Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.08.2014, Az. VIII R 16/11

8. Senat | REWIS RS 2014, 3280

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Gegenstand

(Bagatellgrenze für die Nichtanwendung der Abfärberegelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG)


Leitsatz

Der Verkauf von Merchandising-Artikeln durch eine in der Rechtsform einer GbR auftretende Gesangsgruppe führt nicht zur Umqualifizierung der im Übrigen ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit in eine gewerbliche Tätigkeit, wenn die Nettoumsatzerlöse aus den Verkäufen 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen .

Tatbestand

1

I. Die Gesellschafter der Klägerin und [X.] (Klägerin), einer GbR, bilden eine Gesangsgruppe, die überwiegend im Rahmen des Karnevals bei Konzerten und (Karnevals-) Veranstaltungen auftritt. Sie erklärte ihre Einkünfte als solche aus selbständiger --künstlerischer-- Tätigkeit.

2

In der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) des [X.] erklärte sie (Netto-)Erlöse (7 v.[X.]. Umsatzsteuer) in [X.]öhe von 216.374 € und (Netto-)Erlöse (16 v.[X.]. Umsatzsteuer) in [X.]öhe von 5.000 €. Die Erlöse in [X.]öhe von 5.000 € entfielen auf Verkäufe von [X.] (T-Shirts, Aufkleber, Kalender und [X.]), die im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung festgestellt und vom Prüfer wegen unvollständiger Unterlagen in dieser [X.]öhe geschätzt worden waren.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) beurteilte die Einkünfte der Klägerin nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG in vollem Umfang als solche aus Gewerbebetrieb und setzte mit Bescheid vom 31. Juli 2007 einen [X.] fest.

4

In der Einspruchsentscheidung änderte das [X.] den Gewinn aus Gewerbebetrieb aus anderen, nicht streitigen Gründen auf 119.522 €, den [X.] entsprechend auf 3.550 € und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Mit in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2011, 1167 veröffentlichtem Urteil vom 1. März 2011  8 K 4450/08 hat das Finanzgericht ([X.]) der Klage stattgegeben.

6

Das [X.] rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend, das [X.] habe zu Unrecht die Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG abgelehnt, da die von der Klägerin erzielten gewerblichen Einkünfte aus dem Verkauf der Merchandising-Artikel in [X.]öhe von 5.000 € 2,26 v.[X.]. des Gesamtumsatzes (221.374 €) betragen hätten und damit über der vom [X.] ([X.]) entwickelten Bagatellgrenze von 1,25 v.[X.]. des Umsatzes ([X.]-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, [X.]E 189, 419, [X.], 229; von der Finanzverwaltung in [X.] 15.8 (5) der Einkommensteuer-[X.]inweise "Geringfügige gewerbliche Tätigkeit" anerkannt) lägen.

7

Eine allgemeine quantitative Unschädlichkeitsgrenze habe bislang weder der Gesetzgeber noch der [X.] festgelegt. Im Urteil vom 15. Dezember 2010 VIII R 50/09 ([X.]E 232, 162, [X.], 506) habe der [X.] jedoch ausgeführt, dass er an der Grenze von 1,25 v.[X.]. festhalte. Die 2,81 v.[X.].-Grenze hingegen stamme lediglich aus einem summarischen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ([X.]-Beschluss vom 8. März 2004 IV B 212/03, [X.]/NV 2004, 954). Die vom [X.] in diesem Beschluss ebenfalls herangezogene Grenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des [X.] ([X.]) in [X.]öhe von 24.500 € laufe dem Vereinfachungszweck des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zuwider. Bei Bemessung der Geringfügigkeitsgrenze nach dem Ertrag würden sich [X.] bei der Zuordnung der Betriebsausgaben ergeben.

8

Das [X.] beantragt, das angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe im Streitjahr Merchandising-Artikel sowohl verkauft als auch als Werbeartikel kostenlos an Agenturen und Literaten verschickt, um Konzertauftritte zu generieren. Teilweise habe sie die Artikel auch an Fans verschenkt. Der Verkauf der Artikel habe der Werbung gedient. Die daraus erzielten Umsätze hätten im Streitjahr entgegen der Schätzung durch das [X.] lediglich 3.460 €, d.h. 1,56 v.[X.]. des Gesamtumsatzes (221.374 €) betragen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [[X.].] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[[X.].]O--).

