Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.02.2010, Az. VI R 65/08

6. Senat | REWIS RS 2010, 9479

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Gegenstand

(Vermögensermittlung beim Unterhaltsempfänger (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG) - Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache)


Leitsatz

1. Bei Ermittlung des für den Unterhaltshöchstbetrag schädlichen Vermögens sind Verbindlichkeiten und Verwertungshindernisse vom Verkehrswert der aktiven Vermögensgegenstände, der mit dem gemeinen Wert nach dem BewG zu ermitteln ist, in Abzug zu bringen (Nettovermögen)    .

2. Die Bodenrichtwerte nach dem BauGB sind für die Ermittlung des Verkehrswertes von Grundvermögen i.S. des § 33a EStG nicht verbindlich .

3. Die Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache (§ 173 AO) entfällt nicht allein wegen einer zuvor unterlassenen Änderung durch das FA hinsichtlich einer anderen Tatsache.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) vorgelegen haben sowie ob Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

3

Seit dem Veranlagungsjahr 1998 hatten die Kläger Unterhaltsleistungen an die 1934 geborene und verwitwete [X.]utter ([X.]) der Klägerin als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. In der Einkommensteuererklärung für 1998 gaben sie an, [X.] verfüge über keinerlei Barschaft, ihr Vermögen bestehe nur aus einem kleinen Häuschen. In den Erklärungen für die Streitjahre 1999 bis 2001 gaben die Kläger als Einkünfte der [X.] deren Rente und als Vermögen --mit dem Hinweis "siehe Vorjahr"-- das Einfamilienhaus an. In den Einkommensteuerbescheiden für 1999 vom 20. Juni 2000, für 2000 vom 30. August 2001 und für 2001 vom 15. November 2002 sind jeweils Unterhaltszahlungen an die [X.] in Höhe von 3.600 D[X.] als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden.

4

Im Rahmen der Veranlagung 1999 fragte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) am 7. April 2000 bei den Klägern an, wie die land- und forstwirtschaftlichen Flächen der Klägerin genutzt würden. In den Akten befindet sich eine Veräußerungsanzeige mit Eingangsstempel vom 22. August 2000, wonach die Klägerin am 10. August 2000 unbebaute Grundstücke für 74.000 D[X.] verkauft hatte. Die Bewertungsstelle hatte dazu am 4. Oktober 2000 auf Anfrage mitgeteilt, die Grundstücke seien am 1. November 1993 und am 12. Juli 1999 durch Schenkung erworben worden und als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet. Angaben über den [X.] enthält die [X.]itteilung nicht.

5

Anlässlich einer Einspruchsbearbeitung stellte die [X.] des [X.] fest, dass [X.] nicht nur Eigentümerin des selbst genutzten Grundstücks sowie eines --nicht [X.] war, sondern auch [X.]iterbin zu 1/2 nach dem Vater der Klägerin, und dass die [X.]iterben --in Erbengemeinschaft-- Eigentümer eines 1.160 qm großen Bauplatzes waren. Des Weiteren wurde ermittelt, dass der Erbengemeinschaft 12.230 qm Ackerland und 2.806 qm Wald gehört hatten, die durch notariellen Vertrag vom 12. Juli 1999 ohne Gegenleistung der Klägerin zu Alleineigentum übertragen worden waren. Eine Kopie des Vertrages war am 26. Juli 1999 beim [X.] eingegangen, in die [X.] gelangt und dort abgeheftet worden.

6

Das [X.] teilte den Klägern daraufhin mit, es habe festgestellt, dass [X.] Inhaberin eines nicht nur geringen Vermögens sei. Sie verfüge neben dem selbst bewohnten Einfamilienhaus über weiteren Grundbesitz. Es könne zudem davon ausgegangen werden, dass [X.] über Bankguthaben in nicht nur geringem Umfang verfüge. Dies ergebe sich aus ihren von der Zinsabschlagsteuer freigestellten Zinserträgen. Darüber hinaus liege keine außergewöhnliche Belastung vor, wenn die unterstützte Person aufgrund von Unterhaltsgefährdung einen Anspruch auf Herausgabe verschenkten Vermögens habe. Das [X.] änderte am 20. September 2004 die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und berücksichtigte die Unterhaltsleistungen nicht mehr.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Sprungklage ab.

