Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.12.2019, Az. 6 B 36/19

6. Senat | REWIS RS 2019, 349

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Gegenstand

Anfechtung einer Regulierungsverfügung durch einen zugangsberechtigten Wettbewerber des regulierten Unternehmens


Leitsatz

Für die Anfechtung der Regulierungsverfügung kann sich der zugangsberechtigte Wettbewerber des regulierten Unternehmens, der ausschließlich eine (auch) ihn verpflichtende Anordnung nach § 25 TKG verhindern will, nicht auf eine drittschützende Wirkung des § 21 TKG berufen.

Gründe

I

1

Die Klägerin betreibt ein bundesweites Telekommunikationsnetz. Die Beigeladene ist als sog. Mobile Virtual Network Operator ([X.]) tätig, das heißt, sie erbringt Netzleistungen grundsätzlich auf einer eigenen Netzinfrastruktur, bedient sich aber, was Funkschnittstellen zu den Endkunden und den Betrieb von Basisstationen anbelangt, des Netzes eines Wirtsmobilfunknetzbetreibers, konkret der Vodafone GmbH.

2

Mit Regulierungsverfügung vom 30. August 2016 ([X.] 3b-15/063) erlegte die für die Beklagte handelnde Bundesnetzagentur der Beigeladenen, gestützt auf § 9 Abs. 2, § 13 Abs. 1, §§ 19, 20 und 21 [X.], Zugangs- und Zusammenschaltungsverpflichtungen sowie Verpflichtungen für weitere Abhilfemaßnahmen auf (Ziffern 1 bis 6 der [X.]) und unterwarf auf der Grundlage von § 9 Abs. 2, § 13 Abs. 1 und § 30 [X.] die Entgelte für die Gewährung von Zugängen der Genehmigungspflicht (Ziffer 7 der [X.]) unter Beifügung von Vorgaben für die Entgeltgenehmigung nach § 31 [X.] (Ziffern 7.1 und 7.2 der [X.]). Teil der Regulierungsverfügung war die mit Festlegung der Bundesnetzagentur vom 19. Januar 2016 ([X.] 1-14/002) erstellte Marktdefinition und Marktanalyse nach §§ 10 und 11 [X.]. Nach dieser Festlegung verfügt die Beigeladene - zusammen mit den mit ihr verbundenen Unternehmen - auf dem regulierungsbedürftigen relevanten bundesweiten Markt für Anrufzustellung in das einzelne (virtuelle) Mobilfunknetz über beträchtliche Marktmacht im Sinne des § 11 [X.]. Nach der Festlegung ([X.] ff.) ist in den relevanten Markt auch die Konstellation einbezogen, dass die Beigeladene oder ein in ihrem Netz geschalteter Anbieter ohne eigenes Netz eine unter einer Rufnummer für mobile Dienste erreichbare Anrufsammeldienstplattform betreibt. In dieser Konstellation können Terminierungen nicht nur unter Inanspruchnahme des virtuellen Mobilfunknetzes der Beigeladenen bzw. ihres Wirtsmobilfunknetzes, sondern auch mit Hilfe eines anderen Mobilfunknetzes, eines Festnetzes oder des (mobilen) öffentlichen [X.] durchgeführt werden.

3

Die Klägerin befürchtet, durch eine im Zuge der Umsetzung der Regulierungsverfügung ergehende Anordnung nach § 25 [X.] im Rahmen der der Beigeladenen aufgegebenen Abhilfemaßnahmen zur Abnahme von [X.] verpflichtet zu werden, die ohne Einsatz (teurer) Mobilfunktechnik erbracht werden. Sie hat mit dem Hauptantrag der Klage begehrt, die Regulierungsverfügung vom 30. August 2016 insoweit aufzuheben, als unter Ziffern 1 und 2 der [X.] der Beigeladenen eine Kopplungs- und Terminierungspflicht auch für solche Verbindungen auferlegt worden ist, bei denen eigene [X.] der Beigeladenen nicht zum Einsatz gelangen, und als der Beigeladenen unter Ziffern 3, 4, 6 und 7 der [X.] auf die diesbezügliche Leistungserbringung bezogene weitere Abhilfemaßnahmen auferlegt werden. Die Klägerin hat zudem hilfsweise darauf angetragen, Ziffer 7.1 der [X.] aufzuheben.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen und dem Hilfsantrag stattgegeben. Der Hauptantrag sei mangels Klagebefugnis der Klägerin unzulässig. Durch die angegriffene Regulierungsverfügung, deren Adressatin allein die Beigeladene sei, würden Verpflichtungen der Klägerin, die dieser in einem späteren Verfahren nach § 25 [X.] entgegengehalten werden könnten, nicht begründet. Die Vorschriften des § 10 [X.] sowie der §§ 19 ff. [X.], auf Grund derer die Bundesnetzagentur den sachlich relevanten Markt bestimmt bzw. der Beigeladenen Verpflichtungen auferlegt habe, vermittelten der Klägerin für das von ihr verfolgte Klagebegehren keinen [X.]. Dagegen sei der Hilfsantrag zulässig und auch begründet, weil Ziffer 7.1 der [X.] der Regulierungsverfügung auf dieser Regelungsebene unstatthafte, weil erst im [X.] zu bestimmende Methoden und Maßstäbe der Entgeltberechnung festlege.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die Klägerin erstrebt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision, soweit sie mit ihrer Klage erfolglos geblieben ist.

