Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2012, Az. IV AR (VZ) 1/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4812

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
[X.] ([X.]) 1/12

vom

11. Juli 2012

in dem Verfahren

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richte-rin Dr. [X.]rockmöller

am 11.
Juli
2012

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der [X.]e-schluss des 1.
Zivilsenats des [X.]s vom 3.
Ja-nuar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe:

[X.] Der Antragsteller, ein [X.] Staatsangehöriger, be-gehrt die [X.]efreiung von dem Erfordernis, vor seiner geplanten Ehe-schließung in [X.] ein Ehefähigkeitszeugnis nach §
1309 Abs.
1 Satz
1 [X.]G[X.] beizubringen. Der Antragsteller möchte eine [X.] Staatsangehörige heiraten, mit der er bereits am 19.
April 2005 in [X.] eine registrierte Partnerschaft nach [X.] Recht eingegangen ist.
Das Paar lebt mit drei aus dieser Partnerschaft hervorgegangenen Kindern inzwischen in [X.].

. Der mittlerweile ge-1
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wünschten Eheschließung steht im Wege, dass der Antragsteller kein Ehefähigkeitszeugnis vorlegen kann, weil die zuständige Gemeinde in [X.] mit [X.]escheid vom 11.
Februar 2011 die Ausstellung mit [X.]lick auf die bestehende registrierte Partnerschaft, die einer Ehe gleichgestellt sei, verweigert hat.

Seinen Antrag auf [X.]efreiung vom Erfordernis der [X.]eibringung des [X.] hat die Antragsgegnerin mit [X.]escheid vom 1.
Juli 2011 abgelehnt. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§
23
ff. [X.] hat das [X.] mit dem angefochtenen [X.]eschluss
zurückgewiesen. Mit der Rechtsbe-schwerde verfolgt der Antragsteller sein [X.]egehren weiter.

I[X.] Das gemäß §
29 Abs.
1 [X.] statthafte Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das [X.].

1. Dieses hat gemeint, das nach dem

gemäß Art.
13 Abs.
1 EG-[X.]G[X.] für den Antragsteller grundsätzlich maßgeblichen

niederländi-schen
Recht bestehende [X.] der registrierten Partnerschaft sei hier nicht ausnahmsweise nach [X.]m Recht unbeachtlich. Der [X.] erfülle insoweit nicht alle Voraussetzungen des Art.
13 Abs.
2 EG[X.]G[X.]. Zwar sei seine Verlobte [X.] und habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (Art.
13 Abs.
2 Nr.
1 EG[X.]G[X.]), die Verlobten hätten jedoch zumutbare Schritte zur Erfüllung der [X.] Ehevo-raussetzungen unterlassen (Art.
13 Abs.
2 Nr.
2 EG[X.]G[X.]).
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a) Nach Art.
42 des [X.] [X.]ürgerlichen Gesetzbuches ([X.]urgerlijke [X.], im Folgenden: [X.]W, abgedruckt bei [X.]/
[X.]/[X.], Internationales Ehe-
und Kindschaftsrecht, Loseblatt-sammlung, Stand 2008, unter "[X.]") dürften diejenigen, die eine Ehe eingehen wollten, nicht gleichzeitig eine registrierte Partnerschaft eingegangen sein. Das Verbot erfasse, wie sich aus der in Art.
80g [X.]W getroffenen Regelung über die Umsetzung einer registrierten Partner-schaft in eine Ehe ergebe, nicht nur die Fälle, in denen die registrierte Partnerschaft zu einer dritten Person bestehe. Vielmehr solle nach nie-derländischem
Recht ein Nebeneinander von Ehe und registrierter Part-nerschaft verhindert werden. Nach Art.
80c [X.]W werde die registrierte Partnerschaft durch die bloße Eingehung einer Ehe, d.h. ohne formelle Umsetzung nach Art.
80g [X.]W, nicht beendet.

b) Auch wenn es dem Antragsteller und seiner Verlobten nicht zu-gemutet werden könne, vor ihrer Eheschließung in [X.] zunächst in [X.] ihre registrierte Partnerschaft nach Art.
80c [X.]uchst.
c oder d [X.]W zu beenden, weil die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus der Partnerschaft damit bis zur Eheschließung nicht mehr bestünden, sei
beiden eine in [X.] zu vollziehende [X.] ihrer Partnerschaft in eine Ehe nach Artt.
80c [X.]uchst.
e),
80g Abs.
1 und 3 [X.]W zuzumuten. Ein [X.] trete hierdurch nicht ein. Auch die [X.]esorgnis des Antragstellers, die Anerkennung der niederländi-schen
Umsetzungsurkunde außerhalb der [X.] sei zweifelhaft, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn jedenfalls würde eine [X.] das [X.] nach §
42 [X.]W beseitigen mit der Folge, dass der Antragsteller dann möglicherweise ein [X.] Ehefähigkeits-zeugnis erhalten und in [X.] [X.] heiraten könne.
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Eine solche weitere Eheschließung mit dem eigenen Ehegatten sei nach [X.]m Recht möglich. Entgegenstehende [X.] Rechts-vorschriften seien nicht ersichtlich. Sollte dem Antragsteller das Ehefä-higkeitszeugnis von den [X.] [X.]ehörden weiterhin verweigert werden, käme eine [X.]efreiung von der Vorlagepflicht nach §
1309 Abs.
2 [X.]G[X.] in [X.]etracht.

