Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2014, Az. 2 StR 445/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6945

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 445/13
vom
19. März 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Verdachts des
Unternehmens der Besitzverschaffung an
kinderporno-graphischen
Schriften
-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19. März 2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],

[X.]

als Vertreterin
der [X.],

der Angeklagte S.

,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung,
Rechtsanwältin
in der Verhandlung und bei der Verkündung

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
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-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 9.
April 2013 aufgehoben, so-weit der Angeklagte im Fall
2 der Urteilsgründe freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des Unternehmens der Besitzverschaffung an kinderpornographischen Schriften für einen anderen in zwei Fällen, der Beihilfe dazu in einem dritten
und der Anstiftung dazu in ei-nem vierten Fall
freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrens-rüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge teilweise
Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des [X.] verteidigte der als Rechts-anwalt tätige Angeklagte einen Mandanten, dem der Besitz kinderpornographi-scher Schriften in Form von [X.] vorgeworfen wurde. Die polizeili-che Auswertung sichergestellter Personalcomputer wurde in einem Untersu-1
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chungsbericht erläutert, dem Ausdrucke der Bilddateien mit kinderpornographi-schem Inhalt
beigefügt wurden. Aufgrund eines Akteneinsichtsgesuchs des [X.] als Strafverteidiger übersandte die Staatsanwaltschaft ihm die Akten mitsamt dem Untersuchungsbericht
und dessen [X.]. Dieses Aktenma-terial wurde in der Kanzlei des Angeklagten in [X.] als digitalisierte Handakte übertragen. Am 24.
Juli
2008 suchte der Mandant die Kanzlei auf und bat die Sekretärin des Angeklagten um Überlassung einer Datenkopie des [X.]. Die Sekretärin rief den Angeklagten
an, der sich nicht in der [X.] aufhielt, und schilderte das Ersuchen. Der Angeklagte
machte sich keine Gedanken um den genauen Inhalt der Aktenkopien und gestattete seiner
Sek-retärin, dem Mandanten eine Datenkopie auf einem Datenträger zu übergeben. Das [X.] hat die Einlassung des Angeklagten als unwiderlegt angese-hen, ihm sei zurzeit des Telefonats mit der Sekretärin nicht bewusst gewesen, dass die Dateien auch die Reproduktion kinderpornographischer Bilder enthiel-ten.
2. Die Staatsanwaltschaft beauftragte mit der Überprüfung eines sicher-gestellten Personalcomputers
einen Sachverständigen, der gelöschte [X.] Bilddateien rekonstruierte und in ausgedruckter Form einem Bericht beifügte; auch diese Unterlagen wurden vom Angeklagten im Rahmen seiner
Akteneinsicht in [X.] als Handakte der Verteidigung über-tragen. Sein
Mandant teilte ihm
mit, ein weiterer Verteidiger habe auf die
Not-wendigkeit eines Gegengutachtens hingewiesen, mit dessen Erstellung er den
Sachverständigen T.

beauftragt habe. Diesem übermittelte der [X.] zunächst nur den polizeilichen Untersuchungsbericht ohne Anlagen, am 19.
November 2008 aber auch
das im [X.] erstellte Gutachten nebst [X.]
in Dateiform. Insoweit hat das [X.] den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen, weil die Handlung
gemäß §
184b Abs.
5 StGB nicht im Sinne von §
184b Abs.
2 StGB strafbar
gewesen sei.
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-
3. Der Angeklagte erbat
von der Staatsanwaltschaft die Erstellung und Überlassung eines
Speicherabbilds
der sichergestellten Daten für eigene
Be-gutachtungszwecke. Nachdem die Behörde dies abgelehnt hatte, beantragte er, dass der Sachverständige
T.

die Daten
in den Räumen der Behörde un-tersuchen dürfe. Am 14.
April 2009 suchte er
zusammen mit dem [X.] die Behörde auf, wo dem Sachverständigen die Einsicht erlaubt, aber die Herstellung einer Datenkopie untersagt wurde. Nachdem der Angeklagte die Behörde verlassen hatte, fertigte der Sachverständige verbotswidrig eine Kopie
der Daten an, um diese später
zu untersuchen. Das [X.] hat sich nicht davon überzeugen können, dass dies
mit Wissen des Angeklagten geschehen ist.
4. Der Sachverständige T.

