Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2016, Az. 4 StR 195/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 7113

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:040816U4STR195.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
4 StR
195/16

vom
4. August
2016
in der Strafsache
gegen

wegen schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der
4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 4. August 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am [X.]
Sost-Scheible,

[X.] am [X.]
Cierniak,
[X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

[X.] beim [X.]

-
in der Verhandlung -,
Staatsanwalt

-
bei der Verkündung -

als Vertreter des
[X.]s,

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung -

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

-
in der Verhandlung
-

als Vertreter des [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 26. November 2015, soweit es den Angeklagten
Z.

betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben

a) soweit der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe verurteilt ist,

b) im Gesamtstrafen-
und Maßregelausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das
[X.] hat den Angeklagten Z.

wegen Raubes in Tat-
einheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall
B.
II. der Urteilsgründe) und [X.] zum schweren Raub oder zur schweren räuberischen Erpressung (Fall
B.
III. der Urteilsgründe) unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamt-freiheitsstrafe
von drei Jahren und acht Monaten verurteilt und seine Unterbrin-gung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger beanstanden jeweils mit der Sachrüge, dass der Angeklagte im 1
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-
Fall
B.
II. der Urteilsgründe nur wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und nicht wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährli-cher Körperverletzung verurteilt worden ist. Die vom [X.] ver-tretene Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des [X.] haben den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
I.
Nach den zu Fall
B.
II. der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen be-gab sich der Angeklagte Z.

am 11.
März 2015 nach 18.00
Uhr mit drei
unbekannt gebliebenen Mittätern zum Hintereingang eines [X.] in M.

, um dort auf den Nebenkläger zu warten, der in dem Juwelierge-
schäft angestellt war und dessen Räumlichkeiten
er
stets zu dieser [X.] durch die Hintertür zu verlassen pflegte. Alle Täter trugen schwarze Sturmhauben, dunkle Bekleidung und Handschuhe. Als der Nebenkläger gegen 18.25
Uhr die Hintertür nach dem Verlassen des Ladenlokals wieder verschließen wollte, drängten ihn der Angeklagte und seine Mittäter zurück in das Geschäft. Dabei traten und schlugen sie auf ihn ein. Einer der Täter führte einen umwickelten harten Gegenstand bei sich und versetzte dem Nebenkläger damit einen Schlag in das Gesicht. Es konnte nicht festgestellt werden, welcher der Mittäter den Gegenstand nutzte. Zugunsten des Angeklagten ist die
Strafkammer davon
ausgegangen, dass die Verwendung dieses gefährlichen Gegenstands nicht Bestandteil der Tatplanung war und er den Einsatz des umwickelten [X.] durch einen der Mittäter weder wahrnahm noch billigte. Im Ladenge-schäft erhielt der Nebenkläger von dem Angeklagten und mehreren Mittätern Faustschläge und Fußtritte in unbekannter Anzahl gegen den Körper. Sodann forderte einer der Täter, dem gemeinsamen Tatplan entsprechend, von ihm die Herausgabe des Tresorschlüssels. Durch die vorangegangenen [X.]
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-
gen eingeschüchtert, gab der Nebenkläger den Schlüssel heraus. Der Aufforde-rung, den [X.] zu zeigen, wo er seine Wertgegenstände aufbewahre, kam der Nebenkläger aus Angst ebenfalls nach. Sodann wurde der Nebenkläger von einem der Mittäter in einen Toilettenraum gedrängt. Dort wurden ihm mit einem von den [X.] mitgebrachten Klebeband der Mund zugeklebt und die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Der Angeklagte hinterließ an einem Rest dieses Klebebands Zellmaterial. Einer der Mittäter blieb
im Toilettenbereich, um eine Flucht oder einen Notruf des [X.] zu verhindern. Sodann ent-wendeten die Mittäter in arbeitsteiligem Handeln aus [X.] Uhren, Schmuck und Bargeld in einem Gesamtwert von 20.000
Euro. Außerdem zer-störten der Angeklagte und seine Mittäter diverse Vitrinen, aus denen sie [X.] entnahmen. Insgesamt entstand ein Schaden in Höhe von ca. 30.000
Euro. Ferner wurde die Brieftasche des [X.] entwendet, in der sich mehrere Kredit-
und Bankkarten befanden. Der Nebenkläger konnte sich kurze [X.] später selbst befreien. Er erlitt mehrere Schwellungen und [X.]. Er war 14
Tage arbeitsunfähig krank.
Das [X.] hat in dem Einsatz des umwickelten Gegenstandes ei-nen nicht vom Vorsatz des Angeklagten Z.