c) Wegen dieses möglichen Vorgehens sei die derzeitige Versa-gung der Eheschließung mit Rücksicht auf das [X.] Ehehin-dernis auch nicht mit dem Grundrecht des Antragstellers auf Eheschlie-ßungsfreiheit nach Art.
6 Abs.
1 GG unvereinbar i.S.
von Art.
13 Abs.
2 Nr.
3 EG[X.]G[X.].

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem Punkt nicht stand.

a) Anders als es der Wortlaut des §
1309 Abs. 2 [X.]G[X.] ("kann") na-helegt, handelt es sich bei der [X.]efreiung von der [X.]eibringung eines [X.] nicht um eine Ermessensentscheidung ([X.]/
[X.]rudermüller, [X.]G[X.] 71.
Aufl. §
1309 Rn.
11, 13 m.w.N.; vgl. schon zur früheren Regelung in §
10 [X.]: Senatsbeschluss vom 12.
Mai 1971

[X.] ([X.]) 38/70, [X.]GHZ 56, 180, 184 m.w.N.). Steht fest, dass ein [X.] nicht besteht oder ein nach dem Heimatrecht des Antrag-stellers bestehendes [X.] nach [X.]m Recht unbeachtlich ist, ist die [X.]efreiung zu gewähren.

b) §
1309 [X.]G[X.] bezweckt
den Schutz der
in den §§
1306 bis 1308 [X.]G[X.] geregelten Eheverbote
(vgl. dazu
[X.]/[X.]rudermüller, [X.]G[X.] 71.
Aufl. vor §
1306 Rn.
1-3;
MünchKomm-[X.]G[X.]/[X.], 5.
Aufl. Art.
13 EG[X.]G[X.] Rn.
61), indem die Vorschrift den von ihr betroffenen Personen 7
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die Vorlage eines gesetzlich vorgeschriebenen [X.]eweismittels auferlegt, welches dem Standesbeamten die Nachprüfung erleichtern soll, ob das gemäß Art.
13 Abs.
1 EG[X.]G[X.] grundsätzlich maßgebliche Heimatrecht eines Ausländers seine beabsichtigte Eheschließung erlaubt (Wahlen in jurisPK-[X.]G[X.], 5.
Aufl. 2010 §
1309 Rn.
1; [X.] NJW 1974, 1626 zu §
10 [X.]).

c) Dem Antragsteller, dessen Heimatstaat [X.] ausstellt
(vgl. Art.
49a [X.]W), ist das Ehefähigkeitszeugnis nur deshalb nicht erteilt worden, weil er mit seiner Verlobten in [X.] be-reits eine registrierte Partnerschaft eingegangen ist. Diese steht nach [X.] Recht einer Ehe gleich (Art.
80b [X.]W; vgl. dazu den [X.]escheid der Gemeinde H.

vom 11.
Februar 2011).
Nach Art.
42 [X.]W dürfen diejenigen, die eine Ehe miteinander eingehen wollen, nicht gleichzeitig eine registrierte Partnerschaft eingegangen
sein.
Umgekehrt dürfen gemäß Art.
80a Abs.
2 [X.]W diejenigen, die eine
registrierte Part-nerschaft eingehen, nicht gleichzeitig verheiratet sein. Ein Nebeneinan-der von registrierter Partnerschaft und Ehe wird damit nach niederländi-schem Recht auch für dieselben Partner ausgeschlossen
(vgl. dazu auch MünchKomm-[X.]G[X.]/[X.] aaO Rn.
62).
Aus Art.
80c
[X.]uchst.
e)
[X.]W, wonach die registrierte Partnerschaft unter anderem durch Umsetzung in eine Ehe erlischt, ergibt sich, dass es dieses formellen Umsetzungsaktes bedarf
und die registrierte Partnerschaft nach [X.] Recht nicht allein infolge der Eheschließung automatisch endet.

d) Eine [X.]efreiung von der Pflicht zur Vorlage des [X.] kommt hier allein nach §
1309 Abs.
2 Satz
3 [X.]G[X.] in [X.]e-tracht, sofern auf den Antragsteller nach Maßgabe des Art.
13 Abs.
2 EG[X.]G[X.] ausnahmsweise das [X.] Recht anzuwenden ist.
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aa) [X.] ist [X.] und hat ihren [X.] Aufenthalt in [X.] (Art.
13 Abs.
2 Nr.
1 EG[X.]G[X.]).

bb) Die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene [X.], ob die Verlobten die von Art.
13 Abs.
2 Nr.
2 EG[X.]G[X.] vorausgesetz-ten zumutbaren Schritte zur Erlangung eines [X.] Ehefähig-keitszeugnisses für den Antragsteller unternommen haben, erweist sich als ergänzungsbedürftig.

