Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2019, Az. AnwZ (Brfg) 79/18

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2019, 8483

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Gegenstand

Anforderungen an die fachliche Unabhängigkeit eines Syndikusrechtsanwalts


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 10. September 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

[X.]r Kläger wurde im [X.]zember 2012 im [X.]ezirk der [X.]eklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seit dem 1. Juli 2013 ist er als Rechtssekretär (jetzt: [X.]) bei der [X.] angestellt. Die [X.].                            lehnte eine auf diese Tätigkeit bezogene [X.]efreiung von der Pflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung ab. Über die Klage des [X.] gegen diesen [X.]escheid ist noch nicht entschieden worden. Unter dem 14. Januar 2016 beantragte der Kläger die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Mit Schreiben vom 19. April 2016 beantragte er, das Verfahren ruhend zu stellen, weil seine Arbeitgeberin noch keine abschließende Entscheidung über den Einsatz von [X.] und der damit verbundenen Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte getroffen habe. Mit [X.]escheid vom 10. Oktober 2017 lehnte die [X.]eklagte den Zulassungsantrag des [X.] ab. Die Klage des [X.] gegen diesen [X.]escheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.].

II.

2

[X.]r Antrag ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des [X.] bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3

1. Dieser [X.] ist erfüllt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.], [X.]eschluss vom 29. [X.]zember 2016 - [X.] ([X.]) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. [X.]zember 2017 - [X.] ([X.]) 11/17, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den [X.] dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen ([X.], [X.]eschluss vom 24. November 2014 - [X.] ([X.]) 7/14, [X.], 898 Rn. 8; vgl. auch [X.] 134, 106 = NJW 2013, 3506 Rn. 40).

4

2. [X.]r [X.] hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 Satz 2 [X.] verneint. Die fachliche Unabhängigkeit des [X.] sei nicht vertraglich gewährleistet. [X.]r Arbeitsvertrag des [X.] enthalte keine entsprechende [X.]estimmung. Auf Unterlagen, welche für den Antrag auf [X.]efreiung von der Rentenversicherungspflicht alten Rechts erstellt worden seien, könne der Kläger sich nicht berufen. [X.]n eigenen Angaben des [X.] zufolge habe seine Arbeitgeberin es abgelehnt, das erforderliche Formular zur Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu unterzeichnen. [X.]r Kläger und seine Arbeitgeberin hätten sich offensichtlich nicht darüber geeinigt, dass der Kläger seine Tätigkeit fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ausüben solle.

5

3. [X.]mgegenüber meint der Kläger, seine Arbeitgeberin sei arbeitsrechtlich an die Erklärungen gebunden, die sie im Rahmen des [X.] von der Rentenversicherungspflicht unterzeichnet habe. Sie habe bestätigt, dass er als Rechtsanwalt tätig sei. Zudem habe sie auf eine Tätigkeitsbeschreibung vom 2. August 2013 [X.]ezug genommen, nach welcher er selbständig arbeite, inhaltlich an keinerlei Weisungen Dritter gebunden sei, die Verfahren wie ein Rechtsanwalt eigenverantwortlich zu bearbeiten habe und wie ein Anwalt hafte.

6

Ein den Anforderungen des § 46 Abs. 4 Satz 2 [X.] genügender Arbeitsvertrag ist damit nicht schlüssig dargelegt.

7

a) Nach § 46 Abs. 4 Satz 2 [X.] ist die fachliche Unabhängigkeit der [X.]erufsausübung des [X.] vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten. Aus dem Arbeitsvertrag eines [X.] hat sich zu ergeben, dass der Arbeitgeber in fachlichen Angelegenheiten weder ein allgemeines noch ein konkretes Weisungsrecht ausüben darf, da ohne eine solche Regelung der allgemeine arbeitsrechtliche Grundsatz eines umfassenden Direktionsrechts des Arbeitgebers gilt. Die Unabhängigkeit muss sowohl Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarung sein als auch tatsächlich im Rahmen des Anstellungsverhältnisses gelebt werden (vgl. die amtliche [X.]egründung des Entwurfs eines [X.], [X.]T-Drucks. 18/5201, S. 29).

