dezember 2007 geltenden

Fassung des §
81 Abs.
4 Satz 2 [X.]
2005
darf die Geldbuße für jedes an
der Zuwiderhand-lung beteiligte Unternehmen über Satz 1 hinaus

10 % des im vorausgegan-genen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen. Diese Regelung (des Satzes
2)
stellt
gegenüber dem angewandten §
81 Abs.
2
[X.]
kein milderes Recht dar, denn sie begrenzt nicht den durch §
81 Abs. 4 Satz 1 [X.] 2005 eröffneten umsatzunabhängigen [X.], sondern erweitert diesen für Unternehmen, gegen die nach § 30 OWiG ein Bußgeld verhängt wird,
über den Rahmen des Satzes 1 hinaus für bestimmte Bußgeldtatbestände auf eine umsatzabhängige Höchstgrenze.
Dies
kommt schon im Wortlaut
des
§
81 Abs. 4 Satz 2 [X.] 2005 zum Ausdruck, wonach eine Geldbuße,
wenn sie gegen ein Unternehmen ver-

e-nen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen darf. Schon [X.] über die Obergrenze des
durch Satz
1 eröffneten [X.] hinausgehend
die Verhängung einer umsatzabhängigen höheren Geldbuße für Unternehmen
ermöglicht
werden soll, ohne dass damit zugleich
der [X.] des Satzes 1 für den Fall entsprechender [X.] ab-gesenkt werden soll.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht ebenfalls für diese
Auslegung. Durch die Einführung von § 81 Abs. 4 Satz 2 [X.] 2005 sollte in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht insbesondere für finanzstarke Unternehmen bei den
enumerativ bestimmten
schwerwiegenden [X.] ein höherer [X.] eröffnet werden
als die nach 26
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-
12 -
Abs.
4 Satz 1 auch für natürliche Personen geltende Bußgeldobergrenze
(vgl. Danneker in [X.]/Mestmäcker, [X.], 4. Aufl., § 81 Rn.
333). Dass die Umsatzabhängigkeit den [X.] nach Abs.
4 Satz 1 nicht zu-gleich nach unten begrenzen soll, wird schon aus dem Vergleich zu den na-türlichen Personen
deutlich, die ausschließlich
unter die Regelung des Sat-zes
1 fallen. Ebenso wie bei natürlichen Personen wird auch bei Unterneh-men eine geringere finanzielle oder wirtschaftliche Leistungskraft innerhalb des allgemeinen [X.] berücksichtigt. Daher
würde es keinen Sinn ergeben, innerhalb des Rahmens des Absatzes 4 Satz
1 natürliche und juristische Personen unterschiedlich zu behandeln. Dies stünde dem Grund-satz des § 30 Abs.
2 Satz 2 OWiG entgegen, der für die Geldbuße gegen die juristische Person denselben [X.] vorsieht, der für den Täter der Ordnungswidrigkeit gilt.
Nur durch eine solche Auslegung werden zudem
Wertungswidersprü-che zu den geringer gewichtigen Kartellordnungswidrigkeiten nach §
81 Abs.
4 Satz 3 [X.] 2005 vermieden. Für diese ist
einheitlich

ohne die Möglichkeit einer höheren,
umsatzabhängigen Geldbuße

eine Obergrenze von 100.000

gesehen.
Es wäre
nicht nachvollziehbar, warum bei diesen Ordnungswidrigkeiten der Höchstbetrag des zu verhängenden [X.] für umsatzschwache Unternehmen nicht gleichfalls abzusenken wäre.
Diese Auslegung wird durch die Änderung bestätigt, die die Vorschrift durch die [X.] vom 16. Dezember 2007 ([X.]) erfahren hat. Seither ist in §
81 Abs. 4 Satz 2 [X.]
ausdrücklich be-stimmt, rden darf. Mit dieser Neufassung wollte der Gesetzgeber aber insoweit keine Än-derung der Rechtslage, sondern lediglich eine weitere Klarstellung herbeifüh-ren (BT-Drucks. 16/7156, [X.]). Diese Einschätzung trifft nach dem [X.] zu und belegt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers schon die [X.] (§ 81 Abs. 4 Satz 2 [X.] 2005) ausschließ-30
31

-
13 -
lich eine Erhöhung des [X.] nach Satz 1 anordnen sollte (vgl. auch Bericht des Wirtschaftsausschusses [X.]-Sonderheft 2005, 274).
b)
Die Einwendungen der [X.]n zu 4 und 5 bezüglich der Höhe des festgesetzten [X.] haben gleichfalls keinen Erfolg. Soweit sich die Rechtsbeschwerden
hierfür auf die Erläuterungen des Zeugen B.

in der Hauptverhandlung beziehen, sind diese Ausführungen urteils-
fremd; eine
Verfahrensrüge diesbezüglich haben sie nicht erhoben. Im Übri-gen hat das Beschwerdegericht die wirtschaftliche Situation dieser [X.]n in den Urteilsgründen hinreichend dargestellt.

Tolksdorf
Raum
Strohn

Grüneberg
Bacher
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 30.03.2009 -
VI-2 Kart 10/08 OWi -

32

Meta

KRB 2/10

10.08.2011

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2011, Az. KRB 2/10 (REWIS RS 2011, 4113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4113

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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