Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.11.2013, Az. VII B 86/12

7. Senat | REWIS RS 2013, 731

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Gegenstand

Gültigkeit der uniotären und nationalen Milchabgaberegelungen


Leitsatz

1. NV: Die nationalen Vorschriften über die Erhebung einer Milchabgabe sind nicht wegen nicht ausreichend bestimmter Ermächtigungsgrundlage, wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot oder gegen den Gesetzesvorbehalt nichtig.

2. NV: Es bestehen keine Zweifel an der Gültigkeit der unionsrechtlichen Vorschriften über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Milcherzeuger. Da er mit seinen Milchlieferungen im Zwölfmonatszeitraum 2004/2005 seine [X.] trotz Zuteilung nicht genutzter [X.]n (sog. Saldierung) überschritten hatte, meldete die Molkerei [X.] beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --HZA--) an.

2

Einspruch und Klage gegen die Abgabeanmeldung, mit denen der Kläger die Nichtigkeit der unionsrechtlichen sowie der nationalen [X.]vorschriften wegen Verletzung höherrangigen Rechts geltend machte bzw. macht, blieben ohne Erfolg.

3

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.], welche er auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt. Er meint weiterhin, die im Streitfall maßgebenden unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften über die Erhebung der [X.] seien nichtig, und bezeichnet insoweit 16 Fragen als grundsätzlich klärungsbedürftig.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die mit der Beschwerde formulierten Fragen sind höchstrichterlich geklärt bzw. lassen sich nur so beantworten, wie es das Finanzgericht ([X.]) getan hat.

5

1. Die Vereinbarkeit der Vorschriften über die Milchabgabe mit höherrangigem Recht ist wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen gewesen. Die unter den [X.]. 5 und 7 bezeichneten [X.] sind daher geklärt.

6

a) So hat der beschließende Senat bereits zur früheren [X.] (i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 21. März 1994, [X.] 1994, 586) entschieden, dass § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen [X.] [X.] (i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 27. August 1986, [X.] 1986, 1397) ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlagen i.S. des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) sind und dass die in jenen Vorschriften über § 1 Abs. 2 [X.] a.F. enthaltene dynamische Verweisung auf das [X.]srecht verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 2003 VII B 309/02, [X.], 243, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[X.]-- 2004, 17, m.w.N.; ebenso Senatsbeschluss vom 28. November 2006 VII B 54/06, [X.], 418, [X.], 54). Zum einen ist der Gesetzgeber befugt, mit einer Verweisung auf das [X.]srecht Inhalt, Zweck und Ausmaß einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen näher zu bestimmen. Zum anderen sind die für die Erhebung der Milchabgabe maßgeblichen unionsrechtlichen Vorschriften auch ausreichend bestimmt. Des Weiteren hat sich der beschließende Senat mit dem Beschluss in [X.], 243, [X.], 17 der Auffassung des [X.] (BVerwG) angeschlossen, ein Verstoß gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG sei nicht darin zu sehen, dass in einer Rechtsverordnung lediglich das zugrunde liegende einzelstaatliche förmliche Parlamentsgesetz, nicht jedoch auch die unionsrechtliche Rechtsgrundlage angegeben ist (vgl. BVerwG-Urteil vom 20. März 2003  3 [X.] 10.02, BVerwGE 118, 70).

7

An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Zum einen hat das [X.] ([X.]) die gegen den vorgenannten Senatsbeschluss gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Zum anderen hat das [X.] mit Beschluss vom 29. April 2010  2 BvR 871/04 und 2 BvR 414/08 ([X.] 2010, 217) zwei gegen Urteile ordentlicher Gerichte erhobene [X.] ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen und in der Begründung seines Beschlusses die Vereinbarkeit der auf § 8 Abs. 1 Satz 1 sowie § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. gestützten [X.] mit den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG umfassend geprüft und bejaht.