(1) Der Antragsteller hat ein solches Zeugnis bei der zuständigen [X.] Gemeinde beantragt. Er hat sich zudem nach Ableh-nung dieses Antrages bei dem für im Ausland lebende [X.] zu-ständigen
Standesamt nach den Rechtswirkungen einer Umsetzungsur-kunde nach Art.
80c [X.]uchst.
e)
[X.]W erkundigt, von dort allerdings die Auskunft erhalten, diese Urkunden könnten nicht in einer "internationalen Version ausgegeben"
werden und würden erfahrungsgemäß nur von ei-nigen wenigen Gemeinden in [X.]elgien anerkannt.

(2) Ob dem Antragsteller bei dieser Sachlage noch angelastet werden
kann, er habe (weitere) zumutbare Schritte zur Erfüllung der nie-derländischen [X.] oder zur [X.]eseitigung des Ehehin-dernisses der bestehenden registrierten Partnerschaft unterlassen, [X.] einer Prüfung, die sich auch darauf erstreckt, inwieweit den [X.]eson-derheiten des [X.] Rechts der eingetragenen Partnerschaft auch auf anderem, den Antragsteller weniger belastenden Wege
Rech-nung getragen werden kann.
Das gilt vor allem deshalb, weil ein materi-elles, insbesondere im
[X.]igamieverbot gründendes [X.]
hier auch nach [X.]
Recht ersichtlich nicht besteht, wie die Um-13
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setzungsregelung in Art.
80c
[X.]uchst.
e)
[X.]W zeigt. Die Verweigerung des [X.] beruht mithin allein auf dem Interesse, den nach [X.]
Recht vorgesehenen Verfahrensgang für die Um-setzung einer registrierten Partnerschaft in eine Ehe zu wahren. [X.] ist deshalb im angefochtenen [X.]eschluss ausgeführt, dass es den Verlobten schon mit Rücksicht auf den in der [X.] bis zur Eheschließung eintretenden [X.] nicht zuzumuten sei, zunächst lediglich ihre registrierte Partnerschaft zu beenden.

Ob die Verlobten im Rahmen der Zumutbarkeit i.S. des Art. 13 Abs. 2 Nr. 2 EG[X.]G[X.] dennoch darauf zu verweisen
sind, ihre registrierte Partnerschaft in [X.] in eine Ehe umsetzen zu lassen, um

notfalls unter dann möglicher [X.]efreiung von der Pflicht zur Vorlage
ei-nes [X.]

in [X.] nochmals zu heiraten, hängt wegen der bei Anwendung des Art. 13 Abs. 2 EG[X.]G[X.] gebotenen Abwägung der grundgesetzlich geschützten Eheschließungsfreiheit (Art.
6 Abs. 1 GG) mit dem in Art. 13 Abs. 2 EG[X.]G[X.] zum Ausdruck ge-brachten öffentlichen Interesse, nach Möglichkeit eine im Heimatstaat eines der Verlobten nicht anerkannte Ehe zu verhindern, auch davon ab, ob die in [X.] eingetragene Partnerschaft auf anderem We-ge, etwa der Anerkennung einer Eheschließung in [X.]
durch die [X.] [X.]ehörden, beendet werden könnte (vgl. dazu [X.]oele-Woelki, [X.] 2012, 6855). Dazu verhält sich der angefochtene [X.]e-schluss nicht.

(3) Die
erneute Prüfung wird Gelegenheit geben, auch folgendes zu berücksichtigen: Mit
dem am 1.
Januar 2012 (vgl. Königl. [X.]eschluss vom 28.
Juni 2011, [X.] 2011 Nr.
340), d.h. zwei Tage vor Erlass des angefochtenen [X.]eschlusses,
in Kraft
getretenen Art.
88 [X.]W [X.]uch
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([X.] 2011 Nr.
272)
hat das [X.] Recht
erweiterte Mög-lichkeiten eröffnet,
die [X.]eendigung einer registrierten Partnerschaft durch Erklärungen der Partner im Ausland herbeizuführen, die von den [X.] [X.]ehörden anerkannt werden können.
Insoweit wird zu prüfen sein, ob der Antragsteller und seine Partnerin ihre eingetragene Partnerschaft auch durch Rechtsakte in [X.], etwa eine entspre-chende Erklärung gegenüber dem [X.]n Standesbeamten
anlässlich der Eheschließung,
beenden können.

II[X.] Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf §§
30 Abs.
3 [X.], 30 KostO.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.]rockmöller

Vorinstanz:
KG [X.]erlin, Entscheidung vom 03.01.2012 -
1 VA 12/11 -

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Meta

IV AR (VZ) 1/12

11.07.2012

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2012, Az. IV AR (VZ) 1/12 (REWIS RS 2012, 4812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4812

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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vorläufiger Rechtsschutz, Asylverfahren, Zuständigkeit, Dublin-Verfahren, Abschiebung, Spanien, systemischer Mangel, Eheschließung, Abschiebungshindernis, Vorwirkung


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IV AR (VZ) 1/12

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