Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2013, Az. XII ZB 334/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 9181

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 334/12

vom

9. Januar 2013

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§
1908
i, 1812
Im Falle zweifelhafter Forderungen entspricht es regelmäßig nicht dem Interesse des Betroffenen, behaupteten Rückzahlungsansprüchen Folge zu leisten. Dies gilt [X.] dann, wenn eine mögliche Rechtsverfolgung nach den im Genehmigungsverfah-ren getroffenen Feststellungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und [X.] auch nicht mit einem entsprechenden Prozess zu rechnen ist.
[X.], Beschluss vom 9. Januar 2013 -
XII [X.] 334/12 -
LG [X.]

AG [X.] am Inn

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 9.
Januar 2013
durch den
Vorsitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Der Beteiligten zu
1
wird gegen die Versäumung der Frist zur [X.] und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Be-schluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 3.
Mai 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 3.
Mai 2012 wird [X.].
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§
131 Abs.
5 Satz
2 KO).
Beschwerdewert: 3.000

Gründe:
I.
Die Beteiligte zu
1
begehrt als Betreuerin die Genehmigung, an die [X.] der Betroffenen aus deren
Vermögen einen Geldbetrag in Höhe von [X.] 87.093,34

überweisen.
Die Betroffene leidet an einer chronischen Psychose aus dem schizo-phrenen Formenkreis.
Die Betreuung umfasst unter anderem
den
Aufgaben-1
2
-
3
-
kreis
Vermögenssorge; ein Einwilligungsvorbehalt ist angeordnet. Die [X.] erwarb vor Beginn der Betreuung im Jahr 1998 eine Eigentumswohnung, die sie zunächst selbst bewohnte. Im August 2010 zog die Betroffene in ein Pflege-heim. Die Bezahlung der Darlehensraten für die Finanzierung der Wohnung erfolgte teilweise durch die Mutter der Betroffenen. [X.] verkaufte die frühere Betreuerin der Betroffenen mit Genehmigung des Betreuungsgerichts die Eigentumswohnung für 209.000

Den Antrag der Betreuerin, die Überweisung des eingangs genannten Betrages an die Mutter der Betroffenen betreuungsgerichtlich zu genehmigen, hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Das [X.] hat die Beschwerde zu-rückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin
mit ihrer vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde. Ferner hat sie beantragt, gegen die Versäu-mung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ge-währen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Der Betreuerin ist antragsgemäß Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand zu gewähren.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
1.
Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, dass die beabsichtigte Entnahme des Geldes aus dem versperrt angelegten Bankgutha-ben zur Auszahlung bzw. Überweisung an die Mutter der Betroffenen nicht ge-nehmigungsfähig sei, da dies ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung nicht entspreche. Insoweit sei der von der
Betreuerin beabsichtigte Verwendungs-3
4
5
6
-
4
-
zweck der beantragten Entnahme zu prüfen. Das Betreuungsgericht habe die Genehmigung nicht zu erteilen, wenn die Betreute zu dem in Aussicht genom-menen Rechtsgeschäft nicht verpflichtet sei und die Zahlung den Regeln einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung widerspreche.
Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt habe, sei die Betroffene we-der wegen Verarmung des Schenkers (§
528 BGB) noch wegen groben Un-danks (§
530 BGB) zur Rückzahlung verpflichtet.
Es sei sehr zweifelhaft, ob die Betroffene aus bereicherungsrechtlichen Gründen wegen Zweckverfehlung oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage zur Rückzahlung verpflichtet sei. Es könne dabei unterstellt werden, dass die Zahlungen der Mutter der Betroffenen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Finanzierung der Wohnung dazu gedient hätten, dass die Betroffene diese Wohnung nutzen könne. Dieser Zweck sei auch erreicht worden, da die Be-troffene Eigentümerin der im Jahr 1998
gekauften Wohnung geworden sei und diese bis zu ihrem Umzug in das Pflegeheim im August 2010 auch selbst [X.] habe. Auch wenn zur Deckung der Heimkosten der Verkauf der [X.] erforderlich gewesen sei, könne nach einer rund zwölfjährigen Nutzung der Wohnung durch die Betroffene nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Zahlungen der Mutter der Betroffenen ihren Zweck verfehlt hätten. Hinzu komme, dass die Leistungen der Mutter indirekt auch jetzt noch der Be-troffenen zugutekämen, da die durch ihren Heimaufenthalt entstandenen und künftig noch entstehenden Kosten aus dem Erlös der verkauften Wohnung [X.] würden. Hierin bestehe ein entscheidender Unterschied zu den höchst-richterlich entschiedenen Fällen, in denen Schwiegereltern ihren Schwiegerkin-dern Zuwendungen in Erwartung des Bestands der Ehe gemacht hätten und diese dann geschieden werde. In diesen Fällen werde der Zweck, mit den Leis-tungen das eigene Kind zu unterstützen, nicht mehr erreicht.
7
8
-
5
-
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen
Überprüfung stand.
a) Gemäß §§
1908
i Abs.
1
Satz
1, 1812 Abs.
1
und
Abs.
3 BGB bedarf der Betreuer für eine Überweisung von einem (gesperrten) Konto der Betreuten der Genehmigung des Betreuungsgerichts
([X.] Rpfleger 1989, 455;
[X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1812 Rn.
9; [X.]/[X.]
6.
Aufl. §
1812 Rn.
25 mwN; generell zur Überweisung [X.] FamRZ 1999,1690, 1691; [X.]/[X.] 2.
Aufl. E Rn.
58).
Maßstab für die gerichtliche Entscheidung über die Genehmigung ist das Interesse des Betreuten.
Das Gericht hat dabei eine Gesamtabwägung aller Vor-
und Nachteile sowie der Risiken des zu prüfenden Geschäfts für den Be-treuten
vorzunehmen (Senatsbeschluss vom 25.
Januar 2012