8

Die im Streitfall anzuwendende Verordnung zur Durchführung der [X.]-Milchabgabenregelung ([X.]) i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 2004 ([X.] 2004, 2143) nennt (u.a.) § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen [X.] --[X.]-- (i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 20. September 1995, [X.] 1995, 1146 - mit späteren Änderungen) als Ermächtigungsgrundlage. Diese Vorschriften entsprechen denjenigen des [X.] a.F., welche die [X.] seinerzeit als Ermächtigungsgrundlage bezeichnete. Es ist daher kein Grund erkennbar, die Vereinbarkeit der [X.] mit Art. 80 Abs. 1 GG anders zu beurteilen, als es das [X.] hinsichtlich der [X.] entschieden hat.

9

b) Es bedarf auch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass der Ansicht der Beschwerde nicht zu folgen ist, mit der [X.] habe der Verordnungsgeber das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verletzt, weil die Verordnung § 12 Abs. 3 [X.] nicht als Ermächtigungsgrundlage bezeichne und der angeführte § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] nur das "[X.]" ohne weitere Spezifizierung nenne.

Wie das [X.] mit dem Beschluss in [X.] 2010, 217 ausführt, ist der Zweck des [X.] erfüllt, wenn sich der Verordnungsgeber auf die Nennung der Verordnungsermächtigung beschränkt. Diese Ermächtigungen finden sich in § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Ebenso wenig wie die [X.] die Milchabgaberegelungen des [X.]srechts, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung (mit-) bestimmen und auf welche die Verordnungsermächtigung in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ([X.]-Beschluss in [X.] 2010, 217) verweist, bezeichnen muss, sind sämtliche Inhalt, Zweck und Ausmaß regelnden Vorschriften des [X.] in der Verordnung zu zitieren. Das in § 12 Abs. 3 Satz 1 [X.] als Gegenstand der Verordnung genannte Einbehalten, Abführen und Erstatten von Abgaben zu Marktordnungszwecken durch Abnehmer von [X.] ist lediglich eine spezielle Gestaltung des in § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] ohnehin bereits erwähnten "Verfahrens bei Abgaben zu Marktordnungszwecken", das außerdem bereits im [X.]srecht vorgezeichnet ist.

Im Übrigen ist § 12 Abs. 3 [X.] bereits in der o.g. Fassung der Bekanntmachung des Gesetzes vom 20. September 1995 enthalten, die Gegenstand der Prüfung des [X.] im Beschluss in [X.] 2010, 217 war. Gleichwohl hat das [X.] das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG als gewahrt angesehen und nicht verlangt, die [X.] müsse auch § 12 Abs. 3 [X.] als Ermächtigungsgrundlage nennen.

Dass § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] lediglich von einer Ermächtigung des "[X.]s" sprechen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil das "[X.]" in § 3 Abs. 2 [X.] (in der hier maßgeblichen Änderungsfassung) als das [X.] für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft legal definiert ist. Die einmalige gesetzliche Definition eines Begriffs in seiner Kurzform, die dann im weiteren Verlauf verwendet wird, ist eine übliche Technik in der Gesetzgebung. Für den Normadressaten des [X.] ist hinreichend deutlich erkennbar, welches [X.] durch § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 12 Abs. 2 Satz 1 [X.] zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt wird. Entsprechende Bezeichnungen des ermächtigten Ministeriums fanden sich bereits im [X.] a.F.: Auch dort war der in verschiedenen Vorschriften zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigte "[X.]" am Anfang des Gesetzes legal definiert. Das [X.] hat hierin in seinem Beschluss in [X.] 2010, 217 keinen Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gesehen.

2. Die nach Ansicht der Beschwerde auf [X.] eingetretenen sog. Paradigmenwechsel, die [X.] die [X.] wegen der Bedeutung der erforderlichen nationalen Vorschriften durch den parlamentarischen Gesetzgeber und nicht lediglich durch den Verordnungsgeber in nationales Recht hätten umgesetzt werden müssen (vgl. Nr. 16 der [X.]), betreffen die (im Streitfall allein streitige) Heranziehung des seine Referenzmenge überschreitenden Milcherzeugers zur Milchabgabe nicht.

