Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2012, Az. I ZR 214/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10211

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I [X.]
Verkündet am:

12. Januar 2012

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
HGB § 425 Abs. 1
Für den Beginn des [X.] gemäß §
425 Abs.
1 HGB ist es nicht erforderlich, dass der Frachtführer unmittelbar nach Erlangung des Besitzes am Transportgut mit der vertraglich vereinbarten Beförderung beginnt. Lagert der Frachtführer [X.] zunächst aus Gründen vor, die seiner Sphäre zuzurech-nen sind
beispielsweise wegen fehlender Transportkapazität
so beginnt die Obhutshaftung des §
425 Abs.
1 HGB bereits mit der vom Frachtführer vorge-nommenen Vorlagerung.
[X.], Urteil vom 12. Januar 2012 -
I [X.] -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24.
November 2011 durch [X.] Dr.
Bornkamm und [X.], [X.] und Dr. Koch

für
Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 18.
Zivilsenats des [X.] vom 17.
November 2010 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich der Hauptforderung über einen Betrag von 3.432,74

hinaus und hinsichtlich der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten über einen Betrag von 359,50

der [X.] erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung und im Kostenpunkt wird das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 16.
April 2010 auf die Berufung der [X.] abgeändert.

Die Klage
wird insoweit
abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 57% und die Beklagte zu 43%.

Von Rechts wegen
-
3
-
Tatbestand:

Die Klägerin ist Transportversicherer der P.

International
GmbH in [X.] (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie macht gegen das beklagte Speditionsunternehmen aus abgetretenem und übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin Schadensersatz wegen Beschädigung von Transportgut geltend.

Die Versicherungsnehmerin beabsichtigte, im Oktober 2007 eine aus mehreren Bauteilen bestehende Kombinationsanlage auf einer Messe in [X.] auszustellen. Sie beauftragte
die Beklagte, die als Messespediteurin die Erlaubnis hat, auf dem Gelände der Messe in [X.] tätig zu sein, mit der Beförderung der Anlage zum [X.]. Nach Beendigung der Messe soll-te die Beklagte die Maschine zum Unternehmenssitz der Versicherungsnehme-rin zurücktransportieren. Dieser Auftrag umfasste die Verpflichtung der [X.], für den Abbau der Anlage und die Bereitstellung der einzelnen Maschinen-teile zum Abtransport einen Gabelstaplerfahrer zur Verfügung zu stellen, der auch die Verladung der Anlagenbauteile auf das Transportfahrzeug vornehmen sollte.

Nach Beendigung der Messe bauten Mitarbeiter der Versicherungsneh-merin die Maschine am 31.
Oktober 2007 auf dem [X.] ab. Dabei wurden
sie von einem Gabelstaplerfahrer unterstützt, der im Auftrag der [X.] die von dieser für den Abbau geschuldeten Leistungen erbrachte. Die Maschinenbauteile blieben nach dem Abbau zunächst auf dem [X.] liegen. Am 5.
November 2007 lud der von der [X.] beauftragte Gabelstap-lerfahrer
[X.]
die Bauteile mit einem Gabelstapler auf den für den Rücktransport bereitgestellten Lkw. Als [X.] am 7.
November 2007 bei der Versicherungs-1
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nehmerin ankam, war der [X.] der Anlage
mit einem Gewicht von 280
kg erheblich beschädigt. Der dem Gabelstaplerfahrer von der [X.] übergebene Arbeitsauftrag enthielt den handschriftlichen Vermerk: "1
Maschine beschädigt am Stand". Auf dem der Versicherungsnehmerin von dem Lkw-Fahrer ausgehändigten [X.] fand sich der Vermerk: "Maschine wurde be-schädigt
durch Verladen".

