Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.04.2018, Az. 9 AZB 62/17

9. Senat | REWIS RS 2018, 10235

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Gegenstand

Rechtsweg - Leiharbeit


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 26. Oktober 2017 - 2 Ta 170/17 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Rechtsbeschwerde zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 3.395,86 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über einen Anspruch des [X.] auf Zahlung einer Prämie und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

2

Der Kläger war bis zum 30. September 2014 bei der [X.] (im Folgenden [X.]) aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 10. Januar 2014 als Pharmareferent beschäftigt. Die [X.] überließ den Kläger zur Arbeitsleistung an die Beklagte. Der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der [X.] enthält in § 5 Ziff. 5 folgende Regelung:

        

„Soweit im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung der Kunde einen Bonus für den Arbeitnehmer auslobt und gegenüber dem Arbeitgeber zur Auszahlung bringt, wird der Arbeitgeber diesen ordnungsgemäß abrechnen und den sich aus der Abrechnung ergebenden Betrag an den Arbeitnehmer auszahlen. Ein darüber hinausgehender Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber aus [X.] eines Kunden besteht nicht. Der Arbeitgeber hat keinen Einfluss auf die Gewährung derartiger Boni durch den Kunden.“

3

Bei der [X.] bestand eine Prämienvereinbarung nach Maßgabe des [X.] bis 2014, welcher Tertialprämien vorsieht. Der Kläger verlangt von der [X.] die Zahlung von Prämien für zwei Tertiale.

4

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, es hätten auch seine Teammitglieder, welche teilweise bei der [X.] beschäftigt und teilweise ebenfalls Leiharbeitnehmer gewesen seien, diese Prämien erhalten. Die zwischen der [X.] und der [X.] geschlossene Arbeitnehmerüberlassungsvereinbarung begründe einen Anspruch aus § 328 BGB gegen die Beklagte, der auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz („equal pay“) folge.

5

Das [X.] hat durch Beschluss vom 7. Februar 2017 (- 2 Ca 2792/16 -) den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde des [X.] hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 21. März 2017 nicht abgeholfen. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde des [X.] gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

6

II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist. Es handelt sich vorliegend nicht um eine Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und seiner Arbeitgeberin.

7

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. [X.] sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit liegt vor. Der Kläger ist auch Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 ArbGG. Für den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des im Arbeitsvertrag mit der [X.] vereinbarten Bonus ist die Beklagte allerdings nicht Arbeitgeberin iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.

8

2. Für den Begriff des Arbeitgebers gibt es keine gesetzliche Definition. Er lässt sich mittelbar aber aus dem Begriff des Arbeitnehmers ableiten. Arbeitgeber ist danach derjenige, der mindestens einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person iSv. § 5 ArbGG beschäftigt ([X.] 1. August 2017 - 9 [X.] - Rn. 12). Bei einer legalen Arbeitnehmerüberlassung ist der Verleiher Arbeitgeber des [X.]. Mit diesem schließt der Leiharbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag. Mit dem Entleiher besteht bei einer Tätigkeit im Rahmen legaler Arbeitnehmerüberlassung kein Arbeitsverhältnis. Ein solches galt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF nur dann zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 [X.] aF unwirksam war (vgl. [X.] 15. März 2011 - 10 [X.] - Rn. 8, [X.]E 137, 215). Hierauf beruft sich der Kläger nicht.

9

3. Die Arbeitgeberstellung der [X.] folgt auch nicht aus der bei der Arbeitnehmerüberlassung gespaltenen Arbeitgeberstellung.

a) § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG begründet eine umfassende Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für individualrechtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (vgl. [X.] 23. Februar 1979 - 1 [X.]  - zu I der Gründe, [X.]E 31, 318 ). Ziel des ArbGG ist es, alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, die in greifbarer Beziehung zu einem Arbeitsverhältnis stehen, auch prozessual im Rahmen der Arbeitssachen zu erfassen ( [X.] 25. November 2014 - 10 [X.]  - Rn. 8).