II

6

Die auf den [X.] der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

7

1. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO maßgeblichen Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihr als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage erfüllt sind.

8

Die Klägerin wirft als grundsätzlich bedeutsam allein folgende Frage auf:

"Gewährt § 21 [X.] [X.] in Bezug auf solche Unternehmen, die auf Grundlage der einen anderen Netzbetreiber betreffenden Regulierungsverfügung und [X.] zur Abnahme der Leistungen des anderen Netzbetreibers gemäß § 25 [X.] verpflichtet werden?"

9

Die Klägerin macht hierzu geltend, der Rechtsprechung des Senats zum Umfang des durch § 21 [X.] vermittelten [X.]es lasse sich nichts für den Fall entnehmen, dass ein Wettbewerber des regulierten Unternehmens im Rahmen einer Anordnung nach § 25 [X.] zur Abnahme von Leistungen verpflichtet wird, die das regulierte Unternehmen im Zusammenhang mit Verpflichtungen zur Zugangsgewährung erbringe, die diesem Unternehmen nach § 21 [X.] auferlegt worden seien.

Der von der Klägerin derart bezeichneten und in ihrem rechtlichen Zusammenhang umschriebenen Frage kommt keine Grundsatzbedeutung zu. Für ihre Beantwortung bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Sie kann vielmehr auf der Grundlage des Wortlauts der §§ 21 und 25 [X.] mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln und unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Senats verneint werden.

2. Die Bundesnetzagentur kann auf der Grundlage von § 21 [X.] (i.V.m. § 9 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 [X.]) marktmächtige Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze dazu verpflichten, Wettbewerbern Zugang zu ihrer Infrastruktur zu gewähren. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats vermittelt § 21 [X.] einem durch ihre Anwendung potentiell begünstigten Wettbewerber [X.] vor allem dann, wenn er mit der Verpflichtungsklage die Aufnahme weiterer [X.]en in die gegenüber dem regulierten Unternehmen ergangene Regulierungsverfügung erstrebt. Wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage ist die drittschützende Wirkung von § 21 [X.] darüber hinaus auch für die Konstellation der Anfechtungsklage zu bejahen, wenn ein Wettbewerber mit dieser Klage - zumindest auch - die Bedingungen des von ihm genutzten Zugangs zum Netz des regulierten Unternehmens verbessern und nicht lediglich mittelbare Nachteile für eine von diesem Zugang unabhängige Wettbewerbsposition abwehren will (zusammenfassend: [X.], Urteile vom 21. September 2018 - 6 C 50.16 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:210918U6C50.16.0] - [X.]E 163, 136 Rn. 13 und - 6 C 8.17 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:210918U6C8.17.0] - [X.]E 163, 181, Rn. 31).

Hiernach ist geklärt, dass der Rechtsschutz für den zugangsberechtigten Wettbewerber des regulierten Unternehmens, der ausschließlich eine (auch) ihn verpflichtende Anordnung nach § 25 [X.] verhindern will, nicht im Wege einer Anfechtung der Verpflichtungen gefunden werden kann, die dem regulierten Unternehmen als Adressat der Regulierungsverfügung nach § 21 [X.] auferlegt worden sind.

3. Eine Rechtsschutzlücke, die Anlass zu einer Ausweitung des durch § 21 [X.] vermittelten [X.]es geben könnte, entsteht durch diesen Befund nicht. In der von der Klägerin genannten Konstellation sind die Rechte des [X.] durch die Ausgestaltung der erlassenen Anordnung nach § 25 [X.] zu wahren, die durch den Wettbewerber zur gerichtlichen Prüfung gestellt werden kann. Auch insoweit besteht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Senats kein grundsätzlicher Klärungsbedarf.

