Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.09.2023, Az. 10 AZR 512/20

10. Senat | REWIS RS 2023, 6341

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Gegenstand

Revisionsrücknahme - elektronischer Rechtsverkehr - Nutzungspflicht - Verbandsvertreter - Zulassung als Rechtsanwalt


Tenor

1. Der Kläger ist des eingelegten Rechtsmittels der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 30. September 2020 - 3 [X.] - verlustig und hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO).

2. Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 671,76 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 GKG).

Gründe

1

I. [X.]ie Parteien streiten über tarifliche Nachtarbeitszuschläge.

2

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 10. August 2023 hat der Kläger die Revision zurückgenommen. [X.]er Schriftsatz ist am 10. August 2023 vorab per Fax und später im Original eingegangen. Er ist wie folgt unterzeichnet:

        

„[X.]

        

handelnd durch

        

- handschriftliche Unterschrift -

        

M B     

        

Ass. jur“

3

Eine Einreichung unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ([X.]) ist nicht erfolgt. [X.]er Unterzeichner des Schriftsatzes, [X.], ist nicht im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit der [X.] für seinen Arbeitgeber nach § 46 ff. [X.] als Syndikusrechtsanwalt zugelassen. Er ist aber nach den allgemeinen Bestimmungen der [X.] unabhängig von diesem Arbeitsverhältnis als Rechtsanwalt zugelassen und verfügt insoweit über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA).

4

[X.]er Kläger vertritt die Auffassung, dass mit dem im Original eingereichten Schriftsatz eine wirksame Rücknahme der Revision erfolgt sei. Einer Nutzung des [X.] habe es nicht bedurft, da die [X.] selbst erst ab dem 1. Januar 2026 zur aktiven Nutzung des [X.] verpflichtet sei und [X.]e der [X.], die in Nebentätigkeit als Rechtsanwälte zugelassen seien, [X.] nicht nutzen müssten. Es sei insoweit zwischen [X.] als Verbandsvertretern einerseits und Rechtsanwälten in Nebentätigkeit andererseits zu unterscheiden. [X.]ie Nebentätigkeit als Rechtsanwalt werde unabhängig und uneingeschränkt freiberuflich unabhängig von der Haupttätigkeit ausgeübt.

5

[X.]ie Beklagte hat keine Stellungnahme zur Revisionsrücknahme abgegeben.

6

II. [X.]ie Rücknahme der Revision des [X.] ist wirksam erfolgt. [X.]er für die prozessvertretende [X.] handelnde [X.] konnte die Revision [X.] ohne Nutzung des [X.] zurücknehmen. Er war weder als Syndikusrechtsanwalt zugelassen und in entsprechender Funktion für die [X.] tätig noch war er durch diese mandatiert, um im Rahmen seiner Anwaltstätigkeit gegenüber dem Gericht tätig zu werden.

7

1. [X.]ie zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form nach § 46g ArbGG betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit. [X.]ie Einhaltung der vorgeschriebenen Form ist deshalb von Amts wegen zu prüfen. Wird die vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist die Prozesserklärung unwirksam (vgl. [X.] 23. Mai 2023 - 10 [X.] - Rn. 11 mwN). Bei der Rücknahme der Revision handelt es sich um eine solche Prozesserklärung (GMP/[X.]-Glöge 10. Aufl. § 74 Rn. 22).

8

2. Weder die [X.] als Prozessbevollmächtigte noch der im konkreten Fall handelnde [X.] waren verpflichtet, die Revisionsrücknahme unter Nutzung des [X.] einzureichen.

9

a) Eine aktive Nutzungspflicht für die [X.] als prozessbevollmächtigtem Verband nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Satz 3 ArbGG besteht erst ab dem 1. Januar 2026 ([X.] 23. Mai 2023 - 10 [X.] - Rn. 35 mwN).

b) Auch der handelnde [X.] war dazu nicht verpflichtet. Über eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt verfügte er bei Vornahme der [X.] nicht; die unabhängig von seinem Arbeitsverhältnis bestehende Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führt zu keiner solchen Verpflichtung. [X.]iejenigen Mitarbeiter des Verbands, die nicht über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt verfügen, trifft (noch) keine Nutzungspflicht des [X.] (ebenso [X.] [X.] 2023, 810, 812 f.).

aa) Allerdings ist ein Syndikusrechtsanwalt, der für einen Verband nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5, Satz 3 ArbGG erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt (§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 [X.]), nach § 46g Satz 1 ArbGG zur aktiven Nutzung des [X.] nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, wenn er gegenüber einem Gericht tätig wird und beispielsweise ein Rechtsmittel einlegt (grundlegend [X.] 23. Mai 2023 - 10 [X.] - Rn. 16 ff.; zustimmend [X.] [X.] 2023, 810). [X.]abei ist nicht maßgeblich, ob im konkreten Fall der handelnde Verbandssyndikusrechtsanwalt als solcher durch entsprechende Unterzeichnung oder Benennung nach außen auftritt. Maßgeblich ist vielmehr, dass er über eine entsprechende Zulassung verfügt und Anträge und Erklärungen gegenüber dem Gericht in Ausübung dieser Tätigkeit abgegeben werden (zutreffend [X.] in [X.]/Weth jurisPK-[X.] Bd. 2 2. Aufl. Stand 5. Juli 2023 § 46c ArbGG Rn. 63.2 „statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht“). Ein rollenbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht, dass diese vom jeweiligen Auftreten abhängig macht, ist mit den Voraussetzungen für die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 Abs. 3 bis 5 [X.] nicht vereinbar (vgl. [X.] 23. Mai 2023 - 10 [X.] - Rn. 33; zutreffend [X.] [X.] 2023, 810, 812; die Beantwortung der Frage hingegen noch als unklar bezeichnend [X.] 28/2023 Anm. 6 zu [X.]; kritisch Prinz [X.] 2023, 61, 65). Über eine solche Zulassung als Syndikusrechtsanwalt verfügte der handelnde [X.] zum Zeitpunkt der Einreichung des Revisionsrücknahmeschriftsatzes nicht.