8

b) [X.]m Kläger ist zuzugeben, dass auch ein Vertrag, der vor dem Inkrafttreten des [X.] und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. [X.]zember 2015 ([X.]) geschlossen worden ist, den Anforderungen des § 46 [X.] genügen kann. [X.]r Arbeitsvertrag des [X.] vom 26. Juni 2013, der mit Vereinbarung vom 30. [X.]zember 2014 entfristet worden ist, genügt diesen Anforderungen jedoch nicht. Gemäß § 1 Abs. 1 dieses Vertrages wurde der Kläger als Rechtssekretär eingestellt. Die §§ 2 und 3 betreffen die Eingruppierung, die Vergütung, die Arbeitszeit sowie die Tarifverträge und [X.]etriebsvereinbarungen. § 4 schreibt für Zusatzvereinbarungen die Schriftform vor. Ein Ausschluss des allgemeinen arbeitsrechtlichen Direktionsrechts des Arbeitgebers oder ein Verbot konkreter Weisungen in Rechtsfragen sieht der Vertrag nicht vor. § 5 des Vertrages verpflichtet den Kläger zudem, bei seiner Tätigkeit die politischen Grund- und Zielvorstellungen des D.  , wie sie in der Satzung und den [X.]eschlüssen der Organe des D.  zum Ausdruck gelangen, zu beachten.

9

c) [X.], welche die fachliche Unabhängigkeit des [X.] betrafen, hat der Kläger nicht nachgewiesen. Die Erklärungen, welche die Arbeitgeberin des [X.] im Rahmen des Antragsverfahrens bei der [X.].                             vorgelegt hat, waren nicht dazu bestimmt und auch nicht geeignet, den Arbeitsvertrag vom 26. Juni 2013 zu ändern. Eine Vertragsänderung bedarf übereinstimmender Willenserklärungen der vertragsschließenden Parteien (vgl. etwa [X.], Urteil vom 14. März 2012 - [X.], [X.]Z 192, 372 Rn. 17). Eine Willenserklärung ist eine private Willensäußerung, gerichtet auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, der nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist (Motive zu dem Entwurfe eines [X.]ürgerlichen Gesetzbuches für das [X.], [X.], [X.]). Die Erklärungen der Arbeitgeberin des [X.] enthalten die [X.]eschreibung eines vermeintlichen oder wirklichen Zustandes, sollten aber nach ihrem Wortlaut und ihrer [X.]estimmung zur Vorlage in einem Verwaltungsverfahren ersichtlich keine Rechtsänderung herbeiführen.

4. [X.]r Kläger beruft sich weiter auf die Tätigkeitsbeschreibung vom 25. Juli 2016, welche auf Anforderung der [X.]eklagten zur Vorlage bei dieser erstellt worden sei und die Unterschrift eines Prokuristen der Arbeitgeberin des [X.] trage. Auch hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Vertrag, der den Arbeitsvertrag vom 26. Juni 2013 abändern sollte. Wie schon die Überschrift "Tätigkeitsbeschreibung eines/r Rechtssekretärs/in bei der [X.]" zeigt, ging es nur um die [X.]eschreibung der Tätigkeit des [X.], nicht um eine Rechtsänderung. Ausweislich des Anschreibens des [X.] vom 26. Juli 2016 und des [X.]ezugsschreibens der [X.]eklagten vom 14. Juli 2016 wurde die Tätigkeitsbeschreibung überdies zur Vorlage in dem bei der [X.]eklagten unter dem Aktenzeichen [X.]            geführten Verfahren betreffend die Nebentätigkeit des [X.] als Rechtssekretär gefertigt, betraf also ebenso wie die Erklärung der Arbeitgeberin vom 9. Mai 2016 die Frage, ob die Tätigkeit als Rechtssekretär mit derjenigen eines Rechtsanwalts vereinbar ist (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]). Zur Einreichung im Rahmen des Antrags auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt (Aktenzeichen der [X.]eklagten: [X.]             ) war die Tätigkeitsbeschreibung vom 25. Juli 2016 danach nicht bestimmt. [X.]r Kläger selbst hat sie nicht als Änderung seines Arbeitsvertrages verstanden. Er hat noch mit Schreiben vom 28. Juni 2017 mitgeteilt, dass seine Arbeitgeberin das für den Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwalt vorgesehene Formular nicht unterzeichnen werde. Auf die Frage, welche Stellung der Unterzeichner der Tätigkeitsbeschreibung bei der Arbeitgeberin des [X.] innehatte, kommt es nicht an.

