Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2013, Az. VI ZB 2/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1596

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
2/13

vom

29. Oktober 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 522 Abs. 1, § 547 Nr. 6, § 576 Abs. 3
Der Beschluss, mit dem die Berufung verworfen wird, weil die [X.] nicht erreicht ist, muss die Feststellungen enthalten, die das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage versetzen zu überprüfen, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm von §
3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder rechtsfehlerhaft von ihm Ge-brauch gemacht hat; andernfalls ist er nicht mit den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen und im Rechtsbeschwerdeverfahren schon deshalb aufzuheben.
[X.], Beschluss vom 29. Oktober 2013 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
29. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.], die Richterin
von Pentz
und den Richter Offenloch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 14. Zivilkammer des [X.] vom 4. Dezember 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
[X.]:

Gründe:
I.
Über das Vermögen des Beklagten wurde im Jahr 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das klagende Land hat Forderungen gegen den Beklagten zur Insolvenztabelle angemeldet und zugleich beantragt, diese "gemäß §
302 [X.] i.V.m. §
823 Abs.
2 BGB i.V.m. §
170 StGB aus dem [X.] auszuschließen". Nachdem der Beklagte der 1
-
3
-

Feststellung, es handle sich um eine Forderung aus einer vorsätzlich
begangenen
unerlaubten Handlung, widersprochen hat, begehrt das klagende Land im vorliegenden Verfahren die entsprechende gerichtliche Feststellung. Das Amtsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben.
Den Streitwert hat
es auf "bis zu 5.000,00 Euro"
festgesetzt. Zur Frage der Zulassung der Berufung äußert sich das amtsgerichtliche Urteil nicht.
Die vom Beklagten eingelegte Berufung
hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen.
Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, den Ausspruch, dass die von ihm
eingelegte Berufung zulässig ist sowie die Rückverweisung der Sache zu neuer Entscheidung an das Berufungsgericht.

II.
1.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz 4 ZPO statt-hafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere erfordert die Sicherung [X.] einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall 2 ZPO).
2.
Der angefochtene Beschluss ist gemäß §
576 Abs.
3, §
547 Nr.
6 ZPO schon deshalb aufzuheben, weil er nicht ausreichend mit Gründen versehen ist.
a)
Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben sowie
den Streitgegenstand
und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen; an-dernfalls sind sie
nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht mit 2
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5
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4
-

den nach dem Gesetz erforderlichen Gründen versehen
und
schon deshalb aufzuheben.
Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat nach §
577 Abs.
2 Satz
4, §
559 ZPO grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das [X.] festgestellt hat. Enthält der angefochtene Beschluss keine tatsäch-lichen Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 16. April 2013 -
VI
ZB 50/12, NJW-RR 2013, 1077 Rn.
4; vom 8. Mai 2012 -
VI
ZB 1/11, -
VI [X.], [X.], 1272 Rn.
3; vom 12. April 2011 -
VI
ZB 31/10, [X.], 1199 Rn.
8; vom 17. No-vember 2009 -
VI
ZB 58/08, [X.], 687 Rn.
4; [X.], Beschlüsse vom 15.
Mai 2012 -
V
[X.], WM
2012, 404
Rn.
3; vom 14. Juni 2010 -
II
[X.]0/09, NJW-RR 2010, 1582 Rn.
5; vom 26. Januar 2009 -
II
ZB 6/08, [X.], 1083 Rn.
10; vom 28. April 2008 -
II
[X.]7/07, NJW-RR 2008, 1455 Rn.
4; vom 20. Juni 2002 -
IX
ZB 56/01, [X.], 926).
Dies gilt gerade auch dann, wenn das Berufungsgericht die Berufung verwirft, weil die [X.]ssumme nicht erreicht ist. Denn die [X.] kann vom [X.] nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen des ihm von §
3 ZPO eingeräumten Ermessens überschritten oder rechtsfehlerhaft von ihm Gebrauch gemacht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 12.
April 2011 -
VI
ZB 31/10, aaO; [X.], Beschlüsse vom 15. Mai 2012 -
V [X.], aaO; vom 14. Juni 2010 -
II [X.]0/09, aaO; vom 28. April 2008 -
II
[X.]7/07, aaO).
b)
Diesen Maßstäben wird der angefochtene Beschluss -
auch unter Be-rücksichtigung des von ihm in Bezug genommenen Hinweises vom 18. Oktober 2012
-
nicht gerecht. Weder enthält er eine
gesonderte
Sachdarstellung, noch ergeben sich der maßgebliche Sachverhalt und das Rechtsschutzziel -
was
ausreichend wäre (vgl. Senatsbeschlüsse
vom
16. April 2013 -
VI
ZB 50/12, aaO
Rn. 5; vom 8. Mai 2012 -
VI
ZB 1/11, -
VI [X.],
aaO; [X.], Beschluss vom 26. Januar 2009 -
II
ZB 6/08,
aaO)
-
hinreichend klar aus
den [X.]
-
5
-