8

[X.]it der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2006 I 315/2004 sowie die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 20. September 2004 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu Recht hat das [X.] das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bejaht. Seine Versagung des Abzugs für [X.]en unter Hinweis auf zu hohes Vermögen der unterstützten [X.] hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand.

1. Der [X.] muss nicht entscheiden, ob dem [X.] die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind. Die Kläger haben ihre Revision auch auf Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der [X.] ([X.]) das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf eine Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (vgl. § 118 Abs. 3 Satz 2 [X.]O). Da die Revision aus materiellen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, kann offenbleiben, ob sie auch infolge eines Verfahrensfehlers begründet ist (vgl. [X.]-Urteil vom 21. [X.]ärz 2007 [X.], [X.]E 217, 59, [X.]/NV 2007, 1604, unter [X.], m.w.N.).

2. Zutreffend ist die Ansicht des [X.], die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] für den Erlass der [X.] hätten vorgelegen. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Zu diesen Tatsachen zählen auch sämtliche Umstände, die zur Annahme von eigenem Vermögen einer unterstützten Person im Rahmen des § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führen. Danach sind das Eigentum der [X.] an dem Gartengrundstück, das [X.]iteigentum am Baugrundstück, die Übertragung des [X.]iterbenanteils von [X.] auf die Klägerin ebenso wie das Geldvermögen der [X.] Tatsachen, die voneinander unabhängig den Abzug von Unterhaltsleistungen nach § 33a Abs. 1 EStG ausschließen können. Eine Tatsache ist dem [X.] dann i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bekannt, wenn es positive Kenntnis erlangt hat ([X.]-Urteil vom 26. Februar 2009 II R 4/08, [X.]/NV 2009, 1599).

a) Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt (§ 118 Abs. 2 [X.]O), dass das [X.] weder von dem Eigentum der [X.] am Gartengrundstück noch von ihrem [X.]iteigentum am Baugrundstück oder von ihrem Geldvermögen Kenntnis zum Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung im Rahmen der Erstveranlagungen hatte. Dies wird durch die Kläger auch nicht angegriffen. Zudem konnte das [X.] zu Recht offenlassen, ob das [X.] bereits im Rahmen der Erstveranlagungen Kenntnis von den Übertragungsvorgängen zwischen [X.] und der Klägerin hatte. § 173 [X.] knüpft die Rechtsfolge der Änderungsmöglichkeit an eine bestimmte Tatsache. Dass es daneben eine oder weitere andere Tatsachen gegeben hat, die möglicherweise bekannt waren und zu einer Änderung hätten führen müssen, ist unbeachtlich. Insoweit hätte der von den Klägern angebotene Zeugenbeweis mangels Entscheidungserheblichkeit keine weiterführenden Erkenntnisse bringen können.

b) Die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] scheitert auch nicht, wie die Kläger meinen, an der fehlenden Rechtserheblichkeit. Die Unkenntnis des [X.] von der bestimmten Tatsache muss für die ursprüngliche Veranlagung ursächlich gewesen sein. Das ist nach der zu § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ergangenen Entscheidung des [X.] vom 23. November 1987 [X.] ([X.]E 151, 495, [X.] 1988, 180) der Fall, wenn das [X.] bei rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts in der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Von diesem Grundsatz ist auch bei der hier strittigen Änderungsbefugnis gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auszugehen (vgl. [X.]-Urteil vom 7. Juni 1989 II R 73/87, [X.]/NV 1990, 415). Für die Frage, wie das [X.] bei rechtzeitiger Kenntnis entschieden hätte, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Sachverhalt vom [X.] zutreffend gewürdigt worden wäre ([X.]sbeschluss vom 14. September 2005 [X.], [X.]/NV 2006, 13). Dies gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das [X.] selbst bei Kenntnis der Tatsache eine andere Würdigung aus rechtlichen Erwägungen vorgenommen hätte. § 173 [X.] ist keine Rechtsgrundlage für die Beseitigung von Rechtsfehlern ([X.]-Urteil vom 11. Juni 1997 [X.], [X.]/NV 1997, 853). Hinweise auf eine andere rechtliche Beurteilung können sich aus der Auslegung des Gesetzes nach der damaligen Rechtsprechung des [X.] oder aus Verwaltungsanweisungen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das [X.] gegolten haben, ergeben (Beschluss des [X.] in [X.]E 151, 495, [X.] 1988, 180).