übersandte dem Mandanten des [X.]n als seinem Auftraggeber eine Dateikopie mit den kinderpornographi-schen Bilddateien. Das [X.] konnte nicht feststellen, dass der Angeklag-te den Sachverständigen
dazu veranlasst hatte.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urteil ist teilweise begründet.
1. Die Verfahrensrüge entspricht aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 25. November 2013
genannten Gründen nicht den An-forderungen gemäß §
344 Abs.
2 Satz 2 StPO.
2. Die Sachrüge hat zum Teil
Erfolg.

a) Soweit sich die Revision gegen die Freisprüche in den Fällen
1, 3 und
4 aus tatsächlichen Gründen wendet, ist die Beweiswürdigung des Landge-richts, wonach ein Tatvorsatz nicht feststellbar sei,
rechtlich unbedenklich. Auf die Rechtsfrage, ob der objektive Tatbestand der Strafnorm des §
184b Abs.
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StGB erfüllt oder gemäß §
184b Abs.
5 StGB ausgeschlossen ist, kommt es insoweit
nicht an.
Der Angeklagte hat den äußeren Geschehensablauf in den Fällen 1 und 3 sowie das [X.] im Fall 4 eingeräumt, aber in den Fällen 1 und 3 seinen
Vorsatz zur Begehung von Taten nach
§
184b Abs.
2 StGB und im Fall 4 eine Tatbeteiligung bestritten. Das [X.] hat seine
Einlassung als plau-sibel angesehen. Es hat sich auch mit Indizien auseinandergesetzt, die für und gegen den Angeklagten sprechen. Einen durchgreifenden [X.] zeigt die Revision nicht auf.
b) Rechtlich zu beanstanden ist dagegen
die Annahme des [X.], der Angeklagte sei im Fall
2
gemäß §
184b Abs.
5 StGB dazu berechtigt gewe-sen, dem Sachverständigen die Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt zu überlassen. Das [X.] hat dabei die Frage offen gelassen, ob die Überlassung kinderpornographischer
Bilder für die Erfüllung des
Gutachtenauf-trags erforderlich war. Dies
durfte aber nicht offen bleiben.
Nur wenn die Besitzverschaffung zur Erfüllung des [X.] er-forderlich war, wurde sie gemäß
§
184b Abs.
5 StGB
vom Tatbestand des §
184b Abs.
2 StGB ausgeschlossen; denn §
184b Abs.
5 StGB ist eine eng auszulegende Ausnahme von dem auch zum Schutz der Intimsphäre der
abge-bildeten Kinder (vgl. BVerwG,
Urteil vom 6.
Juli 2000

2 WD 9/00, [X.], 291, 294; [X.], 1107, 1109; MünchKomm/Hörnle, StGB, 2.
Aufl., §
184b Rn.
4)
umfassenden
Verbot
des Unternehmens der [X.] an kinderpornographischen Schriften. Diese Ausnahme
betrifft t-licher oder beruflicher Pflichten dienen. Zwar ist der Ausnahmetatbestand nicht auf die Tätigkeit der Behörden bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben
be-schränkt, sondern kann auch Strafverteidiger und Sachverständige betreffen (vgl. BT-Drucks. 12/4883 S.
8). Zu Verteidigungszwecken
kann der Strafvertei-10
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diger das Aktenmaterial, das kinderpornographische Schriften enthält, auswer-ten und dazu auch [X.] einschalten. Die Besitzverschaffung an Dritte innerhalb dieses Personenkreises ist aber nach der Regelungskonzeption eines umfassenden Verkehrsverbots bezüglich kinderpornographischer Schriften auch dem Strafverteidiger nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsaufgabe erforderlich ist. Ob das hier der Fall war, wäre anhand des Gegenstands, der Methodik und der Zielsetzung des den Sachverständigen erteilten [X.] zu prüfen gewesen. An Tatsachenfeststellungen zu dieser Frage fehlt es
jedoch
im angefochtenen Urteil.
Der [X.] kann auch anhand des Gesamtzusammenhangs der Urteils-gründe nicht selbst beurteilen, ob die Weitergabe
der dem Angeklagten in aus-gedruckter Form mit den Akten überlassenen
kinderpornographischen Fotos
zur Erfüllung des [X.] erforderlich war. Daher kann der [X.] nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.
Dies gilt auch, soweit die Kommunikation zwischen dem Strafverteidiger und seinem [X.]
über die Einzelheiten des privat erteilten Gutachten-auftrags
zum besonders geschützten Kernbereich der Verteidigung gehört
(vgl. [X.]/[X.] in Festschrift für [X.], 2014, S.
49, 63; [X.] 2013, 1110). Darin wird nicht eingegriffen, soweit Informationen aus diesem Bereich, die
von den Berechtigten freiwillig offenbart werden, vom Gericht ge-würdigt werden. Rückschlüsse
auf den im Innenverhältnis erteilten Gutachten-auftrag der Verteidigung an den privat beauftragten Sachverständigen
sind hier auch möglich
aufgrund der vom Angeklagten gegenüber der Staatsanwaltschaft 13
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erklärten Absicht, ein Gegengutachten zu dem im [X.]
eingeholten Sachverständigengutachten, dessen Inhalt das [X.] nicht mitteilt,
zu beschaffen.
Fischer

Schmitt [X.]

Eschelbach [X.]

Meta

2 StR 445/13

19.03.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.03.2014, Az. 2 StR 445/13 (REWIS RS 2014, 6945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6945

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 445/13

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