3. Klärungsbedürftige Fragen zur sog. Saldierung (vgl. [X.]. 8, 9 und 14 der [X.]) wirft der Streitfall nicht auf. Es gibt keinen unionsrechtlichen Anspruch auf Saldierung (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2006 VII B 37/05, [X.], 285; Senatsurteil vom 16. April 2013 VII R 9/12, [X.], 380, [X.] 2013, 189) und auch keinen Anspruch auf ein bestimmtes Saldierungsverfahren, soweit das [X.]srecht den Mitgliedstaaten entsprechende Spielräume lässt. Durch § 14 [X.] ist die in Art. 10 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung ([X.]) Nr. 1788/2003 ([X.] 1788/2003) des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor ([X.] Nr. L 270/123) unionsrechtlich (als Alternative) vorgegebene [X.], nämlich zunächst auf [X.] des Käufers und anschließend auf [X.], gewählt worden. Zu den rechtlichen Einwendungen der Beschwerde gegen dieses Saldierungsverfahren hat der Senat das Erforderliche bereits hinsichtlich der Vorgängervorschrift zu § 14 [X.] mit Beschluss vom 21. April 2009 VII B 66/08 ([X.], 1679, [X.] 2009, 251) ausgeführt. [X.] es zu, dass § 14 [X.] --wie die Beschwerde meint-- wegen Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG nichtig ist, gäbe es überhaupt keine Möglichkeit, Milcherzeugern nicht genutzte Quoten zuzuteilen. An der Höhe der im Streitfall festgesetzten Milchabgabe änderte sich dadurch zu Gunsten des Klägers nichts.

Abgesehen davon, dass es --wie ausgeführt-- keinen Anspruch auf eine vom jeweiligen Mitgliedstaat zu treffende Wahl eines bestimmten, für den einzelnen Milcherzeuger besonders günstigen Saldierungsverfahrens gibt, dürfte es zudem von stets veränderlichen Umständen, wie der Höhe der Überlieferungen innerhalb eines [X.] und der Zusammensetzung der Gruppe der einen Käufer beliefernden Milcherzeuger, abhängen, ob im Einzelfall die Molkereisaldierung oder die Saldierung auf [X.] zu einer geringeren Abgabenbelastung führt. Die für einen bestimmten Milcherzeuger günstige Art der Saldierung kann sich bei einem anderen Milcherzeuger ungünstig auswirken.

Die nach Ansicht der Beschwerde erforderliche Saldierung auf [X.]sebene ist nach § 14 [X.] nicht möglich. Der [X.] hat den Mitgliedstaaten einzelstaatliche Referenzmengen zugewiesen und ihnen deren Verteilung auf die Milcherzeuger überlassen. Dass er die Möglichkeit der Saldierung auf den Bereich des jeweiligen Mitgliedstaats beschränkt und von einer Zuweisung ungenutzter einzelstaatlicher Referenzmengen an Mitgliedstaaten, in denen die einzelstaatliche Referenzmenge überschritten wird, abgesehen hat, ist eine sich im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens haltende Entscheidung. All dies bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

4. Daraus mag sich für bestimmte Zwölfmonatszeiträume ergeben, dass in einem Mitgliedstaat ansässige Milcherzeuger trotz Überlieferung ihrer verfügbaren Referenzmenge keine Milchabgaben entrichten müssen, weil sie aufgrund nationaler Saldierungsmöglichkeiten ihre Überlieferungen mit ungenutzten Referenzmengen ausgleichen können, während überliefernden Milcherzeugern in anderen Mitgliedstaaten keine Saldierung zugutekommt. Anders als die Beschwerde meint (vgl. Nr. 15 der [X.]), liegt hierin aber keine Diskriminierung, da Milcherzeuger bestimmter Mitgliedstaaten nicht strukturell gegenüber anderen benachteiligt werden. Es bleibt jedem Mitglied der [X.] überlassen, die allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise zur Verfügung stehenden unionsrechtlichen Saldierungsmöglichkeiten zu nutzen.