Nach diesen Grundsätzen sind die nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen rechtserheblich. Die Unkenntnis des [X.] über die Tatsachen, dass [X.] Eigentümerin eines Garten- und [X.]iteigentümerin eines Baugrundstücks ist sowie über Geldvermögen verfügt, war ursächlich für den im Rahmen der Erstveranlagungen der Kläger gewährten [X.] als außergewöhnliche Belastung. Es ist davon auszugehen, dass das [X.] diesen Abzug versagt hätte, wenn es gewusst hätte, dass [X.] über derartiges Vermögen verfügt. Anhaltspunkte für eine abweichende rechtliche Beurteilung aufgrund entgegenstehender Verwaltungsanweisungen oder abweichender Auslegung des § 33a Abs. 1 EStG durch die Rechtsprechung in den Streitjahren sind nicht vorhanden. Insbesondere lassen sich keine Hinweise finden, dass das [X.] die Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG in den Streitjahren nicht beachten wollte. Selbst wenn also, wie die Kläger behaupten, das [X.] von den Übertragungsvorgängen zwischen [X.] und der Klägerin Kenntnis gehabt und den Abzug der [X.] nicht versagt hätte, würde dies an der Rechtserheblichkeit der Tatsachen nichts ändern. Aus einem --unterstellt-- unrichtigen Verhalten des [X.] bezüglich einer Tatsache kann nicht ohne weiteres auf eine Wiederholung bei einer weiteren Tatsache geschlossen werden. Es ist daher unerheblich, ob das [X.] Kenntnis von den Übertragungsvorgängen zwischen [X.] und der Klägerin bei der Erstveranlagung hatte.

Schließlich hat das [X.] zu Recht entschieden, dass das [X.] auch nicht durch [X.] und Glauben an einer Änderung der Bescheide gehindert war. Das [X.] konnte auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen, dass das [X.] die ihm obliegende Ermittlungspflicht nicht verletzt hat. Daher kann offenbleiben, ob die Kläger ihrerseits die ihnen obliegende Pflicht, den steuerlich relevanten Sachverhalt dem [X.] vollständig und deutlich zur Prüfung vorzulegen, verletzt haben.

3. Zu Unrecht hat das [X.] jedoch im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG zur Ermittlung der Höhe des schädlichen Eigenvermögens der unterstützten Person hinsichtlich unbebauter Grundstücke allein auf die Bodenrichtwerte nach dem Baugesetzbuch (BauGB) abgestellt.

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu einem Höchstbetrag von 13.020 D[X.] (1999), 13.500 D[X.] (2000) bzw. 14.040 D[X.] (2001) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Voraussetzung für den Abzug ist u.a., dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG). Der Gesetzgeber geht dabei typisierend davon aus, dass bei eigenem, nicht nur geringfügigem Vermögen eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und die [X.]en damit nicht zwangsläufig anfallen ([X.]-Urteil vom 14. August 1997 III R 68/96, [X.]E 184, 315, [X.] 1998, 241, zu § 33a Abs. 1 EStG a.F.). Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur geringes Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verfügt, ist unabhängig von der [X.] nach dem Verkehrswert zu entscheiden; ein Vermögen von bis zu 15.500 € (30.000 D[X.]) ist in der Regel gering ([X.]-Urteil vom 12. Dezember 2002 [X.]/01, [X.]E 201, 192, [X.] 2003, 655). Diese Grenze von 15.500 € (30.000 D[X.]) ist für die Streitjahre trotz der seit 1975 eingetretenen Geldentwertung nicht zu erhöhen ([X.]-Urteil vom 29. [X.]ai 2008 [X.], [X.]E 221, 221, [X.] 2009, 361). Sie liegt in den Streitjahren deutlich über dem Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 des [X.] ([X.]) i.V.m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 [X.]. Auch die seit 1. Januar 2005 geltenden neuen Grenzen für das Schonvermögen im Sozialrecht des § 12 Abs. 2 Nr. 1 des [X.] überschreiten die Grenze von 30.000 D[X.] (15.500 €) nicht.

b) Das [X.] hat festgestellt, dass [X.] als unterstützte Person Eigentümerin eines Gartengrundstücks sowie [X.]iteigentümerin eines Baugrundstücks ist. Dem [X.] ist darin zuzustimmen, dass die Verkehrswerte dieser Grundstücke zu ermitteln sind. Zu Unrecht hat das [X.] jedoch die Bodenrichtwerte nach § 196 BauGB für allein maßgeblich zur Bestimmung des Verkehrswertes i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gehalten.