Das [[X.].] hat im Ergebnis zu Recht § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht angewandt, so dass die Einkünfte der Klägerin nicht insgesamt zu gewerblichen Einkünften umqualifiziert werden.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Nach Satz 2 der Vorschrift ist unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen.

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer oHG, einer KG oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen) ausübt. Die GbR ist eine Personengesellschaft im Sinne dieser Norm (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [[X.].]-Urteil vom 29. November 2012 IV R 37/10, [[X.].], 910, m.w.N.).

2. Die Klägerin erzielt mit den Gesangsauftritten ihrer Gesellschafter Einkünfte aus freiberuflicher, künstlerischer Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

a) Eine Personengesellschaft, wie vorliegend die GbR, entfaltet nach ständiger Rechtsprechung des [[X.].] nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. des § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Sie müssen über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung sie persönlich qualifiziert sind, tatsächlich auch entfalten. Dies gilt auch für eine Personengesellschaft, welche beansprucht, insgesamt eine künstlerische Tätigkeit auszuüben ([[X.].]-Urteil vom 10. Oktober 2012 VIII R 42/10, [[X.].]E 238, 444, [[X.].], 79; [[X.].]-Beschluss vom 16. April 2009 VIII B 216/08, [[X.].]/NV 2009, 1264).

b) Einen allgemeinen Kunstbegriff gibt es nicht. Im Gegensatz zu den sog. Katalogberufen ist für eine künstlerische Tätigkeit auch keine bestimmte fachliche Qualifikation erforderlich. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine künstlerische Tätigkeit vielmehr dann vor, wenn der Schaffende eigenschöpferisch tätig wird, d.h. Leistungen vollbringt, in denen sich eine individuelle Anschauungsweise und eine besondere Gestaltungskraft widerspiegeln, und wenn diese Leistungen eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen. Auch die Darbietung von Tanz- und Unterhaltungsmusik ist grundsätzlich unter den Begriff der Kunst nach diesen Maßstäben einzuordnen (vgl. hierzu [[X.].]-Urteile vom 19. August 1982 IV R 64/79, [[X.].]E 136, 474, [[X.].] 1983, 7; vom 28. Oktober 1982 IV R 202/80, juris; [[X.].]/ Wacker, EStG, 33. Aufl., § 18 Rz 66).

Im Streitfall sind alle Gesellschafter der Klägerin gemeinsam als Sänger tätig und treten als Gruppe unter dem Bandnamen "[X.]" vor allem im Rahmen des Karnevals auf. Die Gesangsdarbietungen der Gesellschafter im Rahmen von Veranstaltungen und Konzerten als Gesangsgruppe erfüllen danach den Tatbestand der künstlerischen Tätigkeit.

3. Die Einkünfte der Klägerin werden durch den Verkauf der Merchandising-Artikel nicht nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu solchen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert.

Denn obwohl es sich hierbei um eine originär gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG handelt (siehe hierzu unter [X.]), ist diese von so untergeordneter Bedeutung, dass die Umqualifizierung der Einkünfte der Klägerin in gewerbliche Einkünfte zu einem unverhältnismäßigen Ergebnis führen würde (siehe hierzu unter [X.]). Es kommt daher im Streitfall nicht darauf an, ob die Klägerin die gewerbliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat.

a) Im Unterschied zur sog. gemischten Tätigkeit eines Einzelunternehmers, bei dem gleichzeitig verrichtete gewerbliche und freiberufliche Betätigungen selbst bei sachlichen und wirtschaftlichen Berührungspunkten in der Regel getrennt zu beurteilen sind, fingiert die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG für gemischt tätige Personengesellschaften sämtliche Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb, wenn die Personengesellschaft neben nicht gewerblichen Tätigkeiten gleichzeitig eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Unerheblich ist dabei nach dem Wortlaut der Norm, ob der gewerblichen Tätigkeit im Rahmen des gesamten Unternehmens nur geringfügige wirtschaftliche Bedeutung zukommt ([[X.].]-Urteile vom 10. August 1994 I R 133/93, [[X.].]E 175, 357, [[X.].] 1995, 171; vom 19. Februar 1998 IV R 11/97, [[X.].]E 186, 37, [[X.].] 1998, 603).

