Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2009, Az. 3 StR 173/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2009, 3075

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[X.] vom 16. Juni 2009 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 2. auf dessen Antrag - am 16. Juni 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 14. November 2005 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hier-gegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Überprüfung des [X.]eils aufgrund der [X.] hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO). 1 - 3 - Der Rechtsfolgenausspruch kann hingegen nicht bestehen bleiben, weil das Verfahren nach Erlass des angefochtenen [X.]eils in rechtsstaatswidriger Weise verzögert worden ist. 2 1. Zur Erforderlichkeit einer deshalb zu treffenden Kompensationsent-scheidung hat der [X.] in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt: 3 "Das Verfahren ist nach Erlass des angefochtenen [X.]eils – unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK dadurch in rechtsstaatswidri-ger Weise verzögert worden, dass die [X.] seit dem 15. Mai 2006 in Verlust geraten sind – und erst im Februar/März 2009 rekon-struiert werden konnten, obwohl sich der Verteidiger bereits mehrfach nach dem Stand des Revisionsverfahrens erkundigt hatte – . Nach-dem der Verteidiger die Revision mit Schriftsatz vom 30. Januar 2006 begründet hatte, hätten die Akten dem [X.] bei [X.] Verfahrensgang alsbald danach vorgelegt werden müssen. Tatsächlich sind die Akten dort erst am 15. April 2009 [X.], wobei die [X.] zwischenzeitlich wieder aufgefunden und nachgesandt wurden. Dadurch hat sich eine [X.] von nahezu drei Jahren ergeben. Diese nach Ablauf der Revisi-onsbegründungsfrist eingetretene Verzögerung ist auf die Sachrüge hin von Amts wegen zu berücksichtigen ([X.], 52). Wegen des Ausmaßes der Verfahrensverzögerung sowie des damit verbun-denen Zeitablaufs und der Notwendigkeit der Feststellung ihrer [X.] auf den Angeklagten ist die Entscheidung über eine Kom-pensation des Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK dem [X.] vorbehalten." Dem schließt sich der Senat an. 4 2. Wegen der nach Erlass des angefochtenen [X.]eils eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung kann unter den gegebenen Um-ständen aber auch der gesamte Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Zwar stellt die im Wege der Anrechnung vorzunehmende Kompensation ([X.] - 4 - ckungslösung) einen an dem Entschädigungsgedanken orientierten eigenen rechtlichen Weg neben der Strafzumessung im engeren Sinn dar, so dass der Strafausspruch und die [X.] grundsätzlich selbständig nebeneinander stehen und auch getrennt voneinander zu beurteilen sind (so inzwischen auch [X.], [X.]. vom 18. Juni 2009 - 3 StR 89/09). Allerdings wird der (überlangen) Verfahrensdauer dadurch nicht ihre Bedeutung als [X.] genommen. Sie bleibt als solcher zunächst bedeutsam [X.], weil allein schon durch einen besonders langen Zeitraum, der zwischen der Tat und dem [X.]eil liegt, das Strafbedürfnis allgemein abnimmt. Sie behält ihre Relevanz aber gerade auch wegen der konkreten Belastungen, die für den Angeklagten mit dem gegen ihn geführten Verfahren verbunden sind und die sich generell um so stärker mildernd auswirken, je mehr Zeit zwischen dem Zeitpunkt, in dem er von den gegen ihn laufenden Ermittlungen erfährt, und dem [X.] verstreicht; diese sind bei der Straffindung [X.] davon zu berücksichtigen, ob die Verfahrensdauer durch eine rechts-staatswidrige Verzögerung mitbedingt ist. Lediglich der hiermit zwar faktisch eng verschränkte, rechtlich jedoch gesondert zu bewertende und zu entschädi-gende Gesichtspunkt, dass eine überlange Verfahrensdauer (teilweise) auf einem konventions- und rechtsstaatswidrigen Verhalten der [X.] beruht, wird aus dem Vorgang der Strafzumessung, dem er wesens-fremd ist, herausgelöst und durch die bezifferte Anrechnung auf die im Sinne des § 46 StGB angemessene Strafe gesondert ausgeglichen (vgl. [X.] - GS - NJW 2008, 860, 865 m. w. N.; zum Abdruck in [X.]St 52, 124 bestimmt). Dies führt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der [X.] des Verfahrens rechtsstaatswidrig um mehrere Jahre verzögert worden ist, dazu, dass auch der gesamte Strafausspruch, also alle Einzelstrafen und die Gesamtstrafe, neu zu bemessen sind. Dies obliegt dem neuen Tatrichter. 6 - 5 - Er hat insofern in wertender Betrachtung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der zeitliche Abstand zwischen Tat und dem (neuen) [X.]eil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der (überlangen) Ver-fahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung in den Grenzen des ge-setzlich eröffneten Strafrahmens mildernd zu berücksichtigen sind. Die ent-sprechenden Erörterungen sind als bestimmende Zumessungsfaktoren in den [X.]eilsgründen kenntlich zu machen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); einer Beziffe-rung des Maßes der Strafmilderung bedarf es hingegen nicht (vgl. [X.] aaO 866). [X.]von [X.] [X.]

Meta

3 StR 173/09

16.06.2009

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2009, Az. 3 StR 173/09 (REWIS RS 2009, 3075)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3075

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