Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2008, Az. IX ZB 258/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 5944

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[X.][X.] vom 24. Januar 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5 Zur Frage der eigenverantwortlichen Prüfung einer [X.] durch den unterzeichnenden Rechtsanwalt. [X.], [X.]uss vom 24. Januar 2008 - [X.] 258/05 - [X.]AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Gehrlein und Dr. [X.] am 24. Januar 2008 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 1. Zivilkammer des Landgerichts [X.] vom 4. Oktober 2005 wird auf Kos-ten des Beklagten zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 2.441,84 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von [X.] aus vier Aufträgen in Anspruch. Der Beklagte hat im Wege der Widerklage die Rückzahlung erbrachter Vorschüsse begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen legte der Beklagte durch [X.] Berufung ein. Am letzten Tag der Beru-fungsbegründungsfrist reichte der vom Beklagten beauftragte Anwalt eine 40-seitige [X.] ein. Das Eingangsblatt mit den Beru-fungsanträgen sowie die Schlussseite hatte der Anwalt selbst verfasst, die [X.] - 3 - gen Seiten stammten vom Berufungskläger selbst. Auf der Schlussseite führte der Anwalt aus, auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen "des [X.]" [d.h. Berufungsklägers] einschließlich etwaiger Beweisantritte werde ergänzend [X.] genommen. Den [X.] habe der Berufungskläger selbst ver-fasst und "quasi zur Frist vorgelegt". Gleichwohl mache er sich diese [X.], insbesondere im Dienste der Fristwahrung, mit seiner Unterschrift zu ei-gen. Abschließend begehrte der Anwalt Akteneinsicht, weil der Berufungskläger die Schriftsätze erster Instanz "nicht mitgeliefert" habe. I[X.] Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. 2 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die im Anwaltsprozess erforder-liche eigenverantwortliche Prüfung und Genehmigung des [X.] liege bei der eingereichten [X.] trotz [X.] nicht vor. Aus den vom Anwalt selbst verfassten Schlussbemerkungen zur Begründungsschrift werde mit aller Deutlichkeit erkennbar, dass der Anwalt den Inhalt der vom Berufungskläger verfassten Begründung nicht der erforderli-chen eigenverantwortlichen Prüfung unterzogen habe und nicht habe unterzie-hen können. Obendrein habe er ohne eigene Kenntnis vom erstinstanzlichen Vortrag ins Blaue hinein versucht, auch diesen zum Gegenstand einer Beru-fungsbegründung zu machen. Dem Zweck der Anwaltspflicht, unter anderem die Filterung, Aufbereitung und Versachlichung des [X.] zu errei-chen, werde dies nicht gerecht. Bei der anwaltlichen Unterzeichnung des Schriftsatzes handele es sich lediglich um eine unwirksame "formelle Unter-schrift". 3 - 4 - 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand. 4 a) Mit den Regelungen über den Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) und über den notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 ZPO) soll erreicht werden, dass ein mit dem Verfahren vertrauter Rechtsanwalt dem Gericht und dem Gegner den Sachverhalt unter bestimmter Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Anfechtungsgründe nach persönlicher Durcharbei-tung des [X.] vorträgt. Die Berufungsbegründung muss deshalb Er-gebnis der geistigen Arbeit des [X.] sein (vgl. [X.] 37, 156, 159; [X.], Urt. v. 19. Oktober 1988 - [X.], NJW 1989, 394, 395; [X.]. v. 23. Juni 2005 - [X.], NJW 2005, 2709). Zwar ist der Anwalt nicht gehin-dert, die Berufungsbegründung von anderen Personen, etwa von einem [X.], vorbereiten zu lassen. Erforderlich ist aber, dass der unterzeichnende Anwalt die Berufungsbegründung selbständig prüft und aufgrund der Prüfung die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt ([X.] 97, 251, 253; Urt. v. 19. Oktober 1998, aaO). 5 b) Aus Gründen der Rechtssicherheit begnügt sich das Gesetz hinsicht-lich dieser Anforderungen allerdings mit dem äußeren Merkmal der Unterschrift ohne ein darüber hinausgehenden Nachweis zu fordern, dass der Anwalt den [X.] eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung von dessen Inhalt tragen will. Für ein Berufungsgericht besteht deshalb in aller Regel kein Anlass, den Inhalt einer anwaltlich unterschriebenen [X.] darauf zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der An-walt den [X.] tatsächlich selbst durchgearbeitet hat (vgl. [X.], Urt. v. 13. Juli 1989 - [X.], NJW 1989, 3022, 3023). 6 - 5 - Ausnahmen von diesem Grundsatz werden von der Rechtsprechung für zwei Fallgruppen anerkannt, nämlich zum einen, wenn der Anwalt sich durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, und zum ande-ren, wenn nach den Umständen außer Zweifel steht, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat (vgl. [X.], Urt. v. 29. Oktober 1997 - [X.], NJW-RR 1998, 574, 575; [X.]. v. 23. Juni 2005 - [X.], aaO). Zur letztgenannten Fallgruppe werden insbesondere Rechtsmittelbegründungsschriftsätze gerechnet, die weitgehend unverständlich sind und Ausführungen enthalten, die mit dem Urteil des erstinstanzlichen Gerichts in keinem Zusammenhang stehen (vgl. [X.], [X.]. v. 21. Mai 1954 - [X.], [X.] 1954, 463; Urt. v. 28. März 1969 - [X.], [X.], 617; v. 19. Oktober 1998, aaO, [X.]). 7 c) Nach diesen Grundsätzen ist die Berufung nicht in zulässiger Weise begründet worden, weil der Prozessbevollmächtigte den von der [X.] selbst verfassten [X.] vernünftigerweise nicht eigenverantwortlich überprüft haben kann ([X.], Urt. v. 19. Oktober 1988 - [X.], aaO S. 396). Dies folgt bereits daraus, dass der vom Prozessbevollmächtigten for-mulierte Berufungsantrag, der auf Abweisung der Klage gerichtet ist, nicht mit der von dem Mandanten verfassten Berufungsbegründung, die auch den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch verfolgt, in Einklang steht. Die fehlende eigene Prüfung des Bevollmächtigten ergibt sich auch aus dem [X.], dass er auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen nebst etwaigen Beweisangeboten Bezug genommen, zugleich aber um Akteneinsicht gebeten hat, weil ihm die Schriftsätze erster Instanz von dem Mandanten "nicht mitgelie-fert" worden seien. Da der Schriftsatz schließlich in weiten Teilen durch unver-ständliche, wirre Ausführungen, die sich in seitenlangen Zitateinschüben wider-spiegeln, geprägt ist, die mit dem angefochtenen Urteil in keinem [X.] - 6 - hang stehen, kann eine eigenverantwortliche Prüfung des [X.] ausgeschlossen werden ([X.], Urt. v. 19. Oktober 1988 - [X.], aaO S. 394 f). Dr. [X.] [X.] [X.] Prof. Dr. Gehrlein Dr. [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 14.02.2004 - 93 C 616/05-41 - LG [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

IX ZB 258/05

24.01.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2008, Az. IX ZB 258/05 (REWIS RS 2008, 5944)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 5944

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