Die Klägerin hat behauptet, der Schaden an dem [X.] sei [X.] entstanden, dass er
bei der Verladung auf das Transportfahrzeug vom Gabelstapler heruntergefallen sei. Die Kosten für die Schadensbeseitigung [X.] sich auf 7.009,68

in Höhe von 895

beauftragten Gabelstaplerfahrer ein qualifiziertes Verschulden anzulasten sei. Darüber hinaus schulde die Beklagte die Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 661,40

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Sie hat vor allem geltend gemacht, der Schaden sei nicht während ihres [X.] eingetreten. Als sich der Gabelstaplerfahrer am 5.
November 2007 zum Messestand der Versicherungsnehmerin begeben habe, sei das in Rede stehende Bauteil be-reits beschädigt gewesen. Demzufolge müsse der Schaden entweder schon bei der Zerlegung der Maschine in ihre Bauteile oder während der Lagerung auf dem [X.]
also vor der Übernahme der Maschine zur Beförderung

entstanden sein. Jedenfalls könne ihr kein qualifiziertes Verschulden angelastet werden, da sie ihrer Recherchepflicht nachgekommen sei.

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben (OLG [X.], [X.] 2011, 74). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückwei-4
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-
sung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat die Klage gemäß §
425 Abs.
1, §
435 HGB für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

Es könne offenbleiben, ob der [X.] zum [X.]punkt der Verla-dung auf das Transportfahrzeug am 5.
November 2007 bereits beschädigt ge-wesen sei. Auch wenn dies der Fall gewesen sein sollte, habe sich der Scha-den während der Obhutszeit der [X.] ereignet, weil sie die Maschine schon am Abend des 31.
Oktober 2007 unbeschädigt für den Rücktransport zur Versicherungsnehmerin übernommen habe.

Die Beklagte könne sich nicht auf gesetzliche Haftungsbeschränkungen berufen, weil davon auszugehen sei, dass sie den Schaden leichtfertig im Sinne von §
435 HGB verursacht habe. Die Klägerin habe Umstände dargelegt, die mit gewisser Wahrscheinlichkeit auf eine leichtfertige Schadensverursachung hindeuteten. In einem solchen Fall treffe den Frachtführer eine Recherchepflicht zur Aufklärung des [X.] und der Schadensursache. Dieser Re-cherchepflicht sei die Beklagte nicht vollständig und umfassend nachgekom-men, weil sie es unterlassen habe, zeitnah nach dem Schadensereignis den von ihr beauftragten Unterfrachtführer zu befragen, welche konkreten Angaben der Fahrer aus eigener Anschauung zum Schadenshergang machen könne. Dies gehe zu Lasten der [X.] mit der Folge, dass von einem qualifizierten Verschulden bei der Verursachung des Schadens auszugehen sei. Die von der 7
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Klägerin behauptete
Schadenshöhe sei durch das [X.].

I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben teilweise Erfolg. Sie führen zur Abweisung der Klage, soweit die Klägerin wegen des entstandenen Sachschadens einen Anspruch über die gesetzliche Höchst-betragshaftung gemäß §
431 Abs.
1
und 2
HGB hinaus geltend macht.
Die von der Klägerin beanspruchten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind zudem nur in Höhe von 359,50

1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des [X.], die Voraussetzungen für eine vertragliche Haftung der [X.] nach §
425 Abs.
1 HGB seien erfüllt, weil die Beschädigung des [X.] während der Obhutszeit der [X.] erfolgt sei.

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte von
der Versicherungsnehmerin als Fixkostenspediteurin im Sinne von §
459 HGB mit der Beförderung der Maschine von der Messe in [X.] nach [X.] beauftragt worden ist. Die Revision erhebt insoweit auch keine Beanstandun-gen. Demgemäß richtet sich die Haftung der [X.] grundsätzlich nach den Bestimmungen über die Haftung des Frachtführers (§§
425
ff. HGB).

b) Gemäß §
425 Abs.
1 HGB haftet der Frachtführer unter anderem für den Schaden, der durch Beschädigung des [X.] in der [X.] von der [X.] zur Beförderung bis zur Ablieferung entsteht. Die Obhutshaftung des Frachtführers beginnt danach mit der Besitzerlangung an [X.], wobei der Erwerb des mittelbaren Besitzes ausreicht (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Juni 2001