Das [X.] ([X.]) hat die Verfassungsmäßigkeit der [X.] in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gerade im Hinblick auf diese Ungleichbehandlung zwischen Einzelunternehmen und Personengesellschaften und die erheblichen steuerrechtlichen Folgen --die grundsätzlich unabhängig von der Höhe der gewerblichen Einkünfte und des Verhältnisses zum Gesamtgewinn [X.] grundsätzlich bestätigt ([X.]-Beschluss vom 15. Januar 2008  1 BvL 2/04, [X.]E 120, 1, [[X.].]/NV 2008, Beilage 3, 247, unter [X.].). Die mit der Typisierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG verbundenen Nachteile stehen danach in einem vertretbaren Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Zielen, die Ermittlung der Einkünfte auch gewerblich tätiger Personengesellschaften durch Fiktion nur einer Einkunftsart zu vereinfachen und das Gewerbesteueraufkommen zu schützen.

Dabei ist das [X.] allerdings davon ausgegangen, dass die gewerbesteuerliche Belastung auf ein zumutbares Maß gemildert wird durch die Möglichkeit, mit Hilfe gesellschaftsrechtlicher Gestaltungen der [X.] auszuweichen (sog. Ausgliederungsmodell - vgl. hierzu [[X.].]-Urteile vom 12. Juni 2002 [X.]I R 21/99, [[X.].]/NV 2002, 1554; in [[X.].]E 186, 37, [[X.].] 1998, 603, jeweils m.w.N), durch die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nach § 35 EStG und schließlich durch die restriktive Rechtsprechung des [[X.].] zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, u.a. durch den Ausschluss einer die Einkunftsart insgesamt fingierenden Wirkung einer originär gewerblichen Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß ([[X.].]-Urteile in [[X.].]E 189, 419, [[X.].] 2000, 229; vom 30. August 2001 IV R 43/00, [[X.].]E 196, 511, [[X.].] 2002, 152; vom 29. November 2001 IV R 91/99, [[X.].]E 197, 400, [[X.].] 2002, 221).

b) Voraussetzung für die Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ist zunächst, dass die Gesellschaft sowohl gewerbliche als auch von diesen zu trennende nicht gewerbliche Einkünfte erzielt, d.h. dass die unterschiedlichen Tätigkeiten nicht derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen. Ist die Tätigkeit der Gesellschaft hingegen wegen untrennbarer Verflechtung der Tätigkeiten einheitlich als originär gewerblich zu qualifizieren, ergibt sich die Gewerbesteuerpflicht unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Liegt hingegen eine einheitliche freiberufliche Tätigkeit vor, entfällt die Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ([[X.].]/Wacker, a.a.[X.], § 15 Rz 186, m.w.N.).

Der Verkauf der Merchandising-Artikel durch die Klägerin ist eine solche originär gewerbliche Tätigkeit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, die getrennt von der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin zu betrachten ist. Denn deren Auftritte können auch ohne den Verkauf der Waren stattfinden; sie schuldet auch keinen einheitlichen Erfolg in Form von Auftritt und Verkauf.

c) Die danach trennbaren gewerblichen Einkünfte der Klägerin aus dem Verkauf der Merchandising-Artikel führen nicht zu einer Umqualifizierung der Einkünfte aus ihrer künstlerischen Tätigkeit. Denn der geringfügige Umfang dieser gewerblichen Tätigkeit schließt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG im Streitfall aus.

aa) Aufgrund der dargestellten Rechtsprechung des [X.], das die Verhältnismäßigkeit der [X.] u.a. auf der Grundlage der restriktiven Auslegung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG durch den [[X.].] bejaht hat, hält der [X.] an der Rechtsprechung fest, dass einer originär gewerblichen Tätigkeit einer ansonsten Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielenden Personengesellschaft dann keine die übrige Tätigkeit der Gesellschaft umqualifizierende Wirkung zukommt, wenn es sich um eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Ausmaß handelt ([[X.].]-Urteile in [[X.].]E 189, 419, [[X.].] 2000, 229; in [[X.].]E 196, 511, [[X.].] 2002, 152; in [[X.].]E 197, 400, [[X.].] 2002, 221; [[X.].]-Beschluss in [[X.].]/NV 2004, 954).

bb) Eine Tätigkeit von noch äußerst geringem Ausmaß, die nicht dazu führt, dass die gesamte Tätigkeit der Personengesellschaft einheitlich als gewerblich fingiert wird, liegt dann vor, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse 3 v.H. der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 € im Veranlagungszeitraum als Obergrenze nicht übersteigen.