Gegenstand einer Anordnung nach § 25 [X.] können gemäß Absatz 5 Satz 1 der Vorschrift im Rahmen der dem regulierten Unternehmen nach § 21 [X.] auferlegten Verpflichtungen alle Bedingungen einer Zugangsvereinbarung sowie gegebenenfalls - nach § 25 Abs. 6 Satz 1 [X.] im Regelfall auf einer zweiten Regelungsstufe - die Entgelte sein. Den Antrag auf Erlass einer Anordnung kann nach § 25 Abs. 1 Satz 1 [X.] neben dem zugangsberechtigten Wettbewerber auch das regulierte Unternehmen stellen (sog. Anrufung der Bundesnetzagentur). Dementsprechend können sich aus einer solchen Anordnung Verpflichtungen bzw. Belastungen nicht nur für das regulierte Unternehmen, sondern auch für den Wettbewerber ergeben. So kann - in der beschriebenen Umgrenzung - nicht nur die Erbringung von Zugangsleistungen durch das regulierte Unternehmen angeordnet, sondern im Zusammenhang damit auch eine Verpflichtung des zugangsberechtigten [X.] ausgesprochen werden. Dass der Wettbewerber durch eine von dem regulierten Unternehmen beantragte [X.] belastet wird, liegt ohnehin auf der Hand (zu dem Anrufungsrecht und den Verpflichtungen bzw. Belastungen auch des zugangsberechtigten [X.] nach § 25 [X.]: [X.], Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 [[X.]:[X.]:[X.]] - [X.]E 156, 59 Rn. 20 sowie Beschlüsse vom 19. November 2018 - 6 B 57.18 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:191118B6B57.18.0] - NVwZ-RR 2019, 317 Rn. 6 ff. und - 6 B 58.18 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:191118B6B58.18.0] - NVwZ 2019, 323 Rn. 5 ff.).

Bei der Konkretisierung des von dem regulierten Unternehmen zu gewährleistenden Zugangs - und damit auch bei der Regelung etwaiger darauf bezogener Verpflichtungen des zugangsberechtigten [X.] - darf die Bundesnetzagentur gemäß § 25 Abs. 5 Satz 2 [X.] die Anordnung mit Bedingungen, einschließlich Vertragsstrafen, in Bezug auf Chancengleichheit, Billigkeit und Rechtzeitigkeit verknüpfen. Der Bundesnetzagentur kommt damit zwar nach § 25 Abs. 1 Satz 1 [X.] kein Entschließungsermessen, wohl aber gemäß Absatz 5 Satz 2 der Vorschrift ein Auswahlermessen dahingehend zu, welche Maßnahmen ergriffen werden. Ihr soll ermöglicht werden, unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks einerseits und der konkreten Umstände andererseits eine dem Einzelfall angemessene und sachgerechte Entscheidung zu treffen, in die insbesondere auch Zweckmäßigkeits- und Billigkeitserwägungen einfließen können. Dieses Ermessen unterliegt den rechtlichen Bindungen des § 40 VwVfG und der gerichtlichen Kontrolle nach § 114 Satz 1 VwGO ([X.], Beschluss vom 5. Mai 2014 - 6 B 46.13 - [X.] 442.066 § 25 [X.] Nr. 2 Rn. 8 und Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 - [X.]E 156, 59 Rn. 22, 33). Die Maßgaben für den Erlass einer [X.] ergeben sich aus der in § 25 Abs. 5 Satz 3 [X.] enthaltenen Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften der §§ 27 bis 38 [X.]. Auch sie unterliegen gerichtlicher Kontrolle (dazu insgesamt: [X.], Beschluss vom 10. Dezember 2014 - 6 C 16.13 [[X.]:[X.]:[X.]:2014:101214B6C16.13.0] - [X.] 442.066 § 25 [X.] Nr. 3 Rn. 28 und Urteil vom 17. August 2016 - 6 C 24.15 - [X.]E 156, 59 Rn. 20).

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

6 B 36/19

16.12.2019

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Köln, 27. März 2019, Az: 1 K 8583/16, Urteil

§ 9 Abs 2 TKG 2004, § 13 TKG 2004, § 21 TKG 2004, § 25 TKG 2004

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.12.2019, Az. 6 B 36/19 (REWIS RS 2019, 349)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 349

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