5. Das Beschwerdevorbringen, die Molkereien könnten "weisungsungebunden und ohne konkrete Vorgaben frei darüber entscheiden", ob und wann sie im Fall einer Überlieferung eine Vorauszahlung auf die Milchabgabe einbehalten (vgl. [X.]. 6 und 13 der [X.]), trifft zum einen nicht zu. Zum anderen ist unklar, was die Ausführungen der Beschwerde zum Vorauseinbehalt gemäß § 19 Abs. 2 [X.] mit dem vorliegenden Fall zu tun haben. Die Molkerei hat im Streitfall keine Vorauszahlung einbehalten, sondern nach dem Ablauf des [X.] 2004/2005 die entstandene Milchabgabe beim [X.] angemeldet, wie es § 19 Abs. 4 [X.] vorschreibt. Die Ansicht der Beschwerde, die Datenübermittlung durch die Molkerei an das [X.] sei "nicht geeignet, eine Abgabenfestsetzung für einen Dritten (Landwirt) zu bewirken", entspricht nicht der Rechtslage.

6. Aus den Ausführungen der Beschwerde zur angeblichen Unverhältnismäßigkeit des [X.] nach Aufgabe des [X.] (vgl. [X.]. 10 bis 12 der [X.]) ergeben sich keine grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen. Auch insoweit kann auf Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen [X.] ([X.]) sowie des beschließenden Senats verwiesen werden.

Der [X.] hat mit Urteil vom 14. Mai 2009 [X.]-34/08 --Azienda [X.] (Slg. 2009, [X.], [X.] 2009, 219) entschieden, die Prüfung der [X.] 1788/2003 im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit habe nichts ergeben, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte. Der [X.] betont in dieser Entscheidung, dass der Gesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik (Art. 33 des Vertrags zur Gründung der [X.] --[X.]--) über ein weites Ermessen verfüge, das er mit dem Erlass der [X.] 1788/2003 nicht überschritten habe, indem er das in Art. 33 Abs. 1 Buchst. c [X.] ausdrücklich erwähnte Ziel der Stabilisierung der Märkte verfolgt und diesem Ziel Vorrang eingeräumt habe. Die gerichtliche Kontrolle des Ermessensspielraums des [X.]s im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik sei auf die Überprüfung beschränkt, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme zur Erreichung des jeweils verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet sei. Dies sei bei der [X.] 1788/2003 jedoch nicht der Fall. Ihr Erlass sei erforderlich gewesen, um das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei Milch und Milcherzeugnissen und die daraus resultierenden strukturellen Überschüsse zu verringern und dadurch ein besseres Marktgleichgewicht zu erreichen. Mit den in Art. 33 Abs. 1 Buchst. a und b [X.] genannten Zielen sei die [X.] 1788/2003 vereinbar.

Wenn die Beschwerde insoweit meint, ein solches Ungleichgewicht auf dem Milchmarkt bestehe nicht und die Milchabgaberegelungen hätten in Wahrheit einen rein fiskalischen Zweck, seien auf Begrenzung der Haushaltsausgaben der [X.], nicht aber als Hilfsmittel zur Herstellung eines Marktgleichgewichts angelegt, so setzt sie ihre eigenen Erwägungen an die Stelle der Ermessenserwägungen des Verordnungsgebers.

Dass der Verordnungsgeber den Richtpreis aufgegeben hat, rechtfertigt ebenfalls keine Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Milchabgaberegelungen. Mit seinem Urteil vom 25. März 2004 [X.]-231/00 --[X.]ooperativa [X.] (Slg. 2004, [X.]) hat der [X.] ausgeführt, es könne nicht hingenommen werden, dass in einem Mitgliedstaat die zugeteilte Referenzmenge überschritten werde, ohne dass dies die Zahlung der Milchabgabe nach sich ziehe, da ansonsten Erzeuger, deren Überproduktion von der Milchabgabe befreit wäre, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber Erzeugern in anderen Mitgliedstaaten erlangten und zudem die Solidarität unter den Mitgliedstaaten insofern gestört werde, als Erzeuger von den durch die Festlegung eines Richtpreises für Milch verschafften Vorteilen profitierten, ohne die Einschränkungen hinnehmen zu müssen, durch die ein solcher Richtpreis beibehalten werden könne. Diese Ausführungen des [X.] geben --anders als die Beschwerde meint-- keinen Anlass zu der Annahme, die unionsrechtlichen Milchabgaberegelungen seien nur unter der Voraussetzung der Beibehaltung eines bestimmten [X.] zu rechtfertigen. Vielmehr liegt es im Ermessen des Verordnungsgebers, die Milcherzeuger auch unabhängig von einem Richtpreis zur Einhaltung einer bestimmten Produktionsmenge mithilfe einer Milchabgabe anzuhalten.