umfassten Exzess eines Mit-
täters gesehen und die Tat als Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverlet-zung gemäß § 249 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 4, § 52 StGB bewer-tet. Es hat für diese eine Einzelstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe verhängt.
II.
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf den Schuld-spruch im Fall B.
II. der Urteilsgründe beschränkte Revision der Staatsanwalt-schaft und die Revision des [X.] führen zu der aus der Urteilsformel 3
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-
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-
ersichtlichen Teilaufhebung des landgerichtlichen Urteils. Denn die [X.] hätte aufgrund der von ihr getroffenen Feststellungen prüfen müssen, ob der Angeklagte im Fall B.
II. der Urteilsgründe wegen des zur Fesselung des [X.] und zum Verkleben seines Mundes verwendeten Klebebands eines schweren Raubes gemäß §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB schuldig ist.
1.
Ein schwerer Raub gemäß §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB liegt vor, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder [X.] zu verhindern oder zu überwinden.
Als Mittel kommen dabei auch Fesselungs-
und Knebelungswerkzeuge in Betracht, wenn sie einem der angeführten Zwecke dienen sollen (vgl. [X.], Beschluss vom 15. August 2007

5 [X.], [X.], 375; Urteil vom 18.
Januar 2007

4
StR
394/06, [X.], 332, 334; Beschluss vom 17.
Juni 2003 3
StR
177/03, [X.], 328, 329 zu §
177 Abs.
3 Nr.
2 StGB;
Urteil vom 6.
Oktober 1992

1
StR 554/92, [X.], 79 zu §
250 Abs.
1 Nr.
2 StGB aF).
Für die Annahme des [X.] des §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB reicht es aus, dass
ein [X.] und eine Verwendungsabsicht zu irgendeinem [X.]punkt vom Ansetzen zur Tat bis zu deren Beendigung
gege-ben sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 12.
März 2013

2
StR
583/12, [X.], 244, 245; Urteil vom 13.
Oktober 1959

5
StR
377/59; [X.]St 13, 259
f.).
2.
Nach den Feststellungen wurde der Nebenkläger noch vor der Weg-nahme der Uhren, des Bargeldes und der übrigen Wertgegenstände aus [X.] und den Vitrinen mit mitgebrachtem Klebeband gefesselt und ihm der Mund verklebt. Dies diente unter anderem auch der Vermeidung eines Notru-fes. Zwar lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob die Mitnahme des Klebe-5
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-
7
-
bandes und dessen Einsatz der von vornherein getroffenen [X.] entspra-chen oder
ob es während der Tatausführung insoweit zu einer

sei es auch nur stillschweigenden

Absprache zwischen dem Angeklagten
und seinen [X.] kam. Auch ist
nicht festgestellt, dass der Angeklagte an dessen Verwen-dung
zum Nachteil des [X.] unmittelbar beteiligt war. Mit Rücksicht auf das an einem Rest des Klebebandes aufgefundene Zellmaterial und den Umstand, dass sich der Angeklagte nach dessen Einsatz
an der Ausführung der Tat weiter beteiligt hat (zur mittäterschaftlichen Zurechnung in solchen Fäl-len vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Juli 2003

4
StR
265/03,
NStZ 2004, 263; Urteil vom 19.
September 2001

2
StR 224/01, [X.], 9), hätte sich das [X.] aber zu einer Prüfung der Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB gedrängt sehen müssen.
3.
Die im Rahmen des Anfechtungsumfangs nach §
301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils auch zugunsten des Angeklagten hat keinen ihn [X.] Rechtsfehler ergeben.
Da zwischen einer möglichen Verurteilung nach §
250 Abs.
1 Nr.
1b StGB und der

an sich rechtsfehlerfreien

Verurteilung wegen §
224 Abs.
1 Nr.
4 StGB Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben. Denn nur auf [X.] kann verhindert werden, dass der nicht vom Rechtsfehler betroffene Teil in Rechtskraft erwächst, was einer weiteren Verfolgung derselben Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, der Anlass zur Aufhebung gegeben hat, wegen des Verbots aus Art.
103 Abs.
3 GG entgegenstünde ([X.], Urteil vom 20.
Fe-bruar 1997

4
StR
642/96, [X.]R StPO §
353 Aufhebung
1). Die Aufhebung entzieht auch der Gesamtstrafe die Grundlage.
7
8
-
8
-
Die Maßregelanordnung nach §
64 StGB kann ebenfalls nicht bestehen bleiben. Zwar ist mit der (nicht angefochtenen) Verurteilung im Fall
B.
III. der Urteilsgründe eine [X.] rechtskräftig festgestellt. Die Entscheidung über die Unterbringung knüpft aber auch an die Verurteilung im Fall B.
II. der Urteils-gründe an und ist dadurch mit dem aufgehobenen Schuldspruch untrennbar verbunden (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juli 2012

2 [X.], [X.], 54 mwN).
Im Fall einer Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als drei Jahren und gleichzeitiger Anordnung der Unterbringung in einer Entzie-hungsanstalt wird der neue Tatrichter auch die Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB in den Blick zu nehmen haben.
Sost-Scheible Cierniak Mutzbauer

[X.] Quentin
9
10

Meta

4 StR 195/16

04.08.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2016, Az. 4 StR 195/16 (REWIS RS 2016, 7113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7113

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3 StR 435/12

2 StR 605/11

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