Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2018, Az. XII ZB 558/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11466

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[X.]:[X.]:BGH:2018:280318BXII[X.]558.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII [X.] 558/17
vom
28.
März
2018
in der [X.]
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1897 Abs. 4 Satz 1
Ein Betreuervorschlag nach §
1897 Abs.
4 Satz
1 BGB erfordert weder die Ge-schäftsfähigkeit noch die natürliche Einsichtsfähigkeit des Betroffenen. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimm-te Person solle sein Betreuer werden. Auch die Motivation des Betroffenen ist für die Frage, ob ein betreuungsrechtlich beachtlicher Vorschlag vorliegt, ohne Bedeutung. Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird hinreichend durch die begrenzte, letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstellende Bindungswirkung eines solchen Vorschlags begegnet (im [X.] an Senatsbeschluss vom 19.
Juli 2017

XII
[X.]
57/17

FamRZ 2017, 1612).
BGH, Beschluss vom 28. März 2018 -
XII [X.] 558/17 -
LG [X.] an der [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
28.
März
2018
durch den Vorsitzenden Richter Dose
und
die Richter Prof.
Dr.
[X.], Schilling, Dr.
Nedden-Boeger
und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen
wird der Beschluss der 7.
Zivilkammer des [X.]s [X.] an der [X.]
vom 29.
September 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Die im Jahre
1951
geborene Betroffene leidet an einer geistigen Behin-derung im Sinne einer Minderbegabung bzw. einer schweren [X.]. Seit 2013 ist die Beteiligte zu
1, Mitarbeiterin eines Betreuungsvereins, als Betreuerin
für sämtliche Angelegenheiten einschließlich Postangelegenheiten
bestellt; [X.] ist der Betreuungsverein
(Beteiligter zu
2). Einen per-sönlichen Kontakt zur Betroffenen, die zusammen mit ihrem Ehemann, ihrer Nichte und deren Lebensgefährten auf einem der Nichte gehörenden Anwesen lebt, konnte die Betreuerin nicht pflegen, weil ihr der Zugang zu dem Anwesen von der Betroffenen und der Nichte verwehrt wurde.
1
-
3
-
Als Zeitpunkt, bis zu dem spätestens über eine Aufhebung oder Verlän-gerung der Betreuung beschlossen werden sollte, war der 16.
Oktober 2015 bestimmt. Mitte November 2015 ist das Amtsgericht in die entsprechende [X.] eingetreten, hat ein Sachverständigengutachten sowie Stellungnahmen
der Betreuungsbehörde und der Betreuerin eingeholt
und die Betroffene [X.] angehört. Dabei hat die Betroffene

wie schon
im Rahmen der Betreu-ungserrichtung

den Wunsch geäußert, dass ihre Nichte zur Betreuerin bestellt werden möge.
Mit Beschluss vom 28.
Juli 2017 hat das Amtsgericht die Betreuung ver-längert
und es

ohne in den Gründen hierzu auszuführen

bei den bestellten (Ersatz)Betreuern belassen. Mit ihrer Beschwerde hat sich die Betroffene allein gegen die Betreuerauswahl
gewandt und die Bestellung ihrer Nichte verlangt. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie weiterhin das Ziel verfolgt, dass ihre Nichte Betreuerin werden soll.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat
Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung der angefoch-tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. Prüfungsgegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist allein die Frage der Betreuerauswahl und somit nicht, ob die Voraussetzungen einer Be-treuerbestellung vorgelegen haben. Denn hierauf war bereits die mit der Be-schwerde vorgenommene Anfechtung der die Verlängerung der Betreuung und die Betreuerbestellung umfassenden Einheitsentscheidung

wie das [X.] richtig erkannt hat

in zulässiger Weise beschränkt (vgl. Senatsbeschluss
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5
-
4
-
vom 19.
Juli 2017

XII
[X.]
57/17

FamRZ 2017, 1612 Rn.
8 mwN).
Auch wenn die Beschränkung im Verfahren über die Verlängerung einer bestehenden Be-treuung nach §
295 FamFG erfolgt, ist gegen die Beschwerdeentscheidung die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde gemäß §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 FamFG statthaft (Senatsbeschluss vom 19.
Juli 2017

XII
[X.]
390/16

FamRZ 2017, 1779 Rn.
5 mwN).
2. Nach Ansicht des [X.]s ist die Nichte zu Recht nicht zur Be-treuerin bestellt worden. Die bereits von Beginn der Betreuung an bestehenden Bedenken gegen deren Eignung als Betreuerin seien weiterhin gegeben. Es bestehe nach wie vor der Eindruck, dass die dominante Nichte die leicht zu be-einflussende und zu manipulierende Betroffene von der Außenwelt abschirme, die Betroffene eigene Bedürfnisse aus Angst vor der Nichte nicht äußere und sich deren Anordnungen auch gegen ihre eigenen Wünsche füge. Bei Übertra-gung der Betreuung auf die Nichte sei zu befürchten, dass der die Betroffene täglich am Hoftor mit Medikamenten versorgende Pflegedienst gekündigt und damit der einzige Außenkontakt der Betroffenen gekappt werde. Eine mögliche Verschlechterung der Situation der Betroffenen bleibe dann gegebenenfalls [X.] unbemerkt. Die Bestellung einer dritten Person als Betreuer werde ebenfalls nicht zu einem Kontakt zwischen Betroffener und Betreuer führen. Die Ableh-nung der Betreuerin erfolge nicht im Hinblick auf deren Person, sondern wegen grundsätzlicher Vorbehalte der Betroffenen und ihrer Nichte, die eine Einmi-schung in ihre Angelegenheiten befürchteten,
gegen einen familienfremden Be-treuer.
3. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen verstößt die Betreuerauswahl der [X.] gegen §
1897 Abs.
4 Satz
1 BGB.
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-
5
-
a) Die Regelung des §
1897 BGB legt den Maßstab für die Betreueraus-wahl nicht nur bei der Erstentscheidung, sondern auch bei einer Verlängerung der Betreuung fest. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Verlängerungsent-scheidung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die Betreuung und ergibt sich aus §
295 Abs.
1 Satz
1 FamFG, nach dem für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers die Verfahrensvorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend gelten (vgl. Senatsbeschluss vom 19.
Juli 2017