Auf die Einhaltung dieser in Gestalt einer sog. Quote zugeteilten Produktionsmenge kann und muss sich jeder Milch erzeugende Betrieb einstellen. Dass es --wie die Beschwerde [X.] schwierig ist, an der Milchquotenbörse weitere Quoten zu einem angemessenen Preis zu erwerben, ändert nichts daran, dass der [X.] berechtigt ist, die Milchproduktion in der [X.] zu beschränken, indem er Überproduktionen mit einer Abgabe belegt.

7. Anders als die Beschwerde meint, ist es auch nicht klärungsbedürftig, ob Art. 3 Abs. 1 [X.] 1788/2003 den Mitgliedstaaten eine Abgabeschuld in Höhe von 99 % der zu erhebenden Milchabgabe auferlegen durfte (vgl. Nr. 4 der [X.]), denn im Streitfall geht es allein um eine gegen den Kläger festgesetzte Abgabe. Der beschließende Senat hat insoweit bereits mit Beschluss vom 13. Juli 2011 VII B 223/10 ([X.]NV 2011, 1732) ausgeführt, die [X.] sei jedenfalls berechtigt, zur [X.] den jeweiligen Marktteilnehmern eine Abgabe aufzuerlegen. Hieran ist festzuhalten. Der Ansicht der Beschwerde, gegen eine der [X.] unzulässig auferlegte unionsrechtliche Abgabe könne sich ein [X.] Staatsbürger auf Art. 38 Abs. 1 GG berufen, ist nicht zu folgen. Ein Revisionsverfahren ist zur Klärung dieser Frage nicht erforderlich.

8. Schließlich rechtfertigen auch die nach Ansicht der Beschwerde zur Nichtigkeit der [X.] 1788/2003 führenden Verstöße gegen wesentliche Formvorschriften im [X.] Gesetzgebungsverfahren (vgl. [X.]. 1 bis 3 der [X.]) die Zulassung der Revision nicht. [X.] es zu --wie die Beschwerde meint--, dass die gesamte (inzwischen außer [X.] getretene) [X.] 1788/2003 wegen Missachtung des [X.] durch den Rat sowie des nicht einstimmig gefassten Beschlusses über ihre Verabschiedung nichtig war, wäre auch Art. 25 [X.] 1788/2003 über die Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr. 3950/92 ([X.] 3950/92) des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (Amtsblatt der [X.]en Nr. L 405/1) nichtig. Die [X.] 3950/92 hätte weiter gegolten und wäre weiterhin die unionsrechtliche Grundlage für die Erhebung der Milchabgabe geblieben. Dass bei Fortgeltung der [X.] 3950/92 keine oder eine geringere Milchabgabe gegen den Kläger festzusetzen gewesen wäre, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Vielmehr sind gerade unter der Geltung der [X.] 1788/2003 ab dem 1. April 2004 die vom [X.] entkoppelten Abgabensätze ständig gesunken.

Meta

VII B 86/12

27.11.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 20. März 2012, Az: 4 K 29/08, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 80 Abs 1 GG, Art 33 Abs 1 EG, Art 3 Abs 1 EWGV 1788/2003, Art 10 Abs 3 EWGV 1788/2003, § 3 Abs 2 MOG, § 8 Abs 1 MOG, § 12 Abs 2 MOG, § 12 Abs 3 MOG, § 14 MilchAbgV 2004

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.11.2013, Az. VII B 86/12 (REWIS RS 2013, 731)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 731

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(Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 22.5.2012 VII R 23/08 - Voller Saldierungsvorteil bei Betriebsübergang im Milchwirtschaftsjahr)


VII R 23/08 (Bundesfinanzhof)

Voller Saldierungsvorteil bei Betriebsübergang im Milchwirtschaftsjahr


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1 BvR 2560/15

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