5. [X.]r Kläger meint schließlich, seine Arbeitgeberin verhalte sich rechtswidrig. [X.]n Arbeitgeber treffe eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, einem Dritten gegenüber Tatsachen zu bestätigen oder hiermit verbundene rechtliche [X.]ewertungen abzugeben, um dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, Ansprüche gegen diesen Dritten geltend zu machen. Im vorliegenden Fall sei dieser Anspruch allerdings durch die Erklärungen im Antragsverfahren vor der [X.].                          und durch die Tätigkeitsbeschreibung vom 25. Juli 2016 erfüllt.

a) Das vom Kläger zitierte Urteil des [X.]      vom 30. August 2017 (5       , juris) behandelt die Fragen, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, die für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erforderliche Tätigkeitsbeschreibung zu erteilen und eine Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag hinsichtlich der fachlichen Unabhängigkeit des Arbeitnehmers zu vereinbaren. Das [X.]hat diese Fragen verneint ([X.], aaO Rn. 117 ff.). Die Revision des dortigen [X.] gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg ([X.]AG, [X.], 161). Die dortige Arbeitgeberin, die wie die Arbeitgeberin des hiesigen [X.] Rechtsberatung und Prozessvertretung für Gewerkschaftsmitglieder anbietet, hatte entschieden, grundsätzlich keine Zulassungen der [X.]e zum Syndikusrechtsanwalt zu unterstützen. Nach Ansicht des [X.]undesarbeitsgerichts konnte sie nicht zu unzutreffenden Tatsachenbehauptungen gezwungen werden. Einer vertraglich gewährleisteten fachlichen Unabhängigkeit stand unter anderem die Pflicht des dortigen [X.] entgegen, bei seiner Tätigkeit die politischen Grund- und Zielvorstellungen des D.  , wie sie in der Satzung und den [X.]eschlüssen der Organe des [X.]zum Ausdruck gelangen, zu beachten ([X.]AG, aaO Rn. 38).

b) Die vom Kläger behauptete Pflicht seiner Arbeitgeberin, ihm das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 Satz 2 [X.] zu bestätigen, besteht nicht, weil diese Voraussetzungen tatsächlich nicht erfüllt sind. [X.]r Arbeitsvertrag des [X.] sieht keine fachliche Unabhängigkeit des [X.] und keinen Verzicht der Arbeitgeberin auf ihr Weisungsrecht vor. Die vom Kläger in [X.]ezug genommenen, zur Vorlage in anderen Verfahren bestimmten Erklärungen der Arbeitgeberin haben, wie gezeigt, nicht zu einer Änderung des Arbeitsvertrages vom 26. Juni 2013 geführt.

III.

[X.] ergeht nach § 112c Abs. 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO. [X.]r Streitwert wurde nach § 194 Abs. 2 [X.] festgesetzt.

[X.]     

        

Lohmann     

        

Remmert

        

Wolf     

        

Merk     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 79/18

05.04.2019

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 10. September 2018, Az: BayAGH I - 5 - 30/17, Urteil

§ 46 Abs 4 S 2 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.04.2019, Az. AnwZ (Brfg) 79/18 (REWIS RS 2019, 8483)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8483

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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