XII
[X.]
57/17

FamRZ 2017, 1612 Rn.
14 mwN).
Daher ist §
1897 Abs.
4 Satz
1 BGB zu beachten. Diese Vorschrift räumt dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlage-nen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorge-schlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will. Die Annahme einer solchen
konkreten Gefahr beruht auf einer Prog-noseentscheidung des Gerichts, für die dieses sich naturgemäß auf [X.] stützen muss, die in der

näheren oder auch weiter zurückliegenden

Ver-gangenheit wurzeln. Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen diese Erkenntnisse geeignet sein, einen das Wohl des Betroffe-nen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen (vgl. Senatsbe-schlüsse
vom 19.
Juli 2017

XII
[X.]
57/17

FamRZ 2017, 1612 Rn.
15 mwN
und vom 14.
März 2018

XII
[X.]
589/17

zur [X.] bestimmt).

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9
-
6
-
b) Die
Betroffene hat immer wieder im Sinne des §
1897 Abs.
4 Satz
1 BGB vorgeschlagen, ihre Nichte zur
Betreuerin
zu bestellen.
Ein solcher [X.] erfordert weder Geschäftsfähigkeit noch natürliche Einsichtsfähigkeit. Vielmehr genügt, dass der Betroffene seinen Willen oder Wunsch kundtut, eine bestimmte Person solle sein Betreuer werden. Auch die Motivation des Be-troffenen ist für die Frage, ob ein betreuungsrechtlich beachtlicher Vorschlag vorliegt, ohne Bedeutung. Etwaigen Missbräuchen und Gefahren wird vielmehr hinreichend durch die begrenzte, letztlich auf das Wohl des Betroffenen abstel-lende Bindungswirkung eines solchen Vorschlags begegnet (vgl. Senatsbe-schlüsse
vom 19.
Juli 2017

XII
[X.]
57/17

FamRZ 2017, 1612 Rn.
17 mwN
und vom 14.
März 2018

XII
[X.]
589/17

zur [X.] bestimmt).
c) Das [X.] hat keine Umstände festgestellt, die es rechtfertigen würden, diesem Vorschlag nicht zu entsprechen.
Soweit es auf den "Eindruck"
abhebt, die Nichte schirme die Betroffene ab und die Betroffene stelle aus Angst eigene Wünsche zurück, stellt das eine Vermutung, nicht aber die Über-zeugung von der Wahrheit eines bestimmten
Umstands
dar. Darüber hinaus wird nicht mitgeteilt, auf welche Tatsachen sich diese Vermutung stützt.
[X.] gilt für die "Befürchtung"
des [X.]s, die Nichte werde im Falle ihrer Bestellung als Betreuerin

trotz der dann gemäß §§
1908
i Abs.
1 Satz
1,
1839, 1840 Abs.
1 BGB gegenüber dem Betreuungsgericht bestehenden Auskunfts-
und Berichtspflichten

den Pflegedienst kündigen. Unabhängig davon hat das [X.] sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob dieser Befürchtung (ihre Berechtigung unterstellt) nicht etwa durch die Bestellung verschiedener Betreuer für abgegrenzte Teile des [X.] begegnet werden könnte.
Schließlich trägt auch der pauschale Verweis des [X.]s auf sei-nen auf die Beschwerde gegen die Erstbestellung von Betreuerin und Ersatzbe-treuer hin ergangenen Beschluss nicht die Annahme, die Bestellung der Nichte 10
11
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-
7
-
laufe dem Wohl der Betroffenen zuwider. Dort wird auf zum Teil auch damals schon viele Jahre zurückliegende Vorfälle Bezug genommen. Inwiefern diese auch noch
zum Zeitpunkt der jetzigen Beschwerdeentscheidung der Eignung der Nichte im Sinne des §
1897 Abs.
1 BGB entgegenstehen, legt das [X.] nicht dar.
4. Der angefochtene Beschluss ist daher gemäß §
74 Abs.
5 FamFG aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen (§
74 Abs.
6 Satz
2 FamFG). Dieses wird nun unter Auswertung des Akteninhalts und mit weiteren, gegebenenfalls auch Anhörungen etwa der Betroffenen und der Nichte umfassenden Ermittlungen Feststellungen zur Eignung der Nichte ge-mäß §
1897 Abs.
1 BGB und dazu zu treffen haben, ob deren Bestellung dem Wohl der Betroffenen zuwiderläuft.
13
-
8
-
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts
oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.07.2017 -
65 [X.]/13 K -

LG [X.]
an der [X.], Entscheidung vom 29.09.2017 -
7 [X.]/17 -

14

Meta

XII ZB 558/17

28.03.2018

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.03.2018, Az. XII ZB 558/17 (REWIS RS 2018, 11466)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11466

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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