Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2011, Az. V ZB 247/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6484

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB
247/10

vom

19. Mai 2011

in der Abschiebungshaftsache

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 19. Mai 2011
durch den
Vorsitzenden Richter Prof. [X.], die Richterin [X.], den Rich-ter Dr. [X.] und die Richterinnen
Dr. Brückner
und Weinland
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.] vom 25. Au-gust
2010 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 26. Februar 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des
Betroffenen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

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Gründe:

I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, wurde nach einem er-folglosen
Asylverfahren zuletzt im Mai 2007 aus dem [X.] [X.] und im Juli 2008 nach [X.] abgeschoben.
Das mit der Abschiebung verbundene Einreiseverbot war unbefristet.
Die Polizei nahm den Betroffenen
am 29. November 2009 fest. Auf den Antrag des Beteiligten zu 2 ordnete das [X.] mit Beschluss vom 30. November 2009 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 28.
Februar 2010 an. Das [X.] (nachfol-gend Bundesamt) ersuchte am 2. Dezember 2009 die [X.] Behörden um Rücknahme des Betroffenen. Ein Mitarbeiter der mit der Durchführung der
Ab-schiebung im Wege der Amtshilfe beauftragten Zentralen Ausländerbehörde suchte ihn
am 15. Dezember 2009 in der Justizvollzugsanstalt auf und forderte ihn
erfolglos auf, die für die Passersatzpapierbeschaffung in der [X.] erfor-derlichen Unterlagen auszufüllen.
Am gleichen Tag lehnten die [X.] Be-hörden die
Rückübernahme des Betroffenen vorläufig ab, weil sein bisheriger
Aufenthalt ungeklärt sei. Hierüber informierte das [X.] am 23. Dezember 2009
und erbat
weitere für die Rückführung nach [X.] notwendige
Ermittlungen. Am 12. Januar 2010 beantragte die Zentrale Ausländerbehörde unter Vorlage einer Kopie des abgelaufenen [X.] des Betroffenen bei dem [X.]
Konsulat die Ausstellung von Passersatzpapieren.
[X.] lehnte die Rücknahme am 5. Februar 2010 end-gültig ab. Der Betroffene wurde am 9. Februar 2010 bei dem [X.] Konsu-lat vorgeführt. Von dort aus wurde das Verfahren zur Ausstellung der Passer-satzpapiere eingeleitet.
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Mit Beschluss vom 26. Februar hat das jetzt zuständige Amtsgericht [X.] die [X.] auf den Antrag des Beteiligten zu 2 bis zum 28. Mai 2010 verlängert und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Während des Beschwerdeverfahrens ist der Betroffene am 27. Mai 2010 abge-schoben worden. Den auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung gerichteten Antrag hat das [X.] zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Feststellung erreichen will,
dass ihn der Beschluss des [X.] in Gestalt der landgerichtlichen Entscheidung in seinen Rechten verletzt hat.