bb) [X.]er Umstand, dass der handelnde [X.] außerhalb seiner Tätigkeit für die [X.] über eine Zulassung zur Anwaltschaft nach den Bestimmungen der [X.] verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis.

(1) [X.]er handelnde [X.] ist weder von der [X.] noch vom Kläger bevollmächtigt worden (§ 80 ZPO), um im Rahmen seiner (Neben-)Tätigkeit als Rechtsanwalt den Kläger zu vertreten. Er war also nicht aus diesem Grund verpflichtet, den [X.] nach § 46g Satz 1 ArbGG als Rechtsanwalt für Erklärungen gegenüber dem Gericht im Rahmen der Übernahme eines Mandats für den Auftraggeber dieses Mandats zu nutzen. Vielmehr ist er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit der [X.] für diese als mit der Prozessführung beauftragter Vertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 3 ArbGG tätig geworden.

(2) [X.]ie Tatsache, dass der handelnde [X.] über eine Zulassung zur Anwaltschaft verfügt, führt nicht zur Pflicht, den [X.] aktiv oder passiv zu nutzen. [X.]er handelnde [X.] hat vorliegend als Verbandsvertreter (Assessor jur.) für die [X.] als Prozessbevollmächtigte des [X.] gehandelt (vgl. [X.] 7. November 2012 - 7 [X.] (A) - Rn. 8, [X.]E 143, 256). Für die Pflicht, den [X.] zu nutzen, kommt es aber maßgeblich auf das jeweilige Rechtsverhältnis an, in dessen Rahmen eine Person nach § 46g Satz 1 ArbGG gegenüber dem Gericht tätig wird. Betrifft das Rechtsverhältnis die Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Syndikusrechtsanwalt, besteht die Nutzungspflicht. [X.]ie Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt knüpft an ein oder mehrere Arbeitsverhältnisse an und ist auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, Abs. 5, § 46a Abs. 1 Satz 2 [X.]). Wird die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt im Rahmen mehrerer Arbeitsverhältnisse oder neben einer Tätigkeit als Rechtsanwalt ausgeübt, hat eine gesonderte Eintragung für jede der Tätigkeiten zu erfolgen (§ 46c Abs. 5 Satz 2 [X.]). [X.]ies bewirkt, dass nach § 31a Abs. 1 Satz 1 [X.] für jede Eintragung [X.] einzurichten ist (BT-[X.]rs. 18/5201 S. 40). [X.]agegen greift die Pflicht, den [X.] zu nutzen, nicht, wenn solche Personen, ohne über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu verfügen und ohne im Rahmen ihrer Zulassung als Rechtsanwalt mandatiert zu sein, für den Verband als nicht anwaltliche Verbandsvertreter handeln. In einem solchen Fall ist der handelnde Verbandsvertreter nicht als (Syndikus-)Rechtsanwalt am Prozess beteiligt, sondern handelt in einem anderen Rechtsverhältnis (so zutreffend [X.] in [X.]/Weth jurisPK-[X.] Bd. 2 2. Aufl. Stand 5. Juli 2023 § 46c ArbGG Rn. 63.3; anders aber noch Rn. 63.2; unklar [X.] 28/2023 Anm. 6 zu [X.]; [X.] ebenso Prinz [X.] 2023, 61, 64 f.). Zwar zielt § 46g Satz 1 ArbGG auf eine umfassende Nutzungspflicht aller, die über einen sicheren Übermittlungsweg verfügen. [X.]ies gilt aber nur, soweit diese Personen auch in einem Rechtsverhältnis, das zur [X.]-Nutzung verpflichtet - wie beispielsweise als Syndikusrechtsanwalt oder als mandatierter Rechtsanwalt -, für den Verband auftreten.

        

    Günther-Gräff    

        

    Nowak    

        

    Pessinger    

        

        

        

             

        

             

                 

Meta

10 AZR 512/20

21.09.2023

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamm, 10. Januar 2020, Az: 2 Ca 1136/19, Urteil

§ 11 Abs 2 S 2 Nr 5 ArbGG, § 46g S 1 ArbGG, § 46 BRAO, § 46c BRAO, § 80 ZPO, § 11 Abs 2 S 3 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.09.2023, Az. 10 AZR 512/20 (REWIS RS 2023, 6341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6341

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