Unter Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG ist das Nettovermögen zu verstehen, d.h. der Wert der aktiven Vermögensgegenstände, vermindert um die Schulden des Unterhaltsempfängers ([X.]-Urteil in [X.]E 201, 192, [X.] 2003, 655). Denn durch den kreditfinanzierten Erwerb von Wirtschaftsgütern vermindert sich die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit nicht. Zur Ermittlung des Nettovermögens ist daher zunächst der objektive Verkehrswert (Bruttovermögenswert) der Vermögensgegenstände zu ermitteln. Im [X.] sind diese Werte einzelfallbezogen nach dem Sinn und Zweck des § 33a EStG zu mindern.

aa) Zur Ermittlung des Bruttovermögens sind die einzelnen Vermögensgegenstände zu bewerten. Dies erfolgt für alle bundesgesetzlich geregelten Abgaben, die durch Bundes- oder Landesbehörden verwaltet werden, grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 1 des [X.]es ([X.]) in Anwendung des allgemeinen Teils (§§ 1 bis 16 [X.]). Dies gilt gemäß § 1 Abs. 2 [X.] nicht, wenn im jeweiligen Einzelsteuergesetz oder im besonderen Teil des [X.]es Sonderregelungen zur Bewertung von Vermögensgegenständen normiert sind. § 33a Abs. 1 EStG enthält keine Regelung, nach welchem Verfahren das Vermögen der unterstützten Person zu ermitteln ist. Zwar zählen die Grundstücke der [X.] zum Grundvermögen i.S. der §§ 68ff. [X.]. Jedoch enthält § 72 [X.] für unbebaute Grundstücke keine Sonderregelung für die Bewertung. Damit gilt zur Verkehrswertermittlung der allgemeine Teil und somit der gemeine Wert nach § 9 [X.]. Der gemeine Wert unbebauter Grundstücke ist nach der Rechtsprechung des [X.] entweder unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte vergleichbare Grundstücke oder auf der Grundlage von Durchschnittswerten (Richtwerten) oder --in Ausnahmefällen-- durch Einzelgutachten zu ermitteln ([X.]-Entscheidungen vom 21. [X.]ai 1982 [X.]/81, [X.]E 136, 141, [X.] 1982, 604, und vom 26. September 1980 [X.], [X.]E 132, 101, [X.] 1981, 153). Zwar kommt der Wertermittlung unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte [X.] grundsätzlich der Vorrang vor den anderen Wertermittlungsmethoden zu. Voraussetzung für die Wertermittlung durch unmittelbaren Vergleich mit Verkaufspreisen ist jedoch, dass eine ausreichende Zahl repräsentativer und stichtagsnaher Verkaufsfälle in der näheren Umgebung vorliegt. Anderenfalls verdient --und dies dürfte in der Praxis die Regel sein-- aus Gründen der gleichmäßigen Besteuerung die Ableitung des gemeinen Wertes aus Richtwerten den Vorzug ([X.] in [X.]E 136, 141, 144, [X.] 1982, 604, 606, und in [X.]E 132, 101, 104, [X.] 1981, 153, 154). Dabei ist der für das Streitjahr festgestellte Richtwert zu Grunde zu legen.

