Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.01.2015, Az. II R 42/12

2. Senat | REWIS RS 2015, 16929

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Gegenstand

Bewertungsrechtliches Schachtelprivileg für Beteiligung an einer französischen SICAV


Leitsatz

NV: Das bewertungsrechtliche Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 2 DBA-Frankreich 1959/1989 für die Beteiligung einer deutschen Kapitalgesellschaft an einer französischen Investmentgesellschaft in der Rechtsform einer société d'investissement à capital variable (SICAV) kommt nur in Betracht, wenn es sich bei der SICAV nach deutschem Recht um eine Kapitalgesellschaft handelt, die in Frankreich nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich 1959/1989 aufgrund ansässigkeitsbegründender Merkmale prinzipiell steuerpflichtig ist .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Juni 2011  1 K 2422/08 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Erwerb, die Veräußerung sowie die Verwaltung von Beteiligungen an Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen ist. Die Klägerin war in den Jahren 1991 und 1992 an der [X.] Investmentgesellschaft [X.], einer sociéte d´investissement à capital variable ([X.]), mit mehr als 10 % beteiligt.

2

Nach einer Außenprüfung stellte das seinerzeit zuständige Finanzamt mit geändertem Bescheid vom 7. Juli 2005 den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1992 im Wege der Wertfortschreibung fest. Der Wert der Beteiligung an der [X.] war mit 25.172.617 DM berücksichtigt. Der Einspruch, mit dem die Klägerin das bewertungsrechtliche [X.]chachtelprivileg nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 2 des Abkommens zwischen der [X.] ([X.]) und der [X.] ([X.]) zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der [X.]teuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 ([X.] 1961, 397) in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969 ([X.] 1970, 719) sowie des [X.] vom 28. [X.]eptember 1989 ([X.] 1990, 772) --DBA-[X.] 1959/[X.] geltend machte, blieb erfolglos.

3

Die auf Herabsetzung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1992 um 25.172.617 DM gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) führte zur Begründung aus, für die Anteile der Klägerin an der [X.] seien die Voraussetzungen des bewertungsrechtlichen [X.]chachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 2 DBA-[X.] 1959/1989 erfüllt. Die [X.] sei eine in [X.] zwar steuerbefreite, dort jedoch abstrakt steuerpflichtige und i.[X.]. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-[X.] 1959/ 1989 ansässige und abkommensberechtigte Kapitalgesellschaft. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2011, 1828 veröffentlicht.

4

Mit der Revision rügt der nunmehr zuständige Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt X --[X.]--) die Verletzung materiellen Rechts.

5

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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I[X.] Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die [X.]ache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 [X.]atz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die vom [X.] getroffenen Feststellungen reichen nicht für die Beurteilung aus, ob die [X.] die für die Gewährung des bewertungsrechtlichen [X.]chachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 2 DBA-[X.] 1959/1989 erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.

8

1. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung ([X.]) werden für inländische Gewerbebetriebe (§ 95 [X.]) Einheitswerte festgestellt (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung --AO--). In dem Feststellungsbescheid (§ 179 AO) ist auch über die Frage der Gewährung der Vergünstigung für [X.]chachtelgesellschaften zu entscheiden. Der [X.] ist nach § 182 Abs. 1 [X.]atz 1 i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO für den [X.] bindend. Bei der Festsetzung der Vermögensteuer kann daher nicht mehr über Umfang und Wert des anzusetzenden Betriebsvermögens entschieden werden (Entscheidungen des [X.] --[X.]-- vom 30. November 1993 II B 183/92, [X.], 530, B[X.]tBl II 1994, 150; vom 10. März 2005 II R 51/03, [X.] 2005, 1500).

9

2. Wirtschaftsgüter, die nach dem Vermögensteuergesetz oder anderen Gesetzen von der Vermögensteuer befreit sind, gehören gemäß § 101 Nr. 1 [X.] nicht zum Betriebsvermögen. Im [X.]treitfall kommt eine [X.]teuerbefreiung nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-[X.] 1959/1989 in Betracht.

a) Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-[X.] 1959/1989 sind von der Bemessungsgrundlage der [X.] [X.]teuer die in [X.] gelegenen Vermögensteile ausgenommen, die nach diesem Abkommen in [X.] besteuert werden können. Diese Regelung ist bei Dividenden gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 1 DBA-[X.] 1959/1989 nur auf die [X.] anzuwenden, die den Dividenden entsprechen, die von einer in [X.] ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in [X.] ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals der erstgenannten Gesellschaft gehören. Diese Bestimmung gilt nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 2 DBA-[X.] 1959/1989 auch für Beteiligungen, deren Dividenden unter den Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 1 DBA-[X.] 1959/1989 fallen würden.

b) Bei dem bewertungsrechtlichen [X.]chachtelprivileg des Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 2 DBA-[X.] 1959/1989 handelt es sich --nicht anders als bei dem die [X.]chachteldividenden betreffenden [X.]atz 1 dieser [X.] unbeschadet des Verweises auf Buchst. a dieser Vorschrift nicht um eine Rechtsgrund-, sondern um eine Rechtsfolgenverweisung, die ihre tatbestandlichen Voraussetzungen eigenständig anordnet ([X.]-Urteil vom 6. Juni 2012 I R 52/11, [X.], 356, B[X.]tBl II 2014, 240).