II.
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei vollziehbar zur [X.] verpflichtet
gewesen. Die Haftgründe nach §
62
Abs.
2 Satz 1 Nr. 1 und 5 [X.] hätten vorgelegen. Er habe zu vertreten, dass die Abschiebung nicht innerhalb der ersten drei Monate habe erfolgen können. Durch die Einreise [X.] sei die Beschaffung von Passersatzpapieren erforderlich
geworden. Zudem habe der Betroffene durch seine unzureichende Mitwirkung das Verfahren erschwert. Nach dem Verlauf des Verfahrens sei nicht von ei-nem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot
auszugehen; vielmehr habe die Behörde die erforderlichen Schritte
stets rechtzeitig unternommen.
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III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde
hat Erfolg.
Gegenstand der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ist entsprechend dem Verfahrensgegenstand im ersten und zweiten Rechtszug allein die Verlängerung der Abschiebungshaft
bis zum 28. Mai 2010 durch
Beschluss vom 26. Februar 2010. Die
Verlänge-rung der Haft war rechtswidrig, weil der
Beteiligte zu 2 während der zuvor be-reits vollzogenen Abschiebungshaft gegen das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art.
104 GG und Art. 5 Abs. 1 EMRK
folgende Beschleunigungsgebot versto-ßen hat.
1. Das Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen verlangt, dass die Abschiebungshaft auch während des Laufs der Drei-Monats-Frist des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird und die Ausländerbehörde die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung be-treibt.
Ein Verstoß kann vorliegen, wenn die Ausländerbehörde nicht alle not-wendigen Anstrengungen unternommen hat, um [X.] zu beschaffen (Senat, Beschluss vom 11. Juli 1996 -
V
ZB 14/96, [X.], 235, 239; Be-schluss vom
18. August 2010 -
V
ZB 119/10
Rn.
18, juris), und führt dazu, dass die Haft aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht mehr weiter aufrechterhal-ten werden darf (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 -
V
ZB 205/09
Rn.
16 mwN, juris; HK-AuslR/[X.], §
62 [X.] Rn.
21). Dies schließt zwar einen organisatorischen Spielraum der Behörde bei der Umsetzung der Abschiebung nicht aus (Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2010 -
V
ZB 56/10 Rn.
13, juris). Hier hat der
Beteiligte zu 2 das Verfahren
aber
objektiv verzögert,
indem er erst am 12. Januar 2010 die Passersatzpapierbeschaffung in der
[X.] in die We-ge leitete.
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2. Allerdings bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Entschei-dung des
Beteiligten zu 2, zunächst vorrangig eine Abschiebung nach [X.] durchzuführen. Obwohl die Identität des Betroffenen und seine Herkunft aus der [X.] aus Sicht des Beteiligten zu 2 aufgrund der früheren Verwaltungs-verfahren feststanden, konnte dieser angesichts der [X.] erfolgten Rückführung nach [X.] zu Beginn der Haft
davon ausgehen, dass die Rück-führung auch diesmal gelingen werde.
Nach den Feststellungen des [X.] haben die [X.] Behörden aber
bereits am [X.] 2009 die Rückführung vorläufig abgelehnt. Jedenfalls von diesem Zeitpunkt an musste der
Beteiligte zu 2 erkennen, dass die Rückführung nach [X.] möglicherweise scheitern werde und parallel die Abschiebung in die [X.] in die Wege geleitet werden musste. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass das [X.] von
der vorläufigen Ent-scheidung der [X.] Behörden
erst am 23. Dezember 2009 in Kenntnis gesetzt hat, weil sich Verzögerungen in der Zusammenarbeit der Behörden nicht zu Lasten des Betroffenen auswirken dürfen. Der
Beteiligte zu 2 selbst hat die Notwendigkeit, zeitgleich die Abschiebung
in die [X.] vorzubereiten, zu-dem schon
vor der Kenntnisnahme der Entscheidung der [X.] Behörden erkannt. Denn er
hat den Betroffenen bereits
am 15. Dezember 2009 vergeb-lich aufgefordert, die für die Abschiebung in die [X.] notwendigen Unterlagen auszufüllen. Nach der Weigerung des Betroffenen, an der [X.] mitzuwirken, musste der
Beteiligte zu 2 das Verfahren unverzüglich in die Wege leiten. Dies ist indes erst am 12. Januar 2010 und damit vier [X.] später geschehen.
Die Rechtsbeschwerde rügt insoweit zu Recht, dass die Feststellung des [X.], wonach der den [X.] Behörden übermittelte abgelaufene Pass des Betroffenen am 15.12.2009 noch nicht vor-gelegen habe, ausweislich der in der Ausländerakte enthaltenen Passkopie und des Vermerks vom 10.12.2009 über das Vorliegen einer Passkopie [X.]
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fend ist.

Dass in dem fraglichen Zeitraum die [X.] und der Jahreswechsel lagen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zum einen sind die Ausländerbehörden gehalten, Haftsachen jedenfalls in den verbleibenden Werktagen zügig zu bearbeiten (vgl. [X.], Beschluss vom 20. April 2009 -
11
Wx 38/09, juris Rn. 14; [X.], [X.] 2005, 276, 278). Zum anderen ist davon auszugehen, dass bei einer Einleitung des Verfahrens Mitte Dezember 2010 die Vorführung in dem [X.] Konsulat als Voraussetzung für
die Passersatzpapierbeschaffung früher erfolgt wäre.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
83 Abs.
2, §
81 Abs.
1, §
430
Fa-mFG; unter Berücksichtigung der Regelung in Art.
5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, den [X.] als diejenige Körperschaft, der der [X.] zu 2 angehört, zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsver-folgung notwendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten (vgl.
Senat,

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Beschluss vom 22. Juli 2010 -
V
ZB
28/10, juris Rn. 18). Die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs. 2 KostO i.V.m. §
30 Abs. 2 KostO.
Krüger

Stresemann

[X.]

Brückner

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.]
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XIV 31/10/B
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LG Paderborn, Entscheidung vom 25.08.2010
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9
T 16/10 -

Meta

V ZB 247/10

19.05.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2011, Az. V ZB 247/10 (REWIS RS 2011, 6484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6484

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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