I
ZR
13/99, [X.] 2001, 471, 472 =
[X.], 1580
zu §
429 Abs.
1 HGB aF; [X.], Transportrecht, 7.
Aufl., §
425 HGB Rn.
17). Das 10
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-
Gut muss derart in den Verantwortungsbereich des Frachtführers oder seiner Erfüllungsgehilfen im Sinne von §
428 HGB gelangt sein, dass er oder seine Gehilfen es vor Schäden bewahren können ([X.] [X.]O §
425 HGB Rn.
17; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/[X.], HGB, 2.
Aufl., §
425 Rn.
18). In subjektiver Hinsicht muss die Übernahme des Besitzes vom Willen des [X.]s oder des von ihm beauftragten Gehilfen getragen sein, wobei der Wille im natürlichen Sinne ausreicht ([X.] [X.]O §
425 HGB Rn.
18; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/[X.], §
425 Rn.
19; [X.].HGB/[X.], §
425 Rn.
39).
Haben die Vertragsparteien
in Abweichung von §
412 Abs.
1 HGB
vereinbart, dass der Frachtführer [X.] auch zu verladen hat, so be-ginnt der nach §
425 Abs.
1 HGB maßgebliche Haftungszeitraum bereits zu dem [X.]punkt, in dem der Frachtführer [X.] zum Zwecke der Verladung in seine Obhut nimmt, also nicht erst mit Beendigung des Beladevorgangs (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Mai 1990
I
ZR
295/88, [X.] 1990, 328, 329 =
VersR 1990, 1292, zu §
29 [X.]; [X.].HGB/[X.],
§
425 Rn.
38 mwN).

Die Haftung gemäß §
425 Abs.
1 HGB erfordert zudem, dass der [X.] [X.] gerade zum Zweck der Beförderung, also mit dem Ziel der Orts-veränderung in Richtung auf den Bestimmungsort, übernommen hat ([X.] [X.]O §
425 HGB Rn.
21; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/[X.], §
425 Rn.
20; [X.].HGB/[X.],
§
425 Rn.
40). Eine Haftung nach §
425 Abs.
1 HGB ist daher ausgeschlossen, solange dem Frachtführer [X.] nur zur Lagerung oder Verwahrung übergeben und noch kein [X.] abge-schlossen worden ist, mag eine spätere Beförderung durch ihn auch beabsich-tigt sein. Ist dagegen bei der Übernahme bereits ein Beförderungsvertrag zu-stande gekommen, so gilt die Haftungsvorschrift des §
425 Abs.
1 HGB auch schon vor Beginn der eigentlichen Beförderung ([X.].HGB/[X.],
§
425 Rn.
40).

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8
-
c) Vor diesem Hintergrund ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Beschädigung des [X.] habe sich innerhalb des [X.] nach §
425 Abs.
1 HGB ereignet, nicht zu beanstanden.

[X.]) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe die von
einem Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin abgebaute Maschine nicht erst am 5.
November 2007, sondern bereits am Abend des 31.
Oktober 2007 nach dem Abbau für den Rücktransport zur Versicherungsnehmerin übernommen. Dies ergebe sich im Streitfall aus der Besonderheit, dass die Beklagte der Ver-sicherungsnehmerin gegenüber als Messespediteurin tätig geworden sei. Der ihr erteilte Auftrag müsse gemäß §§
133, 157 BGB dahin verstanden werden, dass sie ihrer Auftraggeberin für die Messeveranstaltung umfassende Trans-po und Logistikleistungen geschuldet habe. Aus der Summe der übernom-menen Pflichten ergebe sich, dass die Beklagte auch für die Räumung des von der Versicherungsnehmerin gemieteten Messestands habe sorgen müssen. Dafür sei es vor allem erforderlich gewesen, die Maschinenbauteile auf dem [X.] zu transportieren. Nach der Verkehrsauffassung gehöre die Be-wegung der einzelnen Maschinenbauteile auf dem [X.] bereits zur geschuldeten Transportleistung.

bb) Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der
Revision blei-ben ohne Erfolg. Die
Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, dass der streitgegenständliche Schaden [X.] der Obhutszeit der [X.] im Sinne von §
425 Abs.
1 HGB entstanden sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts weise der Streitfall keine Be-sonderheiten auf, die dazu führten, dass die Beklagte bereits im Vorfeld des geplanten Transports nicht nur der Versicherungsnehmerin geholfen, sondern bereits als Messespediteurin die Maschine in ihre Obhut genommen habe. Es stehe nicht fest, dass die Beklagte schon vor Beginn des eigentlichen Rück-15
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transports der Maschine zur Versicherungsnehmerin tatsächlich die Obhut im frachtrechtlichen Sinne innegehabt habe. Unstreitig habe die Beklagte nicht die Einlagerung der Maschine übernommen. Diese habe sich nach dem [X.] in der Obhut des Messeveranstalters als Vertragspartner der Versiche-rungsnehmerin befunden, nachdem diese den unmittelbaren Besitz an der [X.] aufgegeben habe.