c) Ob eine [X.]ICAV eine in [X.] ansässige Person ist, ist nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-[X.] 1959/1989 zu beurteilen. Danach ist "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine solche, die nach dem Rechte dieses [X.]taates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Das DBA-[X.] 1959/ 1989 enthält allerdings keine Bestimmung darüber, wie der Begriff der Kapitalgesellschaft zu verstehen ist. Insoweit ist daher gemäß Art. 2 Abs. 2 DBA-[X.] 1959/1989 auf das jeweilige innerstaatliche Recht zurückzugreifen ([X.]-Urteil in [X.], 356, B[X.]tBl II 2014, 240, Rz 11). Für die Qualifizierung einer ausländischen Person --hier einer [X.]ICAV-- als Kapitalgesellschaft i.[X.]. des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a [X.]atz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-[X.] 1959/1989 ist im Wege eines sog. Typenvergleichs (dazu z.B. [X.] vom 4. April 2007 I R 110/05, [X.], 535, B[X.]tBl II 2007, 521; vom 15. März 1995 II R 24/91, [X.], 497, B[X.]tBl II 1995, 653) entscheidend darauf abzustellen, ob sie nach [X.] Recht als Kapitalgesellschaft anzusehen ist. Die weitere Frage, ob diese Gesellschaft als eigenständiges [X.]teuersubjekt verstanden wird und damit grundsätzlich eine [X.]teuerpflicht in [X.] begründet, ist nach [X.] [X.]teuerrechtslage zu beantworten ([X.]-Urteil in [X.], 356, B[X.]tBl II 2014, 240, Rz 12).

d) Die für die Gewährung des bewertungsrechtlichen [X.]chachtelprivilegs erforderliche Ansässigkeit einer [X.]ICAV in [X.] i.[X.]. des Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-[X.] 1959/1989 kann nicht allein deshalb bejaht werden, weil --wie vom [X.] angenommen-- eine [X.]ICAV eine in [X.] zwar steuerbefreite, jedoch "abstrakt" (unbeschränkt) steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist. Vielmehr setzt die Gewährung des bewertungsrechtlichen [X.]chachtelprivilegs voraus, dass es sich bei einer [X.]ICAV nach [X.] Recht um eine Kapitalgesellschaft handelt, die in [X.] nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-[X.] 1959/1989 aufgrund ansässigkeitsbegründender Merkmale prinzipiell steuerpflichtig ist. Auch das bewertungsrechtliche [X.]chachtelprivileg kann demnach nur unter den Voraussetzungen gewährt werden, unter denen nach der Rechtsprechung des [X.] [X.]enats des [X.] (Urteil in [X.], 356, B[X.]tBl II 2014, 240) die Voraussetzungen des abkommensrechtlichen [X.]chachtelprivilegs nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a [X.]atz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa [X.]atz 1 DBA-[X.] 1959/1989 für Ausschüttungen einer [X.]ICAV an eine [X.] Kapitalgesellschaft erfüllt sind. Die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgehende Vorentscheidung war daher aufzuheben.

3. Die [X.]ache ist nicht spruchreif. Das [X.] hat keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob eine [X.]ICAV nach [X.] Regelungslage als eigenständiges [X.]teuersubjekt oder aber als steuerlich transparent angesehen wird und ob sie nach diesen Besteuerungsmaßgaben aus [X.]r [X.]icht als Kapitalgesellschaft qualifiziert werden kann. Die Feststellung der einschlägigen ausländischen Rechtsnormen sowie die Ermittlung der für den [X.] notwendigen gesellschaftlichen Merkmale gehört zu den vom [X.] zu klärenden tatsächlichen Rechtsgrundlagen ([X.]-Urteil in [X.], 356, B[X.]tBl II 2014, 240, Rz 14; [X.]eer in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 [X.]O Rz 26, m.w.N.). [X.]ollten diese Feststellungen ergeben, dass die [X.]ICAV in [X.] als steuerlich transparent behandelt wird, wäre sie keine i.[X.]. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-[X.] 1959/1989 in [X.] ansässige Kapitalgesellschaft mit der Folge, dass das von der Klägerin begehrte bewertungsrechtliche [X.]chachtelprivileg zu versagen wäre.

4. Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf das [X.] folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 42/12

20.01.2015

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 15. Juni 2011, Az: 1 K 2422/08, Urteil

§ 180 Abs 1 Nr 1 AO, § 182 Abs 1 S 1 AO, § 101 Nr 1 BewG 1991, Art 2 Abs 1 Nr 4 Buchst a DBA FRA, Art 2 Abs 2 DBA FRA, Art 20 Abs 1 Buchst a DBA FRA, Art 20 Abs 1 Buchst b DBuchst aa DBA FRA, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.01.2015, Az. II R 42/12 (REWIS RS 2015, 16929)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16929

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