b) Der Leiharbeitnehmer wird in die Betriebsorganisation des Entleihers eingegliedert. Dieser übt das Direktionsrecht aus und entscheidet über die Zuweisung des konkreten Arbeitsplatzes und die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung. Der Leiharbeitnehmer ist verpflichtet, die ihm aus dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher obliegende Arbeitspflicht gegenüber dem Entleiher zu erfüllen. Tatsächlich entstehen somit auch zum Entleiher rechtliche Beziehungen mit arbeitsrechtlichem Charakter. Werden dem Entleiher wesentliche Arbeitgeberfunktionen vom Verleiher übertragen, so muss dieser gespaltenen Arbeitgeberstellung bei der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen Rechnung getragen werden. Ergeben sich bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher aus dem [X.], ist nach Sinn und Zweck der Zuständigkeitsnorm des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. So kann der Leiharbeitnehmer nach § 13 [X.] von seinem Entleiher Auskunft über die im Betrieb des Entleihers geltenden Arbeitsbedingungen verlangen. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 [X.] kann er gegenüber dem Entleiher die dort aufgeführten Rechte aus dem [X.] geltend machen. Gemäß § 7 Satz 2 [X.] sind Leiharbeitnehmer bei einem Einsatz von mehr als drei Monaten im Betrieb des Entleihers wahlberechtigt. Soweit der Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung gemäß den §§ 6 ff. AGG in Rede steht, gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 AGG auch der Entleiher als Arbeitgeber. Ebenso sind die Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] zuständig bei unerlaubten Handlungen zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher, soweit sie mit dem [X.] im Zusammenhang stehen ([X.] 15. März 2011 - 10 [X.] - Rn. 9 ff., [X.]E 137, 215).

4. Entgegen der Auffassung des [X.] folgt aus der Regelung in § 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags mit der [X.] keine [X.] der Gerichte für Arbeitssachen. Dabei kann zugunsten des [X.] unterstellt werden, dass diese Bonusregelung auch für die streitgegenständliche Prämie gilt. § 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags begründet kein Arbeitsverhältnis und deshalb auch keinen Anspruch auf Arbeitsvergütung gegenüber der [X.]. Diese war am Arbeitsvertrag nicht beteiligt. Der Anspruch steht auch nicht im Zusammenhang mit der bei der Arbeitnehmerüberlassung gespaltenen Arbeitgeberstellung. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen zwischen dem Verleiher und seinen Arbeitnehmern begründen regelmäßig ausschließlich zwischen diesen Rechte und Pflichten.

5. Es liegt auch kein Sic-non-Fall vor.

a) In den sog. [X.] kann der eingeklagte Anspruch ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden, deren Prüfung gemäß § 2 ArbGG in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fällt. Dann sind die für die [X.] maßgeblichen Tatsachen gleichzeitig Voraussetzung für die Begründetheit der Klage (doppelrelevante Tatsachen bei einer einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage). Der [X.] hängt dann auch von den Tatsachen ab, die zugleich für die Bestimmung des Rechtswegs entscheidend sind ( [X.] 17. Februar 2003 - 5 [X.]  - zu II 2 der Gründe, [X.]E 105, 1 ).

b)  Soweit sich der Kläger auf eine Verpflichtung der [X.] aus § 328 BGB beruft, trägt er insoweit schon keine nachvollziehbaren Tatsachen vor. Dabei kann dahinstehen, ob § 5 Ziff. 5 des Arbeitsvertrags eine arbeitsvertragliche Pflicht der [X.] begründen würde und könnte. Der Arbeitsvertrag wurde jedenfalls nur zwischen dem Kläger und der [X.] ohne Beteiligung der [X.] geschlossen.

c) Aus den gleichen Gründen beruft sich der Kläger bezüglich des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ohne Erfolg auf den Grundsatz des „equal pay“.

6. Damit ist gemäß § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

             

        

             

                 

Meta

9 AZB 62/17

24.04.2018

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Bielefeld, 7. Februar 2017, Az: 2 Ca 2792/16, Beschluss

§ 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG, § 5 Abs 1 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.04.2018, Az. 9 AZB 62/17 (REWIS RS 2018, 10235)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10235


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 AZB 62/17

Bundesarbeitsgericht, 9 AZB 62/17, 24.04.2018.


Az. 2 Ta 170/17

Landesarbeitsgericht Hamm, 2 Ta 170/17, 26.10.2017.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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