Die Revision lässt bei ihrem Vorbringen
unberücksichtigt, dass die [X.] am 31.
Oktober 2007 von der Versicherungsnehmerin bereits mit dem Rücktransport der Maschine vom [X.] in [X.] zum [X.] der Versicherungsnehmerin beauftragt worden war. Die Beklagte [X.] daher unmittelbar nach dem Abbau der Maschine und deren Zerlegung in die einzelnen Bauteile mit der von ihr vertraglich geschuldeten Verladung auf einen Lkw und dem Transport zur Versicherungsnehmerin beginnen können. Diese Vorgehensweise hätte nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] dem der [X.]
erteilten Transportauftrag entsprochen. Die Verschiebung der Beförderung auf den 5.
November 2007 ging
nach den [X.] unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auf einen
Wunsch oder eine
Weisung der Versicherungsnehmerin
zurück, sondern hatte seinen Grund darin, dass die Beklagte mangels vorhandener [X.] nicht zu einem sofortigen Abtransport
der Maschinenteile in der Lage war. Die Obhutshaftung nach §
425 Abs.
1 HGB ist nicht deswegen aus-geschlossen, weil der Frachtführer wegen einer von ihm zu vertretenden oder sonst transportbedingten Verzögerung der Beförderung zunächst eine [X.] Vorlagerung vornehmen muss;
denn eine solche Handlung dient der Erfül-lung des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 10.
März 1994

I
ZR
75/92, [X.] 1994, 279, 281 =
[X.], 837; [X.] [X.]O §
425 HGB Rn.
21; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/[X.], §
425 HGB Rn.
20).
Die Maschinenbauteile sind nach dem Abbau auch in die Obhut der [X.] 18
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übergegangen. Der von der [X.] beauftragte Gabelstaplerfahrer war [X.] der Zerlegung der Maschine zugegen und konnte die Bauteile daher nach Beendigung des Abbaus für die Beklagte entgegennehmen.

Für eine Übernahme des [X.] zur Beförderung schon am Abend des 31.
Oktober 2007 spricht des Weiteren der Umstand, dass die Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin die zerlegte Maschine auf dem [X.]
zurück-gelassen und die Heimreise angetreten hatten, so dass sie den unmittelbaren Besitz an diesen Bauteilen aufgegeben hatten. Die Beklagte hatte als zugelas-sene Messespediteurin die Berechtigung, sich auch nach dem Ende der Messe auf dem [X.] aufzuhalten, um dort ihre vertraglich geschuldeten Leis-tungen zu erbringen, so dass sie
zumindest
mittelbare Besitzerin der [X.]nbauteile geworden war. Dies versetzte sie zugleich objektiv in die Lage, [X.] bis zum tatsächlichen Abtransport vor Schaden zu bewahren. Diese Besitzerlangung diente schließlich auch der Erfüllung des zuvor bereits abge-schlossenen [X.].

Der Umstand, dass die Versicherungsnehmerin aufgrund ihres mit dem Messeveranstalter abgeschlossenen Vertrags berechtigt war, den Messestand auch über den 31.
Oktober 2007 hinaus noch zu nutzen, vermag an der vorste-henden Beurteilung nichts zu ändern. Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, dass es für die Haftung der [X.] nicht auf die Absprachen der Versicherungsnehmerin mit dem Veranstalter der Messe, sondern auf die ver-traglichen Vereinbarungen zwischen der Versicherungsnehmerin und der [X.] ankommt.