(1) Ob es sich bei der gewerblichen Tätigkeit um eine äußerst geringfügige Tätigkeit handelt, die nicht zur Umqualifizierung der übrigen Einkünfte führt, kann nur anhand eines Vergleichs beider Tätigkeiten festgestellt werden.

Als geeigneter Vergleichsmaßstab ist das --im Regelfall ohne Schwierigkeiten zu ermittelnde-- Verhältnis der Nettoumsätze der gewerblichen Tätigkeit zu den [X.] der [X.] und gewerblicher Tätigkeit heranzuziehen. Die erwirtschafteten Umsätze erlauben bei typisierender Betrachtung Rückschlüsse auf den auf die verschiedenen Tätigkeiten entfallenden zeitlichen und finanziellen Aufwand der Gesellschaft und damit darauf, ob der gewerblichen Tätigkeit eine völlig untergeordnete Bedeutung zukommt.

(2) Hinsichtlich der Höhe des Anteils der gewerblichen Umsätze folgt der [X.] nicht der Auffassung des [[X.].], wonach lediglich ein Anteil von 1,25 v.H. als äußerst geringfügig anzusehen ist. Zwar hat der [[X.].] bereits entschieden, dass jedenfalls bei einem Anteil der gewerblichen Umsatzerlöse in Höhe von 1,25 v.H. der Gesamtumsatzerlöse eine gewerbliche Tätigkeit von äußerst geringem Umfang vorliege ([[X.].]-Urteil in [[X.].]E 189, 419, [[X.].] 2000, 229; bestätigt im [[X.].]-Urteil in [[X.].]E 232, 162, [[X.].] 2011, 506, bei dem die gewerblichen Umsätze jedoch noch unter 1 v.H. lagen). Eine Entscheidung, dass höhere gewerbliche Umsätze immer zum Eintritt der Abfärbewirkung führen, war damit jedoch nicht getroffen. So hat der [[X.].] bereits im Urteil in [[X.].]E 189, 419, [[X.].] 2000, 229 darauf hingewiesen, dass erst bei gewerblichen Umsätzen in Höhe von 6 v.H. ein äußerst geringer Umfang nicht mehr vorliegen dürfte (unter Hinweis auf das [[X.].]-Urteil in [[X.].]E 175, 357, [[X.].] 1995, 171). In einem späteren summarischen Verfahren wurde zumindest ein Umsatzanteil in Höhe von 2,81 v.H. des Gesamtumsatzes noch als äußerst geringfügig angesehen ([[X.].]-Beschluss in [[X.].]/NV 2004, 954).

(3) Der erkennende [X.] hält auf dieser Grundlage einen gewerblichen Umsatzanteil von 3 v.H. typisierend noch für von so untergeordneter Bedeutung, dass eine Umqualifizierung der gesamten Einkünfte unverhältnismäßig wäre. Dabei sind die Nettoumsätze zugrunde zu legen, um das Verhältnis der Umsätze bei unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen nicht zu verfälschen.

cc) Zur Vermeidung einer Privilegierung von Personengesellschaften, die besonders hohe freiberufliche Umsätze erzielen und damit in größerem Umfang gewerblich tätig sein könnten und unter Berücksichtigung des Normzwecks, das Gewerbesteueraufkommen zu schützen, ist es außerdem erforderlich, den Betrag der gewerblichen Nettoumsatzerlöse, bei dem noch von einem äußerst geringfügigen Umfang ausgegangen werden kann, auf einen Höchstbetrag in Höhe von 24.500 € zu begrenzen. Dieser orientiert sich an dem gewerbesteuerlichen Freibetrag für Personengesellschaften nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG. Denn im Regelfall droht dann kein Ausfall von Gewerbesteuer, wenn bereits die gewerblichen Umsätze unter dem gewinnbezogenen Freibetrag in Höhe von 24.500 € liegen.

