Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2011, Az. V ZB 133/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3334

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 133/11

vom

15. September 2011

in der Abschiebungshaftsache

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 15. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Krüger, die
Richter Dr.
Lemke und
Prof. Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr.
Brückner und [X.]
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Ver-fahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt [X.] bei-geordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 3. Mai 2011 und der Beschluss der 29. Zivilkammer des [X.] vom 9. Mai 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste am 3. No-vember 2010 in die [X.] ein. Da sein Asylantrag keinen Erfolg hatte, wurde er zur Ausreise aufgefordert und ihm die Abschiebung an-1
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-
gedroht. Diese Entscheidung ist seit dem 23. Dezember 2010 unanfechtbar. Nach Ablauf der Ausreisefrist war der Betroffene für die Behörden nicht mehr erreichbar. Am 3. Mai 2011 wurde er von den [X.] nach
Deutschland [X.]. Auf Antrag der Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit [X.] vom 3. Mai 2011 Abschiebungshaft bis längstens 2. Juni 2011 ange-ordnet. Die Beschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 9. Mai 2011 zurückgewiesen. Am 26. Mai 2011 wurde der Betroffene aus der Haft entlas-sen. Mit der Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt, will er die Feststellung erreichen, dass ihn die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung in seinen Rechten verletzt haben.

II.
Nach Auffassung des [X.] war die Haftanordnung rechtmäßig, denn der in
§
62 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 AufenthG
genannte Haftgrund habe vorgelegen.

III.
Die statthafte (vgl. nur Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 -
V
ZB 29/10, [X.] 2011, 27 Rn. 4) und auch im Übrigen zulässige

71 FamFG)
Rechts-beschwerde ist begründet. Sowohl die Haftanordnung als auch
die [X.] haben den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art.
2 Abs.
2 Satz 2 GG verletzt.
2
3
-
4
-
1. Die Feststellungen des Amtsgerichts und des [X.] tra-gen nicht den angenommenen Haftgrund nach
§
62 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2
AufenthG.
a) Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der [X.] in Haft zu nehmen,
wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der [X.] seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine An-schrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Der nicht angezeigte Aufenthalts-wechsel begründet in diesem Fall die Vermutung, dass die Abschiebung ohne die Inhaftnahme erschwert oder vereitelt wird. Wegen dieser einschneidenden Folge muss die Ausländerbehörde in der Regel im Zusammenhang mit der Aus-reiseanordnung auf die Anzeigepflicht nach
§
50 Abs.
5 AufenthG
und die mit einem Unterlassen der Anzeige des [X.]s verbundenen Folgen hinweisen (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011
-
V
ZB 36/11
Rn. 10, juris). Bei der Anwendung der Vorschrift ist zudem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der in Ausnahmefällen
dazu führt, dass die Vermutung widerlegt werden kann. [X.] sich der Ausländer offensichtlich nicht der Abschiebung ent-ziehen, ist der nicht angezeigte [X.] allein kein ausreichender Haftgrund (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 -
V
ZB 36/11 Rn.
10, juris; [X.], [X.] 1994, 342, 344).
b) Zwar hat der Betroffene die Ausländerbehörde über seinen Aufent-haltsort nicht in Kenntnis gesetzt. Den Feststellungen des Amtsgerichts und des [X.] lässt sich aber nicht entnehmen, dass er auf seine Pflicht zur Mitteilung seines Aufenthalts und die Folgen einer unterlassenen Mitteilung hingewiesen worden ist.
2. Die Sache ist zur Entscheidung reif,
§
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG. Zwar wäre möglicherweise noch feststellbar, ob die erforderliche Belehrung des Be-4
5
6
7
-
5
-
troffenen erfolgt ist. Dazu müsste
der Betroffene aber angehört werden. Das ist, da er unbekannten Aufenthalts ist, nicht mehr möglich. Dies geht zu Lasten der Beteiligten zu
2.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
83 Abs.
2, §
81 Abs.
1, §
430
FamFG. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, das [X.] zur Erstattung der zur [X.] Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflich-ten (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 -
V
ZB 28/10
Rn. 18, juris). Die Festsetzung des [X.] folgt aus
§
128c Abs.
2 [X.]. §
30 Abs.
2 KostO.
Krüger

RiBGH Dr. Lemke ist infolge

Schmidt-Räntsch

Urlaubs an der Unterschrift gehindert.

[X.], den 20. September 2011

Der Vorsitzende

Krüger

Brückner

[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.05.2011 -
934 [X.] -

LG Frankfurt
am Main, Entscheidung vom 09.05.2011 -
2-29 T 62/11 -

8

Meta

V ZB 133/11

15.09.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.09.2011, Az. V ZB 133/11 (REWIS RS 2011, 3334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3334

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Abschiebungshaftverfahren: Gesetzliche Vermutung des Haftgrundes des nicht angezeigten Aufenthaltswechsels


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