XII
[X.]
479/11

FamRZ
2012, 967 Rn.
9). Das Gericht hat ausschließlich das Wohl und die Interessen
des Betreuten zu berücksichtigen, nicht die Belange Dritter. Es
hat sich auf den Standpunkt eines verständigen, die Tragweite des Geschäfts überblickenden Volljährigen zu stellen und kann deshalb auch Erwägungen
der Zweckmäßigkeit
und Nützlichkeit anstellen. [X.] Gesichtspunkt ist das Gesamtinteresse, wie es sich zur [X.] der tatrichterlichen Entscheidung darstellt (BayObLG FamRZ 1990, 208; [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1828 Rn.
114).
Die
Genehmigung darf danach nur erteilt
werden, wenn die
Zah-
lungen ordnungsgemäßer
Vermögensverwaltung nicht widersprechen (vgl. [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1812 Rn.
40).
Lassen sich die Risiken eines Geschäfts

auch nach der im Rahmen der Amtsermittlung vorzunehmen-den Prüfung

nicht verlässlich abschätzen, ist die Genehmigung zu versagen ([X.]/[X.]
6.
Aufl. §
1828 Rn.
118; [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1828 Rn.
20).

9
10
11
-
6
-
b) Gemessen hieran ist die Entscheidung des [X.]s nicht zu [X.].
Das [X.] hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Genehmigung nicht zu erteilen ist, wenn die Betreute zu dem in Aussicht genommenen Rechtsgeschäft nicht verpflichtet ist und die Zahlung den Regeln einer [X.] Vermögensverwaltung widerspricht. Dass das [X.] dabei von einer Schenkung ausgegangen ist, die weder wegen Verarmung des Schenkers noch wegen groben Undanks zurückgefordert werden kann, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Dafür spricht auch das vom [X.] in seiner Entscheidung in Bezug genommene Schreiben der Betreuerin vom 25.
November 2011. Hieraus ergibt sich

wie auch das Amtsgericht zutref-fend ausgeführt hat

dass die Leistungen der Mutter auf das Erbe der Be-troffenen angerechnet werden sollten.
Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das [X.] sich damit begnügt hat festzustellen, dass es sehr zweifelhaft sei, ob die Betroffene aus Gründen der Störung der Geschäftsgrundlage (§
313 BGB) oder aus dem Ge-sichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung (§
812
BGB)
zur Rückzah-lung an die Mutter verpflichtet sei.
Denn im Falle zweifelhafter Forderungen entspricht es regelmäßig nicht dem Interesse des Betroffenen, Rückzahlungs-ansprüchen
Folge zu leisten
(vgl. OLG Celle FamRZ 2012, 1066, 1067). Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine mögliche Rechtsverfolgung nach den im
Ge-nehmigungsverfahren getroffenen Feststellungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und deshalb auch nicht mit einem entsprechenden Prozess zu rechnen ist.
So liegt der Fall auch hier. Nach
den getroffenen Feststellungen hat die Betroffene zwölf
Jahre in der Wohnung gewohnt. Damit hat sich der

mit der 12
13
14
15
-
7
-
auf das Erbe anrechenbaren Leistung verfolgte

Zweck bereits teilweise erfüllt. Außerdem hat das [X.] zu Recht hervorgehoben, dass die Leistungen der Mutter indirekt auch jetzt noch der Betroffenen zugutekommen, da durch ihren Heimaufenthalt entstandene und künftig noch entstehende Kosten aus dem Erlös der verkauften Wohnung gedeckt werden. Weil die Mutter die Be-troffene
mit der teilweisen Finanzierung der Wohnung

wie auch die Rechtsbe-schwerde einräumt

im Alter absichern wollte, ist es nicht zu beanstanden, dass das [X.] dies letztlich auch als Zweckerfüllung qualifiziert
hat.
Denn wenn die Betroffene nicht mehr in der Lage ist, die betreffende Wohnung zu nutzen, kann es nur noch um die Frage gehen, wie der in der Wohnung enthaltene Vermögenswert auf andere Weise bestmöglich zur Alterssicherung
genutzt werden kann. Der betreuungsgerichtlichen
Genehmi-gung der
Veräußerung der Eigentumswohnung gemäß §
1908
i Abs.
1 Satz
1 i.V.m. §
1821
Abs.
1 Nr.
1 BGB ist zu entnehmen, dass der Verkauf der Immobilie
im Interesse der Betroffenen lag (vgl.
zur Genehmigungspflicht [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1821 Rn.
50). Dies
wird insbesondere

16
-
8
-
dadurch gewährleistet, dass nach §§
1806
ff. BGB der Verkaufserlös mündelsi-cher anzulegen ist, die Gefahr, dass die Betroffene
das Geld verschwendet, also nicht besteht.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
AG [X.] am Inn, Entscheidung vom 31.01.2012 -
XVII 710/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 03.05.2012 -
4 T 617/12 -

Meta

XII ZB 334/12

09.01.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2013, Az. XII ZB 334/12 (REWIS RS 2013, 9181)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9181

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 334/12 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsgerichtliche Genehmigung der Überweisung eines Geldbetrages aus dem Bankguthaben des Betreuten bei zweifelhafter Forderung


XII ZB 479/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 283/15 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 479/11 (Bundesgerichtshof)

Betreuung: Verzicht des Betreuers auf ein zu Gunsten des Betreuten bestelltes Wohnungsrecht


XII ZB 515/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 334/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.