Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2022, Az. 2 StR 488/21

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 8878

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Gegenstand

Beweiswürdigung im Strafverfahren: Anforderungen an die Darstellung der Ergebnisse molekulargenetischer Vergleichsgutachten in den Urteilsgründen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2021 im Fall II.1 der Urteilsgründe sowie im [X.] mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Während Schuld- und Strafausspruch im Fall II.2 der Urteilsgründe keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, erweist sich die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Die [X.] hat ihre Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten insoweit maßgeblich auf der Grundlage gutachterlicher Vergleichsuntersuchungen von [X.] gewonnen, die an den Griffen der zum Transport der Betäubungsmittel verwendeten Tragetasche gesichert wurden. Dabei beschränkt sich das Urteil auf die Mitteilung, der Angeklagte sei bei einer der Mischspuren als Verursacher des dominierenden Spurenanteils in Betracht zu ziehen, während es bei der anderen einen Hinweis auf ihn als Mitspurenverursacher gebe. Dies genügt nicht den Anforderungen, die an die Darstellung von [X.] bei Mischspuren zu stellen sind.

3

a) Nach der neueren Rechtsprechung muss in den in der forensischen Praxis gebräuchlichen Verfahren zwar lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt werden, sofern sich die Untersuchungen auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen (BGHSt 63, 187 = NJW 2018, 3192, 3193). Bei Mischspuren, das heißt solchen Spuren, die mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen, ist jedoch in den Urteilsgründen weiterhin mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer anderen Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. [X.], 427, 428 mwN). Je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls können strengere Anforderungen gelten. Dabei wird sich regelmäßig die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt ([X.], 350).

4

b) Diese Anforderungen erfüllen die Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht. Das [X.] hat weder mitgeteilt, wie viele [X.] untersucht wurden und in wie vielen davon Übereinstimmungen mit den [X.] der Angeklagten festgestellt wurden, noch Angaben zur biostatistischen Wahrscheinlichkeit einer Spurenlegung durch den Angeklagten gemacht. Da das [X.] seine Überzeugung von der Täterschaft nach einer im Übrigen knappen „Gesamtschau“ weniger belastender Umstände insbesondere auf das Vorhandensein der [X.] gestützt hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

5

2. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe entzieht dem [X.] die Grundlage.

Franke     

  

Krehl     

  

Eschelbach

  

Grube     

  

[X.]     

  

Meta

2 StR 488/21

27.10.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wiesbaden, 25. Juni 2021, Az: 3 KLs - 3354 Js 46157/19

§ 261 StPO, § 267 Abs 1 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2022, Az. 2 StR 488/21 (REWIS RS 2022, 8878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8878

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