Die vom [X.] angenommene Verbindlichkeit der Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB) als Bewertungsmaßstab für unbebaute Grundstücke in sämtlichen [X.] ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Der Regelung der Bodenrichtwerte im Baugesetzbuch soll ebenso wie den Gutachten der Gutachterausschüsse (§ 193 Abs. 3 BauGB) keine Verbindlichkeit zukommen ([X.] in Ernst/[X.]/[X.]/[X.], Baugesetzbuch, § 196 [X.] 10). Dies entspricht auch dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers in Bezug auf das Steuerrecht (BTDrucks 7/4793 zu § 143b des [X.] 1976). Auch aus dem [X.] lässt sich keine Allgemeinverbindlichkeit der Bodenrichtwerte herleiten. Der Gesetzgeber hat zwar für die Ermittlung des Bedarfswertes (§ 145 [X.]) eine Verbindlichkeit der Bodenrichtwerte normiert. Die §§ 138ff. [X.] wurden jedoch nur zur Neuregelung der Grunderwerb- und der Erbschaftsteuer eingeführt. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf andere Steuerrechtsgebiete kommt nicht in Betracht. Die Vorschriften sind in den Streitjahren nicht auf die Ermittlung des gemeinen Wertes gerichtet gewesen, sondern auf einen deutlich darunterliegenden. Zudem waren die Bodenrichtwerte auf den Stichtag 1. Januar 1996 bis zum [X.] festgelegt. Damit waren die aktuellen Wertverhältnisse nicht berücksichtigt ([X.] in: [X.]/Stenger, Bewertungsrecht, § 9 [X.] [[X.]] [X.] 3, 20).

Entgegen der Auffassung des [X.] ergibt sich eine Verbindlichkeit der Bodenrichtwerte für den Streitfall auch nicht aus den in der Vorentscheidung zitierten Urteilen des [X.] vom 12. Juli 2006 II R 1/04 ([X.]E 213, 387, [X.] 2006, 742) sowie vom 11. [X.]ai 2005 II R 21/02 ([X.]E 210, 48, [X.] 2005, 686). Beide Entscheidungen beziehen sich allein auf die Ermittlung von Grundstückswerten für die Bedarfsbewertung. Dass die Bodenrichtwerte auch für § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verbindlich sein sollten, lässt sich den Urteilen nicht entnehmen.

bb) Allerdings kann auch nicht der gemeine Wert der Ermittlung des für § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG maßgeblichen Nettovermögens zugrunde gelegt werden. Denn nach § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 [X.] sind persönliche Verhältnisse, wie nachhaltige Verfügungsbeschränkungen oder Verwertungshindernisse, unberücksichtigt zu lassen. Solche in der Person des Steuerpflichtigen oder seines Rechtsvorgängers begründeten Umstände sind bei Ermittlung des schädlichen Vermögens nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zu berücksichtigen, weil sie die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit nicht ausschließen. Ausgangspunkt ist danach der gemeine Wert, der um die Belastungen auf Grund ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse zu mindern ist (s. auch [X.] in [X.]E 221, 221, [X.] 2009, 361).

cc) Nach alledem hat das [X.] zu Unrecht einen Verkehrswert für die unbebauten Grundstücke allein aus den Bodenrichtwerten nach dem Baugesetzbuch abgeleitet. Das [X.] hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung vorliegend keine Feststellungen darüber getroffen, ob eine Ermittlung des gemeinen Wertes aus Kaufpreisen für vergleichbare Grundstücke möglich gewesen wäre. Des Weiteren fehlen Feststellungen zu den besonderen Umständen des vorliegenden Falls. Dazu gehören Feststellungen zu Verbindlichkeiten, Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkungen sowie zur Verwertbarkeit des Grundvermögens.

4. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der [X.] kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das [X.] wird den dargelegten Grundsätzen folgend eine neue Bewertung des Vermögens der [X.] vorzunehmen haben. Zur Ermittlung der Verkehrswerte der Grundstücke sind alle erkennbaren Umstände miteinzubeziehen. Ausgangspunkt ist dabei der gemeine Wert der Grundstücke nach § 9 [X.]. Zu dessen Ermittlung sind vorrangig Verkaufspreise für vergleichbare Grundstücke heranzuziehen. Sollte dies nicht möglich sein, kann der gemeine Wert aus den für die Streitjahre festgestellten Bodenrichtwerten abgeleitet werden. Im zweiten Schritt sind sämtliche Belastungen des Bruttovermögens, die einer kurzfristigen Verwertung entgegenstehen, festzustellen und der [X.]inderungswert, gegebenenfalls im Schätzungswege, zu ermitteln.

Meta

VI R 65/08

11.02.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 5. Dezember 2006, Az: I 315/2004, Urteil

§ 33a Abs 1 S 3 EStG 1997, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 196 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.02.2010, Az. VI R 65/08 (REWIS RS 2010, 9479)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9479

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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