d) Auf die [X.] der Revision gegen die vom Berufungsgericht unterlas-sene erneute Vernehmung
des [X.]
[X.] kommt es danach nicht mehr an, weil die Zweifel, die das Berufungsgericht an der Glaubwürdigkeit die-19
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-
ses von der [X.] benannten Zeugen geäußert hat, keinen (tragenden) Einfluss auf das angefochtene Urteil haben.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des [X.], der [X.] sei es im Streitfall nach §
435 HGB verwehrt, sich auf die Haftungsbegrenzungen gemäß §
431 Abs.
1 und 2 HGB zu berufen, weil davon auszugehen sei, dass der durch die Beschädigung des Transportgu-tes eingetretene Schaden auf ein qualifiziertes Verschulden der [X.] zu-rückzuführen sei.

a) Gemäß §
435 HGB gelten die gesetzlichen und im [X.] vor-gesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in §
428 HGB genannten Personen leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit ein-treten wird. Nach der Rechtsprechung des Senats hat grundsätzlich der An-spruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des [X.]s bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ([X.], Urteil vom 22.
November 2007
I
ZR
74/05, [X.]Z 174, 244 Rn.
25; Urteil vom 13.
Januar 2011

I
ZR
188/08, [X.] 2011, 218 Rn.
15 = [X.], 1161). Die dem An-spruchsteller obliegende Darlegungs-
und Beweislast kann jedoch
wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist
dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen [X.] der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit mög-lich und zumutbar zu den näheren Umständen des [X.] eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des [X.] setzt allerdings voraus, dass der [X.] ein qualifiziertes Verschulden des [X.] mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich An-22
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-
12
-
haltspunkte für ein derartiges
Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben.

Diese zum Verlust von Transportgut entwickelten [X.] gelten grundsätzlich auch bei einer während des Transports einge-tretenen Beschädigung des Frachtgutes (vgl. [X.]Z 174, 244 Rn.
27). Liegt ein qualifiziertes Verschulden aufgrund des [X.] nahe, muss der [X.] Frachtführer Angaben zu den näheren Umständen der Schadensentste-hung machen. Er muss insbesondere mitteilen, welche Kenntnisse er über den konkreten Schadensverlauf hat und welche Schadensursachen er ermitteln konnte. Ihn trifft mithin eine Recherchepflicht ([X.]Z 174, 244 Rn.
27; [X.], [X.] 2011, 218 Rn.
16).

b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Vortrag der Klägerin mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf ein qualifiziertes, der [X.] zuzurechnendes Verschulden des von ihr eingesetzten Gabelstapler-fahrers
schließen lässt. Es hat angenommen, als Schadensursache komme im vorliegenden Fall ernsthaft in Betracht, dass der [X.] beim Verladen auf das Transportfahrzeug vom Gabelstapler gefallen sei. Das Schadensbild stehe mit dieser Schadensursache, die auch auf dem [X.] vermerkt sei, in Einklang. [X.] hierin die Schadensursache, so spreche eine gewisse Wahr-scheinlichkeit für eine Leichtfertigkeit des [X.], weil der Mitarbei-ter [X.] der Versicherungsnehmerin ihm am Abend des 31.
Oktober 2007 [X.] Anweisungen gegeben habe, wie die Maschinenbauteile angehoben werden müssten und wo die jeweiligen Anhebepunkte bei den einzelnen Bauteilen zu finden seien. Wenn der [X.] gleichwohl vom Gabelstapler gefallen sei, lege
dies die Vermutung nahe, dass er entgegen den konkret erteilten [X.] angehoben worden sei, was den Vorwurf grob fahrlässiger Schadensverur-sachung rechtfertige.
Da das konkrete Schadensbild und die konkret erteilten 24
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13
-
Verladeanweisungen in Verbindung mit dem Schadensvermerk auf dem [X.] hinreichende Anhaltspunkte für eine leichtfertige Schadensverursachung ge-liefert hätten, andererseits der Gabelstaplerfahrer [X.] der [X.] im Arbeits-auftrag eine andere Schadensursache mitgeteilt habe, sei die Beklagte ver-pflichtet gewesen, sich um nähere Aufklärung der Schadensursache und des Schadenshergangs zu bemühen. Dieser Recherchepflicht sei die Beklagte nicht vollständig und umfassend nachgekommen, weil sie es unterlassen habe, zeit-nah nach dem Schadensereignis den von ihr beauftragten Unterfrachtführer und den Fahrer, der den Rücktransport ausgeführt habe, nach dem [X.] zu befragen.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts reicht der Vortrag der Klägerin für die Annahme eines bewusst leichtfertigen Handelns (§
435 HGB) des [X.] nicht aus.