gründen.
Der angefochtene Beschluss selbst enthält überhaupt keine tatsächli-chen Feststellungen, dem
Hinweis vom 18. Oktober 2012 lässt sich in tatsächli-cher Hinsicht allein -
und
als Grundlage für die erforderliche Ermessensent-scheidung völlig unzureichend
-
entnehmen, dass der Beklagte nach den Fest-stellungen des [X.] aus dem Jahr 2006
"ungelernt und lang-zeitarbeitslos"
war. Informationen über den Streitgegenstand
des zugrundelie-genden Rechtsstreits
finden sich
weder
im angefochtenen Beschluss noch
im Hinweis vom 18.
Oktober 2012.
Ebenso wenig enthalten Beschluss und [X.] zu den von den Parteien gestellten Anträgen oder sonstige In-formationen zum mit der Klage verfolgten Rechtsschutzziel.
3.
Nach §
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO ist die Sache zur erneuten Entschei-dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der vom Beklagten
weiter
begehrte
Ausspruch des [X.] dahingehend, dass die eingelegte Berufung zulässig ist, kommt
jedenfalls im vorliegenden Fall
nicht in Betracht.
Dabei kann offenbleiben, ob die Zwischenentscheidung über die Zuläs-sigkeit einer Berufung Gegenstand einer dem Rechtsbeschwerdegericht nach §
577 Abs.
5 ZPO möglichen Entscheidung in der Sache sein kann (so
wohl für §
563 Abs.
3 ZPO: [X.], 22.
Aufl., §
563 Rn.
27; siehe auch zu §
522 Abs. 1 Satz 3 ZPO:
[X.], [X.], 69; [X.], 5.
Aufl., §
522 Rn.
4; dagegen MüKoZPO/Rimmelspacher, 4.
Aufl., §
522 Rn.
13). Denn eine abschließende Beurteilung, ob der Wert des [X.] vorliegend 600

dem Rechtsbeschwerdegericht auf der Grundla-ge der im angefochtenen Beschluss getroffenen tatsächlichen Feststellungen
-
wie
dargelegt
-
nicht möglich.

7
8
-
6
-

III.
Für das weitere Verfahren
weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Es trifft zu, dass der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich began-genen unerlaubten Handlung, sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nach dem Nennwert der Forderung bemisst, sondern maßgeblich vielmehr die späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach [X.] und Erteilung der Restschuldbefreiung sind. Müssen die künftigen Vollstreckungsaussichten "eher zurückhaltend"
beurteilt werden, so kann dabei auch ein deutlicher Abschlag von 75% gerechtfertigt sein (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Januar 2009 -
IX ZR 235/08, [X.], 920 Rn.
4
ff.). Gleiches gilt für die Bemessung der
Beschwer des Klägers, wenn seine auf eine solche
Feststellung
gerichtete Klage
abgewiesen worden ist
(vgl.
auch insoweit
[X.], Beschluss vom 22. Januar 2009 -
IX
ZR 235/08, aaO).
Ob dieselben Grundsätze auch für die vorliegend zu beurteilende
Beschwer des Beklagten gelten, kann offenbleiben. Denn auch unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums des Berufungsgerichts erscheint ein Abschlag
vom No-minalwert der Forderung in Höhe von mehr als 87% deutlich zu hoch,
sollten nicht ganz besondere Umstände nahelegen, dass der Beklagte mit
höchster Wahrscheinlichkeit dauerhaft über kein Einkommen und Vermögen verfügen wird, die ihm den Ausgleich der Forderung ermöglichen bzw. dem klagenden Land im Rahmen einer von diesem betriebenen Zwangsvollstreckung zur [X.] stehen. Die bloße Feststellung, dass der vergleichsweise junge [X.] "ungelernt und langzeitarbeitslos"
war, reicht als Grundlage für eine solche Annahme nicht.
2. Sollte das Berufungsgericht auch nach erneuter Prüfung zum Ergebnis gelangen, dass die [X.] nicht erreicht ist, wird es sich vor der 9
10
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-
7
-

Verwerfung der Berufung mit der Frage zu befassen
haben, ob die Berufung des Beklagten nach §
511 Abs.
2 Nr.
2, Abs.
4 Satz 1 ZPO zuzulassen ist.
Hat das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen,
die [X.] nach §
511 Abs.
4 Satz 1 ZPO zuzulassen, weil es von einer Beschwer der u-fungsgericht, wenn es von einer geringeren Beschwer ausgeht, die Entschei-dung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der [X.] nach §
511 Abs.
4 Satz 1 ZPO erfüllt sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12.
April 2011 -
VI
ZB 31/10, aaO
Rn.
11).
Nachdem im amtsgerichtlichen Urteil der Streitwert auf "bis zu 5.000,00
Euro"
festgesetzt wurde, spricht vieles dafür, dass das Amtsgericht auch von einer Beschwer des Beklagten von über 600

ausgegangen ist und sich ihm die Frage der Berufungszulassung deshalb nicht gestellt hat.
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IV.
Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf §
21 Abs.
1 Satz 1 GKG.
Galke
[X.]
[X.]

von Pentz
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.11.2011 -
2a [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 04.12.2012 -
14 S 222/11 -

13

Meta

VI ZB 2/13

29.10.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.10.2013, Az. VI ZB 2/13 (REWIS RS 2013, 1596)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1596

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VI ZB 2/13

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