(1) Allerdings handelt es sich bei dem Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG um eine Gewinn- und nicht um eine Umsatzgrenze. Auch liegt der Zweck dieser Regelung nicht in der Freistellung von Kleingewerbetreibenden von der Gewerbesteuer, sondern in der Herstellung einer vergleichbaren gewerbesteuerlichen Belastung im Vergleich zu Kapitalgesellschaften durch Berücksichtigung eines fiktiven Unternehmerlohnes (vgl. zur Kritik [[X.].] Münster, Urteil vom 19. Juni 2008  8 K 4272/06 G, E[[X.].] 2008, 1975).

(2) Gleichwohl ist es sachgerecht, den für Personengesellschaften geltenden gewerbesteuerlichen Freibetrag als Umsatzgrenze für eine typisierende Einschränkung der Abfärbewirkung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG heranzuziehen.

Der Normzweck des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG steht einer Anwendung des Freibetrages als absolute Umsatzgrenze im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Denn wenn auch eine Freistellung von geringen gewerblichen Einkünften nicht Zweck der Norm ist, so ist sie doch deren Ergebnis. Da gewerbliche Erträge in dieser Höhe nicht mit Gewerbesteuer belastet werden, droht insoweit auch nicht die Gefahr von Steuerausfällen.

Dass eine Gewerbesteuerpflicht der ansonsten freiberuflichen Einkünfte dann nicht geboten ist, wenn die gewerblichen Einkünfte für sich genommen keine Gewerbesteuer zeitigen würden, steht im Übrigen auch im Einklang mit der Rechtsprechung des [[X.].], wonach auch eine Gewerbesteuerbefreiung der gewerblichen Einkünfte auf die freiberuflichen Einkünfte "abfärbt", so dass im Ergebnis keine Gewerbesteuer entsteht ([[X.].]-Urteil in [[X.].]E 196, 511, [[X.].] 2002, 152).

Es würde jedoch dem vorrangigen Zweck der [X.] --der vereinfachten weil einheitlichen Einkünfteermittlung-- zuwider laufen, den Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG --wie dort vorgesehen-- im Rahmen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewinngrenze zu berücksichtigen, da dies eine getrennte Einkünfteermittlung für die verschiedenen Tätigkeiten --mit den damit verbundenen [X.] und [X.] zur Folge hätte. Die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG darf nicht dazu führen, dass damit der eigentliche Normzweck gefährdet wird (so auch Stapperfend in [[X.].]/[X.]/[X.], § 15 EStG Rz 1426; Korn in Korn, § 18 EStG Rz 153; [X.], [X.], 664). Die Berücksichtigung des Freibetrages als Umsatzgrenze vermeidet derartige Schwierigkeiten.

dd) Das weitere Argument der Vorinstanz, die gewerblichen Umsätze dürften aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch deswegen nicht zu einer Umqualifizierung führen, weil die festgesetzte Gewerbesteuer (17.572 €) höher als die originär gewerblichen Einkünfte (5.000 €) sei, hält der [X.] für nicht sachgerecht. Denn die definitive Gewerbesteuerbelastung wird durch die Möglichkeit der Anrechnung auf die Einkommensteuerschuld der Gesellschafter nach § 35 EStG und dem für das Streitjahr 2005 noch zulässigen Abzug der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 5b, § 52 Abs. 12 Satz 7 EStG i.d.[X.] 2008) wesentlich gemindert.

4. Die Entscheidung des [[X.].] steht im Ergebnis mit den oben genannten Grundsätzen in Einklang.

Da die gewerblichen Nettoumsatzerlöse der Klägerin auch nach der vom [[X.].] vorgenommenen Schätzung nur 2,26 v.H. der Gesamtumsätze betragen und mit 5.000 € die Höchstgrenze von 24.500 € nicht überschreiten, hat das [[X.].] zu Recht § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht angewandt und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid aufgehoben.

Meta

VIII R 16/11

27.08.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 1. März 2011, Az: 8 K 4450/08, Urteil

§ 18 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 15 Abs 3 Nr 1 EStG 2002, § 11 Abs 1 S 3 Nr 1 GewStG 2002, EStG VZ 2005, GewStG VZ 2005, § 2 Abs 1 GewStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.08.2014, Az. VIII R 16/11 (REWIS RS 2014, 3280)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3280

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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