[X.]) Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen beson-ders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer oder seine Leute im Sinne von §
428 Abs.
2 HGB in krasser Weise über die Sicherheitsinteres-sen des Vertragspartners hinwegsetzen. Das subjektive Erfordernis des Be-wusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Dabei reicht die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit für sich allein nicht aus, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist vielmehr erst dann an-zunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt ([X.], Urteil vom 6.
Juni 2007

I
ZR
121/04, [X.] 2007, 423 Rn.
17 =
[X.], 1134; [X.], [X.] 2011, 218 Rn.
19).
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14
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bb) Der vom Berufungsgericht für maßgeblich erachtete Umstand, dass der [X.] beim Verladen vom Gabelstapler gefallen sei, rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme einer bewussten Leichtfertigkeit des Gabelstapler-fahrers. Das vom Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrundegelegte Herun-terfallen vom Gabelstapler kann auch durch eine nur leichte Unachtsamkeit des [X.] verursacht worden sein.

[X.]) Die Revision wendet sich auch zu Recht gegen die Annahme des Be-rufungsgerichts, die Beklagte habe ihrer Recherchepflicht nicht vollständig und umfassend genügt. Das Berufungsgericht hat der [X.] insbesondere an-gelastet, dass sie es unterlassen habe, den von ihr beauftragten [X.] und den von dieser eingesetzten Fahrer nach dem Schadenshergang zu befragen. Die Revision rügt mit Erfolg, dass auf diesen Umstand eine Verlet-zung der Recherchepflicht nicht gestützt werden kann. Es ist nicht festgestellt, dass der Unterfrachtführer und dessen Fahrer bei der Verladung der Maschine zugegen waren. Der Gabelstaplerfahrer hat bei seiner erstinstanzlichen [X.] zudem ausgesagt, der Schaden könne dadurch entstanden sein, dass ein anderer Staplerfahrer gegen die Maschine gefahren sei. Die Beklagte hat sich diese Aussage zu eigen gemacht
und damit dargelegt, wie sich der Schaden ihrer Ansicht nach ereignet haben kann. Die Revision wendet sich auch mit Recht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Fahrer des [X.] habe nicht mehr zum Schadenshergang befragt werden [X.], weil es der [X.] nicht gelungen sei, dessen gegenwärtige Anschrift zu ermitteln. Dabei hat das Berufungsgericht
-
worauf die Revision mit Recht hinweist

unberücksichtigt gelassen, dass der Mitarbeiter
[X.] der Versiche-rungsnehmerin bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung ausgesagt hat, er ha-be den Namen und die Spedition des Fahrers notiert. Demnach hätte auch die 28
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Versicherungsnehmerin selbst die Möglichkeit gehabt, Nachforschungen über die Schadensursache und den Schadenshergang anzustellen.

dd) Es besteht keine Veranlassung, den Rechtsstreit an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, ihren Vor-trag zu einem bewusst leichtfertigen Verhalten des [X.] zu [X.] und unter Beweis zu stellen.

Die Parteien haben bereits in erster Instanz eingehend darüber gestrit-ten, ob die Beklagte den Schaden durch ein ihr gemäß §
428 Satz
2 HGB [X.] qualifiziertes Verschulden des [X.] verursacht hat. Diese Frage war einer der Hauptstreitpunkte im Berufungsverfahren. Unter die-sen Umständen hätte die Klägerin auch ohne einen richterlichen Hinweis nach §
139 Abs.
1 ZPO umfassend zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer be-wussten Leichtfertigkeit der [X.] vortragen
müssen
(vgl. [X.], [X.] 2011, 218 Rn.
23).

3. Der Senat kann den Rechtsstreit
auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und der in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen abschlie-ßend entscheiden (§
563 Abs.
3 ZPO).

a) Der Umfang des von der [X.] gemäß §
425 Abs.
1, §
428 Satz
2 HGB zu leistenden Schadensersatzes
bestimmt sich nach §
429 Abs.
2 Satz
1 HGB. Maßgeblich ist danach der Wert des zu transportierenden [X.] am Ort und zur [X.] der Übernahme im unbeschädigten und im beschädigten Zustand. Der gemäß §
429 Abs.
2 Satz
1 HGB zu berechnende Schadensersatz wird
allerdings
wenn kein qualifiziertes Verschulden im Sinne von §
435 HGB vor-liegt
durch die Regelungen in §
431 Abs.
1 und 2 HGB begrenzt. Gemäß §
431 Abs.
1 HGB haftet der Frachtführer wegen Beschädigung der gesamten 30
31
32
33
-
16
-
Sendung höchstens bis zu einem Betrag von 8,33
Rechnungseinheiten für je-des Kilogramm des Rohgewichts der Sendung. Ist
wie im vorliegenden Fall

nur ein Teil der Sendung entwertet, haftet der Frachtführer höchstens auf einen Betrag von 8,33
Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts des entwerteten Teils der Sendung (§
431 Abs.
2 Fall
2 HGB).

Der beschädigte [X.] hatte ein Gewicht von 280
kg. Nach §
431 Abs.
4 Satz
1 HGB ist die in §
431 Abs.
2 HGB genannte Rechnungseinheit das Sonderziehungsrecht des [X.]. Der Betrag wird ge-mäß §
431 Abs.
4 Satz
2 HGB in [X.] entsprechend dem Wert des [X.] ge-genüber dem Sonderziehungsrecht am Tag der Übernahme des [X.] umge-rechnet. Die Beklagte hat [X.] am 31.
Oktober 2007 übernommen. An [X.] hatte das Sonderziehungsrecht einen Wert von 1,08804

errechnet sich eine von der [X.] für die Beschädigung des [X.] geschuldete Schadensersatzleistung von 2.537,74

b) Gemäß §
430 HGB hat der Frachtführer bei Verlust oder
wie hier

Beschädigung des [X.] über den nach §
429 HGB zu leistenden Ersatz hin-aus die Kosten der Feststellung des Schadens zu tragen. Diese belaufen sich im Streitfall unstreitig auf 895

c) Die von der Klägerin geltend gemachten vorgerichtlichen [X.] sind nur in Höhe von 359,50

weil er den Schadensersatzanspruch der Klägerin außergerichtlich mit [X.] vom 6.
November 2008 verfolgt hat, die 1,3fache Geschäftsgebühr verlan-gen. Darüber hinaus steht ihm für die Vertretung der Klägerin in dem denselben Gegenstand betreffenden Rechtsstreit vor dem [X.] [X.] eine 1,3-fache Verfahrensgebühr zu. Insoweit ist jedoch die [X.] des §
15a Abs.
1 [X.] zu beachten. Danach kann der Rechtsanwalt beide (densel-34
35
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-
17
-
ben Gegenstand betreffenden) Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den

gemäß Vorbemerkung
3 Abs.
4 Satz
1 [X.] zu ermittelnden

Anrech-nungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.

Für die Berechnung der 1,3fachen Geschäftsgebühr ist allerdings nicht von einem Geschäftswert in Höhe von 7.904

der begründeten Schadensersatzforderung in Höhe von 3.432,74

e-hen. Die 1,3-fache Gebühr beläuft sich bei diesem Geschäftswert auf 282,10

Hinzu kommen die Auslagenpauschale gemäß Nr.
7007 VV-[X.] in Höhe von 20

7008 VV-[X.]
(19%) in Höhe von 57,40

II[X.] Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der [X.] im Kostenpunkt und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben. [X.] ist die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §
92 Abs.
1 Satz
1, §
97 Abs.
1 ZPO.

Bornkamm
Pokrant
Büscher

Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 16.04.2010 -
39 O 183/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.11.2010 -
I-18 [X.]/10 -

37
38
39

Meta

I ZR 214/10

12.01.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2012, Az. I ZR 214/10 (REWIS RS 2012, 10211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10211

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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